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Fehlende Superkräfte

Warum ich kein Heldenpapa bin. Von Moor Jovanovski

Heldeneltern? Ja, ich verstehe, was man lobend damit sagen möchte, wenn man Eltern als Helden bezeichnet. Aber es ist mir doch zu pathetisch. Das, was ich als Vater für meine Kinder tue, ist eine Selbstverständlichkeit. Damit spreche ich nicht einer Leidenschaftslosigkeit das Wort, sondern möchte von einer wohlwollenden Pflicht sprechen.

Es erfüllt mich nämlich persönlich sehr, wenn ich Stabilität und Sicherheit durch mein Vatersein für meine Kinder gewährleiste. Es macht mich stolz, wenn ich sehe, dass meine Kinder selbstbewusst und glücklich im Leben unterwegs sein können. Auch und gerade in der Zeit der aktuellen Pandemie ist es unerlässlich, dass ich für meine Kinder noch eine Extra-Schippe drauflege, damit das so bleibt.

Legendäre Momente

Denn ihre anderen Lebensbereiche, die auch verlässlich sein sollten und ihnen Halt und Sicherheit vermitteln können, sind es zurzeit nicht: Die Schulen stolpern von Beschulungskonzept zu Beschulungskonzept (zumindest in unserem Bundesland), die Sportvereine versuchen verzweifelt, irgendein Trainingskonzept auf die Beine zu stellen, und die Freundschaften meiner Kinder leiden unter diesen Umständen sehr. Jetzt bin ich gefragt und muss über mich hinauswachsen. Das ist keine Frage von Heldenmentalität oder vermeintlichen Superkräften, die damit einhergehen, sondern von Verantwortung und Wille.

Da ich es aber aller Anerkennung wert finde, dass Eltern in dieser Zeit auch besondere Erwähnung finden und ihre überdurchschnittlichen Mühen nicht übersehen werden, würde ich mich eher als Legende denn als Held für meine Kinder sehen wollen.
Legenden können beides sein: unglaubwürdig oder ruhmreich. Sie sind entweder personifizierte, unrealistische Ideale, die nahezu mystisch verklärt werden (das sind Väter in bestimmten Momenten eben auch), oder sie sind reale Personen mit handfesten und weltverändernden Handlungen, die nachvollziehbar und bleibend sind. Eine Legende scheitert oder begeistert. Dem fühle ich mich näher als einem strahlenden Helden, denn ich scheitere ebenfalls an meinen Idealen und versage auch mal als Vater. Dann wiederum gibt es diese legendären Momente, in denen ich nicht nur alles richtig mache, sondern nahezu Unsterbliches schaffe (mit Augenzwinkern geschrieben).

Hauptsache: Bleiben

Anlässlich meines Geburtstages bekam ich kürzlich ein Freundebuch geschenkt, in das auch mein vierzehnjähriger Sohn schrieb. Und er listete unter der Rubrik „Was ich an dir schätze“ sieben (!) kurze Sätze auf, die meinen „Legendenstatus“ unterstrichen. Eine legendäre Aussage teile ich gern mit Stolz an dieser Stelle. Er schrieb: „Ich schätze an dir: Dass du immer für mich da bist (egal, wie schlecht meine Noten sind)!“ Zu seiner Verteidigung muss ich sagen, dass es sich um ein „Hassfach“ handelt, dass jeder von uns kennt und hatte.

Der Basketball-Profisportler Kobe Bryant, der seine gesamte Karriere bei einem Verein in der amerikanischen Profiliga NBA verbrachte, fünf Meisterschaften gewann und im Januar 2020 viel zu früh durch einen Unfalltod verstarb, sagte einmal: „Helden kommen und gehen. Legenden bleiben!“ Das ist das, worauf es in meinem Vatersein ankommt: Dass ich bleibe! Egal, in welchen Zeiten.

Moor Jovanovski ist leitender Pastor von Mosaic Heppenheim und als Redner und Berater tätig. Er lebt mit seiner Frau Monica und seinen beiden Kindern in Erzhausen. www.moorjovanovski.com

„Traut euch was zu“ – Familien-Redakteurin macht Ansage an die Papas

Väter sollten sich viel mehr in die Erziehung ihrer Kinder einbringen, findet Family-Redakteurin Bettina Wendland. Aber auch die Mütter sieht sie in der Pflicht.

