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Quelle oder Quartier?

Moor Jovanovski räumt seinen MP3-Player auf und landet bei ganz grundsätzlichen Lebensfragen.

Es wird wieder Zeit für eine neue Playlist. Mein kleiner Mp3-Player ist gerade an meinem PC angeschlossen und ich durchforste meine digitalen Musikalben. Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, beim Joggen eine besondere Auswahl an geistlichen Liedern zu hören, die mein Herz erreichen. So fungiert meine Zeit des Sports auch zum Aufbau meiner geistlichen Fitness. Dass es mal wieder Zeit für eine neue Liste war, fiel mir daran auf, dass mich die Lieder anfingen zu langweilen. Das musste ich zugeben: Auch geistliche Aussagen können mich irgendwann langweilen. Aber halb so wild meine ich, denn Langeweile ist auch ein Hinweis darauf, dass es weitergehen darf. Denn was ich verinnerlicht habe, kann mir zur Quelle werden, aus der ich dann schöpfe. Es wird logischerweise Zeit für Neues, damit mein Herz nicht zu einem Quartier für fromme Binsenweisheiten wird. Denn das hätte dann weder etwas mit Fortschritt noch mit Fitness zu tun. Während ich also eine neue Auswahl von Liedern auf meinen Player verschiebe, kommen mir die Worte aus Sprüche 4,23 in den Sinn: „Mehr als alles, was man sonst bewahrt, behüte dein Herz! Denn in ihm entspringt die Quelle des Lebens.“ Das ist schon eine große Aufgabe. Ich pflege viele Dinge in meinem Leben und ich sehe meistens auch, wann es wieder an der Zeit ist, das zu tun. Ich stelle aber fest, dass ich mit meinem Herzen doch etwas zu nachlässig bin. Da kann es schon mal sein, dass sich hier „alte Listen“ wiederfinden, die ich nicht mehr hören will (oder die auch kein anderer hören sollte). Manchmal weiß ich genau, dass es wieder Zeit für etwas Neues wäre. Aber so unbrauchbar die alten Listen manches Mal sind, so sehr habe ich mich auch an sie gewöhnt. Und da liegt die Herausforderung: Zu erkennen, dass nicht alles Vertraute auch Fortschritt oder Fundament bedeutet. Mein Herz bedarf der Aufmerksamkeit und Achtsamkeit. Ich stelle mir die Frage, was sich im Laufe der letzten Wochen so alles in meinem Herzen aufgelistet hat. Welche Songs laufen gerade? Klagelieder? Trauerlieder? Freudenlieder? Welche „Alben“ habe ich kreiert? Ärger? Neid? Ängste? Verletzungen? Es wäre schön, wenn sich manches in meinem Herzen so einfach neu aufsetzen ließe wie eine Playlist. Aber ich bin sicher, dass es Gott möglich ist. Wenn ich mit ihm diese Listen und Alben durchgehe, dann kann er sicher das ein oder andere umgehend löschen. Mancher Song muss umbenannt oder behutsam umgeschrieben werden. Auch da bin ich sicher, dass Gott das kann. Ich will ihm die Listen meines Herzens nicht vorenthalten, damit mein Herz eine Quelle ist und bleibt und damit ich meine Fitness bewahre.

Moor Jovanovski hat zwei Kinder und ist verheiratet mit Monica. Er arbeitet als Pastor und Gemeindegründer in Frankfurt und Wiesbaden.

Ein Truckerfrühstück für die Freundschaft

Christof Matthias startet später, dafür aber mit voller Kraft in den Arbeitstag.

