Mal wieder diese schlimmen Eltern!

Passend zu den Halbjahreszeugnissen hat die Bertelsmann Stiftung Studienergebnisse zum Thema Nachhilfe veröffentlicht: Demnach bekommen rund 14 Prozent der deutschen Schüler zwischen 6 und 14 Jahren Nachhilfe. Das Erstaunliche: ein Drittel der Schüler nutzt die zusätzliche Förderung, obwohl die Noten zwischen sehr gut und befriedigend liegen.

Erstaunlicher finde ich allerdings, dass viele Medien daraus eine Riesengeschichte machen, die sich so liest, als ob das ein Megatrend sei und nun alle Eltern ihre Kinder zum Einser-Abi drängen. „Immer mehr gute Schüler nehmen Nachhilfe“, heißt es. Oder dass es in vielen (!) Familien Alltag sei, dass ein Kind trotz einer 2 Nachhilfe bekomme.

Vielleicht hätten die zuständigen Journalistenkollegen in Mathe besser aufpassen oder selbst Nachhilfe nehmen sollen. Denn: 14 Prozent aller Schüler bekommen Nachhilfe, ein Drittel davon haben gute Noten, sprich: Auf weniger als 5 Prozent der Schüler trifft es zu, dass sie trotz guter Noten Nachhilfe nehmen. Ist das etwa viel? Gut, es mag grundsätzlich absurd sein, bei solchen Noten an Nachhilfe zu denken. Aber ich finde es angesichts ebenso absurder Numerus-clausus-Erfordernisse – beispielsweise ein Einser-Schnitt für Soziale Arbeit – durchaus verständlich, dass der eine oder andere sich ein bisschen Unterstützung holt, damit der gewünschte Studiengang in erreichbare Nähe rückt. Oder die Qualifikation für die Oberstufe.

Und übrigens: Im internationalen Vergleich liegen wir im unteren Mittelfeld, was die Nutzung von Nachhilfe angeht. Ist also alles gar nicht so schlimm!

Aber es macht sich immer gut, auf diese „schlimmen Eltern“ zu schimpfen. Mal sind sie überbehütende Helikopter-Eltern, mal streberhafte Schulstressmacher, mal überehrgeizige bis prügelnde Fußballeltern. Natürlich gibt es die. Leider. Aber es wird schnell der Eindruck erweckt, dass es die Mehrheit der Eltern sei und nicht bloß eine Minderheit. Sicherlich gibt es den Trend, dass immer mehr Eltern ihr Kind um jeden Preis aufs Gymnasium schicken wollen. Aber die große Mehrheit der Eltern geht sehr verantwortungsvoll mit den Anforderungen um, die sie und die Gesellschaft an ihr Kind stellen. Viele Eltern machen sich lange Gedanken darüber, welche Schule die beste ist für ihr Kind. Und den meisten geht es dabei um das Wohl ihres Kindes.

Aber es ist ja so einfach, sich über die Eltern zu beschweren. Ich muss zugeben, dass ich auch gern in dieses Muster verfalle und Pauschalurteile fälle. Diese Nachhilfe-Studie hat mir mal wieder gezeigt, dass es wichtig ist und sich lohnt, genau hinzugucken. Und seine Wortwahl zu bedenken. Fünf Prozent sind nicht „viel“. Und die meisten Eltern machen ihren Job richtig gut!

Bettina Wendland

Family-Redakteurin

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