„Mein Mann lässt mir zum Glück freie Hand.“ Dieser Satz einer Mutter in Bezug auf die Erziehung ihrer Kinder hat mich ziemlich geschockt. Da freut sich eine Mutter darüber, dass sie ihre Ideen unbehelligt von ihrem Mann umsetzen kann. Nur ein Einzelfall?

Eine andere Mutter schreibt in ihrem Blog darüber, dass sie ihre Tochter schon in der Kita angemeldet hatte, aber hin- und hergerissen war, ob das das Richtige sei. Sie schildert ihr Abwägen, Gespräche mit Freundinnen, schlaflose Nächte – ihr Mann (den sie offensichtlich hat) kommt bei diesen Überlegungen nicht vor. Kann natürlich sein, dass er im Blog nicht erwähnt werden möchte. Aber im Mama-Blog-Universum scheint auch nicht so wichtig zu sein, was der Papa meint …

Oft ist Papa nur die Nr. 2

Kürzlich haben wir auf Facebook einen Artikel geteilt, in dem sich ein Vater darüber beklagt, dass seine Tochter lieber von Mama im Kindergarten abgeholt wird. Daraufhin kam es zu einer Diskussion: Ist Mama deshalb bei Kindern die Nummer 1, weil Papa sich aus Unsicherheit oder Bequemlichkeit zurückhält? Oder liegt es an den Müttern, die den Vätern zu wenig zutrauen und meckern, wenn sie etwas anders machen?

Natürlich sind nicht alle Väter, Mütter und Kinder gleich. Aber ich habe den Eindruck, dass oft beides stimmt: Väter lassen sich schnell verunsichern, wenn das Baby oder Kind auf sie nicht genau so begeistert reagiert wie auf die Mama. Aber es ist nun mal so, dass Mama oft Bezugsperson Nr. 1 ist, Papa „nur“ Nr. 2. Sich dann aber zurückzuziehen und Mama machen zu lassen, ist genau die falsche Reaktion. „Jetzt erst recht!“ – das würde ich mir von Vätern wünschen: Jetzt erst recht kuscheln! Jetzt erst recht die Windel wechseln! Jetzt erst recht trösten! Jetzt erst recht vom Kindergarten abholen!

Mütter: Lasst die Väter machen!

Und die Mütter? Die sollten den Vätern auch mal das Feld überlassen. Nicht erst, wenn sie nicht mehr können. Nicht nur dann, wenn Papa es genau so macht wie Mama. Vielleicht muss dann manches intensiver diskutiert werden. Aber auch Papas haben das Recht und die Pflicht, bei Erziehungsfragen mitzuentscheiden! Der Mama freie Hand zu lassen, klingt erst mal gut, ist meines Erachtens aber der falsche Weg!

Bettina Wendland ist Redakteurin bei Family und FamilyNEXT und lebt mit ihrer Familie in Bochum.

Mein Mann ist in ständiger Sorge

„Wir haben nach der Geburt erfahren, dass unser Sohn einen Herzfehler hat. Er musste gleich operiert werden. Ich habe es mittlerweile ganz gut verarbeitet, aber mein Mann kommt nicht darüber hinweg. Er hat ständig Angst um unseren Sohn. Er hat das Trauma nicht aufgearbeitet und ist auch nicht der Typ, der über seine Gefühle redet. Wie kann ich ihm helfen?“

Wir hören in unserem Beratungsalltag sehr häufig, dass Mütter und Väter unterschiedlich mit „schlechten Nachrichten“ oder schwer krankem Familienzuwachs umgehen. Oft haben Mütter das Bedürfnis, darüber zu reden und Erfahrungen auszutauschen, während Väter im Internet aktiv sind oder sich in ihre Rolle als Ernährer zurückziehen. Auch sich aktiv Hilfe zu holen, scheint für Männer oft schwerer zu sein als für ihre Partnerinnen.