Eigentlich haben wir beide keine Zeit. Der Terminer ist voll, und einige unerledigte Baustellen verlangen jetzt eher Vollgas als ein freundschaftliches Treffen am Morgen. Zum Glück kann ich meine Arbeitszeit relativ frei einteilen und mein Freund hat die Möglichkeit, auch mal erst um 09.30 zu beginnen, wenn er dafür am Nachmittag länger bleibt. Also setze ich mich nach der üblichen Morgenroutine ins Auto und fahre zehn Kilometer über Land, um mich mit einem Freund zum Frühstücken zu treffen. In dem Café brummt es an dem Morgen wieder. Viele Tische sind bereits besetzt, einige noch frei, aber reserviert. Im hinteren Bereich finden wir noch ein Plätzchen für uns beide. Eine eher gehetzt wirkende Frau bringt uns die Speisekarte. Ich weiß eigentlich schon, was ich will: das Truckerfrühstück – reichlich Rührei und Speck, frisches Brot. Mein Freund braucht etwas länger, entscheidet sich schließlich für das Vitalfrühstück. Na ja, jedem das Seine. Erst jetzt nehme ich eine bequemere Sitzposition ein und frage: „Nun, mein Freund, wie schaut‘s?“ Aus dieser Frage entwickelt sich ein tief gehender, persönlicher Austausch. Wir erfahren voneinander und hören aufeinander. Es geht um die letzte Nacht, Träume, Beruf und Berufung, alte Eltern, Kinder, Enkelkinder, Ehe, Pläne, Visionen – haben wir die noch? Eine geordnete Struktur ist weder angedacht, noch erkennbar. Was interessant erscheint, wird vertieft, bevor ein neuer Gedanke ins Spiel kommt. Ausgemacht haben wir eine gute Stunde. Die ist aber längst vorbei. Nun müssen wir beide unbedingt los. Die Pflichten rufen unüberhörbar. Ich mache immer wieder die gleiche Erfahrung – Männer können reden und wollen es auch. So viele Gelegenheiten, anderen im vertrauten Rahmen von dem zu berichten, was mich beschäftigt und umtreibt, habe ich nicht. Freunde fallen nicht vom Himmel, und Freundschaften müssen gepflegt werden. In einer Gruppe fremder Leute lädt mein Akku nicht. Ich suche und brauche eher das Vertraute. Da, wo ich sein kann, tiefere Töne angeschlagen und Oberflächlichkeiten durchdrungen werden. In der herzhaften, männlichen Umarmung zur Verabschiedung spüre ich noch etwas, das Worte nicht ausdrücken können. Als ich wieder nach Hause komme, weiß meine Frau sofort, dass ich eine gute Zeit hatte. Sie merkt mir an, dass ich aufgetankt habe. Sie hat Recht.

Christof Matthias ist freiberuflicher Supervisor und Regionalleiter von Team.F, Vater von drei leiblichen Söhnen, einem mehrfach behinderten Pflegesohn, zwei Schwiegertöchtern und Opa von zwei Enkeltöchtern.

 

Lebe kreativ!

Moor Jovanovski erlebt glückliche Stunden beim Bau eines Vogelhäuschens.

Ich bin kein Künstler oder Poet. Aber irgendwie finde ich kreative Dinge auch ansprechend. Grundsätzlich gefällt mir der Gedanke, mich einfach auszuklinken und etwas zu tun, was nicht zwingend effizient ist. Doch häufig kommt es nicht so weit, weil ich mich dann frage: „Wer hat schon Zeit für sowas?“ Oder vielleicht auch: „Was würde es denn ändern?“ Umso überraschter war ich über mich selbst, als mir aus heiterem Himmel die Idee kam, etwas zu bauen. Gerade waren mein Sohn und ich im Begriff, vom Garten zurück ins Haus zu gehen, als ich zu ihm sagte: „Lass uns ein Vogelhaus bauen!“ Er schaute mich so verwundert an, wie ich mich selbst fühlte. Dann flammte die Begeisterung in seinen Augen auf und schon machten wir uns auf den Weg. Und zwar nicht in den Baumarkt, sondern in den Wald – ausgerüstet mit einer Säge. Und fürs Protokoll: Wir haben nichts Illegales gemacht! Wir haben nur umgefallene Stämme und Äste zurechtgesägt und eingepackt. Und dann kam der große Moment: Wir haben ohne Vorlage, ohne Bauanleitung, ohne Youtube-Tutorial einfach drauflos gebaut. So wie das Vogelhaus in unserem Herzen war, haben wir es in die Realität gebaut. Alles in allem verbrachten wir drei Stunden und sind nun stolze Besitzer eines „Dreibein-Vogelhaus“. So haben wir unsere Schöpfung benannt. Es ist 1,50 hoch und hat ein Spitzdach mit Tannengrün. Und schon bald zog ein Rotkehlchen ein, das wir Robin tauften. Erst im Nachhinein wurde mir deutlich, wie sehr mich diese Aktion erfüllte. Ich konnte mich einfach ausklinken. Ich hatte Zeit mit einem Menschen, den ich sehr liebe. Es gab keine Deadline für die Fertigstellung. Wir haben etwas mit unseren Händen gemacht (analog, nicht digital). Wir konnten ein inneres Bild Wirklichkeit werden lassen! Ja, wir haben etwas erschaffen, was es noch nicht gab. Ich spürte die Kraft der Kreativität in mir und plötzlich fühlte ich mich Gott sehr nahe. Ich bin seine Schöpfung und wenn ich kreiere, dann bin ich in seiner Nähe. Ohne Gebete. Ohne Gesang. Ohne Andacht. Nur in dieser Erinnerung, dass ich sein Geschöpf bin und mit ihm verbunden bin, wenn ich etwas erschaffe. Kreatives Leben ist eine Gottesbegegnung. „Was würde es ändern?“ hatte ich mich bisher gefragt. „Mich“ habe ich mir dann gedacht.

