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Großer Tag – kleiner Fußabdruck: 5 Tipps für eine nachhaltige Hochzeit

Eine Hochzeit nachhaltig zu gestalten, ist gar nicht schwer. Als Merksatz dient ein amerikanisches Sprichwort.

Wer an seiner Hochzeit die Umwelt und ganz nebenbei auch noch den Geldbeutel schonen möchte, kann sich einfach an einer alten amerikanischen Tradition orientieren, wonach eine Braut an ihrer Hochzeit fünf Dinge braucht: „Something old, something new, something borrowed and something blue. And a silver sixpence in her shoe.“

1. Something old (Etwas Altes)

Es ist nicht nötig, für die Hochzeit alles neu anzuschaffen. Vasen und Kerzenständer können Feiernde günstig gebraucht kaufen. „Alte“ Blumen in Form von Trockenblumen erleben derzeit ihren zweiten Frühling und geben eine wunderschöne Boho-Deko ab. Und heruntergekommenes Mobiliar oder verkratzte Tischplatten können mithilfe von Stuhlhussen und Tischdecken in neuem Glanz erstrahlen. Stofftischtücher sind natürlich besonders umweltschonend.

Auch beim Essen tut es „etwas Altes“, und zwar im übertragenen Sinne: „Iss nichts, was nicht auch deine Großmutter gegessen hätte“, rät Ernährungsberaterin Lynn Hoefer in Hinblick auf eine ganzheitliche, gesunde Ernährung. Das bedeutet: Bei der Speiseauswahl kann das Hochzeitspaar die dann herrschende Saison im Blick behalten und regionale Lebensmittel auf dem Buffet anbieten.

Ein ganz besonderer Hingucker ist es, wenn Omas altes Brautkleid noch im Schrank hängt und von einer kundigen Schneiderin zu einem neuen, modernen Kleid umgearbeitet werden kann.

2. Something new (Etwas Neues)

Natürlich sollte es auf einer nachhaltigen Hochzeit so wenig Wegwerfprodukte wie möglich geben. Wer jedoch auf Strohhalme und den Luftballonstart nicht verzichten möchte, kann sich zumindest um einen nachhaltigen Ersatz bemühen. Inzwischen gibt es viele ökologisch wertvolle Alternativen zu herkömmlichen Produkten, so zum Beispiel Luftballons aus Naturlatex. Überschüssige Glas- oder Stahlröhrchen kann das Brautpaar nach der Feier an die Gäste verschenken, welche sie dann zuhause weiterverwenden.

Beim Upcycling entsteht etwas ganz Neues aus einem ehemals alten Produkt: Teelichte leuchten in einem alten Marmeladenglas, das mit einer Buchseite aus einem ausrangierten Buch umwickelt ist. Vasen können aus Altglas, Konservendosen und sogar Tetrapacks gebastelt werden. Und aus zerknitterten Servietten aus Mutters Krims-Krams-Schublade lassen sich wunderschöne Blumengirlanden und Pompoms zaubern, die von der Decke baumeln. Sogar der Ehering lässt sich aus recyceltem Edelmetall fertigen.

3. Something borrowed (Etwas Geliehenes)

Hochzeitsdeko und Blumenschmuck, ja sogar Brautkleider kann man heutzutage leihen und nach der Feier problemlos zurückgeben. Gleiches gilt für Getränke, die Feiernde beim Getränkehändler auf Kommission erwerben können. Das spart Ressourcen und Geld.

Übrig gebliebenes Essen kann das Brautpaar zwar nicht zurückgeben, aber zumindest den Gästen mitgeben. Daher am Hochzeitstag an Verpackungsmaterial aus biologisch abbaubaren Materialien wie Papier oder Bienenwachstücher denken und auf die gute alte Alufolie beziehungsweise den Plastikgefrierbeutel nach Möglichkeit verzichten.

4. Something blue (Etwas Blaues)

Blau ist, wer auf der Hochzeit zu tief ins Glas geschaut hat. Auch beim Thema Getränkekonsum lässt sich auf Nachhaltigkeit achten: Wenn die Gäste mehrere Bier aus demselben Glas trinken, lassen sich Spülgänge einsparen. Statt Plastikflaschen lieber Glasflaschen kaufen und die Getränke immer in Gläsern, nie in Papp- oder gar Plastikbechern ausschenken. Das macht den ökologischen Fußabdruck gleich kleiner!

