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Nachts keine Windel mehr

Auch wenn Kinder tagsüber schon ohne Windel auskommen, ist das Bett morgens mitunter nass. Familientherapeutin Beate Döbel erklärt, worauf es in dieser Phase ankommt.

„Meine Tochter (3,5) ist seit ein paar Monaten trocken – tagsüber. Nachts braucht sie noch eine Windel. Wir haben es schon ein paar Mal ohne versucht, allerdings wurde jedes Mal das Bett nass. Ist es noch zu früh, die Windel auch nachts wegzulassen?“

Wie schön, dass Ihre Tochter tagsüber keine Windel mehr braucht! Die meisten Eltern sind erleichtert: Endlich keine Windeln mehr kaufen müssen, weniger Aufwand durch Wickeln oder Wäsche wechseln bzw. waschen und viel weniger Müll! Und die Kleinen sind – bei entsprechender Rückmeldung durch die Umwelt – stolz, dass sie in dieser Angelegenheit jetzt „schon groß“ geworden sind. Dass es in der Nacht noch nicht gleich gelingt, ist völlig normal.

Bei jedem Kind anders

In internationalen Studien wurde festgestellt, dass Kinder mit Sauberkeitserziehung (regelmäßige Topfangebote, Aufforderung zum Toilettengang, nächtliches Wecken) genauso „schnell“ trocken werden wie Kinder ohne Sauberkeitserziehung – nämlich tagsüber mit durchschnittlich 28 Monaten und nachts mit 33 Monaten. Das zeigt, dass das Trockenwerden in erster Linie eine individuelle kindliche Entwicklungsleistung ist, die mit biologischen – genetisch angelegten – Reifungsprozessen im Gehirn zusammenhängt. Hierbei gibt es – wie in vielen anderen Bereichen auch – eine große individuelle Variabilität. Manche Kinder sind sogar erst mit fünf Jahren soweit, ihre Blase tags und nachts zu kontrollieren.

Bloß nicht schimpfen!

Die Kinder zeigen uns, wenn sie von ihrer Entwicklung her so weit sind. Angeregt durch das Vorbild der „Großen“ wollen sie es dann auch so machen. Eltern können die kindliche Eigeninitiative aufgreifen, mit dem Kind darüber reden, was es spürt, wenn die Blase voll ist, und die Kinder in ihrem Bestreben nach Selbstständigkeit unterstützen. So lernen diese die „Feinheiten des Trockenwerdens“ (Körpersignale verstehen, Spielen unterbrechen, selbst Hose ausziehen, rechtzeitig auf dem Klo sitzen). Man ahnt, dass das gar nicht immer so leicht ist und eben auch noch seine Zeit braucht. Bei „Misserfolgen“ brauchen die Kinder deshalb Ermutigung, auf keinen Fall Tadel oder Strenge.

Gelassenheit bringt viel

Ihr Kind hat – mit Ihrer Hilfe – diesbezüglich also schon einen großen Entwicklungsschritt hinter sich. Wenn das Bett noch regelmäßig nass ist, dann spricht das wohl dafür, dass der Reifungsprozess bezüglich der nächtlichen „Blasenkontrolle“ noch nicht ganz abgeschlossen ist. Überlegen Sie mit Ihrer Tochter gemeinsam, ob sie lieber wieder eine Windel („Das ist nicht schlimm!“) umhaben möchte oder ob Sie die Windel weiter weglassen und das nächtliche Wäschewechseln in Kauf nehmen. Machen Sie es so, wie es aktuell für Sie und Ihr Kind am entspanntesten erscheint.

Nach dem Motto des afrikanischen Sprichworts: „Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht!“ wünsche ich Ihnen Gelassenheit und Geduld. Entwicklungsprozesse brauchen einfach ihre individuelle Zeit … Und freuen Sie sich dann gemeinsam am Erfolg!

Beate Döbel ist systemische Einzel-, Paar- und Familientherapeutin. 