 

 

Moor Jovanovski hat zwei Kinder und ist verheiratet mit Monica. Er arbeitet als Pastor und Gemeindegründer in Frankfurt und Wiesbaden.

Gute Ideen im Praxistest

Stefan Gerber stellt fest, dass die Auftanktipps von anderen nicht immer hilfreich sind.

Als junger Vater habe ich mit Begeisterung – es müsste in der Family gewesen sein – von der Idee des Papi-Gutscheins gelesen. Es geht darum, dass Väter und Mütter Qualitätszeit mit dem Kind erleben. Das hörte sich prima an! Meine Frau und ich, wir sahen uns schon bei beziehungsstärkenden Aktivitäten mit unseren Kindern. Die Umsetzung erschien uns einfach: In einem Monat würde unsere Tochter einen Papi-Gutschein erhalten und der Sohn einen Mami-Gutschein. Im Folgemonat umgekehrt. Die Gutscheinempfänger sind dazu berechtigt, einen Ausflugswunsch mit dem entsprechenden Elternteil einzubringen. Sie können da ihrer Fantasie freien Lauf lassen – so lange es vom Zeit- und Finanzbudget her im Rahmen bleibt. Vom gemeinsamen Spielnachmittag, dem Fahrradausflug an den See über die Rollhockey-Partie oder einer Runde Minigolf bis zum Besuch im Hochseilgarten oder im Fußballstadion ist vieles denkbar. Leider wurde die tolle Idee nicht zu unserer Familien- Tankstelle! Euphorisch dachten wir, die Wunschlisten unserer Kinder würden sich sofort füllen und es gäbe ganz viel, was sie mit uns unternehmen wollten. Doch trotz mehrerer Anläufe – es klappte nicht. Besonders unserer Tochter entsprach dieses Vorgehen nicht. Sie hatte große Mühe, überhaupt etwas auf ihre Wunschliste zu bekommen. Was nicht bedeutet, dass sie keine Zeit mit ihren Eltern verbringen will, aber der „Zwang“ eines monatlichen Papi-/Mami-Gutscheins schreckte sie eher ab. Was ein gutes Ritual sein kann, passte nicht zu uns als Familie. Wir mussten lernen, uns von guten Ideen inspirieren, aber nicht einengen zu lassen. Ich kämpfe immer mal wieder mit fixen Vorstellungen – von der Familienandacht bis zur Regelung des Medienkonsums; aber immer wieder erlebe ich, dass meine Vorstellung, wie es wohl sein sollte, eher in eine Sackgasse führt, als dass sie unserer Familie dienen würde.Daher versuchen wir unsere ganz eigene Familien-DNA zu leben. Inspiration von außen – super. Doch zum Gesetz wollen wir uns nicht machen, was bei anderen funktioniert, aber möglicherweise zu uns nicht passt. Umso mehr genieße ich es, wenn dann doch solche Inseln im Alltag entstehen und ich mit einem unserer Kinder etwas erleben kann: Manchmal geplant wie der Ausflug zum Spengler-Cup (Eishockey-Turnier) in Davos zum zehnten Geburtstag unseres Sohnes oder ganz spontan wie in den Herbstferien, als unsere Tochter und ich einen anderen Wanderweg wählten. Ganz viel bedeutet es mir auch, wenn mich eines meiner Kinder zum Skifahren auf den Steilhang meiner Lieblingsskipiste begleitet. Das sind dann jeweils richtig wohltuende Tankstellen für mich – und für meine Kinder.

Stefan Gerber, Geschäftsführer Willow Creek Schweiz, ist Leiter der Netzwerk- Kirche „gms – gospel movement seeland“ und freiberuflich als Autor („Glück finden – hier und jetzt“), Referent und Coach tätig. Er ist verheiratet mit Brigitte Gerber- Urfer und Vater von Joy Nina (14 J.) und Janosch Noah (11 J.).

Wellness in der Bikerwerkstatt

Christof Matthias über die Faszination des Schraubens.

Als wir letztens in unserer Männerrunde (siehe Family 2/16) zusammensaßen, erzählte ich von einem Beitrag in einer Autozeitschrift. Das Redaktionsteam hatte sich zusammengetan, um einen schrottreifen Oldtimerkäfer zu restaurieren. „Hey Jungs, wäre das nicht was?“ Alle waren von der Idee begeistert. Nur leider wohnen wir weit auseinander, haben außer unseren regelmäßigen Treffen kaum Berührungspunkte und auch nicht die Zeit, so etwas realistisch umzusetzen. Schön war der Gedanke trotzdem.