5. And a silver Sixpence in her shoe (Und ein Ein-Cent-Stück in ihrem Schuh)

Ganz von allein spart das Brautpaar bei einer nachhaltigen Hochzeit Geld. Den Blick sollte das Paar jedoch nicht darauf richten, worauf es bei einer nachhaltigen Hochzeit verzichten muss, sondern was es dadurch gewinnt: Die Kreativität wird angeregt beim Ausdenken upgecycelter Dekoelemente, das Essen ist lecker und dabei noch gesund, das Ambiente umso schöner. Und es bleibt sogar mehr Geld übrig für die Flitterwochen. Und immer dran denken: Worauf es bei einer Hochzeit wirklich ankommt, gibt es sowieso in keinem Laden der Welt zu kaufen!

Catharina Bihr lebt mit ihrem Mann in Stuttgart und arbeitet in der Erwachsenenbildung.

Lernen, wo die Milch herkommt

Ruth Korte möchte mit ihrer Familie nachhaltig leben. Dabei gibt es Erfolgserlebnisse, aber auch Rückschläge.

Eins vorweg: Wir sind weit davon entfernt, eine „Öko- Familie“ zu sein – weit entfernt von denen, die es schaffen, einen einzigen gelben Sack pro Monat zu verbrauchen, komplett aufs Rad und die Öffis umgestellt zu haben, sich nur Gebrauchtes oder Selbstgebautes ins Haus zu holen oder selbstversorgerlich ihr eigenes Obst und Gemüse anzubauen. Letzteres wäre schon deshalb nicht möglich, weil wir keinen Garten haben. Auch wollen wir auf einen gewissen Komfort in unserem Leben nicht verzichten: auf unser Auto zum Beispiel, die Flugreise in die Urlaubssonne oder hin und wieder ein neues Möbel- oder Kleidungsstück.

Schritte vor und zurück

Trotzdem liegt uns der Umweltschutz am Herzen und wir versuchen, uns dafür einzusetzen, indem wir kleine Schritte in diese Richtung gehen – denn dieses Prinzip sollte inzwischen bei jedem angekommen sein: Jeder Schritt zählt.

Manchen Schritt musste ich wieder zurückgehen. Etwa als ich mir vornahm, gänzlich auf neue Kleidungsstücke zu verzichten oder sie nur noch zu erkreiseln, um dann nach ein paar (wenigen) Wochen festzustellen, dass ich neue Kleider wirklich sehr, sehr gern mag. Immerhin kaufe ich die jetzt nicht mehr online, sondern in der Stadt (Ausnahme: Corona). Oder als ich meine Haarpflegeprodukte durch festes Shampoo ersetzen wollte und relativ bald merkte, dass keine Seife meinem Haar so viel Glanz und Volumen verleihen kann, wie mein altbewährtes Shampoo aus der Plastikflasche. Immerhin benutze ich seitdem Körperseife statt Duschgel, denn da gibt es tatsächlich gute Alternativen. Auch der Versuch, unsere Einkäufe komplett in den Biomarkt, den Unverpackt-Laden und auf den Wochenmarkt zu verlagern, scheiterte, als ich feststellte, dass so am Ende des Geldes doch noch ziemlich viel Monat übrigblieb.

Wenig Fleisch und selbstgemachte Putzmittel

Es geht nicht alles – und alles geht. Auch die ganz kleinen Dinge. Bei uns bedeutet das, dass wir unsere Espressobohnen fair und direkt gehandelt in der Kaffeerösterei um die Ecke kaufen, auf unnötige Verpackungen verzichten, vorwiegend bio und saisonal kaufen, langlebige Edelstahlstatt Plastikhalme benutzen oder die Bauern und Bäcker im Umland unterstützen, indem wir ihre Produkte kaufen. Wir wollen noch viel mehr machen: weniger Fleisch essen (denn auch das schützt die Umwelt), gutes Fleisch essen, Putzmittel selbst herstellen und doch öfter aufs Auto verzichten.

