Beiträge

Sie bringt mich zur Weißglut!

„Meine Teenie-Tochter (15) und ich rasseln immer häufiger aneinander, ja, sie bringt mich richtig zur Weißglut! Neulich habe ich sie angeschrien und mich danach total schrecklich gefühlt – sie sich natürlich auch. Wie kriege ich es hin, meine Wut unter Kontrolle zu halten, ihr aber auch zu vermitteln, wo sie meine Grenzen überschreitet?”

Diese Zeiten fordern viel – von Eltern und den Teens. Gerade war man als Familie noch ein eingespieltes Team, nun trifft die Pubertät mit irritierenden Pfeilen in die vertrauten Beziehungen. Die Heranwachsenden suchen Halt in ihrer sich so stark verändernden Welt. Halt, den sie sich tatsächlich besonders in der Familie suchen. Paradoxerweise geschieht dies gerade bei Vertrauten durch Pöbeln, Motzen, Provozieren und Boykottieren. Paradoxerweise, denn das Abgrenzen durch Bemerkungen und Sticheleien fühlt sich nicht an, als würde der oder die Jugendliche Halt suchen. Ja, Teenager sind gute Beobachter und haben über ihre Eltern durch die gemeinsame Lebenszeit ausreichend „belastendes“ Material angesammelt. Mit wenigen Bemerkungen werden Treffer gelandet, die gerade Eltern schmerzhaft aus dem Gleichgewicht bringen. Nicht selten sind Schnappatmung, plötzlicher Zorn und Empörung nach einem gut gesetzten Teenie-Blick oder Kommentar die Begleiterscheinungen für Eltern von Pubertierenden auf der Suche nach Halt.

STOPPSCHILD AUFSTELLEN

Gerade weil der junge Mensch Halt sucht, ist es notwendig, dass Eltern bewusst ihr Stoppschild sichtbar machen. Geben Sie Ihrer Tochter Halt durch eine klare Haltung. Bedenken Sie: Ihre Tochter bringt zwar persönlich verletzende Argumente vor, es geht ihr aber nicht um die Beziehung.

Sie testet unbewusst: Halten meine Eltern das aus? Sie als Eltern dürfen die angespannte Situation verlassen, sich gegebenenfalls sogar gegenseitig an das Verlassen erinnern. Einige Familien einigen sich auf Codewörter, die beide Seiten nennen dürfen. Andere verabreden zusammen, dass sie nicht das Haus verlassen, aber im Schlafzimmer ungestört sein können.

Das Verlassen der akuten Situation erscheint Eltern paradox, weil sie ihren aufgeplusterten Giftschützen unbedingt im Vollzug das „So nicht!“ verdeutlichen und ihre Macht demonstrieren wollen. Das fördert aber eher den Willen nach Unabhängigkeit des Jugendlichen und eine weitere Stufe der Emotionen wird freigeschaltet. Die gewünschte Einsicht ist allein von der Gehirnbeschaffenheit im Streit nicht möglich und führt eher zu Eskalationen, die die Beziehung sehr belasten.

IM GESPRÄCH BLEIBEN

Nehmen Sie in einem ruhigeren Moment das Gespräch mit der Tochter wieder auf. Rutschen Sie dabei nicht auf ihre Stufe und reagieren Sie nicht nachtragend. Die Frage: „Wie ging es dir im letzten Streit mit mir?“ hilft, sich gegenseitig neu kennenzulernen und den wirklichen emotionalen Druck des Haltsuchenden als Eltern zu verstehen. Dabei kann auch zur Sprache kommen, welche verletzenden Kommentare Sie von Ihrem austickenden Teen nicht mehr hören möchten. Im Gespräch zu bleiben, ist die Grundvoraussetzung für das Überleben der Beziehungen. Dann kann es auch nach Turbulenzen später wieder Humor und Respekt geben.