Wenn ich ans Schrauben denke, werde ich lebendig. Irgendwie hat mich die Technik in der praktischen Art immer angezogen. Das hat auch mit meinem zweiten beruflichen Lebensabschnitt zu tun. Damals hatte ich tatsächlich eine eigene (Männer-) Tankstelle inklusive Werkstatt gepachtet. Einige Jahre verbrachte ich mit, an und unter Autos. Das war eine Zeit, in der vieles noch freier schien, alles irgendwie möglich und machbar. „Geht nicht“ gab es nicht. Zumindest probierten wir alles. In Nacht- und Nebelaktionen wurden die Fahrzeuge Liegengebliebener wieder zusammengeflickt, zwar provisorisch, aber sie konnten weiterfahren. Verbunden damit waren ein einzigartiger Flair – und der ständig präsente Benzin- und Ölgeruch.

Heute ist es deshalb für mich nicht ganz leicht, mit meinen Fahrzeugen zur Inspektion oder zum TÜV zu fahren, ohne selbst Hand anlegen zu dürfen. „Finger weg, jetzt schrauben andere“ muss ich mir da schweren Herzens immer sagen.

Mein erstes eigenes Fahrzeug vor genau 40 Jahren war ein Motorrad, eine RD 350, noch mit autoluber Getrenntschmierung. Wichtig war mir, sie durch eine schärfere Nockenwelle auf 34 PS zu bringen, und natürlich wurde sie schon mal ausprobiert, bevor ich den Führerschein in den Händen hatte (nicht weitersagen).

Autos sind heute noch immer prima, aber eher die Pflicht, Motorräder die Kür. Deshalb freue ich mich besonders, nach meinen Beratungsgesprächen oder Supervisionssitzungen, ab und zu mal bei einem befreundeten Bikehändler aufzulaufen. Dort ist es mir erlaubt, in der Werkstatt rumzulungern oder mich mit einer Story in ein Verkaufsgespräch einzumischen. Der Funke springt noch immer über. Die jeweils neuen Modelle werden dann einmal von mir besetzt oder auch ausführlich zur Probe gefahren. Ein kurzes Fachgespräch über die Stärken der aktuellen 3-Zylindermodelle von Yamaha belebt meine Seele. Das ist eine meiner persönlichen Tankstellen, in der es ganz speziell riecht. Es ist eine Mischung der Ausdünstungen von Ölen, Fetten und Leder, die im Raum wabert. Bestimmt nicht jedermanns Sache, aber jeder Mann hat sicher seinen speziellen Erinnerungsduft, der ihn lebendig werden lässt. Vielleicht gilt es diesen wiederzuentdecken.

Mich erinnert das auch an die Jünger von Jesus, die auch immer wieder zu ihrer vergangenen Tätigkeit zurückgingen – dem Fischen. Und da – das weiß ich sicher – ist der Geruch nun ganz speziell. Der geht noch nicht einmal mit Waschen weg.

Christof Matthias ist freiberuflicher Supervisor und Regionalleiter von Team.F, Vater von drei leiblichen Söhnen, einem mehrfach behinderten Pflegesohn, zwei Schwiegertöchtern und Opa von zwei Enkeltöchtern.

Nur eine Sache

Moor Jovanovski über Konzentration aufs Wesentliche.

Irgendwas ist immer!“ Diese drei Worte sprangen mich plötzlich an. Ich hatte mir gerade den Luxus erlaubt, einen Buchladen durchzustöbern. Zwischen den Regalen waren Magnete mit kleinen Weisheiten angebracht. „Irgendwas ist immer!“ – dieser Magnet kam mir wie ein Stoppschild vor. Er aktivierte mein schlechtes Gewissen. Ich fühlte mich beim Vertrödeln wichtiger Lebenszeit ertappt. Die Leichtigkeit war dahin, und ich stand wieder unter Strom. Stimmt, dachte ich. Irgendwas ist immer.

