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Expertin rät: Dann macht ein Kita-Wechsel Sinn

Wenn sich ein Kind im Kindergarten nicht wohlfühlt, muss das nicht bedeuten, dass die Einrichtung nicht passt. Erzieherin Anika Schunke gibt Tipps, wie man Kindern helfen kann und ab wann ein Wechsel sinnvoll ist.

Ein Einrichtungswechsel ist immer möglich, jedoch eine heikle Sache. Denn wer weiß, wann ein Platz frei ist und ob sich das Kind in dieser Einrichtung dann wohl fühlt. Erfahrungsgemäß gibt es Kinder, die, wenn sie die Wahl haben, immer zu Hause bleiben wollen. Wann sollte also ein Wechsel in Betracht gezogen werden?

Bevor man das Prozedere „Einrichtungswechsel“ startet, sollten folgende Lösungsansätze ausgeschöpft werden:

Gespräche

Der wichtigste Schritt ist der, auf die Fachkräfte zuzugehen. Besprechen Sie Ihre Sorgen, lassen Sie sich erzählen, was Ihr Kind macht, wenn es in der Einrichtung ist. Besprechen Sie, was getan werden kann, um dem Kind das Ankommen zu erleichtern. Hierbei helfen Kuscheltiere und feste Abschiedsrituale meist am besten. Zum Beispiel können Sie selbst mit Ihrem Kind ein Puzzle machen, ihm das Frühstück auspacken helfen, Sie können von außen zum Abschied noch einmal winken, das Kind kann für Sie ein Bild malen, die Fachkräfte kümmern sich die erste Zeit etwas intensiver um das Kind oder Sie holen es früher ab. Es gibt viele Möglichkeiten, solche Situationen zu gestalten. Vielleicht kann Ihr Kind sagen, was hilft, was es braucht und möchte. Sprechen Sie mit anderen Eltern aus der Gruppe. Diese können Ihnen auch ein Bild davon geben, was das Kind macht und ob es sich wirklich nicht wohl fühlt.

Pausentag

Wenn es Ihnen möglich ist, lassen Sie Ihr Kind einen Tag zu Hause oder richten einen Opa/Oma-Tag ein. Manchmal sind fünf Tage einfach anstrengend und es hilft dem Kind, die anderen Tage zu meistern, da es sich auf diesen Tag freuen kann. Und die Tage vergehen schneller, es fällt dem Kind leichter, in der Einrichtung zu sein, und es findet immer mehr Dinge, die ihm gefallen.

Gruppenwechsel

Manchmal stimmt die Chemie einfach nicht. Da hilft vielleicht ein Gruppenwechsel. Hier hat das Kind die Chance, in dem bekannten Umfeld neue Erfahrungen zu machen, die seine Sicht auf die Dinge ändern können. Geben Sie Ihrem Kind Zeit, sich an die neuen Lösungen zu gewöhnen, diese anzunehmen und zu verinnerlichen.

Wenn das nun alles über einen längeren Zeitraum ausprobiert wurde und keinerlei Besserung bringt, dann sollten Sie den Einrichtungswechsel beginnen. Es sind prägende Jahre und diese sollten so positiv wie möglich gestaltet werden.

Anika Schunke wohnt mit ihrer Familie in der Nähe von Karlsruhe. Hauptberuflich ist sie als Erzieherin tätig. Darüber hinaus ist sie Autorin und Referentin mit dem Schwerpunkt Bewegung.

10 Tipps: So können Sie den Auszug der Kinder feiern

Wenn die Großen das Haus verlassen, ist das ein wichtiger Moment. Zweifach-Mama Kerstin Wendel gibt Tipps, wie Tag X zum Highlight wird.

Der Tag X – im Leben vieler Familien gibt es ihn: den Tag, an dem der Sohn oder die Tochter das Haus verlässt. Sie brechen auf zum Freiwilligen Sozialen Jahr oder zum Studium, zur Ausbildung oder zur „Weltreise“, um sich mit Work and Travel über Wasser zu halten. Herrliche Freiheit ruft. Großartige Erfahrungen locken. Das pralle Leben wartet. So die Erwartung der Aufbrechenden, verbunden vielleicht mit ein bisschen Wehmut oder Respekt vor dem Neustart ganz allein.