Lernen, wo die Milch herkommt

Irgendwo las ich mal den schlauen Satz: „Was man kennt und liebt, das schützt man.“ Also bemühe ich mich, auch meinem Kind eine Liebe zur Umwelt zu vermitteln, indem ich mit meiner Tochter dies und das in bescheidenen Kübeln im Hof anbaue. Ich gehe mit ihr jede Woche auf den Markt, damit sie ein Gespür für Saisonales bekommt und Regionales unterstützen lernt. Ich hole mit ihr Milch direkt beim Bauern, damit sie weiß, wo sie herkommt und warum ein Liter Milch mehr als einen Euro wert ist (und ja, auch, um ein bisschen Kuh-Kino zu erleben). Ich mache mit ihr Ausflüge in die Natur, sammle wilde Kräuter und Beeren und stelle daraus Pesto oder Marmeladen her. Wir lernen zusammen Pflanzen- und Tierarten kennen – und dabei merke ich, dass mein Naturwissen (noch) sehr beschränkt ist. Ich bin gespannt, wohin uns unsere nächsten Schritte führen.

Ruth Korte lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Gießen. Sie arbeitet als freie Redakteurin für Family und FamilyNEXT.

Zweirad zu zweit

Gemeinsame Radtouren sind für Christian Rommert und seine Frau eine Herausforderung. Trotz Designer-E-Bike.

„Du hast dir ein E-Bike gekauft?“, fragt mich ein Freund irritiert. Auf seiner Stirn kann ich lesen: „Jetzt wirst du wirklich alt!“ Ich habe ja selbst jahrelang über dickbäuchige, alte Männer mit Fahrradhelm gelästert, die mit ihren Pedelecs verloren den Stadtverkehr unsicher machen. Doch vor ein paar Monaten war die Zeit für mich reif: Ich wollte auch so ein Teil. „Dieses E-Bike ist ein Designer-E-Bike und deshalb mit dem bloßen Auge nicht als E-Bike erkennbar!“, erkläre ich stolz und zeige ihm meine neueste Errungenschaft.

ANGEBER-LEDERSATTEL

Ein holländischer Hersteller hat ein E-Bike für Hipster auf den Markt gebracht. Es sieht wirklich stylisch aus. Es ist mit digitaler Diebstahlsicherung ausgestattet und verfügt über jede Menge smarter Funktionen. Ich kann das Fahrrad von einer App aus ab- und aufschließen und die Gänge steuern. „Das ist schon cool!“, muss mein Kumpel zugeben. Ich habe mir sogar einen handgefertigten Angeber-Ledersattel eines bekannten britischen Herstellers zugelegt. Die bauen die Teile schon seit über 100 Jahren. Das Design des Fahrrads und der Vintage-Look meines Sattels lassen meinen Freund murmeln: „Das sieht wirklich schick aus!“

In der Stadt fahre ich jetzt fast nur noch Rad und wenn ich mal mit dem Zug irgendwo hin muss, parke ich mein Schätzchen in einer der Mietradboxen am Bahnhof. Ich find’s genial. „Jetzt braucht nur noch deine Frau so ein Teil“, sagt mir mein Freund. Das ist ein wichtiger Punkt. Denn in der Tat waren gemeinsame Radtouren von Katrin und mir bisher ein echtes Problem. Während sie mit hochrotem Kopf nicht hinterherkam, fühlte ich mich permanent unterfordert. Richtig schöne Radtouren machte ich allein oder mit unserem Sohn. Das sollte sich mit der Anschaffung von E-Bikes endlich ändern. Wenn wir beide ein Pedelec haben, könnten wir endlich zu zweit im gleichen Tempo durch die Gegend düsen. „Ja, Katrin hat auch eins“, antworte ich kurz angebunden. „Aber …“, buchstabiert mein Freund, der ahnt, dass längst nicht alles in Ordnung ist. „Naja, wenn wir gemeinsam unterwegs sind, nehme ich meistens mein altes Fahrrad“, sage ich und erzähle ihm von unseren neuen Schwierigkeiten.