Gerade, als ich hinauseilen wollte, um meinem Leben wieder Effizienz zu verleihen, fiel mir ein, dass man diese Aussage auch mit einem Teilsatz erweitern könnte: „Irgendwas ist immer, also mach dich nicht verrückt!“ Meine Schritte wurden langsamer, und weitere Varianten für die zweite Satzhälfte fielen mir ein: „… also gönn dir mal eine Pause.“ „… also versuch nicht alles auf einmal zu lösen.“ Und dann noch eine weitere für mich wichtige Version: „… also vergiss die wirklich wichtigen Dinge nicht!“

Wirklich wichtig sind nur wenige Dinge, aber um diese muss man in unseren Zeiten wirklich ringen. Jeder macht sein Anliegen wichtig. „Irgendwas ist immer“ wird zu einem Lebensgefühl. Ständig poppen jede Menge Nachrichten auf unserem Display auf und buhlen um unsere Aufmerksamkeit.

Diesem Lebensgefühl begegne ich mit der „Kultur der einen Sache“. So habe ich meinen Entschluss benannt, die wirklich wichtigen Dinge in meinem Leben zu kultivieren. Ich habe festgestellt (und wen wundert das), dass viele automatisierte Abläufe in meinem Alltag zu finden sind: Der Griff zum Smartphone. Der Blick ins Mailpostfach. Die Sichtung der Aufgabenlisten. Sie sind deshalb automatisch, weil sie durch das Gefühl ausgelöst werden, dass ich danach schauen muss.

Diesen Selbstläufer habe ich für meine „Kultur der einen Sache“ genutzt. Ich habe mir sehr nüchtern überlegt, was mir die meiste Kraft gibt und was meine größte Quelle der Inspiration ist und bin bei diesen Überlegungen auf einen Psalm gestoßen, der zur Grundlage für diesen Selbstläufer geworden ist:

„Eins habe ich vom HERRN erbeten, danach trachte ich: zu wohnen im Haus des HERRN alle Tage meines Lebens, um anzuschauen die Freundlichkeit des HERRN und nachzudenken in seinem Tempel. Denn er wird mich bergen in seiner Hütte am Tag des Unheils, er wird mich verbergen im Versteck seines Zeltes; auf einen Felsen wird er mich heben.“ (Psalm 27,4+5)

Eine Sache! Eine einzige Sache, die tatsächlich das Wichtigste zu sein scheint: Gott sehen. Nachzudenken über seine Präsenz. Seine Freundlichkeit vor Augen haben. Geborgenheit erleben. Ein Zuhause spüren. Fundamente bekommen.

Die Sehnsucht danach versuche ich zu kultivieren, damit ich ganz automatisch nach Begegnungen mit Gott suche. Das Gefühl, auf meine Arbeit schauen zu müssen, weil irgendwas immer ist, bekämpfe ich nicht, denn es bringt mich auch voran. Ich habe vielmehr ein weiteres Lebensgefühl kreiert, dass es eine Sache gibt, die mir Kraft und Quelle ist und so stelle ich die Alarmzeit meines Weckers auf 05:25 Uhr. Hier ist die Ruhe, um meiner „Kultur der einen Sache“ nachzukommen. Denn danach ist immer irgendetwas.

Moor JovanovskiMoor Jovanovski hat zwei Kinder und ist verheiratet mit Monica.
Er arbeitet als Fachlehrer im Bereich Praktische Theologie am Theologischen Seminar Beröa.

 

 

Einmal volltanken!

Wenn die Welt so ist, wie sie sein sollte.

Warum klatschen die alle?“, fragte unsere Tochter auf dem Katamaran während der Abendrundfahrt. Natürlich verdankten wir keinem Menschen den wunderschönen Sonnenuntergang – Erde und Sonne folgten bloß ihrem normalen Lauf. Trotzdem war es auch mir zum Applaudieren zumute.

Es war so ein Moment, wie er in der Liedzeile „when the world‘s all as it should be’“ (wenn die Welt so ist, wie sie sein sollte) von Matt Redman besungen wird. Zusammen mit meiner Familie durfte ich während unserer Auszeit diesen ergreifenden Moment auf dem Meer erleben. Da war dieses Gefühl von Ganzheit, umfassender Liebe und von Einssein mit sich und der Umwelt. In diesen Momenten spürte ich, wie mein Tank mit neuer Energie gefüllt wurde.

Ich kann nur mutmaßen, warum die anderen 130 Teilnehmenden dieser Katamaranfahrt an der Küste Spaniens an diesem Abend beim Sonnenuntergang applaudierten. Aber ich kann darüber reflektieren, warum es mir in diesem Moment einfach zu spontanem Applaus zu Mute war. Es war eine Form von Lobpreis: Überwältigt vom Anblick der roten Kugel, die da am Horizont langsam verschwand, wollte auch mein Herz jemandem für die Schönheit des Moments danken. Darum gehörte mein Applaus dem Schöpfer all dieser Schönheit.