Für die Familie ist Tag X ein großer Einschnitt – für die loslassenden Eltern, das freiheitsliebende Kind, aber auch für eventuell vorhandene Geschwister. Der gemeinsame Alltag mit seiner Routine, der Geborgenheit, dem Spaß und den Möglichkeiten, aber auch mit allen Reibungspunkten wird so in Zukunft nicht mehr stattfinden. Das riecht ein bisschen nach Abschied vor dem Neubeginn.

Erinnerungen teilen

Unsere beiden Kids drängten beide ins Freiwillige Soziale oder Ökologische Jahr „raus ans Meer“. Wir Wendels haben ihre Entscheidungen sehr begrüßt. Wir wissen um unsere Begrenztheit als Eltern und vertrauten darauf, dass unsere Kids woanders gut weiterwachsen würden.

Am Abend vor dem Tag X haben wir jeweils ein Abschiedsfest gefeiert. Nur wir vier (nach Lisannes Auszug wir drei). Es gab leckeres Essen, das ich vorher mit der Familie abgesprochen hatte. Außerdem hat das ausziehende Kind ein persönliches Lesebuch bekommen. Darin waren Erinnerungen und Sprüche aus der Kindheit notiert, gesammelt in den 18 Lebensjahren. Es hat Spaß gemacht, noch mal die eine oder andere Erinnerung zu teilen und kräftig zu lachen. Da gibt es ja genug Stürze, Sprüche, Missgeschicke, Witziges, Chaotisches, was zu den gemeinsamen Erinnerungen gehört. Weißt du noch? Wir haben an dem Abend auch miteinander gebetet und unseren Sohn beziehungsweise unsere Tochter für den neuen Lebensabschnitt gesegnet.

Neustart ohne Auszug

Und was ist, wenn es den Tag X nicht in Form eines Auszuges gibt? Vielleicht bleibt das Kind zu Hause und studiert von dort aus? Oder es hat eine Ausbildung oder einen FSJ-Platz am Heimatort? Oder es ist krank oder behindert, sodass ein Umzug aktuell nicht in Frage kommt? Auch wenn kein Umzug mit dem Neustart verbunden ist, bietet sich ein Fest an. Denn der junge Mensch ist nun erwachsen. Es sollte klar sein, dass er nun mehr Rechte und vielleicht auch mehr Pflichten zu Hause hat. Man kann trotzdem ein Abschiedsfest gestalten, vielleicht auch gemeinsam planen, wie das Miteinander nun weiterlaufen kann. Was gibt es für Wünsche, Hoffnungen, Ideen?

Für mich als Mutter ist die Erinnerung an dieses Abschiedsfest wichtig gewesen, besonders in der Abschiedszeit, die zunächst etwas tränenreich war. Sie hat mir geholfen, in mein neues Leben hineinzufinden.

10 Ideen für ein Abschiedsfest

  • Leckeres Essen vorbereiten
  • Alternativ gemeinsam kochen oder ein Picknick an einem Lieblingsplatz gestalten
  • Erinnerungen von früher teilen: Fotos anschauen, Geschichten vorlesen
  • Gemeinsam beten und das ausziehende Kind segnen
  • Tief miteinander reden: sich für etwas entschuldigen oder wichtige Wünsche für die Zukunft des Kindes aussprechen
  • Einen Film gucken, der typisch für die Kinder- oder Teeniejahre war
  • Das Lieblings-Spiel noch einmal spielen Wenn es ein gemeinsames Hobby gab, dieses noch mal aufleben lassen: beispielsweise Musik machen, etwas gemeinsam basteln, angeln gehen …
  • Möglich ist auch, eine gemeinsame Collage zu erstellen oder auf großem Poster zu notieren: „Woran ich mich gern erinnere …“ Jedes Familienmitglied schreibt oder malt auf, was es mit dem nun Ausziehenden verbindet
  • Ideen für die neue Zeit sammeln

Kerstin Wendel, Referentin und Autorin aus Wetter/Ruhr, findet Abschiedsrituale klasse, weil sie stärken und freisetzen.

Tränen vor der Schule

„Meine Tochter (6) weint fast jeden Morgen, wenn ich sie zur Schule bringe. Sie möchte mich am Schultor gar nicht loslassen. Wenn sie nachher erst mal in der Klasse ist, ist wohl alles okay, meint die Lehrerin. Wie kann ich ihr die Trennungssituation erleichtern?“

Nach der Einschulung gehen wir oft davon aus, dass Kinder die neue Lebensphase ohne weitere Eingewöhnung meistern. Wie man am Beispiel Ihrer Tochter sieht, ist das aber keineswegs selbstverständlich, und das ist aus Kindersicht auch zu verstehen.

