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Kreativität – Was Kinder dazu brauchen

Im Ausleben von Kreativität erleben Kinder Lebensfreude und Erfüllung. Heilpädagogin Sonja Krebs zeigt, warum Kinder dazu einen geschützten Raum brauchen und wie Eltern sie dabei unterstützen können.

Menschen sind von sich aus kreativ. Und wenn ich von Kreativität schreibe, meine ich nicht das Fensterbild aus Tonkarton, ein mit Pinsel gemaltes Bild oder ein musikalisches Wunderwerk. Kreativität ist viel mehr und sichert unser Überleben, da sie Weiterentwicklung, Ausprobieren, Experimentieren beinhaltet. Es ist die Kraft, zu gestalten und schöpferisch zu wirken. Es ist die Kraft, gedanklich in die Weite zu gehen und kreative Lösungen zu finden.

Kreativität gibt Kraft

Kreative Ideen sind gerade in der aktuellen Zeit, angesichts des Klimawandels und Krisen verschiedenster Art, notwendig. Wir sind gefordert, Neues zu denken und zu entwickeln und in die Umsetzung zu kommen. Kreatives Schaffen im Sinne von musischen und künstlerischen Tätigkeiten kann in persönlichen Herausforderungen wirksam unterstützen, Zugang zu eigenen Kraftquellen, Fähigkeiten und Bedürfnissen zu erschließen.

Somit macht es in jeglicher Hinsicht Sinn, Kinder in ihrer Kreativität zu stärken. Denn diese stärkt nicht nur ihre Lebenszuversicht und Resilienz. Aus der Schöpferkraft fließen auch Kraft und Freude für das Leben. Kreativität ermöglicht, aus spielerischer Lebensfreude und Zuversicht heraus vertrauensvoll ins Handeln zu kommen und das Zusammenspiel von eigenem Handeln und Wirksamkeit zu erleben. Diese kann allein oder in der Interaktion mit Mitmenschen geschehen.

Wertschätzend unterstützen

Doch was braucht es im Alltag, damit ein Kind kreativ sein und diese wertvollen Aspekte erleben kann? Erforderlich ist zunächst ein wertschätzender Rahmen. Kinder brauchen Zeit, Wärme und Halt, um sich entfalten zu können. Kreatives Schaffen braucht keine Bewertung von richtig oder falsch, sondern Bestätigung: „Ich sehe dich, ich traue dir zu, dass du voller Ideen steckst, und ich glaube daran, dass du neue Lösungswege finden kannst.“ Das kann beim Malen eines Bildes sein oder bei einer Gesprächsbegleitung im Konflikt mit Mitschülern. Auch hier können kreative Wege gefunden werden: Welche Möglichkeiten habe ich? Was kann ich tun? Auf welche Erfahrungen und Fähigkeiten kann ich zurückgreifen? Was kann ich neu ausprobieren?

Dafür braucht es mein echtes Zutrauen in die Fähigkeiten des Kindes und die Bereitschaft, diese auch gemeinsam freizulegen. Oft sind Kinder verunsichert, weil sie glauben, etwas nicht zu können oder etwas Perfektes schaffen zu müssen. Dadurch wird die Schaffensfreude gehemmt. Darum gilt es, Kinderbilder nicht zu bewerten, sondern wertschätzend zu unterstützen und zum Beispiel gemeinsam herauszufinden, welche Lieblingsstelle das Kind auf seinem Bild findet. Gern darf es erzählen, was es so daran mag. Es geht nicht um das Endprodukt, sondern um die Freude am Kreativsein. Dabei sollten sich Kinder wie Erwachsene nicht vom Lob oder der Kritik anderer abhängig machen, sondern ein Gefühl dafür entwickeln, was für sie stimmig ist und ihnen selbst gefällt.

Sich selbst kennenzulernen, dient im Lebensalltag dazu, eine eigene Meinung und Haltung zu entwickeln und den Selbstwert nicht von anderen abhängig zu machen. Und aus der innigen Verbindung zu mir selbst kann dann eine echte Verbindung zum Gegenüber entstehen.

Alle Sinne aktiv

Der Wald ist ein wunderbares und kreatives Spielfeld. Das Kind kann sich fragen – oder von den Eltern zu Fragen angeregt werden: Welches Bedürfnis habe ich – Ruhe oder Action? Was steht mir zur Verfügung? Benötige ich in der Umsetzung meiner Idee Unterstützer? Baue ich mir eine Hütte oder Wippe oder lege ich mit Naturmaterialien ein Bodenbild? Lege ich mich selbst auf den Waldboden und nehme alles um mich herum wahr und lasse meine Gedanken fantasievoll schweifen? Es gibt viele individuelle Wege, kreativ zu sein. Gerade im Wald sind alle Sinne aktiv und wachsam: Ich sehe, lausche, betrachte, nehme den Duft wahr, nehme meine Bewegung wahr. Ich bin achtsam.

Dasselbe kann zum Beispiel auch beim Malen mit Flüssigfarben oder Rasierschaum geschehen: Das Kind folgt intuitiv seinen Ideen und erprobt spielerisch verschiedene Möglichkeiten seiner Selbstwirksamkeit. Es lernt seinen Handlungsspielraum auf farbenfrohe Art kennen.

Kreativ vor dem Bildschirm?

Aber wie sieht es aus mit Kreativität in Bezug auf Medien und Computerspiele? Hier fällt die bedeutsame ganzheitliche Wahrnehmung mit Bewegung weg. Doch es gibt durchaus Medienmaterial für ältere Kinder, das dazu einlädt, aktiv und kreativ zu werden. Onlineworkshops zum Beispiel können ein inspirierender Anschubser sein, um selbst aktiv zu werden. Bei Spielen wie Minecraft können Welten erbaut werden und Kids sich online begegnen. Man kann auch gemeinsam Filme oder Serien schauen und anschließend überlegen, wie die Geschichte weitergehen könnte oder welche Lösungen es für die Protagonisten gibt. Oder man kann gemeinsam reflektieren, wie Stimmungen mit Licht, Kameraeinstellung und Musik erzeugt wurden.

Wenn wir mit unseren Kindern unterwegs sind, ihre Interessen und Stärken wahrnehmen, sie darin bestärken, gedanklich in die Weite zu gehen und sie darin unterstützen, selbst wirksam zu werden, ist ein guter nährender Boden für Kreativität geschaffen. Und wie wunderbar ist es, dass Gott uns eine Schöpfer- und Gestaltungskraft in vielfältigen Formen geschenkt hat!

Sonja Krebs ist Erzieherin, Heilpädagogin, Resilienztrainerin und systemisch-lösungsorientierte Beraterin (atelier-einmalig.de). Sie lebt in Königswinter.

3 bis 5 – Vorzeitig einschulen?

Elternfrage: „Unser Kind ist ein ‚Kann-Kind‘, das heißt, wir könnten es vorzeitig einschulen lassen. Wie finden wir heraus, ob es schulreif ist?“

Armin Krenz: Zunächst eine kleine fachliche Anmerkung: früher sprach man von „Schulreife“, heute werden die Begriffe „Schulfähigkeit“ beziehungsweise „Schulbereitschaft“ benutzt, weil einerseits der Teilbegriff „Reife“ die Vorstellung provoziert, mit zunehmendem Alter „reife“ jedes Kind körperlich und kognitiv heran. Andererseits wird Schulfähigkeit oder Schulbereitschaft seit Jahren sehr viel umfassender betrachtet.