Männer leiden anders als Frauen

Manche leiden still, aber genauso intensiv – nur eben anders. Die Paarbeziehung gerät in den Hintergrund, die Eltern „funktionieren“ in der gemeinsamen Sorge um das herzkranke Kind. Für die Geschwister bleibt oft nicht mehr so viel Kraft und Zeit, wie diese es sich wünschen. Die sorgen sich ja auch und bräuchten viel Zuwendung und Erklärungen, warum jetzt alles so anders ist, seit das herzkranke Kind in die Familie kam. Ein Dilemma, für dessen Lösung die Familien Hilfe und Unterstützung brauchen.

Falls Sie es noch nicht getan haben, rate ich Ihnen, Hilfe über Eltern-Vereine in Anspruch zu nehmen. Bei Elterncoachings beispielsweise können Sie gemeinsatrm mit professionellen Coaches Ihre drängenden Fragen und Ängste besprechen und erhalten dort einen zuversichtlichen Blick in eine Zukunft mit dem oft chronisch herzkranken Kind. Und Sie lernen andere Eltern in ähnlichen Situationen kennen, mit denen Sie sich austauschen können. Corona-bedingt tauschen sich Väter, Mütter und Coaches derzeit in Online-Seminaren aus, was den Vorteil hat, dass beide Eltern gleichzeitig anwesend sein können.

Angebote speziell für Väter

Die Eltern-Vereine verhelfen Ihnen auch zu einer Familien- orientierten Reha (FOR). In Nachsorgekliniken können sich die belasteten Familien inklusive der Geschwister vier Wochen lang neu finden und Kraft tanken für den künftigen gemeinsamen Alltag. Dort gibt es auch Angebote speziell für Väter. Die Kosten trägt entweder die Renten- oder die Krankenversicherung.

Es gibt auch „Väter-Wochenenden“, die speziell die Bedürfnisse von Vätern ansprechen. In einem geschützten Raum können sie sich fallenlassen, sich jemandem anvertrauen und sich mit anderen Betroffenen austauschen. Hier können sie neue Methoden für den Umgang mit Rückschlägen erlernen und Kraft tanken.

Hermine Nock ist Geschäftsführerin beim Bundesverband Herzkranke Kinder e. V. Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

Webtipps:

www.bvhk.de
www.kohki.de
www.herzkind.de
www.kindernetzwerk.de
www.evhk.ch
www.herznetz.ch

Facebookgruppe: „Eltern und Familien herzkranker Kinder“

Es ist nicht alles schlecht: So kommt ein Vater während Corona seinem Sohn näher

Die Coronakrise ist für alle ein Belastungstest. Aber es gibt auch schöne Momente. Beispielsweise, wenn Papa und Sohn Radfahren gehen und Hinkelsteine suchen.

Gerade haben wir gefrühstückt. Eigentlich gibt’s nur samstags Schokoaufstrich. Doch in der Krise gibt’s Nudossi auch mal am Dienstag. Jetzt brüten wir nebeneinander an zwei Schreibtischen. Er an Mathe, ich am Editorial. Joshua strahlt mich von der Seite an: „Papa, du bist ein toller Redakteur!“ Begeistert schiebt er nach: „Könnte ich nicht mal dein Nachfolger werden? Den gaaanzen Tag am PC sein …!“ Kaum im Homeoffice, wird direkt aus dem Homeschooling an meinem Stuhl gesägt!

„Das Corona-Virus spinnt!“, entfährt es meinem Sohn in diesen Tagen öfter. Ja, es geht drunter und drüber. Für manche wird es eng, viel, unübersichtlich, tränenreich, kompliziert, anstrengend. Es muss improvisiert, ausprobiert, gesucht, geredet, vertraut und gewagt werden. Das Virus ist Mist, aber es ist auch Dünger. Für Neues. Für Unentdecktes. Für Vergessenes. Für Solidarität. Für Gemeinschaft. Für Nächstenliebe. Für ungemachte Hausaufgaben. Für Achtsamkeit.