In der Schule gelten andere Regeln

Der Schulstart ist eine große Veränderung. Unsere Kinder gehen aus einer behüteten und übersichtlichen Kitawelt einen großen Schritt weiter. In der Schule gelten auf einmal andere Regeln. Die bisher vertrauten Personen sind nicht mehr da, dafür aber neue Erwachsene, an die sie sich erst gewöhnen müssen. Die Kinder kennen sich manchmal untereinander noch nicht, und es werden plötzlich eine Menge neuer Anforderungen gestellt. Während wir Eltern die Kindergartenzeit zudem sehr eng begleitet haben, müssen wir mit der Einschulung noch einen Schritt weiter zurücktreten. Das ist ungewohnt für alle – und so erklärt sich meistens auch der kindliche Trennungsschmerz.

Zunächst ist es wichtig zu unterscheiden, ob es Ihrem Kind tatsächlich nur in dieser morgendlichen Situation schwerfällt, sich zu lösen, oder ob es in der Schule ein grundsätzliches Problem gibt. Hierzu ist es wichtig, gut zuzuhören und auf Ihre Tochter zu schauen und aufmerksam für Dinge zu sein, die es ihr vielleicht schwer machen.

Freunde helfen beim Loslösen

Wenn es tatsächlich um den Abschied geht, können folgende Dinge helfen: Wenn Ihre Tochter schon Freunde gefunden hat, kann es das morgendliche Loslösen erleichtern, wenn sie ein anderes Kind auf dem Schulweg treffen könnte und die beiden dann zusammen in Richtung Klasse verschwinden.

Im Kindergarten hilft den Kindern oft das vertraute Kuscheltier, wenn sie sich anfangs eingewöhnen. In der Schule laufen sie natürlich nicht mehr mit dem Teddy im Arm rum – aber ein kleines Kuscheltier oder ein anderer vertrauter Gegenstand im Schulranzen können Trost und Sicherheit spenden.

Fällt es Ihnen auch schwer?

Daneben ist es gut, wenn Sie sich hinterfragen: Wie geht es Ihnen mit dem Schulstart? Haben Sie das Gefühl, dass Ihr Kind dort gut aufgehoben ist? Gehen Sie optimistisch in diese neue Lebensphase Ihres Kindes? Oder sind auch Sie etwas unsicher? Falls dem so ist, ist es gut, mit anderen Erwachsenen darüber zu reden und sich mit eigenen Sorgen und Ängsten auseinanderzusetzen. Sollte sich herausstellen, dass Ihnen das Loslassen am Morgen tatsächlich auch schwerfällt, sollten Sie überlegen, ob Ihre Tochter von einer anderen Bindungsperson zur Schule gebracht werden kann.

Letztlich bleibt es jedoch eine Übergangssituation, die man manchmal einfach nur zusammen mit dem Kind aushalten kann. Oft möchten wir den Schmerz wegnehmen oder zumindest erleichtern. Doch oft ist nicht das Vermeiden, sondern das Aushalten und Begleiten von Schmerz unsere Aufgabe als Eltern.

Daniela Albert ist Erziehungswissenschaftlerin und Eltern- und Familienberaterin (familienberatung-albert.de) und lebt mit ihrer Familie in Kaufungen.

Nicht länger in einem Nest

Wenn die Kinder ausziehen, verändert sich das gesamte Familiengefüge. Christiane Lötter möchte dazu ermutigen, die Beziehungen neu zu gestalten.

Sind die Kinder klein und die Eltern zusammen, ist es einfach: Man ist Familie – so oder so. Der Auszug der Kinder bedeutet, dass Bewegung in die Familie kommt. Nichts ist mehr, wie es vorher war, so sehr mancher auch versucht, das Alte festzuhalten. Das, was bisher gut lief, wird auf den Prüfstand gestellt: Trägt es uns oder müssen wir neu gestalten? Halten wir anstehende Veränderungen aus? Wie gehen wir damit um, wenn wir loslassen müssen und es doch gar nicht wollen? Schnell fallen uns jede Menge wundervolle Ereignisse ein: Was haben wir nicht alles angestellt, unternommen und gefeiert? Wie viel Aufregungen und Abenteuer haben wir zusammen erlebt?