Kann man denn sein Kind zu früh einschulen oder aber zu lange warten?

Krenz: Eine vorhandene Schulfähigkeit oder Schulbereitschaft ergibt sich immer aus vier Kompetenzfeldern: einer emotionalen, motorischen, sozialen und kognitiven Schulfähigkeit. Zu ihr gehören vor allem seelische Stabilität, Belastbarkeit, eine größere Portion Selbstsicherheit, ein grundsätzlich vorhandenes Regelbewusstsein, Lerninteresse und Neugierde, ein Bündel an sozialen Verhaltensweisen sowie Entspannungsfähigkeiten, Ausdauer, Zuversicht und ein gewisses Maß an Konzentrationsfertigkeit. Da jedes Kind ein „Unikat“ ist, das sich von anderen Kindern – auch unabhängig vom Alter – individuell unterscheidet, ist die Stichtagregelung in Deutschland nur bedingt hilfreich. Es kann festgehalten werden:

  • Nicht das Stichtagsalter ist entscheidend, sondern das Vorhandensein bestimmter Fertigkeiten!
  • Britische, US-amerikanische und deutsche Studien weisen deutlich darauf hin, dass die Schulfähigkeit bei 6-jährigen Kindern deutlich stärker vorhanden ist als bei 5-jährigen Kindern.
  • Vorzeitig eingeschulte Kinder wiederholen häufiger eine Klasse.
  • Bei zu früh eingeschulten Kindern ziehen sich nicht selten Fertigkeitsmängel durch die folgenden Schuljahre.
  • Wenn die Kita eine spannende, kommunikationsreiche und selbstständigkeitsfördernde, situationsorientierte Pädagogik mit handlungsaktiven Projekten anbietet, kann eine spätere Einschulung keine entwicklungshinderlichen Folgen hervorbringen.

Sollte ich mein Kann-Kind, wenn es noch ein Jahr länger in den Kindergarten geht, zusätzlich intellektuell fördern, zum Beispiel mit Musik- oder Sprachunterricht?

Krenz: Es geht bei einem Aufbau der Schulfähigkeit – im Gegensatz zur landläufigen Meinung vieler Erwachsener – nicht primär um eine intellektuelle Förderung. Das ist eine immer wiederkehrende Fehlannahme und würde am vorhandenen Problem vorbeiführen. Vielmehr muss es darum gehen, mit Kindern Rollen-, Musik-, Theater-, Fantasie-, Bewegungsspiele zu erleben, alltagsorientierte Gespräche zu führen, Umfelderkundungen zu unternehmen sowie die Selbstständigkeit der Kinder auszubauen, das Selbstwertgefühl von Kindern zu stärken und ihre Neugierde auf Neues anzusprechen! Die Schulbereitschaft setzt sich in erster Linie aus den Fertigkeiten Lernmotivation, Lernbereitschaft und Lernfreude zusammen. Es geht also um Persönlichkeitsmerkmale und nicht um Lernergebnisse.

Wie sollen wir damit umgehen, wenn unser Kind das erste Schuljahr wiederholen muss?

Krenz: Verschiedene Untersuchungen haben immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass die Grundlagen der vier basalen Kulturtechniken (Sprache/ Lesen/ Schreiben/ Rechnen) von Anfang an ein sicheres Fundament besitzen müssen. Insofern ist bei starken Fertigkeitsdefiziten eine Klassenwiederholung angezeigt, damit sich fehlende Basiskompetenzen mit jedem Schuljahr nicht weiter potenzieren. Doch es sollte am besten gar nicht erst durch eine zu frühe Einschulung zu einer Wiederholungsnotwendigkeit kommen.

Prof. Dr. h.c. Armin Krenz ist Wissenschaftsdozent für Elementarpädagogik und Entwicklungspsychologie und Autor des Buches „Ist mein Kind schulfähig? Ein Orientierungsbuch“ (Kösel).

Die Fragen stellte Ruth Korte.

Kann-Kinder: Sollen sie früher eingeschult werden? Das sagen Pädagogik-Experten

Die Einschulung steht bevor und damit die Entscheidung für Eltern von „Kann-Kindern“: Sollen wir unser Kind vorzeitig einschulen lassen? Experte rät im Interview zur Vorsicht.

Wenn ein Kind ein sogenanntes „Kann-Kind“ ist, also vorzeigit eingeschult werden kann, ist ja die Hauptfrage: Wie finde ich heraus, ob es schulreif ist?

Armin Krenz: Zunächst eine kleine fachliche Anmerkung: früher sprach man von „Schulreife“, heute werden die Begriffe „Schulfähigkeit“ beziehungsweise „Schulbereitschaft“ benutzt, weil einerseits der Teilbegriff „Reife“ die Vorstellung provoziert, mit zunehmendem Alter „reife“ jedes Kind körperlich und kognitiv heran. Andererseits wird Schulfähigkeit oder Schulbereitschaft seit Jahren sehr viel umfassender betrachtet.

Kann man denn sein Kind zu früh einschulen oder aber zu lange warten?

Krenz: Eine vorhandene Schulfähigkeit oder Schulbereitschaft ergibt sich immer aus vier Kompetenzfeldern: einer emotionalen, motorischen, sozialen und kognitiven Schulfähigkeit. Zu ihr gehören vor allem seelische Stabilität, Belastbarkeit, eine größere Portion Selbstsicherheit, ein grundsätzlich vorhandenes Regelbewusstsein, Lerninteresse und Neugierde, ein Bündel an sozialen Verhaltensweisen sowie Entspannungsfähigkeiten, Ausdauer, Zuversicht und ein gewisses Maß an Konzentrationsfertigkeit. Da jedes Kind ein „Unikat“ ist, das sich von anderen Kindern – auch unabhängig vom Alter – individuell unterscheidet, ist die Stichtagregelung in Deutschland nur bedingt hilfreich. Es kann festgehalten werden:

  • Nicht das Stichtagsalter ist entscheidend, sondern das Vorhandensein bestimmter Fertigkeiten!
  • Britische, US-amerikanische und deutsche Studien weisen deutlich darauf hin, dass die Schulfähigkeit bei 6-jährigen Kindern deutlich stärker vorhanden ist als bei 5-jährigen Kindern.
  • Vorzeitig eingeschulte Kinder wiederholen häufiger eine Klasse.
  • Bei zu früh eingeschulten Kindern ziehen sich nicht selten Fertigkeitsmängel durch die folgenden Schuljahre.
  • Wenn die Kita eine spannende, kommunikationsreiche und selbstständigkeitsfördernde, situationsorientierte Pädagogik mit handlungsaktiven Projekten anbietet, kann eine spätere Einschulung keine entwicklungshinderlichen Folgen hervorbringen.

Sollte ich mein Kann-Kind, wenn es noch ein Jahr länger in den Kindergarten geht, zusätzlich intellektuell fördern, zum Beispiel mit Musik- oder Sprachunterricht?