Shutdown Woche 1

In einer Gemeinschaftsaktion befreien wir eine etwas unwirtliche, von Efeu überwucherte Ecke im Garten und graben einen 100 Liter-Wasserbehälter ein. Beim Wandern finden wir in einer fast ausgetrockneten Pfütze Laich. Zahllose Kaulquappen belohnen uns die Lebensrettung und werden zu begeistert gefeierten Haustieren.

Shutdown Woche 2

Über Papas Asterix-Sammlung stößt der Sohn auf Hinkelsteine. Die Meißelversuche im Garten mit einem Nagel schlagen fehl. Papa googelt „Fossilien sammeln“. Er stößt auf Lindlar im Bergischen Land. Im Baumarkt werden für 9 Euro zwei Meißel erstanden. Drei Tage später sind wir als Familie auf dem 6,2 km langen Steinhauerpfad unterwegs. Wunderbare Natur! Bewegung! Frischluft! Allein! Da und dort stemmen wir die alten Grauwacken auf und finden wundervolle Fossilien.

Shutdown Woche 3

Karfreitag. Der Gottesdienst flimmert per Livestream in unser Wohnzimmer. Vor uns stehen Brot und Traubensaft. Der Pastor spricht die Einsetzungsworte zum Abendmahl. Wir reichen uns gegenseitig in der Familie die Gaben weiter. Es ist für die Kids das erste Mal. Mit großer Ernsthaftigkeit sind sie dabei. Als Letzter bekommt der Neunjährige den Kelch. Er nimmt einen Schluck, strahlt in die Runde, setzt ab und bilanziert auf den Geschmack gekommen: „Ok, dann trinke ich den Rest!“

Woche 12

Zum Homeoffice und Homeschooling gesellte sich die Homeclinic. Meniskus-OP. Zwei Wochen nach dem Eingriff wage ich einen kleinen Belastungstest. Gemeinsam geht es mit dem 9-jährigen für 20 Kilometer über ehemaliges Zechengelände. Langsam und vorsichtig strample ich schmerzfrei eine Rampe nach oben. Oben steht schon der Sohnemann. Er strahlt mich an: „Papi, wenn du heute nicht mehr kannst, schiebe ich dich!“

In Corona-Zeiten wird nicht nur geweint, sondern auch gelacht, gespielt und „gezoomt“.

Das Baby und ich: Keine Ahnung vom Muttersein?

Das Gefühl, keine gute Mutter zu sein, kann sehr lähmend wirken. Rachel Hollis kennt diese Gedanken und hat sie als Lüge enttarnt.

Ich bin die schlimmste Schwangere, die du je getroffen hast. Ich hasse einfach jeden Aspekt an einer Schwangerschaft – abgesehen davon, dass man am Ende ein Baby hat. Ich bin dankbar für meine Schwangerschaften – aus tiefstem Herzen dankbar dafür, dass Gott es mir geschenkt hat, drei wundervolle kleine Jungs und ein Mädchen austragen zu dürfen. Das ist nicht selbstverständlich. Aber jeder einzelne Aspekt einer Schwangerschaft setzt mir zu.

Die Wehen sind das Schlimmste

Doch als das wundervolle Ereignis schließlich geschah, war ich in Ekstase. Erstens, weil ich endlich Jackson Cage kennenlernen konnte – unser Wunschkind, dessen Namen wir schon vor Jahren bei einer Reise quer durchs Land festgelegt hatten. Zweitens, weil ich meinen Körper nun wieder für mich allein haben würde. Ich war euphorisch, dass ich die Wehen überstanden hatte, die ich offen gesagt für das Schlimmste am Muttersein halte.

Aber als wir mit Jackson in seiner ganzen Pracht zu Hause ankamen, traf mich völlig unvorbereitet das Gefühl, als frisch gebackene Mama vollkommen ungeeignet zu sein. Ich liebte ihn unbändig. Und ich hatte Angst um ihn. Ich konnte nachts kaum schlafen, weil ich mir sicher war, dass er aufhören würde zu atmen. Das Stillen war schwierig und schmerzhaft und ich produzierte nie genug Milch, um diesen gigantischen Nachwuchs satt zu kriegen. Mein Mann war immer mein bester Freund und mein Lieblingsmensch auf Erden, aber ich erinnere mich noch an die Zeit, in der Jackson anderthalb Monate alt war, und ich Dave ansah und ernsthaft dachte, ich würde ihn hassen. Aus tiefster Seele hassen.