Furcht vor dem Neuen

Wenn unsere Kinder uns verlassen, fahren die Gefühle häufig Achterbahn zwischen „Endlich mehr Freiraum für uns!“ und „Wird es ihnen auch gut gehen?“. Die Kinder selbst gehen voller Enthusiasmus und Abenteuerlust. Wenn wir Glück haben, zeigen sie uns, dass sie sich auch ein wenig vor dem Neuen fürchten. Manch eine Mutter oder ein Vater fühlt sich vielleicht verletzt, weil sie uns scheinbar so leicht und selbstverständlich verlassen.

Studium, Partys, neue Freunde

Aber unsere Kinder erleben, was jedem Ende innewohnt: Abschied, Verlust und Loslassen. Sie zeigen das oft nicht, weil sie uns beschützen wollen. Und weil sie uns zeigen wollen, dass sie es schaffen, und weil die Aussicht auf ein neues, eigenes Leben alles überstrahlt. Deshalb erzählen sie nichts von Heimweh und Niederlagen. Das tun sie frühestens, wenn sie es überwunden haben. Sie erzählen uns von Ausbildung, Studium, Partys, neuen coolen Freunden und wie toll alles ist. Und das machen sie richtig, denn es geht uns nichts an, wie sie ihr Leben gestalten. Bleibt die Frage, ob wir auch in ein verändertes Leben gehen. Ob wir eigene Träume, die wir bisher zurückgestellt haben, verwirklichen und mit der Kraft, die aus unserer Familiengeschichte gewachsen ist, neue Wege beschreiten.

Was das Herz sagt

Wie soll nun aber unser neues Familienleben aussehen? Vieles hängt davon ab, wie unsere Kommunikation bisher ablief. Haben wir viel miteinander gesprochen? War die Atmosphäre von Vertrauen und Offenheit geprägt? Welche Typen sind wir? Wir können unsere Traditionen pflegen oder Neues ausprobieren. Reden wir mit unseren Familienmitgliedern darüber. Hören wir auf das, was der andere meint und auf das, was unser Herz sagt.

Natürlich können wir unseren Kindern davon erzählen, dass wir mit dem Abnabeln Schwierigkeiten haben, dass wir sie vermissen, dass wir das Beste für sie wollen und sie uns wichtig sind. Sie durch unsere Augen schauen zu lassen, zeigt ihnen, dass wir sie ernst nehmen. Und dann sind wir auch schon mittendrin in der Gestaltung.

Plötzlich frei

Die räumliche Entfernung bedeutet nicht gleichzeitig eine innere Distanz. Für Eltern kann es sehr befreiend sein, wenn ihnen eines Tages aufgeht: Wir haben zwar nicht mehr so viel Einfluss auf unser Kind, aber wir sind auch freier, weil wir keine Verantwortung für sein Handeln mehr haben. Eine Botschaft an die Kinder kann sein: „Wir sind immer für dich da, wenn du uns brauchst. Aber in den Zeiten, in denen du uns nicht brauchst, sorgen wir für uns.“

Kein Mausoleum

Gestalter des Familienlebens sind nicht nur die Eltern, auch die Kinder sind herausgefordert, daran mitzuwirken. Mama muss nicht jedes Mal ein vollkommenes Menü auf den Tisch zaubern. Kinder können ihr Bettzeug mitbringen, sie müssen nicht bei jedem Besuch ein Chaos hinterlassen. Die alten Kinderzimmer dürfen einer neuen Bestimmung übergeben werden. Sie sind kein Mausoleum, dass die Kindheit für immer aufbewahrt.

Wir dürfen sorgfältig prüfen, was bleiben kann und was gehen muss. Wir haben die Erlaubnis, für das Neue Platz zu schaffen, innerlich und äußerlich. Das Tempo bestimmen wir selbst. Gestaltung bezieht sich sehr auf die nicht greifbaren Dinge. Es kann hilfreich sein, das mit Praktischem sichtbar zu machen. Beide, die Nestflüchtlinge und die Zurückgebliebenen, sind herausgefordert, ihren Platz zu finden in diesem Familienkonstrukt.

Distanz halten, Nähe finden

Immer wieder berichten Eltern, dass es gut war, auf Distanz zu gehen, weil der Blick auf die Kinder nun freier war und die alltäglichen Reibereien aufgehört haben. Stattdessen sei nun Platz für lockere und für ernste Gespräche. Die gemeinsame Zeit werde als echte Gemeinschaft erlebt und nicht zwischen anderen Verpflichtungen eingeschoben.