Krenz: Es geht bei einem Aufbau der Schulfähigkeit – im Gegensatz zur landläufigen Meinung vieler Erwachsener – nicht primär um eine intellektuelle Förderung. Das ist eine immer wiederkehrende Fehlannahme und würde am vorhandenen Problem vorbeiführen. Vielmehr muss es darum gehen, mit Kindern Rollen-, Musik-, Theater-, Fantasie-, Bewegungsspiele zu erleben, alltagsorientierte Gespräche zu führen, Umfelderkundungen zu unternehmen sowie die Selbstständigkeit der Kinder auszubauen, das Selbstwertgefühl von Kindern zu stärken und ihre Neugierde auf Neues anzusprechen! Die Schulbereitschaft setzt sich in erster Linie aus den Fertigkeiten Lernmotivation, Lernbereitschaft und Lernfreude zusammen. Es geht also um Persönlichkeitsmerkmale und nicht um Lernergebnisse.

Wie sollen wir damit umgehen, wenn unser Kind das erste Schuljahr wiederholen muss?

Krenz: Verschiedene Untersuchungen haben immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass die Grundlagen der vier basalen Kulturtechniken (Sprache/ Lesen/ Schreiben/ Rechnen) von Anfang an ein sicheres Fundament besitzen müssen. Insofern ist bei starken Fertigkeitsdefiziten eine Klassenwiederholung angezeigt, damit sich fehlende Basiskompetenzen mit jedem Schuljahr nicht weiter potenzieren. Doch es sollte am besten gar nicht erst durch eine zu frühe Einschulung zu einer Wiederholungsnotwendigkeit kommen.

Prof. Dr. h.c. Armin Krenz ist Wissenschaftsdozent für Elementarpädagogik und Entwicklungspsychologie und Autor des Buches „Ist mein Kind schulfähig? Ein Orientierungsbuch“ (Kösel).

Die Fragen stellte Ruth Korte.

„Möglichst wenig Stress, viel gemeinsame Zeit“

Die Corona-Pandemie hinterlässt besonders bei Kindern und Jugendlichen Spuren. Wichtige Entwicklungen im kindlichen Gehirn fanden während der Lockdown-Phasen nur eingeschränkt statt. Die Neurobiologin Dr. Nicole Strüber erklärt in ihrem Buch „Coronakids“, wie Eltern ihren Kindern helfen können, die Pandemie gut zu verarbeiten.

Was braucht das kindliche Gehirn normalerweise für eine gesunde Entwicklung?
Das kindliche Gehirn braucht Erfahrungen. Es muss sich weiterentwickeln und sich mit all seinen Verschaltungen an seine jeweilige Umwelt anpassen – es muss lernen. Über den eigenen Körper, über die eigene emotionale Welt, über die Naturgesetze und – ganz wichtig – über die soziale Welt. Damit dies möglich ist, benötigt das Kind eine Umwelt, die ihm diese Erfahrungen bietet und die ihm ausreichend Sicherheit vermittelt. Also eine verlässliche Begleitung durch Menschen, mit denen es verbunden ist, und damit einhergehend Ruhe und Entspannung. Nur in diesem Zustand kann das kindliche Gehirn gut lernen.

Was hat den Gehirnen unserer Kinder in der Pandemie und speziell in den Lockdowns gefehlt?
Vor allem entspannte Eltern, denen es gelingt, sich in das Kind und seine Belange einzufühlen. Wir Eltern waren sehr gestresst in der Pandemie, zumindest viele von uns: existenzielle Sorgen, Angst vor einer Erkrankung, Home-Office mit quengelndem Kind auf dem Schoß, Homeschooling, kaum Möglichkeiten zum Stressabbau durch Sport oder Treffen mit Freunden. Ist das elterliche Gehirn im Stressmodus, dann ist es stumpf gegenüber den Bedürfnissen der Kinder. Den Eltern gelingt es nur schlecht, sich in das Kind einzufühlen, zu erkennen, was es gerade braucht, welche Bedürfnisse und Gefühle es daran hindern, ruhig und entspannt zu sein – und von der Umwelt zu lernen.

Masken für Kinder: „Als würde man einem Hund die Nase zuhalten“

Schadet es den Kindern, wenn sie eine Welt voller Masken sehen?
Schön findet das kindliche Gehirn diese Welt voller Masken bestimmt nicht. Es benötigt den Gesichtsausdruck anderer Menschen, um sich in der sozialen Welt zu orientieren. Versiegt diese Informationsquelle, ist das ungefähr so, als würde man einem Hund die Nase zuhalten. Dem kindlichen Gehirn dürfte es zwar nicht so wichtig sein, ob Menschen etwa in der U-Bahn oder im Supermarkt Masken tragen, immens wichtig ist aber die Mimik der Bezugspersonen des Kindes. Über deren Gesichtsausdruck lernt das Kind nämlich auch über seine eigenen Gefühle. Und auch das Erkennen der Mimik der Erziehenden und Lehrenden ist ungemein wichtig für die Orientierung in der sozialen Welt, aber auch für das Lernen.

Schadet es Kindern, dass sie so lange isoliert waren?
Mit zunehmendem Alter benötigen Kinder immer mehr das Miteinander mit anderen Kindern. Sie benötigen das Spiel mit anderen, das Rollenspiel, das gemeinsame Erproben der Welt. Sie üben dabei, eigene negative Gefühle in den Griff zu bekommen und die Perspektiven anderer zu verstehen und zu berücksichtigen. Und sie lernen auch, sogenannte Soft Skills zu entwickeln: Durchhaltevermögen, Konzentration, Kooperationsfähigkeit und weitere. Waren Kinder wirklich isoliert von anderen, dann dürften sie hier zunächst Defizite aufgebaut haben. Viele Kinder hatten aber ja auch ein paar wenige Gleichaltrige oder auch Geschwister, mit denen sie spielen konnten.

Nicht auf Bildung fokussieren

Schadet es ihnen auch, wenn sie die Angst und Not der Pandemie wahrnehmen?
Gerade für die kleineren Kinder sind die Gefahren der Pandemie ja noch sehr abstrakt, sie können die meisten der damit verbundenen Probleme gar nicht einordnen. Ihnen ist vor allem wichtig, dass ihre Bezugspersonen verlässlich bei ihnen bleiben. Ist das nicht sicher, bekommen auch sie Angst. Die elterliche Angst vor all den potenziellen Folgen der Pandemie nehmen sie aber durchaus wahr – und reagieren, vor allem dann, wenn sie selbst eine eher ängstliche Natur haben, ebenfalls mit Angst. Da ist es ganz wichtig, mit den Kindern zu reden, für sie da zu sein und ihnen zu zeigen, dass die Beziehung nicht gefährdet ist.

Was können wir Eltern tun, damit unsere Kinder aufholen, was sie verpasst haben?
Wichtig ist, dass wir uns nicht vor allem auf die Bildung fokussieren. Natürlich ist Bildung wichtig, überaus wichtig, gerade auch für Kinder aus benachteiligten Elternhäusern. Aber – und das ist ein Punkt, den wir nicht vergessen dürfen: Das Gehirn braucht einen Zustand der Ruhe, um nachhaltig lernen zu können. Das Kind muss einigermaßen entspannt sein, darf keine unerfüllten Grundbedürfnisse haben, und es muss gewisse Eigenschaften mitbringen, die ihm das Lernen überhaupt ermöglichen, die oben erwähnten Soft Skills. Füttern wir unsere Kinder nun ausschließlich mit Lerninhalten, ist das in etwa so, als würden wir Wasser in eine verrostete und löchrige Tonne schütten: Es würde versickern.