Stefanie Diekmann ist Pädagogin, Trainerin für Eltern und Autorin. Sie gestaltet mit ihrem Mann die EFG Göttingen und genießt ihre Familie. Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

Im Bann der Dämonen?

„Schon lange geht unsere Tochter (18) nicht mehr mit uns zum Gottesdienst. Sie trägt dunkle Kleider und hört düstere Musik. Um ihren Hals baumelt ein umgedrehtes Kreuz und auf ihren Handrücken hat sie sich ein Pentagramm tätowieren lassen. Oft verschwindet sie über Nacht. Auch ihre Freunde sind düstere Gestalten. Ich habe Sorge, dass sie an Satanisten geraten ist. Wie kann ich ihr helfen?“

Mit dem Satanismus verbindet man gemeinhin bedrohliche und bedrückende Vorstellungen von schwarzen Messen mit ritueller Gewalt und vielleicht sogar mit rassistischen und rechtsradikalen Tendenzen. Doch ich möchte Sie beruhigen: Solche Extreme sind eher selten, ja unwahrscheinlich und lassen sich zudem recht gut erschließen.

Verständnis statt Ablehnung

Wenn Jugendliche, wie Ihre Tochter, sich mit dunkler Kleidung und satanischen Symbolen ausstatten und sich nachts treffen, handelt es sich womöglich um eine harmlose Adoleszenzerscheinung. Auf dem Weg zum Erwachsenwerden müssen junge Menschen Entwicklungsaufgaben bewältigen. Dazu gehört auch die Entwicklung eigener Wertmaßstäbe. Auf dem Weg zu einer eigenständigen Persönlichkeit distanzieren sich Jugendliche daher häufig von den als Kind übernommenen elterlichen Wertmaßstäben. So gesehen ist es normal, dass Ihre Tochter nicht mehr mit Ihnen in den Gottesdienst geht. Im Zuge dieser Abgrenzung können sich die prägenden Familienwerte durchaus ins Gegenteil verkehren. Das ist jedoch keine endgültige Abkehr, sondern ein Ausdruck der Suche nach selbstbestimmten Werten.

Sie merken, das beunruhigende Verhalten folgt einer gewissen Logik. Versuchen Sie, Verständnis dafür aufzubringen, anstatt Ablehnung zum Ausdruck zu bringen. Es lohnt sich, offen und neugierig nachzufragen und quasi nebenbei als aktiv Zuhörende zu erfahren, ob und was Ihre Tochter in diesen nächtlichen Treffen praktiziert, wie es ihr in den neuen Kreisen geht, ob sie nur mit gleichgesinnten Jugendlichen Zeit verbringt, die sich auch näher kennenlernen lassen. Beziehung kann nur gelingen, wenn alle Beteiligten aufrichtig sind. Bringen Sie Ihre Sorge zum Ausdruck, dass die neuen Kontakte womöglich gefährlich sein könnten, und lassen Sie sich vom Gegenteil überzeugen. Bleiben Sie dabei ruhig, aufmerksam und beharrlich.

Extrem verschwiegen?

Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass Ihre Tochter sich einem praktizierenden Satanistenkreis angeschlossen hat. Sie erkennen das an der Offenheit Ihrer Tochter: Teilt sie Probleme weiterhin mit Ihnen oder ist sie extrem verschwiegen, ängstlich, verunsichert oder provozierend? Möglicherweise gibt es auch äußere Hinweise auf rituelle Praktiken: Gibt es zum Beispiel auffällige schwarze Kostüme, ein besonderes Interesse an schwarzen Kleintieren oder Gegenstände, die möglicherweise in schwarzen Messen benutzt wurden? Gibt es unerklärliche Schnittwunden, blaue Flecken oder verschnittenes Haar? Sollten sich Ihre Befürchtungen nicht zerstreuen lassen, finden Sie zum Beispiel bei der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen persönliche Beratungsangebote:
www.ezw-berlin.de

Marco Wolff ist Lehrer und pädagogischer Ausbilder, engagiert sich im Help!-Team der Zeitschrift Teensmag und lebt in Northeim bei Göttingen. Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

Besuche anmelden?