Alte neue Gewohnheiten

Kinder erzählen häufig, dass sie selbst Gewohnheiten entwickeln, die sie früher im Elternhaus abgelehnt haben, inzwischen jedoch als praktisch empfinden. Es war gar nicht so schlecht, was die Eltern alles so gemacht haben. Wenn wir es schaffen, solche Offenbarungen nicht mit Genugtuung, sondern mit einem warmen Lächeln zu beantworten, haben wir sehr viel gewonnen.

Mit einer gewissen Distanz kann man auch beginnen, das anzusprechen, was nicht gut gelaufen ist oder wo es noch Klärungsbedarf gibt. Hier ist es wichtig, behutsam vorzugehen und herauszufinden, ob Gesprächsbereitschaft besteht. Wir dürfen uns den Raum schaffen für das Lachen über die tollen Erinnerungen und auch für Entschuldigungen, wo wir versagt haben. Es entsteht so auch die Möglichkeit, Missverständnisse aufzuklären.

Gute und schlechte Erinnerungen

Manches mag auch schockieren. Es kommt vor, das unsere Kinder über Erlebnisse berichten und wir denken: „War ich dabei? Daran erinnere ich mich gar nicht.“ Neben negativen tauchen auch viele gute Erfahrungen auf, wie oft wir die Kinder beschützt, versorgt und geliebt haben und wie sehr sie das in dem Moment auch gebraucht haben.

Zu hohe Maßstäbe

Solche Rückblicke und Erinnerungen dienen dazu, die Gemeinsamkeiten zu benennen und festzustellen, was uns verbindet und was uns trennt. Wir entscheiden als Familie, wie wir mit Verbindendem und Trennendem umgehen. Nicht alles muss jetzt und sofort geklärt werden, Kreativität ist gefragt.

Wir können das nicht? Das sind zu hohe Maßstäbe? Häufig schauen wir auf andere Familien, in denen alles scheinbar perfekt läuft. Beruflich und privat scheint alles im Lot. Sind wir uns bewusst, dass andere oft nur die Sonnenseiten zeigen? Da bleiben die, bei denen nicht alles rund läuft, schnell auf der Strecke. Merken wir, wie viel Stress das erzeugt? Sich davon zu distanzieren und bei sich selbst zu bleiben, ist gar nicht so einfach. Wichtig ist: Wir sind Familie, und wir sind genau richtig. Hier wird nach unseren Regeln gespielt, und nur wir dürfen diese Spielregeln hinterfragen oder ändern. Andere haben da nichts verloren.

Das Familien-Mobile

Das Mobile kommt mir in den Sinn: Wenn einer sich bewegt, bewegt sich das Ganze. Es schwankt eine Weile und balanciert sich neu aus. Manchmal hängt sich auch noch ein neues Element an, dann muss sich alles neu einpendeln. Vielleicht haben wir noch alte Bilder in unserem Herzen. Aber jetzt leben wir in einer neuen Situation.

Gestaltung bedeutet, das Neue anzunehmen und es aktiv mitzugestalten, damit es gelingt. Unser Familienmobile kann auch äußeren Veränderungen ausgesetzt sein. Dann müssen alle zusammenhalten, um die Balance wieder herzustellen. Bewegung von innen darf stattfinden. Jeder einzelne entscheidet, wie er sich bewegt. Familiengestaltung ermöglicht uns, uns in einem sicheren Rahmen auch dann noch zu entfalten, wenn die Kinder ausgezogen sind. Wir haben die Erlaubnis, Bewährtes zu behalten und Neues auszuprobieren. Was für ein Gewinn!

Christiane Lötter arbeitet als Familienberaterin und Coach und lebt in der Nähe von Osnabrück. Sie hat zwei erwachsene Kinder.

Abschied von den Zugvögeln

Bianka Bleier blickt den flügge gewordenen Kindern hinterher.