Wir brauchen Verständnis und Vertrauen

Was brauchen unsere Kinder jetzt am ehesten?
Kinder, Eltern, wir alle brauchen Verständnis füreinander und möglichst wenig Stress. Kinder brauchen Verständnis, wenn das mit dem effizienten Lernen nicht sofort hundertprozentig gelingt. Und auch Jugendliche brauchen Verständnis. Für sie war die Pandemie besonders problematisch, darauf bin ich in meinem Buch ausführlich eingegangen. Es hilft ihnen nicht, wenn sie jetzt hören: „Du hast doch nun schon eineinhalb Jahre eine ruhige Kugel geschoben, jetzt gib mal Gas!“ So funktioniert ihr Gehirn nicht. Und wir alle brauchen Vertrauen darin, dass die Kinder die für sie wichtigen Lerninhalte schon bekommen werden, Vertrauen in das Gehirn, zu dessen Eigenschaften es gehört, sich fehlende Puzzleteile im Weltverständnis selbst zu suchen, und Vertrauen in die Kompetenz der Lehrkräfte, die wichtigen, pandemiebedingt entstandenen Lücken in der Bildung der Kinder aufzuspüren.

Was müssen Familien in den kommenden Monaten beachten, damit sie sich von der Pandemie erholen?
Sie sollten sich auf das Wesentliche konzentrieren. Darauf, möglichst wenig Stress zu haben und viel Zeit gemeinsam zu verbringen. Dinge, die man verschieben kann, zu verschieben. Muss wirklich dieses Jahr renoviert werden? Der Kleiderschrank ausgemistet werden?

Kinder brauchen Aufmerksamkeit, damit der gesellschaftliche Graben sich nicht verschärft

Wie kann Familien geholfen werden, die durch die Pandemie vielen verschiedenen Stresskomponenten ausgeliefert sind oder waren?
Diese Familien brauchen Unterstützung. Sie müssen aufgefangen werden, brauchen Ansprechpartner, niedrigschwellige Hilfen im Stadtteil, um ihre Schwierigkeiten zu bewältigen. Die Eltern benötigen diese Unterstützung, aber auch die Kinder selbst. Gerade Kinder, deren Zuhause kein sicherer Hafen ist, brauchen Menschen außerhalb der Familie, mit denen sie reden können, Erziehende in der Kita, Lehrende in der Grundschule oder auch Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in den verschiedenen Einrichtungen. Wollen wir verhindern, dass die soziale Schere sich noch weiter öffnet, muss hier personell drastisch aufgestockt werden. Gegenwärtig hat ja kaum jemand Zeit für die Kinder und ihre Probleme. Und Therapieplätze für diejenigen, deren Schwierigkeiten zu groß sind, gibt es auch nicht.

Man kann also knapp sagen: Familien, die viele Ressourcen haben, können sich wahrscheinlich – mit Verständnis und viel freier Zeit – von der Pandemie erholen. Die Kinder aus Familien, die über weniger Ressourcen verfügen, brauchen besonders viel Aufmerksamkeit von außen, damit der gesellschaftliche Graben sich nicht weiter verschärft.

Welche Ressourcen meinst du?
Es geht vor allem um die inneren Ressourcen. Um die Fähigkeit der Eltern, sich in die Kinder einzufühlen, ihre Gefühle zu erkennen und ihnen verlässlich Sicherheit zu vermitteln, sich selbst im Miteinander der Familie entspannen zu können, die Herausforderungen des Alltags anzugehen und auch bewältigen zu können – ohne dass es zu einer Implosion oder Explosion kommt. Aber auch äußere Bedingungen sind wichtig: Gibt es ausreichend Platz, damit sich alle auch mal aus dem Weg gehen können, damit die Kinder ihren Bewegungsdrang ausleben können, ohne allen gleich auf die Nerven zu gehen? Gibt es einen Garten? Gibt es soziale Unterstützung, Großeltern oder Nachbarn, die sich mit den Kindern beschäftigen können, wenn es den Eltern zu viel wird?

Kinder können die Pandemie psychisch unbeschadet überstehen

Wie können wir eine optimistische Einstellung erlangen hinsichtlich der Folgen der Pandemie?
Für uns als Gesellschaft bietet die Pandemie die Gelegenheit, strukturelle Probleme anzugehen, die schon seit Langem gegeben sind, deren Auswirkungen aber nun in Zeiten der Krise deutlich an die Oberfläche treten. Wir können da an die häufig entfremdete Art des Lernens in der Institution Schule oder auch an die Wartelisten im Bereich Psychotherapie denken. Und für die Kinder selbst gilt: Jede Krise, die bewältigt wird, macht stärker. Gelingt es uns, unsere Kinder so zu unterstützen, dass sie gegebenenfalls verpasste Erfahrungen nachholen können und nicht durch erhöhten Bildungsdruck noch mehr emotionale und soziale Erfahrungen verpassen, dann werden sie die Pandemie psychisch unbeschadet überstehen. Und dies mit dem Wissen, dass Krisen überwindbar sind. Dieses Gefühl wird sie auch dann begleiten, wenn sie später auf eigenen Füßen stehend Krisen überwinden müssen. Sie sind gerüstet für Herausforderungen, stark, resilient.

Das Interview führte Priska Lachmann, Autorin und Bloggerin aus Leipzig.

Buchtipps
Dr. Nicole Strüber: Coronakids. Was wir jetzt tun müssen, um unsere Kinder vor den seelischen Folgen der Pandemie zu schützen (Beltz)

Dr. Paul Plener/Dr. Silvia Jelincic: Sie brauchen uns jetzt. Was unsere Kinder psychisch belastet und wie wir sie schützen (edition a)

„Verliert mein Sohn seinen Glauben?“

„Mein Sohn ist vor zwei Jahren ausgezogen. Seitdem hat er sich immer mehr vom Glauben entfernt. Er besucht keine Gemeinde und hat, soweit ich weiß, auch keine christlichen Freunde. Ich habe nicht das Gefühl, dass er auf die schiefe Bahn gerät, aber es tut mir schon weh zu sehen, dass er nichts mit Gott zu tun haben will. Was kann ich tun?“

Zunächst einmal schön, dass Sie Ihren mittlerweile erwachsenen Sohn so gut im Blick haben und sicher nicht nur gedanklich begleiten. Und ich möchte Sie beglückwünschen: Ihr Sohn hat einen Schritt in die Selbstständigkeit gewagt und gestaltet nun sein eigenes Leben. Dies ist ein guter und wichtiger Schritt zur Weiterentwicklung seiner Persönlichkeit, der manchen jungen Erwachsenen schwerfällt und meistens eine Herausforderung ist. Ihrer Anfrage entnehme ich, dass er Beziehungen pflegt, sein Leben gut zu meistern scheint und dabei Freude hat.

Sie haben Ihrem Sohn sicher eine gute Basis mitgegeben, auch eine Glaubensbasis und Wissen über den Glauben, den Sie ihm vermittelt und vorgelebt haben. Darüber hinaus haben Sie ihm durch die Erziehung viele Werte und Kompetenzen vermittelt, die er zur Bewältigung seines Lebens benötigt.