„Unsere Tochter kommt gern spontan vorbei, ohne vorher Bescheid zu sagen. Ehrlich gesagt, stört mich das. Ich habe aber die Sorge, dass sie sich nicht mehr willkommen fühlt, wenn ich sie bitte, ihre Besuche anzukündigen.“

Genauso wie Kinder sehr unterschiedlich sind, gibt es auch unterschiedliche Eltern. Während die einen nach dem Auszug der eigenen Kinder am liebsten weiterhin über jeden Schritt genau unterrichtet wären, sind andere Eltern gar nicht so unglücklich darüber, dass sie ihren Tagesablauf wieder nach eigenen Bedürfnissen ausrichten können und sich nicht ständig nach den Kindern richten müssen. Es gibt hier kein „richtig“ oder „falsch“. Deshalb müssen Sie sich nicht schlecht dabei fühlen, wenn Sie jetzt, nach dem Auszug Ihrer Tochter, für sich selbst Grenzen ziehen möchten.

AUSGEZOGEN – ABER AUCH ABGENABELT?
Wichtig ist es jedoch, dass Sie trotzdem auch die Seite Ihrer Tochter sehen. Mit dem Auszug aus dem Elternhaus vollzieht sich für Ihre Tochter die endgültige Abnabelung von den eigenen Eltern. Manche Kinder genießen das in vollen Zügen und melden sich nur noch sporadisch zu Hause. Andere dagegen brauchen einen „Anker“. Sie wünschen sich einen festen Platz, an den sie immer wieder zurückkehren und zur Ruhe kommen können. Dieser Ruhepunkt ist das eigene Elternhaus. Möglicherweise ergibt sich das Bedürfnis, diesen Fluchtpunkt aufzusuchen, für Ihre Tochter sehr spontan.

GEÄNDERTER TAGESABLAUF DER ELTERN
Reden Sie mit Ihrer Tochter darüber, dass Sie nach ihrem Auszug einen anderen Tagesablauf haben und es deshalb notwendig ist, dass Sie über spontane Besuche vorher informiert werden. Machen Sie Ihr klar, dass Sie sich natürlich über ihre Besuche freuen, aber dass Sie nicht möchten, dass Ihre Tochter bei einem unangemeldeten Besuch vor verschlossener Tür steht. Sollte Ihre Tochter noch einen Wohnungsschlüssel haben, so besprechen Sie mit ihr, dass dieser Schlüssel nur für Notfälle gedacht ist und nicht zum Betreten der Wohnung während Ihrer Abwesenheit.

MIT EINFÜHLUNGSVERMÖGEN ABGRENZEN
Erklären Sie ihr, dass Sie sie gerne jederzeit willkommen heißen und ihr auch extra das Lieblingsessen kochen oder die Lieblingsschokolade im Kühlschrank lagern, aber dass das nur möglich ist, wenn Sie vorher Bescheid sagt. Im ersten Moment ist es für erwachsene Kinder sicherlich nicht einfach, plötzlich wie ein Besucher behandelt zu werden. Wenn Sie jedoch Ihr Anliegen in die richtigen Worte kleiden, wird Ihre Tochter Sie sicherlich verstehen. Erwachsene Kinder ziehen aus, um ihr eigenes Leben zu leben. Dieses eigene Leben steht jedoch auch den Eltern zu. Deshalb müssen Eltern kein schlechtes Gewissen haben, wenn sie nach Auszug der Kinder ihren Tagesablauf ändern und infolgedessen darauf bestehen, dass sich die Kinder bei einem Besuch anmelden.

Ingrid Neufeld ist Erzieherin und Mutter von drei inzwischen erwachsenen Töchtern. Sie lebt in Mittelfranken.