„Überlebt ohne Papa“

Seit einem Jahr lebt Anne Noll getrennt von ihrem Mann allein mit ihren drei Kindern. Sie gibt Einblick in ein Jahr voll Trauer, Schmerz und neuer Herausforderungen.

Als ich ein Kind war, fürchtete ich mich vor dem Erwachsenwerden. Meine Mutter verglich für mich damals das Leben mit einem Haus, in dem man von Lebensphase zu Lebensphase in ein anderes Zimmer geht. „Man bleibt im gleichen Haus“, sagte sie, „und du hast einen Faden in der Hand, an dem kannst du den Weg auch mal zurückfinden.“ Sie tröstete mich mit diesem Bild, gab mir das Gefühl von Geborgenheit wieder. Ein neues Zimmer in meinem Lebenshaus beziehen muss ich auch jetzt. Von jetzt an getrennt und alleinerziehend. Im fünften Monat schwanger mit unserem dritten Kind. Da ist das Leben wieder zum Fürchten. Wenn auf einmal alles anders ist, weil deine große Liebe jetzt auf blond steht. Wenn dir der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Wenn du wieder Liebeskummer hast wie eine 16-Jährige. Wenn nicht mal mehr Family-Lesen Spaß macht, weil deine eigene Family nicht mehr ist, was sie mal war …

Abgezäuntes Terrain

Ein Jahr ist jetzt geschafft. Wir haben überlebt. Ohne Papa, ohne Ehemann – und ohne die beiden großen Halb- Geschwister, die mit dem Papa gemeinsam auszogen, weil sie seine und nicht meine leiblichen Kinder sind. Das Loch, das sie hinterließen, befindet sich in streng abgezäuntem Terrain. Einer der Engel, die mich durch dieses Jahr trugen (Engel haben ja nicht immer Flügel, sondern manchmal auch Kaffee und Zeit oder die richtigen Globuli), sagte neulich zu mir: „Anne, du hast das Trauern aufgegeben.“ Ein Warnton klang mit in dieser Feststellung. Seitdem wage ich mich hin und wieder mal an den Zaun. Empfinde den Verlust jedes Mal wieder mit tiefem Schmerz und verbrauche unendlich viele Taschentuchpackungen und Telefonminuten.

3 Kommentare
  1. Simone Halle sagte:

    Vor 1 1/2 Jahren ist mein Mann und der Vater meiner 3Kinder(5,17,19 Jahre) ausgezogen. Das Jahr davor war extrem schwierig . Trotzdem kam alles sehr überraschend – wir hatten ja auch noch unseren Glauben… .Die Zeit war sehr hart, da ich die Kinder immer auffangen mußte, weil es ihnen zeitweise sehr schlecht ging. Ich selber hab nur durchgehalten, weil
    Gott mich immer wieder hat spüren, dass er da ist und mich nie alleine lässt! Und weil immer wieder Leute für mich da waren und mir zugehört haben bzw. geholfen haben. Irgendwann habe ich erfahren, dass er eine Freundin hat (was auch schon bei der Trennung ein Thema war) und die Scheidung möchte.Er war nie bereit eine Ehe-Therapie zu versuchen… .
    So kommt bald eine Scheidung auf mich zu.Die Trauer über das Alleine-gelassen-werden, über die schiefgelaufene Beziehung ist immens. Und immer die Frage:Wie schaffe ich das alleine? Wie gehts weiter?Werde ich je wieder jemand richtig vertrauen können? Ich bin -wie Frau Noll- auch auf der Suche nach einem Zimmer, das „alleierziehend“ heißt und für mich gut bewohnbar ist.

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  2. Annika sagte:

    Liebe Frau Noll,

    ich habe Ihren Artikel mit großer innerer Anteilnahme gelesen. Seit 14 Jahren bin ich nun allein mit den Kindern. Mein Mann hat uns damals wegen einer Anderen verlassen. Die Kinder waren 7 Monate und 2 J. Der Kleine hat in dieser Zeit Neurodermitis bekommen und ich habe, genau wie Sie, oft das Wort „überlebt“ benutzt, wenn ich von dieser Zeit meines Lebens gesprochen habe…
    Ich finde es sehr bewundernswert, dass Sie in dieser schwierigen Situation noch das Tagesziel haben, dass jedes Kind etwas zum Freuen hat. Mir ist das so nicht gelungen. Ich war am Anfang so geschockt und mit dem Alltag oft überfordert. Gerade mein ältester Sohn war sehr verstört und hatte massive Ängste. Er hat die Wohnung nur schreiend verlassen und beruhigte sich erst wieder, wenn wir irgendwo sicher angekommen waren. Bis heute hat er Schwierigkeiten mit Veränderungen und neuen Umgebungen. Sein Urvertrauen geriet damals völlig aus dem Gleichgewicht. Ich glaube für uns Alleinerziehende ist es enorm wichtig in diesen ganzen Herausforderungen und oft geraden wir total an unsere psychischen und physischen Grenzen, nicht bitter zu werden und einen tiefen Groll auf den Ex-Partner zu entwickeln.
    In Ihrem Artikel konnte ich sehen, dass Sie auf einem guten Weg sind, die Trennung zu überwinden. Sie haben überlebt und Sie werden es schaffen, dass sich Ihr Leben und das Ihrer Kinder wieder mit Lachen und Leben füllt! Das geht zwar nicht von heute auf morgen, denn Trauer, Heilung und Wiederherstellung brauchen Zeit! Deshalb geben Sie nicht auf!! Ich möchte Sie da ermutigen!! Das Leben wird wieder bunt werden!!! Und Gott hat immer noch einen Plan für Ihr Leben. Für ihn ist nichts unmöglich!!
    Seien Sie ganz herzlich gegrüßt!!
    Annika

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  3. Eckart sagte:

    Gottes Plan ist, dass jedes Kind zwei Elternteile hat. Bitte bedenken Sie, dass getrennt lebend nicht automatisch allein erziehend ist. Das Ziel sollte dann nach Möglichkeit getrennt erziehend sein. Wir sind es unseren Kindern schuldig, ihnen beide Eltern und Herkunftfamlien zu erhalten!

    Der vamv ist da keine zielführende Empfehlung.

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