Zweifel gehören dazu

Jetzt ist ihr Sohn gefragt. Zur Persönlichkeitsentwicklung gehört auch die Entwicklung des eigenen Glaubens. So wie Ihr Sohn den Schritt in die eigene Wohnung gewagt hat, sich in Neuland begeben hat, so ist er nun auch gefragt, seinen eigenen Glaubensweg zu finden. Dazu gehören auch Zweifel und Anfragen, das Hinterfragen des Kinderglaubens und all dessen, was man von zu Hause übernommen hat.

Begegnen Sie ihm offen und tolerant. Ein Klima der Annahme, gerade von den Eltern, kann eine Hilfe sein. Leben Sie weiterhin Ihren Glauben vor, ohne dabei moralisch oder einengend zu sein. Erzählen Sie ganz natürlich von dem, was Sie mit Gott erleben. Und halten Sie kritische Nachfragen aus. Glaubensgemeinschaft kann und sollte auch immer Zweifelgemeinschaft sein. Sie brauchen dabei nicht immer Antworten auf alle seine Fragen parat haben. Der Eindruck, alles zu wissen und zu verstehen, wirkt oft unglaubwürdig. Es kann sein, dass er bei seiner kritischen Haltung bleibt. Aber es kann auch der Weg zu einem eigenen Glauben sein. Das liegt nicht in Ihrer Hand.

Loslassen!

Ihre Sorgen und Befürchtungen können viele Eltern teilen und verstehen. Es tut weh, weil wir davon überzeugt sind, dass unser Heil und unsere Hoffnung im Leben nur in Jesus zu finden ist. Und es tut weh, wenn Kinder das, was

uns viel bedeutet, geringschätzen und sogar ablehnen. Ich möchte Sie ermutigen, darauf zu vertrauen, dass Ihr Sohn seinen eigenen Weg finden wird. Ich wünsche ihm und Ihnen sehr, dass er dabei auch seinen Glauben wiederfindet. Lassen Sie Ihren Sohn los. Lassen Sie ihn beruflich, privat und geistlich seinen Weg gehen. Dieser Weg muss kein Schlusspunkt sein, sondern kann auch ein Doppelpunkt werden. Ein Weg, der einen reifen, tragenden, freien Glauben hervorbringt. Auch, wenn es (noch) nicht so ist. Er ist ein geliebtes Kind Gottes, und dieser Gott wird ihm nachgehen.

Susanne Peitz ist verheiratet, hat zwei Töchter, ist Sozialpädagogin und Systemische Beraterin mit eigener Praxis und wohnt in Heuchelheim bei Gießen.

Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

„Ihr Verhalten ist uns unangenehm“

„Unsere Tochter (1,5) schubst und schlägt andere Kinder – wenn ihr jemand zu nahe kommt zum Beispiel, oder wenn sie sich freut oder aufgeregt ist. Was können wir tun?“

Kinder unterscheiden sich in ihren Interessen und ihrem Temperament. Auch Gefühle bringen sie unterschiedlich zum Ausdruck: Manche weinen, stampfen oder werfen sich zu Boden, wenn sie sich ärgern oder wütend sind. Andere schlagen, beißen oder schubsen, auch dann, wenn sie sich freuen oder aufgeregt sind. Für Sie als Eltern ist dieses Verhalten oft sehr unangenehm. Dabei hat das vermeintliche „Fehlverhalten“ wenig mit Ihnen zu tun.

KEINE BÖSE ABSICHT

Das Gehirn des Kindes entwickelt sich erst. Während das „Gefühlszentrum“ schon angelegt ist und Ihr Kind unterschiedliche Gefühle wahrnehmen kann, ist sein „Vernunftshirn“ noch in der Entwicklung. Um wichtige Verbindungen zwischen „Gefühlszentrum“ und „Vernunftshirn“ herzustellen, braucht das kindliche Gehirn noch einige Jahre. Erst diese Verbindungen ermöglichen es ihm, sich bei bestimmten Gefühlen angemessen zu verhalten.

Vor allem in Stresssituationen funktioniert das im Kleinkindalter ohnehin nur rudimentär angelegte „Vernunftshirn“ noch weniger. Das „Gefühlszentrum“ bestimmt dann das Verhalten Ihres Kindes: Überfordert von den intensiven oder negativen Gefühlen, weiß es sich nur mit einfachen, reflexhaften Handlungen (schlagen, schubsen) zu helfen. Der Situation angemessene Verhaltensweisen muss sie noch lernen. Erst im Alter von drei bis vier Jahren fangen Kinder an zu verstehen, dass sie anderen mit ihrem Verhalten wehtun können. Es steckt also keine böse Absicht dahinter.

SEIEN SIE EIN VORBILD

In Situationen, die Ihre Tochter stressen oder starke Emotionen hervorrufen, können Sie ihr wichtige Hilfestellungen geben. Ihre Tochter reagiert nicht grundlos mit Schubsen und Schlagen, auch wenn die Gründe für das Verhalten nicht immer leicht zu verstehen sind. Überlegen Sie, wie sie sich wohl in Situationen fühlt, in denen sie gehäuft schubst oder haut. Was möchte sie mit ihrem Verhalten erreichen? Vermutlich schubst Ihre Tochter beispielsweise ein zu nahe kommendes Kind (nennen wir es Lara), weil sie sich in ihrer persönlichen Sicherheitszone verletzt fühlt und diese verteidigen möchte. Wehrt sich Lara daraufhin, ist Ihre Tochter frustriert oder fühlt sich noch bedrohter.

Seien Sie deshalb in der Nähe Ihrer Tochter, wenn sie mit anderen Kindern zusammen ist. So können Sie schnell reagieren, wenn ihr ein Kind zu nahe kommt. Sagen Sie ihr: „Du möchtest nicht, dass Lara dir zu nahe kommt? Schau, so kannst du es ihr zeigen.“ Seien sie dann ein Modell für Ihre Tochter (nennen wir sie Maria), indem sie freundlich mit Lara sprechen: „Lara, Maria möchte nicht, dass du ihr so nahe kommst. Kannst du dich bitte hierher stellen?“ So lernt Ihr Kind im Zuge seiner normalen Sprachentwicklung auch, eigene Grenzen zu wahren.

Seien Sie immer wieder ein gutes Modell, indem Sie Ihrer Tochter sagen und zeigen, wie sie sich in bestimmten Situationen verhalten kann. Sie braucht Sie als Übersetzungshilfe ihrer Gefühle und als Vorbild, um sich in Zukunft eigenständig sozial kompetent ausdrücken und verhalten zu können. Haben Sie Geduld!

Sandra Maul ist Psychologin und lebt mit ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn bei Gießen.
Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

Lass mich in Ruhe und sei mir nah!