Mein Herz war jedoch nicht nur wegen des Sonnenuntergangs voller Dank. Das Erlebnis war eingebettet in unser langersehntes Sabbatical. Erstmals konnten wir als Familie einen richtig langen Urlaub erleben, erstmals waren wir zusammen am Meer und erstmals wohnten wir in einer Villa mit eigenem Pool. Das war richtig toll und hat uns unheimlich gut getan.

Lange hatten wir vor unserer fünfwöchigen Auszeit überlegt, was wir machen könnten, damit alle auf ihre Rechnung kommen. Pläne wurden geschmiedet – und oft wieder verworfen. Meistens, weil die Pläne a) zu teuer und b) zu sehr nach dem Geschmack des Papis waren. Als ein finanzierbarer und konsensfähiger Plan geschnürt war, stieg die Vorfreude auf unser Sabbatical von Monat zu Monat. Was uns Freunde schon im Voraus sagten, hat sich eindeutig bestätigt: Weniger wichtig ist, was wir unternommen haben, sondern dass wir einmal Zeit für ein ausgedehntes Familienerlebnis hatten.

Drei Wochen verbrachten wir zusammen in einem wunderschönen Haus in Javea (Costa Blanca) – ohne Zeitdruck, ohne TV und PC, ohne To-Do-Liste. Dafür drei Wochen gefüllt mit Familienerlebnissen wie der Katamaranfahrt, dem stundenlangen Baden im Pool, dem Essen am Meer, dem Geocachen, dem Hören von alten TKKG-Fällen, der Irrfahrt durch den Industriehafen von Valencia … Vor und nach den drei Familienwochen hatten wir je eine Woche für uns als Ehepaar eingeplant. Zu unserem 15-jährigen Hochzeitstag haben wir uns mit einem Ausflug nach Venedig beschenkt und als krönender Abschluss unseres Sabbaticals durften wir beim Leadership Summit von Willow Creek dabei sein. Auch diese Ehezeiten waren sehr wertvoll.

Wenn ich an unser Sabbatical zurückdenke, will mein Herz gleich wieder applaudieren: „Danke, Gott, dass dieses Auftanken möglich war.“

GerberStefan Gerber ist Theologe im Bundes- Verlag (Schweiz) und Leiter der Netzwerk- Kirche „gms – gospel movement seeland“. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. In seinem neuen Buch „Glück finden – hier und jetzt“ schreibt er, wie mit dem „ShalomLeben-Windrad“ mehr Lebenszufriedenheit im Alltag integriert werden kann.

 

 

Von Herz zu Herz im Bauwagen

Christof Matthias schwärmt von einer Männerrunde, die sich auf einem Bauernhof trifft.

Als ich um 23.00 Uhr nach Hause komme, scheint mein Gesicht zu strahlen. „Na, ist es euch wieder gut gegangen?“, fragte mich meine Frau. „Jupp, wie immer.“ Dann schwärme ich in gewohnter Weise von meinen Erfahrungen, dem Austausch und dem tollen Essen. Einmal monatlich treffen wir uns in überschaubarer Männerunde von acht bis zwölf Männern, um Beziehungen zu knüpfen und Freundschaften zu bauen. Bewusst haben wir uns dafür ein männergeeignetes Domizil gesucht. Einen Bauernhof, auf dem wir richtig Lagerfeuer machen, die Motorsäge auch am späten Abend auf Hochtouren bringen oder mit einem Schlepper tatsächlich im Gelände fahren können, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen. Hammer, da erwacht das männliche Herz zum Leben. Diese Aktionen sind aber immer nur der Einstieg, um bei einem Abendessen über unsere Themen ins Gespräch zu kommen. Dazu setzen wir uns in der Regel in einen alten Bauwagen, der als Gruppenraum ausgebaut wurde. Das Ambiente ist nützlich, rustikal, eher einfach, und Sauberkeit spielt keine dominante Rolle. Auf einem Bauernhof wäre das auch nicht so einfach. Nur die Spinnweben und toten Fliegen, die sich auf dem Tisch schon wieder breit gemacht haben, fegen wir immer schnell noch vom Tisch. Während wir uns mit Männergetränken, Bratwürstchen vom Grill oder einer ahlen Wurst (Kasseler Spezialität) versorgen, werfe ich das Thema des Abends in die Runde, heute: „Leben mit Vision“. Wohl ein wenig einfältig denke ich, dass nun alle ihre Vision benennen oder neu finden könnten. Aber gerade weil wir so ehrlich sind, kommen auch ganz unerwartet Antworten: „Ich hatte Visionen für mein Leben, sie aber alle aufgegeben. Diesbezüglich kann ich Gottes Stimme nicht hören.“ „Ich lasse mich nur von Gott lieben. Mehr will und brauche ich nicht.“ Der Austausch entwickelt sich wieder mal anders als gedacht. Toll, wie verschieden wir doch sind, welch unterschiedliche Denkansätze wir verfolgen und wie wir einander bereichern können. Ich versuche, noch etwas Gemeinsames zu finden: Könnte es sein, dass Gott sich für jeden Mann etwas Besonderes gedacht hat und dieses Etwas vielleicht Gottes Vision für uns ist? Dazu können alle ein Ja und Amen finden. Als ich auf die Uhr schaue, bin ich überrascht. Die Zeit ist wieder superschnell vergangen. In guter Tradition beenden wir auch diesen Abend im Gebet füreinander und mit zwei Liedern. Ich habe von „meiner Truppe“ wieder ganz Neues erfahren, kann Anteil nehmen, für andere da sein – klasse. Alle Anwesenden empfinden diesen Ort, an dem wir uns so ehrlich, offen und rückhaltlos geben können, als einmalig.