„ECO“ STATT „SPORT“

Katrin hatte sich sofort in ein Fahrrad mit roten Streifen verliebt. Eine 26-Zoll-Version mit starkem Mittelmotor und Rücktritt. Dann kam es zu unserem ersten gemeinsamen Ausritt. Ich düste vorneweg und merke erst an irgendeiner Ampel, dass Katrin nicht mehr da war. Interessanterweise hatte sich durch die Anschaffung eines E-Bikes noch immer nicht Katrins Geschwindigkeit an meine angepasst. Statt die gesetzlich möglichen 25 km/h auszureizen, cruiste sie mit gemütlichen 15 Stundenkilometern über den Radweg. „Du weißt aber, dass du nicht im ‚Eco-Modus‘ fahren musst, sondern ruhig auch mal auf ‚Sport‘ schalten darfst?“, fragte ich und verwies auf die Schülerinnen und Schüler, die sie auf ihren Kinderrädern überholt hatten.

„Eco fühlt sich sicherer an und spart Strom!“, erklärte sie mir, während wir gemeinsam auf Grün warteten. Auf den nächsten Kilometern unserer Tour schaltete ich meinen Motor einfach ab, und es wurde doch noch ein schöner Ausflug. Inzwischen machen wir immer mal wieder gemeinsame Radtouren. Allerdings fährt Katrin E-Bike mit Motor, und ich steige auf mein altes klappriges Herrenrad mit Dreigang-Narben-Schaltung. Dann ist es halbwegs fair – zumindest am Berg. Mein E-Bike, das mit Smartfunktion und dem tollen Design – das steht währenddessen in der Garage.

Christian Rommert ist Autor, Redner und Berater und Fan des VfL Bochum. Er ist verheiratet mit Katrin und Vater von drei erwachsenen Kindern. Regelmäßig spricht er das Wort zum Sonntag in der ARD.
Foto: Wolfgang Wedel

Auf den Schlips getreten …

„Im Übrigen gilt ja hier derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als der, der den Schmutz macht“, schrieb Kurt Tucholsky 1922 in einem Brief an Herbert Ihering. Leider aktuell, muss ich feststellen. Gestern war ich bei einer Klimademo von „Fridays for Future“. Viele Kommentare, die ich anschließend bei Facebook lesen musste, haben mich fassungslos zurückgelassen.

Da wird bemängelt, dass demonstrierende Schüler Kabelbinder aus Plastik für ihre Demoplakate verwendet haben. Und sie haben Smartphones. Und manche trinken auch aus Einweg-Wasserflaschen! – Also, wenn sie sowas machen, dürfen sie doch gar nicht demonstrieren für das Klima, schreibt einer. Sie sollen doch erst mal ihr Leben ändern. Und andere stimmen ihm begeistert zu. Mal ganz abgesehen von aggressiven und verletzenden Kommentaren …

Das macht mich traurig und wütend! Natürlich wären Mehrwegflaschen besser. Und Demoplakate ohne Plastik auch. Aber muss ich erst selbst perfekt sein, bevor ich von meinem Demonstrationsrecht Gebrauch machen kann? So ein Quatsch!

Wenn ich genauer hinschaue, stelle ich fest, dass sich besonders häufig Menschen 50+ über Jugendliche beschweren, die sich für Klimaschutz einsetzen und dafür auch mal die Schule schwänzen. Warum fühlen sie sich von den friedlich protestierenden Jugendlichen so dermaßen auf den Schlips getreten? Halten sie es nicht aus, dass ihnen der Spiegel vorgehalten wird? Dass sie, wenn sie ehrlich sind, zugeben müssen, dass sie häufig nicht sehr klima- und menschenfreundlich unterwegs sind?

Ja, es ist unbequem, wenn Jugendlichen einen kritisieren, herausfordern, zum Nach- und Umdenken bringen wollen. Aber ich finde es großartig, dass sich mittlerweile so viele Jugendliche engagieren. Und ich erlebe nicht, dass sie nur freitags demonstrieren und an den anderen Tagen so weitermachen wie bisher. Da entscheiden sich Jugendliche, auf Fleisch zu verzichten. Sie kaufen ein gebrauchtes Smartphone und Second-Hand-Klamotten. Und stecken mich damit an.

Zum Glück sind die krittelnden Midlife-Männer und -Frauen nur die eine Seite der Medaille. Bei der Demo gestern waren viele  „ältere Semester“ engagiert dabei. Weil sie ihre jugendlichen Kinder oder Enkel unterstützen wollen. Und weil sie gut finden, dass die jungen Menschen „auf den Schmutz hinweisen“, wie Tucholsky sagen würde.