Was Teenager brauchen. Von Stefanie Diekmann

„Meiner Mutter ist es total egal, was ich am Wochenende mache!“, wirft Ella (16) in die Diskussion um einen möglichen Termin für die Besprechung in der Kirche ein. Auf den fragenden Blick ihrer Freundin ergänzt sie: „Echt! Sie will nur ihre Ruhe. Ob ich nachts nach Hause komme oder nicht – das merkt sie gar nicht!“ Schnell sind wir vom eigentlichen Thema abgelenkt, denn Sophie (18) wendet sich ihr zu: „Das glaube ich nicht! Eltern haben doch immer irgendwie Sorgen um uns. Bei meinen Eltern muss ich abends sagen, wenn es später wird. Immer noch.“

Ellas Blick ins Leere und ihr Schulterzucken berühren mich. Ich kann mich in das fast tägliche Ringen um Freiheit des Teens und die besorgten Regeln der Eltern gut einfühlen, denn zu Hause übe ich das Gleiche. Nicht selten gibt es bei mir Dissonanzen mit meinem Sohn (16), um das Türenknallen und Ausflippen mal mit einem gepflegten Wort zu beschreiben.

EINEN KAKTUS UMARMEN

Bei Ellas Anblick muss ich an einen Kaktus denken. „Von der Kunst, einen Kaktus zu umarmen“ ist der Untertitel eines Buches über die Pubertät. Er skizziert den Versuch der Eltern, ihrem Kind nah zu kommen und durch sein schmerzhaftes Abwehrverhalten an einen Kaktus erinnert zu werden. Eltern stehen bei Annäherung an den emotionsgeladenen jungen Menschen immer in der Gefahr, sich durch sein Augenrollen, seine stichelnde Abwehr, spitze Bemerkungen oder Ignoranz zu verletzen.

Eltern sind dabei oft schwer verwirrt und verletzt. In einem Seminar stellte ein Teenager-Vater mir seine Meinung deutlich dar: „Ich habe es ein paar Mal versucht, aber so … Nein, so lasse ich nicht mit mir reden. Dann ist halt Funkstille!“ Funkstille zwischen Eltern und Teenagern ist wie Nährstoffentzug für den Kaktus. Nach den Jahren der Zuwendung in Grundschule und Früh-Pubertät verunsichert die Distanz der Eltern den persönlichkeitssuchenden Stachelträger. Diese Verunsicherung kann zu weiteren Stufen des Dramas führen. Die abgelehnten Jugendlichen distanzieren sich, verlieren das Vertrauen zu den Eltern und zu sich und suchen woanders Rat und Anerkennung.

UNNÖTIGES DRAMA

Für einen Heranwachsenden sind viele Äußerungen und Abwehrhandlungen unbewusst wie Testballons, um das eigene Ich zu erleben. Das Erlebte ist Tatsache. Die eigene Meinung ist unantastbar, revolutionär. Die Allmachtsphase ist psychologisch der Schutz in diesem Alter, um sich neuen Aufgaben selbstbewusst zu stellen. Hätten die jungen Menschen diesen inneren Dünger nicht, würden alle Menschen in gleichen Bahnen leben und sich nicht weiterentwickeln. Nicht erst seit Greta Thunberg haben Jugendliche mit ihren radikalen Ideen, Gebeten und Hoffnungen uns bewusst gemacht, wie sehr wir uns an Grenzen gewöhnt haben, ohne gegen sie zu kämpfen. Junge Menschen denken: „Das geht! Das ist nicht gefährlich!“ Die Eltern stecken dagegen oft in der Realismus-Phase: „Das geht nur mit zu viel Aufwand. Die Gefahr besteht und ist zu hoch!“ In dieser Spannung bewegen sich fast alle Themen zwischen Eltern und Teens: Partys besuchen, allein im Ausland Urlaub machen, das Zimmer mit Freunden renovieren, nachts mit dem Rad von einem Geburtstag zurückfahren …

Für mich als Mutter erscheint das, was dem Teenager wichtig ist, häufig als unnötiges Drama. In meinem Leben geht es um Fristen der Steuererklärung, Teamprobleme im Job, Zahnschmerzen. In meinen vollen Kopf passt die geballte Präsenz des Stachelgewächses nicht rein. Abwenden und Beenden – das scheint manchmal für mich die Lösung in solchen Begegnungen mit meinem Sohn. Erst mit Distanz kann ich verstehen, wie mein „Reg dich nicht auf!“ auf den Teenager abwertend wirken kann. Und ich verstehe, wie sein „Denk mal nach, Mama!“ aus seiner Sicht wirklich ein Ausruf voller Empörung ist.

STACHELIGE MONATE

Ich bin erschrocken, wie empfindlich ich reagiere, wenn meine Tochter meine Unordnung kommentiert, mein Sohn mich auffordert, mehr in meinen christlichen Glauben zu investieren und nicht so lahm zu sein. Es betrifft mich. Ich bin gemeint. In dieser Phase – der letzten vor dem Erwachsenwerden – diene ich meinem Teenager als Gegenüber und als erwachsene Testperson. Immer wieder nehme ich mir vor, den Schmerz auszuhalten und nicht trotzig „Aua!“ zu rufen, wenn mich ein Katktusstachel empfindlich trifft.

Mein Mann und ich haben einige Umgangsideen für die stacheligen Monate gesammelt:

  • Wir wollen auf das grüne, sehr sanfte Wesen unter den Stacheln sehen: unser wundervolles Kind!
  • Wir warten ab. Sortieren unsere Gefühle, legen uns Argumente zurecht, atmen durch.
  • Wir lassen uns zurechtweisen. Wir geben in geeigneten Momenten nach, um dem Testballon zum Erfolg zu verhelfen. Es hilft uns zu wachsen, wenn wir den Argumenten unseres Teenagers zuhören. Oft geben wir später dazu noch eine Rückmeldung: „Danke, dass du uns erinnert hast, mehr Strom zu sparen, ich war da nachlässig geworden.“
  • Wir zeigen Interesse. Wir wollen wissen, wo wer wann ist und auch mit wem und warum. Weil wir Interesse an unserem Kind behalten.
  • Wir üben, Unrecht haben zu dürfen und weisen in ruhigen Momenten auf Schieflagen hin, ohne den Jugendlichen zu beschämen. Es ist okay, seine Meinung zu ändern. Für mich, für ihn.

Nähe zu Teenagern ist also neben Orientierung die Hauptaufgabe für Beziehung in dieser Lebensphase von Familie. Das Angebot des Gesprächs, kleine Gesten des Interesses, klare Grundlagen, die auch hinterfragt werden dürfen, kommen dazu. Klingt so einfach. Während meine Seele sich noch manchen Stich am Kaktus holen wird, suche ich täglich nach Wegen, um unserem Sohn nah zu sein. Was gestern gelang, wird heute vielleicht nicht gut möglich sein. Und ich freue mich über Nähe-Überraschungen: die Umarmung meines Sohnes, eine liebevolle Nachricht im Smartphone – wie eine Blüte am Kaktus!

Stefanie Diekmann ist Pädagogin und Autorin und lebt mit ihrer Familie in Göttingen.

Mein Kind isst nicht: 6 Appetitanreger

Haben die Kids keinen Hunger, verzweifeln die Eltern. Diese sechs Tipps helfen, die Situation gelassen zu meistern.

Wenn Kinder vermeintlich schlecht essen, sind Eltern schnell in Sorge und das ist nur allzu verständlich. Schließlich ist eine gesunde und ausgewogene Ernährung wichtig für die kindliche Entwicklung. Dazu kommt, dass wir, anders als viele Elterngenerationen vor uns, viel genauer wissen, wie wir uns gesund ernähren und was wir lieber vermeiden sollten. Dass sich die Empfehlungen zu gesundem Essen jedoch schneller ändern als die Wettervorhersage für die Nordseeküste und sich verschiedene Experten zudem noch ständig widersprechen, macht es nicht einfacher.