 

Durchwachsenes Sommerwetter haben wir dieses Jahr. Wolkenberge jagen am Himmel entlang und färben die Landschaft in Molltönen. Gerade noch haben Amseln und Nachtigallen ihre Frühlingsduette geschmettert, nun plündern bereits Starenwolken die Weinberge, die Störche werden unruhig und halten ihre Flügel in den Wind. Ihre Jungen sind groß geworden und flugfähig, bald werden sie sich auf die große Reise machen. Fasziniert beobachte ich Jahr für Jahr den Wandel der Zugvögel. Auch unsere Kinder sind flügge geworden und in die große weite Welt ausgeflogen. Anfangs war mir das Herz schwer. Ich bin ja nicht blind hineingestolpert in das große Loslassen, ich habe es sehenden Auges getan, aber das hat mir nichts genutzt, das Leben will gelebt werden. Unsere drei Nestflüchter haben ihr Nest alle im selben Jahr verlassen. Ich habe die Zeit vor ihrem Auszug bis auf den letzten Tropfen genossen, gleichzeitig gestöhnt über die Vielschichtigkeit der Herausforderungen, die häusliche Enge, die lebhafte Präsenz der jungen Erwachsenen, die vor allem mit sich selbst beschäftigt waren, die dichte Verantwortung für die letzte Phase vor dem Abflug, die Zerrissenheit zwischen mir, den Kindern und meinem Mann, der völlig anders mit dem abschiedlichen Leben umging. Wir sind zur Seite gestanden bei Liebeskummer, haben bei Schulabschlüssen und Berufsfindung gecoacht, haben geholfen, unvergessliche Hochzeitsfeiern und Abschiedsfeste zu zelebrieren und unsere Zugvögel zum Kontinentwechsel bis ans Gate chauffiert. Dann waren sie weg.

AUS DER SCHOCKSTARRE ERWACHT
Gerade noch das wilde Leben und plötzlich wieder zu zweit. Zuerst weinten wir. Dann verstummten wir. Das Vakuum, das sie hinterließen, war enorm. Aber als Werner eines Tages monierte, er käme sich vor wie im Altersheim, erwachte ich empört aus der Schockstarre. Wir schüttelten unsere Felle, sahen uns um und begannen, vorsichtig auf Entdeckungsreise zu gehen. Und siehe da: Das Vakuum war gar keine bedrohliche Leere, sondern freier Raum! Ein Land voll Möglichkeiten. Kraft war noch da. Lebenserfahrung hatte sich angesammelt, Lebensspuren sich gebildet, Netzwerke waren entstanden. Es gab Ressourcen und Potenziale, die wir zwanzig intensive Familienjahre lang für nichts nutzen konnten außerhalb der großen, geliebten, selbst gewählten Aufgabe. Aber jetzt war Raum und Zeit für etwas, das auch in uns war, sich entfalten wollte und durfte. Das klingt glatter, als es war. Mir half gute Lektüre und seelsorgerliche Begleitung zu vielen Themen die in der Lebensmitte aufbrechen. Aber keinem hätte ich geglaubt, der mir gesagt hätte, welche Überraschungen das Leben noch für mich bereit hielt nach dem Abflug der Kinder.

ALTER LEBENSTRAUM
Ich liebe mein Leben, so wie es ist. Ich habe es geliebt, mit den Kindern unter einem Dach zu leben, Familienleben aufzubauen, Verantwortung zu tragen, ihre Entwicklung mitzuerleben, sie zu lieben und ihre Liebe zu tanken. Und, ja, alles hat seine Zeit. Kaum ein anderer Satz aus der Bibel kommt mir so oft in den Sinn. Nach dem Verlassen dieses intensiven Lebensraumes begann etwas erstaunlich Neues. In der Ruhe, die einkehrte, stieg ein alter Lebenstraum in uns hoch, der die Chance barg, Wirklichkeit zu werden, weil nun die Zeit reif dafür war. „Wenn nicht jetzt, wann dann?“, fragte Werner und ich lernte den Pionier an meiner Seite noch einmal von einer neuen Seite kennen – und er mich. Wohl wissend, dass wir nicht mehr die Jüngsten sind und unsere Zeit in Gottes Hand steht, begannen wir gemeinsam mit Freunden ein Projekt, das zu einem neuen Lebensschwerpunkt wurde. Ich liebe es, wenn unsere Zugvögel ihr Nest aufsuchen und wir weiterhin, punktueller nun, Leben teilen. Aber ich liebe auch meine alte neue Freiheit mit den Möglichkeiten eines Lebens mit geringerer Verantwortung.

Bianka Bleier betreibt zusammen mit Freundinnen das Ladencafé Sellawie und lebt mit ihrem Mann in Forst/Baden.

„Abschied“

„NUR NOCH GANZ KURZ“ – Katharina Hullen kommt beim Verabschieden so richtig ins Gespräch.

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