„Unser Sohn macht in die Hose“

„Unser Sohn ist schon sieben, macht aber immer noch regelmäßig in die Hose. Meistens passiert es, wenn er sehr konzentriert spielt. Was können wir tun?“

Zuerst ist es wichtig, biologische Vorgänge mit dem Arzt zu klären und zu prüfen, ob auch auf geis-tig-emotionaler Ebene alles in Ordnung ist. Ist dies der Fall, ist es vielleicht möglich, dass bestimmte Spielsituationen Stress bei ihm auslösen. Vielleicht versucht er etwas zu verarbeiten. Beobachten Sie die Spielsituationen genau; haben sie dasselbe Thema? Wann genau macht er in die Hose? Gibt es Anzeichen dafür, dass er den Harndrang spürt? Wann merkt er es selbst? Wie reagiert er darauf? Passiert es nur zu Hause?

GEWOHNHEITSSACHE
Möglicherweise hat sich der Ablauf für ihn bereits eingespielt. In seinem Kopf ist vielleicht gespeichert: spielen, Pipi machen, beim Umziehen mit Mama und Papa Zeit verbringen. In diesem Fall muss sich der Ablauf neu formen. Das heißt zum einen, wenn er in die Hose macht, sollte er sich alleine versorgen und eventuelle Pfützen selbst beseitigen. Er ist alt genug, um das leisten zu können! Diese Konsequenz ist auch zu empfehlen, wenn er durch das „Indie- Hose-Machen“ ihre Aufmerksamkeit will. In dem Fall müssen Sie sich als Eltern Gedanken darüber machen, wann und wie Sie Ihrem Kind Aufmerksamkeit schenken und ihr Verhalten dementsprechend ändern. Darüber hinaus empfehle ich, ihn alle 15 bis 20 Minuten zur Toilette zu schicken, besonders, wenn er gerade so schön spielt! Begründen können Sie das damit, dass Sie das so lange machen müssen, bis er es schafft, rechtzeitig auf die Toilette zugehen. Nach gelungenen zwei bis drei Tagen erhöhen Sie auf 30 Minuten usw. Bei Rückschlägen wird die Zeit wieder verkürzt. Allein, dass er sich selbst versorgen muss und dadurch im Spiel unterbrochen wird, kann schon dazu führen, dass er innerhalb kurzer Zeit trokken wird.

VIELE KLEINE SCHRITTE
Unterstützen könnte man den Prozess mit einem Belohnungssystem. Dies würde ich aber erst einsetzen, wenn nach einer Zeit der konsequenten Umsetzung kaum Verbesserung eintritt. Bei dem Belohnungssystem wird er für erwünschtes Verhalten belohnt, also für das „Auf-die-Toilette-Gehen“. Jedes Mal, wenn er auf die Toilette geht, wird zum Beispiel in einer Liste ein Kreuz gemacht. Wenn er es drei bis vier Mal hintereinander schafft, bekommt er ein „Klebetattoo“ auf den Arm. Wenn er es den ganzen Tag schafft, darf er sich beim Abendessen einen extra Nachtisch aussuchen. Schafft er es drei Tage hintereinander, darf er sich beim nächsten Einkauf eine Kleinigkeit aussuchen usw. Beachten Sie, dass die einzelnen Etappen für ihn erreichbar sind und dass es für Sie nicht zu teuer wird! Wenn er in die Hose macht, gibt es kein Kreuz in der Liste. Natürlich könnten auch gemeinsame Aktivitäten wie spielen, puzzeln oder einen besonderen Film schauen eine Belohnung sein. Diese Belohnungen eignen sich dann, wenn Sie merken, dass er seinen Harndrang kontrollieren kann. Das Risiko ist zu groß, dass er innerhalb seiner Belohnungszeit wieder in die Hose macht und dann wiederum die nächste Etappe nicht schafft, was für ihn einer Strafe ähnelt. Lieber viele kleine Schritte als große Schritte, die einen zu oft zurückwerfen.

Anika Sohn ist Erzieherin und bietet Bewegungs-Kurse für Eltern und Kinder an: familie-bewegt.de. Sie lebt in Neuhofen (Pfalz).