Bettina Wendland ist Redakteurin bei Family und FamilyNEXT und Mutter von zwei Teenagern.

Nur noch kurz die Welt retten

Was kann ein Einzelner bewirken, um die Welt zu verändern? Mehr, als viele denken, meint Ruth Weißenborn und fängt an, müllarm zu leben.

Ich träume davon, dass wir den leisen Gedanken zuhören, die Gott uns manchmal zuflüstert und die zu einer großen Sache werden können. Ich glaube, dass jeder von uns sie hat, diese kleinen Ideen und Träume. Denn so fängt Veränderung an. Mit einer Idee, einem, der sie umsetzt und dem nächsten, der sich anstecken lässt. Ich träume davon, dass wir anfangen zu tun. Dass wir selber wagen, anstatt auf andere zu warten. Ohne Rücksicht auf Perfektion, die uns nur aufhält. Wir können viel bewirken mit einer Idee, etwas Idealismus und einer Spur Blauäugigkeit, die uns etwas riskieren lässt. Das ist in der Theorie einfacher als in der Praxis. Können wir trotzdem heute zusammen etwas wagen? Und sei es nur, unseren Traum zu Ende zu träumen: Was möchte ich verändern, verbessern, verschönern? Was liegt mir auf dem Herzen? Was würde ich tun, wenn ich nicht scheitern könnte? Und was brauche ich, um meine leisen Gedanken in die Tat umzusetzen?

ZERO WASTE
Werner Boote hatte die Idee, einen Film über die katastrophalen Auswirkungen von Plastik zu machen. Sein Großvater war in den 60er Jahren Geschäftsführer der deutschen Interplastikwerke. Sandra Krautwaschl aus Österreich war von dem Film so bewegt, dass sie mit ihrer Familie beschloss, einen Monat lang komplett ohne Plastik zu leben und Online-Tagebuch darüber zu führen. Das war 2009, und Familie Krautwaschl lebt heute noch plastikfrei. Bea Johnson aus Kalifornien dachte, sie lebe umweltbewusst, weil sie ja ihren Müll ordentlich trennt. Bis sie durch Bücher und Dokumentationen anfing „zu verstehen, nicht nur, wie stark unser Planet gefährdet ist, sondern auch, wie sehr unsere alltäglichen, gedankenlosen Entscheidungen alles noch schlimmer machten für unsere Erde und die Welt, die wir unseren Kindern hinterlassen“. Sie lebt seitdem nicht nur plastik- sondern fast müllfrei: Ihre vierköpfige Familie produziert etwa ein Weckglas Restmüll pro Jahr. 2014 eröffneten in Deutschland die ersten Lebensmittelläden ohne Einwegverpackungen. Mittlerweile gibt es etwa 40 Unverpackt-Läden, weitere sind in Planung.

MÜLL HALBIERT
Vor zwei Jahren entdeckte ich beim Youtube-Surfen Werner Bootes Dokumentation „Plastic Planet“. Nach der Hälfte des Films wusste ich, dass ich nicht mehr ruhigen Gewissens weitermachen kann wie bisher. Ich musste etwas ändern – und zwar sofort. Ich habe mich im Netz informiert und schrittweise Plastik aus unserem Haushalt entfernt. Dann stieß ich auf Bea Johnsons Buch „Zero Waste Home“. Deutsche Literatur gab es Anfang 2015 kaum. Mittlerweile sind aber diverse Bücher und noch mehr Blogs erschienen. So fing ich an, unsere Wohnung zu entrümpeln und die Müllquellen in unserem Fünf-Personen-Haushalt durch müllfreie Alternativen zu ersetzen. Was wir aussortierten, wanderte ins soziale Kaufhaus oder in die Kleinanzeigen. Überrascht stellte ich fest: Für fast jeden Wegwerf- oder müllproduzierenden Artikel gibt es eine wiederverwendbare, aufladbare, auffüllbare oder DIY-Alternative. Zurück zur guten alten Pfandflasche und einem simplen, unverpackten Stück Seife. Manchmal ist etwas Kreativität gefragt, um zum Beispiel herauszufinden, dass man aus Joghurt und einer Prise Salz Labneh herstellen kann, der uns Frischkäse und Quark ersetzt. Innerhalb von ein paar Monaten halbierte ich unseren M üll. U nkompliziert u nd o hne großen A ufwand, weil ich eine Sache nach der anderen umstellte und nur das wählte, wo mir die Alternative leicht fiel: Auf dem Wochenmarkt kann ich mir Oliven und Schafskäsecreme direkt ins Bügelglas füllen lassen. Für Butter ist mir noch keine geeignete Alternative begegnet, deshalb kaufe ich sie weiterhin konventionell. Genau wie Zahnpasta. Die kann man zwar wunderbar selber machen, aber nach meinem Zahnpasta-Experiment wollte mein Mann mich nicht mehr küssen.

