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SCHNAPPATMUNG

Katharina Hullen denkt über einen persönlichen Fitnesscoach nach.

Katharina: „ 5 Kinder! – Sportlich!“ Ha, wenn es das nur mal wäre! Es stimmt: Ich bezwinge mehrmals in der Woche unsere Wäschegebirge, betätige mich täglich mit ganzem Körpereinsatz als „Stalljunge“ an der Wickelkommode und ziehe dutzende Male am Tag mein persönliches Fitnessprogramm „Sachen vom Boden aufheben“ durch. Ich müsste fit wie ein Turnschuh sein. Faktisch ist mein Körper nach den Geburten von fünf Kindern aber doch leicht aus der Form. Da halfen auch zehn Stunden Rückbildungsgymnastik nichts – wenn der Geist zwar willig ist, aber das Fleisch nach dem Kurs wieder müde und chipshungrig auf dem Sofa sitzt. Dazu kommt, dass sich jeder Trotzanfall der Kinder doch auch viel leichter mit einem großen Stück Schokolade herunterschlucken lässt. Und ist eine mollige Mama nicht ohnehin viel kuscheliger? Außerdem bemerke ich den Verfall ja nicht nur bei mir, sondern auch bei Hauke. Warum soll nur ich mir Mühe geben, wieder in Form zu kommen? Und wie sollte es überhaupt im Moment gehen? Im Fitnessstudio anmelden? Dort gäbe es ja sogar eine Kinderbetreuung – ich fürchte allerdings, dass dann leider alle anderen Eltern ihre Kinder nicht mehr mitbringen würden, weil unsere Schar den kleinen Raum komplett ausfüllt. „Hilfe, die Hullens kommen!“ Dann doch lieber Sport daheim. Ohnehin ist es doch ungemein praktisch, sich alles nach Hause zu holen, damit man nicht immer mit Sack und Pack und Mann und Maus überall aufschlagen muss: Musiklehrer, Frisör, Finanzberater … warum nicht auch den Personal- Trainer? Am besten als Familien-Trainer. Das wäre großartig! Wobei – wäre es das wirklich? Hätten wir alle Spaß daran? Während die Kinder an der Turnstange mit wehenden Haaren und einem Liedchen auf den Lippen Feldaufschwünge, Klimmzüge und Salti schlagen, lägen Mama und Papa doch schon nach dem Warm-Up mit Schnappatmung ausgestreckt auf der Wiese. Ach ja. Abnehmen, wieder fitter, beweglicher sein, das wäre schon gut. Für mich, und damit auch für uns alle. In diesem Jahr werde ich 40 Jahre alt. Ich glaube ja, dass Konfektionsgrößen an das Alter angepasst sind. Immer ist die Größe aktuell, in die man altersmäßig hineinwachsen wird. Fürs erste behalte ich aber die 38er Klamotten noch, auch wenn die 42 am Horizont schon zu sehen ist. Vielleicht zählt ja irgendwann das gefühlte Alter! Auf meinem Wunschzettel jedenfalls steht ein stabiler Crosstrainer, der im Zweifel auch Haukes Gewicht trägt, wenn er irgendwann soweit ist, sich einzugestehen, dass seine Kleidung nicht kürzer, sondern er „größer“ geworden ist. Aber lesen Sie selbst …

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

IM ZWEIMANNZELT

Hauke Hullen wird aus der Kleiderabteilung mit Normalgrößen verbannt.

Hauke: Die Umkleidekabine – welch Ort der Demütigung! Grelles Neonlicht, ein unvorteilhafter Zerrspiegel und dann noch dieser süffisant vor sich hin grienende Verkäufer mit offenkundiger Sehschwäche, der mir Hosen in aberwitzigen Größen anschleppt … doch der Reihe nach! Früher hatte ich Bundweite 34, doch da die Hersteller ihre Maße änderten, muss ich inzwischen einen 36er-Bund akzeptieren. Anfang Januar stelle ich aber fest, dass etliche Hosen in Bauchhöhe eingelaufen waren. So suchen wir ein großes Kaufhaus auf, wo ich hoffnungsfroh mit einer seltenen 35er-Hose in der Umkleide verschwinde. Sie passt. Hurra – ich habe abgenommen! Doch vor der Umkleide gibt es statt Szenenapplaus nur Schweigen und betretene Mienen des Verkäufers und meiner Frau. Der Angestellte schüttelt resigniert den Kopf. Nein, die Hose ginge gar nicht, auch 36 käme nicht in Frage, doch größere Hosen würden sie in dieser Abteilung nicht führen. Ich will dem Verkäufer ordentlich den Marsch blasen, doch der zu eng eingestellte Gürtel verhindert das Luftholen. „Wir haben da noch die Abteilung für starke Größen”, flötet er. Wo genau? „Auf der anderen Seite der Etage, immer geradeaus.” Aha. Wer also wie meiner einer ein bisschen muskulöser gebaut ist, wird in die hinterste Ecke abgeschoben, um die unterernährten anderen Kunden optisch nicht zu belästigen, schon klar! Ich sinniere, wie die Abteilung wohl genannt wird: „Dick & Chic” vielleicht, oder „Fett & Adrett”?!? Wir machen uns auf den Weg, dem Gang der Schande aus dem „Games of Thrones”- Epos nicht unähnlich. Er führt uns quer durch die Sportabteilung. „Schande!”, scheinen die Blicke der drahtigen Mittzwanziger zu sagen, die in den Trikotagen wühlen, „Schande!”, rufen die aufgereihten Laufschuhe, „Schande!” skandiert die Funktionswäsche, „da geht wieder so ein Adipositas-Athlet, der seine Neujahrsvorsätze schon in der ersten Woche gebrochen hat!” Endlich haben wir unsere Abteilung erreicht, wo mir ein schmieriger Verkäufer die übliche 36er-Hose verwehrt und mir höhnisch ein paar 38er in die Hand drückt. Ich betrete die Kabine neben dem – genau! – Lastenaufzug. Kabine? Eine Familienumkleide! Für Großfamilien! Gut, ein bisschen stämmig bin ich vielleicht geworden, aber muss man mir zum Umziehen gleich einen Tanzsaal zuweisen? Mit einer Spiegelwand? Erbost schlüpfe ich in das mir aufgeschwatzte Zweimannzelt und trete aus der Umkleide. Wieder Schweigen. Dann ein anerkennendes Nicken des Angestellten: „Passt!” Kathi strahlt: „Gut siehst du aus!” Jetzt fällt es mir auch auf. „Richtig sportlich”, ergänzt die beste Ehefrau von allen. „Ja”, bestätigt der überaus sympathische und sachkundige Fachverkäufer. Wir kaufen alles. Es ist wirklich leicht, seine gute Figur zu halten!

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.