1. FÖRDERE SPASS

Deswegen empfehle ich, sich beim Thema Essen nicht zu sehr von Nahrungsempfehlungen leiten zu lassen, sondern stärker dem Gedanken Raum zu geben, dass Ernährung Spaß machen sollte. Der Leitsatz, dass gemeinsame Mahlzeiten in der Familie mehr sind als bloße Nahrungsaufnahme, sollte mehr wiegen als der Wunsch, die Kinder ausgewogen und gesund zu ernähren. Langfristig ist es nämlich viel sinnvoller, den Familientisch zum Ort für Nähe und Begegnung zu machen, an dem sich jeder wohlfühlen darf. Nahrungsaufnahme mit positiven Gefühlen zu besetzen, macht es wahrscheinlicher, dass Kinder ein gutes Verhältnis zum Essen entwickeln. Dazu gehört zum Beispiel, dass für jedes Familienmitglied mindestens eine Sache auf dem Tisch steht, die es gern isst.

2. VERMEIDE ZWANG

Auch Zwang sollte man beim Essen vermeiden. Kinder ändern ihr Essverhalten nicht, wenn sie gezwungen werden, Nahrungsmittel zu essen oder zu probieren, gegen die sie eine Abneigung haben. Im Gegenteil – langfristig kann dies problematisches Essverhalten eher verstärken. Dass Kinder neue Sachen oft nicht gern probieren, hatte über weite Teile der Menschheitsgeschichte durchaus Sinn. Ein kleines Kind, das in der Zeit der Jäger und Sammler neugierig jede Grünpflanze am Wegesrand abgerupft und verzehrt hätte, wäre schnell Gefahr gelaufen, sich zu vergiften. Kleinen Menschenkindern wurde also mit dem Hang zum mäkeligen Essen ein wertvoller Schutzschild mit auf den Weg gegeben, den sie auch heute noch mit sich herumtragen – auch wenn uns das mittlerweile mehr störend als nützlich erscheint.

Umso wichtiger ist es, dass die Kinder sehen, was wir essen. Die Chance, dass sie neugierig auf neue Speisen sind, steigt, wenn sie merken, dass Eltern oder größere Geschwister selbst gern davon nehmen. Allerdings sollte man keine Wunder erwarten – denn nicht immer ist die Abneigung gegen bestimmte Speisen nur genetisch programmiert. Es kann genausogut sein, dass ein Kind eine bestimmte Konsistenz von Essen nicht mag oder etwas geschmacklich schlicht ablehnt. Einiges ändert sich dann vielleicht im Verlauf der Kindheit noch, anderes wird womöglich bestehen bleiben, so wie bei uns Erwachsenen auch.

3. ACHTE AUF SNACKS

Wenn ein Kind nach Meinung der Eltern zu wenig oder zu selektiv isst, dann ist es gut, dieses Verhalten zunächst über einen längeren Zeitraum zu beobachten. Mindestens drei Wochen lang können Eltern sich aufschreiben, was das Kind wann isst. Ganz wichtig ist hierbei auch zu beachten, was die Kleinen zwischen den eigentlichen Mahlzeiten essen. Oft verlieren Eltern nämlich aus den Augen, dass Kinder ziemlich viel snacken. Der Apfel auf dem Spielplatz, das Brötchen auf dem Heimweg vom Kindergarten und die Schokolade bei Oma geraten schnell in Vergessenheit, lassen aber, wenn berücksichtigt, die tägliche Nahrungsaufnahme in einem ganz anderen Licht erscheinen. Oft ist das, was uns als zu wenig oder zu einseitig erscheint, dann schon gar nicht mehr so schlimm.

4. SEI GEDULDIG

Doch selbst wenn Eltern am Ende einer solchen Beobachtungsphase feststellen, dass ihr Kind tatsächlich eher wenig und einseitig isst, ist dies nicht sofort Grund zur Panik. Zumindest dann nicht, wenn ihr Kind ansonsten gesund und munter ist. Langzeitstudien haben gezeigt, dass auch Kinder, die sehr selektiv essen, dadurch nicht automatisch Schaden nehmen. Das liegt vor allem daran, dass der kindliche Körper sehr schlau eingerichtet ist. Irgendwann wünscht er sich nämlich bestimmte Nährstoffe, von denen er bisher zu wenig hatte, und die Kinder entwickeln Appetit auf neue Speisen und wollen, nachdem sie monatelang nur Wurstbrot gegessen haben, auf einmal haufenweise Bananen. Sie dürfen in diesem Fall ruhig auf Ihr Kind vertrauen – und darauf, dass unser Schöpfer es mit dem einen oder anderen Vorsorgeprogramm ausgestattet hat, das seit jeher dafür sorgt, dass wir Menschen überlebt haben.

5. ACHTE AUF MÜDIGKEIT

Wenn Eltern dennoch etwas am Essverhalten ihrer Kinder ändern wollen, ist es gut, sich zuerst die Rahmenbedingungen anzuschauen. Manchmal ist nämlich gar nicht das angebotene Essen das Problem, sondern der Tagesablauf. Besonders kleine Kinder können mittags nach dem Kindergarten oder abends, am Ende eines langen Tages, schlicht zu müde sein, um mit Freude an den gemeinsamen Mahlzeiten teilzunehmen. Manchmal müssen Eltern dann ihren Tag eine Weile eher unkonventionell gestalten – und beispielsweise die Hauptmahlzeit in den späteren Nachmittag schieben oder das Zeitfenster fürs Frühstück verlängern.

6. DURCHBRECHE ROUTINEN

Auf jeden Fall sollten Eltern auf dem Weg zu einer Veränderung Machtkämpfe vermeiden. Damit ist niemandem geholfen. Wenn man selbst merkt, dass man angesichts einer schwierigen Lage dabei ist, sein Vertrauen und seine Gelassenheit beim Thema Essen zu verlieren, sollte man eher versuchen, einmal die tägliche Routine zu durchbrechen. Wie wäre es statt eines Essens am Familientisch mit einem Picknick oder ausnahmsweise einmal mit Käsestangen und Gürkchen auf dem Sofa? Veränderte Umstände bringen oft eine gewisse Euphorie mit sich und sorgen dafür, dass auch neue Nahrungsmittel interessant werden oder zumindest schwierige Kreisläufe durchbrochen werden können.

Daniela Albert ist Erziehungswissenschaftlerin und Eltern- und Familienberaterin. Sie lebt mit Ihrem Mann und drei Kindern in Kaufungen bei Kassel und bloggt unter eltern-familie.de.

Gaben entdecken, Stärken fördern

„Wie kann ich meiner Tochter (8) helfen, ihre Gaben zu entdecken und ihre Stärken auszubauen?“

Für uns Eltern ist es eine wichtige und schöne Aufgabe, in unseren Kindern die Gaben zu sehen und zu bestätigen, die Gott in sie hineingelegt hat. Mit sieben oder acht Jahren sind sie oft schon starke Persönlichkeiten und haben klare Vorstellungen davon, was sie wollen und was nicht. Das erlebe ich zumindest bei meiner eigenen Tochter Sara (7) so, und ich finde es gut, auch wenn es manchmal anstrengend sein kann.