Bildschirmfoto 2016-02-18 um 10.06.17Christof Matthias ist freiberuflicher Supervisor und Regionalleiter von Team.F,
Vater von drei leiblichen Söhnen, einem mehrfach behinderten Pflegesohn, zwei
Schwiegertöchtern und Opa von zwei Enkeltöchtern.

 

 

Jetzt neu! Wie früher!

Moor Jovanovski entdeckt hilfreiche Botschaften im Supermarkt.

Schnell noch auf dem Rückweg einkaufen. Der Tag war schon sehr voll, aber der Kühlschrank umso leerer. Es liegt einer dieser Arbeitstage hinter mir, bei denen ich das Gefühl habe, mich selbst zu überholen. Es gibt viel zu entscheiden, zu konzipieren, zu sprechen, zu schreiben, zu denken, zu lösen, zu arrangieren und vor allem zu geben. An so einem Tag ist nicht nur der Kühlschrank leer. Eine gewisse Leere macht sich auch in meinem Innern breit.
Jetzt also einkaufen. Die Familie braucht Abendbrot, und bedauerlicherweise liegt der Supermarkt auf meinem Heimweg von der letzten Besprechung. Vom Parkplatz hechte ich in den Supermarkt. Vom Toastbrot zu den Aufbackbrötchen. Ach ja, das Gemüse war doch am Eingang. Also zurück. Oh nein, Mutter mit Kind im Weg! Lächeln und dann rechts überholen (gilt eigentlich die StvO auch im Supermarkt?). Schnell die Tomaten einpacken (meine Güte, sind die teuer …) und weiter zum Kühlregal. Der Hektikmodus manifestiert sich in einem Herzrasen, als ich die Regale mit meinen Augen nach dem Lieblingskäse absuche. Warum räumen die immer alles um? Neuropsychologie in den Supermärkten … ich brauch das jetzt nicht. Ich drehe innerlich auf Hochtouren. Verliere ich jetzt die Nerven wegen eines Frischkäses? Endlich entdeckt. Wie konnte es anders sein: direkt vor meiner Nase. Jetzt reicht‘s! Ich will nach Hause auf die Couch. Runtertakten. Ausruhen. Akkus aufladen. Gerade will ich den Käse in den Wagen werfen und mich in einer fließenden Bewegung mit dem Einkaufswagen in Richtung Kasse bewegen, da bleibt mein Blick auf der Verpackung hängen. Ein unübersehbarer Hinweis – außergewöhnlich in der Formulierung: „Jetzt neu! Wie früher!“ Ich bleibe unweigerlich stehen. Was jetzt? Neu oder alt? Ist das jetzt besser oder schlechter? War früher doch alles besser? Hoffentlich meinen die nicht das Haltbarkeitsdatum! Ich bin verwirrt. In diese Gedanken versunken gehe ich (erstaunlicherweise) langsam zur Kasse.
Das will mir nicht aus dem Kopf: Altes neu entdecken. Das ist doch eine Quelle. Und nachdem ich gezahlt, alles im Auto verstaut habe und wieder auf dem Fahrersitz bin, beginne ich ein spontanes Gebet. So, wie ich es früher oft gemacht habe. So wie ich einmal im Lukasevangelium las. Dort nahm sich Jesus einfach zwischen der Geschäftigkeit des Tages eine Auszeit zum Beten (Kapitel 5 Vers 16). Er lotete den Tag aus und entschied sich für Auszeiten zwischendrin. Und Beten können und dürfen – das ist und bleibt doch eine Quelle. Ob kurz, ob lang. Ob bewusst, ob unbewusst. Egal, an welchem Ort und egal, worum es geht. Dieses und jenes. In der Hektik, in der Ruhe. Am Morgen. Am Abend. Oder eben zwischendrin.
Der Zugang zu dieser Quelle ist so individuell, wie eben jeder von uns ist. Und aus dieser Quelle strömt Leben und Kraft, Zuversicht und Ruhe. Die Leere wird aufgefüllt. Die Akkus laden auf. Nur muss mein inneres Auge eben zuerst an dieser Aussage heften bleiben, damit mir das wieder bewusst wird: „Jetzt neu! Wie früher!“ Und in mir höre ich diese leise Stimme: „Egal wann, egal wo, egal wie, ich bin deine Quelle.“ Bis ich zu Hause bin, höre ich nicht auf, aus dieser Quelle in meinem Auto zu schöpfen. Und zum Abendbrot komme ich dann auch nicht zu spät.