EIGENE VERPACKUNGEN
Die größte Müllersparnis brachte die Umstellung unserer Einkaufsgewohnheiten: Wir kaufen Getränke und Milchprodukte in Pfandflaschen und kaum noch Fertigprodukte. Auf dem Wochenmarkt besorge ich Käse und Wurst (Edelstahldosen), Honig (Pfandglas), Brot (Brotbeutel), Obst und Gemüse (waschbare Gemüsenetze). Alle Utensilien warten in meiner Markttasche auf den nächsten Einkauf. Auf freundliche Nachfrage wurde mir die Bitte, meine eigene Verpackung benutzen zu dürfen, bisher nur selten abgeschlagen. Ein guter Kompromiss ist, den Behälter nur auf die Theke zu stellen, sodass der Verkäufer die Ware hineinlegen kann. Laut Verbraucherzentrale NRW gibt es branchenspezifische Leitlinien, aber letztendlich entscheidet jeder Marktleiter, ob eigene Behälter benutzt werden dürfen. Die Bäckereien sind bei mir auf Platz eins in der Müllfrei-Beliebtheitsskala: Mein Brotbeutel war immer sofort willkommen. Zwischendurch kaufe ich im Supermarkt ein. Leider ist dort meistens das konventionelle Obst und Gemüse lose, während bio eingeschweißt ist. Mein Mann bevorzugt bio, ich entscheide mich eher für plastikfrei. Zum 17 Kilometer entfernten Unverpackt-Laden fahre ich nur alle paar Monate, um einen Großvorrat an trockenen Lebensmitteln zu kaufen. Oder ich teile mir mit Freunden Großgebinde in Papierverpackung, die wir online bestellen. Ich lagere alle Lebensmittel in Bügelgläsern, in denen man auch hervorragend einfrieren kann, wenn man sie maximal zu drei Vierteln füllt.

ENTSPANNUNG STATT PERFEKTION
Mit „heiter bis wolkig“ lässt sich die Begeisterung meiner Familie zusammenfassen. Die erste Reaktion meines Mannes zum Thema Zero Waste war: „Ja okay, mach das. Drei Monate lang sag ich nichts dazu.“ Daran hat er sich gehalten, sogar sechs Monate lang, und dann angefangen zu protestieren. Nach einigen Runden verbalen Armdrückens haben wir unseren Mittelweg gefunden und entschieden, dass beispielsweise Chips für uns, trotz Plastikverpackung, dazugehören. Mir fällt es leicht zu verzichten, wenn es keine unverpackte Alternative gibt. Über die plastikverpackten Käufe meiner Familie hinwegzusehen, fällt mir schwerer. Ich versuche, mich dennoch mit meinen Töchtern über ein neues Shampoo und superniedliche Polyestertierchen mit Riesenaugen zu freuen. Aber zwischendurch werde ich rückfällig und bin die nervige Ehefrau und Mama mit Müll-Spleen und erhobenem Zeigefinger. Als Familie funktioniert nur der Weg, den alle gerne gehen. Unsere Zero-Waste-Reise ist von Chipskrümeln gesäumt und riecht nach Pfirsichblüten. Entspannung statt Perfektion.