ZEIT ZU ZWEIT
Um die Gaben Ihrer Tochter zu entdecken, brauchen Sie Zeit mit ihr allein. In den gemeinsamen Zeiten können Sie Ihre eigenen Interessen mit ihr teilen und dabei viel Interessantes wahrnehmen! Im Alltag versuche ich, meine Tochter mit dem Blick Gottes zu sehen, der positiv und wohlwollend ist. Ich bitte ihn konkret darum, mir seinen Blick für meine Lieben und auch mich selbst zu schenken. Das macht einen großen Unterschied! Sara liebt es zum Beispiel zu lesen. Sie machte sehr schnell Fortschritte und hatte am Ende der ersten Klasse schon zahlreiche Bücher verschlungen! Ich legte eine Leseliste an und sie durfte für jedes ausgelesene Buch einen Sticker aufkleben. Auch in diesem Jahr hat sie eine solche Liste und ich merke, wie sie dadurch zusätzlich motiviert ist.

POSITIV KOMMUNIZIEREN
Sara schreibt auch gerne, vor allem Schreibschrift. Allerdings ist sie dabei oft unkonzentriert und lässt sich leicht ablenken. Deshalb ermahne ich sie zwar, dabei versuche ich jedoch etwas Positives zu kommunizieren, wie: „Ich finde es toll, dass dich so viele Dinge rundherum interessieren und dass du so viel siehst und hörst. Mach mal schnell die Schreibübung fertig, dann hast du wieder Zeit für die anderen Sachen.“ Ein anderes Mal bemerke ich, wie sie sich eine CD mit Bibelgeschichten nach der anderen „reinzieht“. Ich lobe sie für ihren Wissensdurst und frage sie nach ein paar Details, die sie mir meistens stolz wie aus der Pistole geschossen beantwortet. Ich äußere mich positiv über ihr wirklich bemerkenswertes Bibelwissen. Dieses Jahr zu Weihnachten hat sie sich eine BibleArt- Journaling Kinderbibel gewünscht. Einige Seiten hat sie schon bunt gestaltet, und ich finde ihre Bilder toll. Manchmal nehmen wir uns Zeit, um gemeinsam in unseren Bibeln zu lesen und sie kreativ zu gestalten. Dabei unterhalten wir uns über Gott, tauschen Sticker aus und bewundern gegenseitig unsere Kunstwerke. Ich liebe diese besonderen Zeiten.

WACHSENDE PERSÖNLICHKEIT
Was ich im Umgang mit Jüngeren bei ihr wahrnehme, ist eine echte Lehrergabe. Zwar kommandiert sie ihren jüngeren Bruder manchmal sehr herum, doch hat sie auch eine hingebungsvolle Art, ihm Dinge beizubringen. Auch ihre Hilfsbereitschaft ist bemerkenswert und ich danke ihr, wenn sie mal extra in den Keller flitzt, um mir etwas zu holen. Ich denke, es ist nicht so wichtig, wie oft Sie Ihre Tochter loben oder ihre Talente positiv erwähnen, sondern dass Sie sie als eigenständige, wachsende Persönlichkeit wahrnehmen und schätzen. Es ist ein spannender Prozess und ein Privileg, als Mutter hautnah dran zu sein und zu ihrer Entwicklung beizutragen!

Maria Lang lebt mit ihrer Familie in Wieselburg (Österreich) und arbeitet als Buchautorin, Illustratorin und Referentin.

Shit happens

Was ein gestürzter Apfelkuchen alles auslösen kann. Von Elisabeth Vollmer.

Ich hatte grade einen richtigen Flow und fühlte mich supergut! Vor dem Gottesdienst hatte ich die Idee, meinen Eltern einen spontanen Besuch abzustatten. Das machen wir selten, so ganz ohne Anlass. Aber irgendwie passte es grade rein. Und schließlich werden meine Eltern älter, und wer weiß, wie lange wir einander noch haben. Mein Mann war auch dafür, und so knetete ich vor dem Gottesdienst noch schnell einen Mürbeteig zusammen. Nach dem Gottesdienst waren dann auch unsere Teens wach und erstaunlicherweise willig, sich dem Spontanbesuch anzuschließen. Das bewog mich dazu, den geplanten gedeckten Apfelkuchen noch mit einer Vanillecremefüllung aufzupeppen. Die von meinem Mann geliebten Mandelsplitter vervollständigten das köstliche Werk.

Ich war also, wie gesagt, so richtig im Flow, als ich auf dem Weg war, das duftende Gebäck auf die Terrasse zum Abkühlen zu bringen. Wie es dann genau passierte, entzieht sich meiner Erinnerung (Verdrängung? Schock?). Jedenfalls schaffte ich es, mit einem Kuchen den maximalen Sauereifaktor zu erzielen. Das Parkett, der Teppichboden, die Balkontür und nicht zu vergessen meine Jeans (Aua! Heiß!): alles voll. Nur ein kleiner Rest befand sich noch in der Form. Mein Flow verwandelte sich im Sturzflug in einen Abgrund. Ich wusste nicht, ob ich heulen oder schreien sollte. Es waren nicht vor allem die Sauerei und der nicht mehr vorhandene Prachtkuchen, die mir zu schaffen machten. Es war das peinlich-kindische Gefühl, dass das so nicht fair war. Dass ich so sehr das Gefühl gehabt hatte, dass jetzt alles genau so richtig ist – und dass Gott dann doch bitte dafür hätte sorgen können, dass mir diese Form nicht aus den Händen fällt.

Glücklicherweise passiert mir solch ein Kuchen-Missgeschick sehr selten. Aber das Gefühl, dass ich mein Bestes gebe und das Resultat dann trotzdem unterirdisch sein kann, kenne ich leider auch aus anderen Alltagssituationen. Ich weiß: Das Leben ist keine berechenbare Matheaufgabe. Meine Illusion, dass bei optimalem Input zwangsläufig auch ein entsprechender Output die Folge sein müsste, hält sich trotzdem hartnäckig – und manchmal stimmt es ja auch. Aber, wie eine Freundin sagt: „Shit happens“. In jedem Leben, immer wieder, auch in meinem. Das ist ärgerlich, aber normal – und kein Anlass, mich oder Gott in Frage zu stellen. Und so ist mir dieser „Trümmerkuchen“ Anlass geworden, wieder neu Gelassenheit darin zu üben, dass das einfach so ist. Meine Jeans ist inzwischen gewaschen. Balkontür und Parkett waren schnell wieder sauber, mit dem Teppichboden war es etwas kniffliger …

An besagtem Sonntag hat mein Mann jedenfalls den Kuchen vom Boden weitgehend abgekratzt. In einer Schüssel haben wir ihn zu meinen Eltern mitgenommen. Wir hatten einen richtig schönen Nachmittag zusammen. Der Kuchen war so lecker, wie er vor dem Unfall aussah. Eigentlich gab es gar keinen Grund, mich in den emotionalen Abgrund zu stürzen. Shit happens – und das ist ganz normal!

Bildschirmfoto 2016-02-18 um 10.14.41Elisabeth Vollmer ist Religionspädagogin
und lebt mit ihrer Familie in Merzhausen
bei Freiburg.