Ein wenig Freund – ein wenig Eltern

Wie eine ganz besondere Beziehung entstehen kann

„Wenn alles gut geht, dann investierst du gut zehn Jahre in dein Kind, und anschließend hast du einen lebenslangen Freund an deiner Seite.“ So ähnlich habe ich es neulich gelesen. Auf dem Weg zu dieser außergewöhnlichen Freundschaft ist die Pubertät eine besondere Zeit. Im Miteinander mit den Kindern kommt dort beides zum Zug: mein Freundin-Werden und mein Mama-Sein.

Meine Kinder haben mit 13 und 17 Jahren diese Schwelle der „gut zehn Jahre“ bereits überschritten. Ich spüre an vielen Stellen, dass wir langsam Freunde werden. Neulich sitze ich am Küchentisch mit meiner Großen, sie erzählt etwas und plötzlich sagt sie: „Mama, ist was passiert? Du guckst so traurig.“ Eigentlich hatte ich gedacht, ich könne ihr meinen Kummer verheimlichen, aber das ging dann nicht mehr. Mit kurzen Worten konnte ich sie mit hineinnehmen, ihr das sagen, was ich preisgeben wollte. Und sie? Stand auf, drückte mich und sagte ihren Kommentar. Es war das erste Mal, dass mein fast erwachsenes Kind mich in dieser Tiefe getröstet hat. Eine völlig neue Erfahrung!

„Stolz auf dich“

Einige Monate zuvor: Wir sind in unserer alten Heimat, in der ich eine Lesung aus meinen Büchern halte. Mein Sohn macht den Büchertisch. Als alles vorbei ist und wir wieder nach Hause fahren, kommt vom Rücksitz eine Stimme: „Du, Mama, ich bin richtig stolz auf dich!“ Ich schlucke, wende den Kopf nach hinten, ob ich mich vielleicht verhört habe. Denn das ist ja nun nicht das Übliche, was man von einem 13-Jährigen zu hören bekommt. Aber ich habe mich nicht verhört. Selten hat mich ein Lob so beflügelt wie dieses.

Natürlich ist diese Freundschaft anders als meine anderen Freundschaften; das wird vielleicht auch so bleiben. Meine Kinder und mich trennen viele Jahre und auch viele Welten. Aber trotzdem wächst hier ein neues Miteinander, in dem Kinder nicht nur Empfangende sind. Es steht uns als Eltern gut an, wenn wir den neuen Ton bemerken und darauf eingehen. Denn das wünschen sich doch die Teens, wenn sie so auf uns zukommen. Letztlich wird es darum gehen, auf einer neuen Ebene miteinander umzugehen.

Verantwortung übertragen

Trotzdem bin ich natürlich „Mama“ meiner jugendlichen Kinder. Beispielsweise versorgen wir als Eltern unsere Kinder mit dem, was sie brauchen. Vor allem bin ich eine Mama, an der man sich reiben kann: Ich setze Grenzen, wann jemand nach Hause kommen soll oder wie lange die Medien benutzt werden können. Ich möchte Halt geben in so manchen Auseinandersetzungen, die mitunter auch keinen Spaß machen. Ich muss Konsequenzen einfordern, wenn Dinge, die wir besprochen haben, gar nicht gut gelaufen sind.

Außerdem muss ich meinen Teens Verantwortung übertragen: Sie sollen lernen, Termine selbst im Kopf zu behalten oder sich mit Bus und Bahn allein und sicher zu bewegen. Ich möchte sie ermutigen, weil sie vielen Anforderungen gerecht werden müssen in unserer hektischen Welt. Ich möchte sie loben, weil ich immer wieder über ihre Gaben und Eigenschaften staune und mich daran freue.

Einige dieser Mama-Aufgaben machen richtig viel Spaß. Wer genießt es nicht, wenn der eigene Sprössling in einem Konzert Erfolg hat oder einen Gottesdienst super moderiert? Andere Mama- Aufgaben sind nicht so lustig. Die gehören halt dazu.

Manchmal kann ich sie umso leichter ausfüllen, weil ich eben auch das andere miterlebe: Wir werden langsam ein wenig Freunde! Mal sehen, wohin das noch führt …

Kerstin Wendel ist Autorin und Referentin und lebt mit ihrer Familie in Wetter an der Ruhr.

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