„Die reden wenigstens Klartext …“

Sonntag muss ich wählen. Nein, Sonntag darf ich wählen – Landtagswahl in NRW. Ich will es mir nicht leicht machen und einfach die wählen, die ich beim letzten Mal gewählt habe. Also befrage ich den Wahl-o-Mat. Ergebnis: zwei Parteien entsprechen zu 70% meinen politischen Vorstellungen. Hm, keine Klarheit. Ich schaue TV-Duelle, lese Parteiprogramme und -flyer, die in meinem Briefkasten landen. Ich will ja nicht nach der Schönheit der Kandidaten und Kandidatinnen in meinem Wahlkreis gehen …

Wir bekommen auch ein Heft von der AfD. Trotz aller Vorbehalte werfe ich es nicht gleich weg, sondern lese rein. Vor allem die Schulpolitik interessiert mich. Die AfD ist für die Beibehaltung des mehrgliedrigen Schulsystems. Finde ich gut. Die AfD will auch die Rückkehr zu G9 (sehr gut) und kleinere Klassen (wer will das nicht?). Aber dann steige ich weiter ein: „Inklusion schadet Kindern sowohl mit als auch ohne besonderen Förderbedarf.“ Da hört es für mich auf. Klar, Inklusion funktioniert an vielen Schulen nicht gut, weil es zu wenig (Sonder-) Pädagogen gibt. Aber meine Kinder haben das Glück, auf einer Schule zu sein, die schon seit 25 inklusiv unterrichtet. Und davon profitieren Kinder mit und ohne besonderen Förderbedarf!

Um mich in Bezug auf die AfD weiter schlau zu machen, greife ich zum druckfrischen Buch von Andreas Malessa: „Als Christ die AfD unterstützen?“ (Brendow Verlag). Ich schätze Andreas Malessa als einen unglaublich schlauen und differenziert denkenden Menschen. Der Journalist und gelernte Pastor hat so viel Herz und Verstand, wie man es sich auch von Politikern wünscht.

Das Buch ist leicht und schnell zu lesen und bietet eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Positionen, die der AfD oft zugeschrieben werden: „Die reden wenigstens Klartext“, „Die sind gegen die Islamisierung“, „Die sind auch christlich-demokratisch“ …

Andreas Malessa geht auf die verschiedenen Aspekte ein und beleuchtet sie von verschiedenen Seiten. Er enthüllt Zusammenhänge, die ich bisher nicht wahrgenommen hatte und zeigt die Widersprüche auf, die sich an vielen Stellen zeigen. So spricht sich die AfD gegen „importierte kulturelle Strömungen“ aus, die „der einheimischen Kultur gleichgestellt“ werden. Malessa leicht ironisch: „Die erste ‚importierte kulturelle Strömung‘ war der Glaube einiger orientalischer Judenchristen und frommer Römer, dass Jesus der Messias und von den Toten auferstanden sei!“

Was mir an dem Buch besonders gefällt, ist, dass Andreas Malessa nicht nur die AfD kritisch in Augenschein nimmt und sich nicht auf die eine oder andere Seite ziehen lässt. Er kritisiert Gender-Befürworter genau wie Gender-Gegner, er hinterfragt Muslime wie Christen und zeigt auf, dass die Einstellung vieler Christen aus dem konservativen oder freikirchlichen Milieu wenig gemein hat mit dem medialen Bild, das von ihnen gezeichnet wird – gerade im Hinblick auf die Flüchtlingsthematik.

Nach der Lektüre bin ich mir jedenfalls sicher, welche Partei ich nicht wählen werde. Welche ich wählen werde? Ich habe da schon eine Idee …

Bettina Wendland

Redakteurin bei Family/FamilyNEXT

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