AUGEN AUF!
Plastik hält eine Ewigkeit und wird oft nur für wenige Augenblicke benutzt. Ich möchte dazu beitragen, dass wir die Augen öffnen für das, was um uns herum selbstverständlich geworden, aber der helle Wahnsinn ist. In Deutschland landen pro Stunde 320.000 To-Go-Becher im Müll, und wir verbrauchen zwei Milliarden Kaffeekapseln im Jahr. Zwei von vielen Beispielen, die wir im Handumdrehen ändern könnten. Erfreulich ist die Entwicklung beim Thema Plastiktüten: Durch die Einführung von Gebühren ist der Verbrauch von 5,6 Milliarden Tüten jährlich auf 3,6 Milliarden gesunken. Das sind ein Drittel weniger Plastiktüten als im Vorjahr. Mein Ziel ist „zero waste“, aber wir sind eine normale Familie mit unterschiedlichen Wünschen und Interessen. Ein Weckglas Restmüll im Jahr werden wir vermutlich nie erreichen. Doch wenn wir „Normalen“ uns zusammentun und jeder seinen Müll ein wenig reduziert, dann können wir zusammen viel verändern. Meine Hoffnung ist, dass einige anfangen und viele mitmachen. Der berühmte kleine Stein, der ins Wasser fällt und Kreise zieht. Jetzt kennen Sie meinen Traum. Wovon träumen Sie?

Ruth Weißenborn arbeitet in einer Freiwilligenagentur und lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in einem kleinen Dorf bei Hannover.

 

 

Good-bye, Plastiktüte!

Wenn ich vom Einkaufen zurückkomme und alles aufgeräumt habe, ist der Behälter für Plastikmüll fast voll. Das ärgert mich. Vor allem, dass bei Obst und Gemüse so viel Müll anfällt. Dass gerade Bio-Produkte immer noch extra in Plastik verpackt werden, ist unglaublich. Aber angeblich geht das ja nicht anders, weil sonst an der Kasse Verwirrung herrscht. So ein Blödsinn! Die Supermarktketten sind so kreativ im Erfinden neuer Werbebotschaften, da wird ihnen doch da auch eine Lösung einfallen.

Genervt bin ich auch von den kleinen Plastiktütchen, die man angeblich zum Verpacken von losen Früchten, Tomaten etc. braucht. Ich bin schon lange dazu übergegangen, darauf zu verzichten,wo es möglich ist. Mit dem Ergebnis, dass meine Äpfel und Pfirsiche an der Kasse lustig herumkullern und dadurch auch nicht besser werden. Also habe ich mich auf die Suche nach wiederverwertbaren Säckchen gemacht. Schnell fand ich die Anleitung zum Selbernähen: Gemüsebeutel selber nähen

„Hier erfährst du, wie du sie ganz einfach selbst nähen kannst: Aus Materialien, die du bestimmt schon zu Hause hast.“ Die Autorin kennt mich schlecht. Ich habe weder Zugband oder Kordelstopper noch einen „durchscheinenden, leichten Stoff“ zu Hause. Und nähen kann ich auch nicht. Also suchte ich weiter und stieß auf Fregie, einen etwa DIN A 4-großen Beutel aus reißfestem und leichtem Material. Was mir wichtig ist: Die Beutel sind waschbar, lebensmittelecht und in Deutschland bzw. der EU gefertigt. Ich hatte ja erst Sorge, was die Kassiererin dazu sagen würde (hatte in unserem Lieblingssupermarkt noch nie jemanden mit solchen Beuteln gesehen, wir wohnen halt nicht im Prenzlberg). Aber es gab null Kommentar.

Für die nächste Ausgabe von Family und FamilyNEXT haben wir einen Artikel zum Thema „Zero Waste“ bekommen. Für mich sehr herausfordernd. Kompletten oder weitgehenden Müll- und vor allem Plastikverzicht finde ich schon schwierig. Aber ich will wenigstens an einer Stelle anfangen. Oder an zwei. Denn eine faltbare Stofftasche für Klamotten-Käufe habe ich schon länger in der Tasche.

Und wo fängst du an?

Bettina Wendland

Redakteurin Family/FamilyNEXT

 

PS: Bin von mehreren mitdenkenden Menschen darauf hingewiesen worden, dass es natürlich noch besser wäre, ganz auf Plastik zu verzichten. Ein lieber Kollege hat mir auch direkt ein paar Links zu noch ökologischeren Alternativen geschickt, auf die ich bei meiner Suche nicht gestoßen bin. Hier also der Vollständigkeit halber noch zwei plastikfreie Obsttüten-Alternativen:

Greenderella

Waschbär