 

 

Ich bin kein Jogger

Warum Stefan Gerber zum 40. keinen Marathon läuft.

Ich bin nicht so der Jogger. Natürlich habe ich es auch versucht. Schließlich sind einige meiner großen Vorbilder, wie der Willow-Creek-Pastor Bill Hybels, bekennende Läufer. Also habe ich die eine oder andere Runde in der wunderschönen Gegend gedreht, die direkt vor meiner Haustür beginnt. Trotz starken Willens scheiterte ich kläglich! Mehr als dreimal in Folge schaffte ich es nie.
Ich bin einfach kein Jogger. Das musste ich mir mit der Zeit eingestehen. Und so hab ich auch der Versuchung widerstehen können, mich zu meinem vierzigsten Geburtstag in diesem Jahr mit einer Marathonteilnahme zu beglückwünschen. Ist ja toll für alle Männer, die das auf die Reihe kriegen. Aber ich will mich doch nicht noch zu meinem Geburtstag mit so etwas abplagen!
Ich bin aber auch nicht ganz unsportlich. Viel Freude erlebe ich beim Strampeln auf dem Fahrrad. Erst an der Aare entlang, danach schwitzend den Berg hinauf in den Wald und zum Schluss in rasantem Tempo herunter, der Dusche entgegen. Ich gebe zu, dass selbst diese einstündigen Biketouren etwas Überwindung kosten. Doch wenn ich mich überwinden konnte, ist es jedes Mal eine wohltuende Tankstelle für Körper und Geist.
Ich bin ein Siegertyp. Nicht, dass ich immer gewinne. Aber ich gewinne gerne. Darum liegt mir wohl das Joggen so überhaupt nicht: Wenn ich mich da alleine abmühe, gibt es einfach wenig zu gewinnen. Schon früher als Kind fand ich zu den Teamsportarten einen besseren Zugang. Nachmittage lang machte ich mit meinen Kollegen den Schulhausplatz unsicher, wo wir leidenschaftlich Rollhokkey spielten.
Ich bin dankbar dafür, dass vor einigen Jahren in unserem Dorf eine Unihockey-Hobbymannschaft gegründet wurde. Ein verbindliches Mittun in einem ambitionierten Sportverein war für mich, neben all meinen Tätigkeiten und den unregelmäßigen Arbeitszeiten, nicht drin. Und genau da trifft diese Plauschmannschaft den Nerv unserer Zeit: Wenig Verbindlichkeit, viel Fun. Wer mittwochs um 18 Uhr zum gemeinsamen Training kommen kann – wunderbar.Wer verhindert ist – auch okay.
Ich bin kein Theoretiker, mich interessiert die Anwendung mehr als die Technik. Das ist im Sport so, aber auch ganz generell. Und darum bin ich so froh, dass unsere „Trainings“ eigentlich keine solchen sind. Wir teilen die Anwesenden in zwei Gruppen, und dann geht’s schon los mit dem Spiel: Auf jede vergebene Chance folgt ein „dummer“ Spruch eines Mitspielers, jedes Tor wird würdig gefeiert und tut der Seele des Siegertyps in mir richtig gut. Tankstelle pur.
Ich bin in Bewegung. Inzwischen bin ich ziemlich verbindlich beim Unihockey-Team dabei. Einfach weil ich dem wöchentlichen Termin eine hohe Priorität gebe, geben will. Da ist sie, die viel besagte intrinsische Motivation (Motivation von innen heraus), die ich beim Joggen trotz bestem Willen nie aufbringen konnte (da blieb es immer Motivation von außen: „Man(n) sollte …“). Bewegung ist wichtig, Bewegung ist gesund, Bewegung muss aber unbedingt auch Spaß machen!