Elternwerden ist ein Schwindel

Jackson war sechs Wochen alt – was übrigens genau die Zeit ist, in der ungetrübter Hass am häufigsten auftritt – und wachte nachts immer noch auf. Es ist wichtig an dieser Stelle die Worte immer noch zu betonen, denn mein junges, ahnungs- und kinderloses Ich hatte gedacht, am Ende des ersten Monats hätten wir alles überstanden und befänden uns auf bestem Wege ins elterliche Paradies. Ach, mein reines, unschuldiges Herz …

Elternwerden ist ein großer Schwindel. In den ersten Wochen schwimmt man auf der großen Euphoriewelle. Liebe Menschen bringen einem Aufläufe vorbei, die Mama ist noch da und hilft und man hat diesen wundervollen kleinen Engel. Aber dann vergehen die nächsten zwei Wochen und man gerät in eine Zombieroutine. Die Brüste tropfen durch die Kleidung und man hat schon eine Woche nicht gebadet. Die Haare sehen so schlimm aus wie nie zuvor – egal. Du schaffst das schon.

In mich reingefressen

Aber nach sechs Wochen ist die Luft raus. Man denkt: Warum bin ich so erschöpft? Warum sehe ich immer noch so aus, als wäre ich im fünften Monat schwanger? Warum mache ich immer noch nichts anderes außer stillen?

Nach sechs Wochen war ich ein wenig … äh … frustriert darüber, wie sehr ich damit beschäftigt war, mich ums Baby zu kümmern. Ich hatte das Gefühl, dass Dave nicht sehr viel dazu beitrug und fand die Verantwortung, das meiste allein stemmen zu müssen, ziemlich erdrückend. Aber ich sagte kein Wort zu ihm. Ich wickelte das Gefühl fest ein und schluckte es ganz tief hinunter, wo es niemandem in die Quere kam. Eines Tages unterhielten wir uns über irgendetwas, als die Bombe platzte. „Ich bin müde.“ Das war es, was er sagte. Das waren seine Worte. Meine Welt wurde aus den Angeln gerissen, und meine Augen nahmen das Achtfache ihrer normalen Größe an. Aber er war zu sehr mit Reden beschäftigt: „Ich bin todmüde, weil ich heute Morgen so früh aufgewacht bin … blablabla … weitere falsch verstandene Worte.“

Komplett ausgerastet

Ich rastete komplett aus. Ich weinte, ich lachte, ich überlegte, wer dieses Baby aufziehen würde, wenn ich Dave mit dem Plastikschlauch meiner Milchpumpe erdrosselte. Und um eins der berühmtesten Zitate unserer gesamten Ehe zu wiederholen: „Bei unserer Hochzeit hätte ich nie gedacht, dass ich dich einmal so sehr hassen könnte wie jetzt!“ Das war sicher nicht meine Sternstunde. Aber zu meinem Glück stecken Beziehungen voller Chancen für Gnade.

Selbst als das Baby anfing, durchzuschlafen (und wir auch), war ich ein Wrack. Ich liebte Jackson, aber ich hatte das Gefühl, keine richtige Bindung zu ihm zu haben. Ich hatte solche Angst, etwas falsch zu machen, dass ich mich nie entspannte. Ich war so darauf bedacht, den Haushalt zu erledigen und dafür zu sorgen, dass sein Strampler fleckenfrei blieb, dass ich es nie einfach nur genoss, eine junge Mutter zu sein. Ich glaube, ich hatte solche Angst, ihm gegenüber zu versagen, dass ich mir selbst gegenüber versagte.

Ich habe vergessen, wer ich bin

Weil ich so sehr darauf bedacht war, wie wir als Familie wirkten, hatte ich mir nie die Zeit genommen, eine Verbundenheit zu spüren. Und weil ich das Gefühl hatte, keine gute Mutter zu sein – die eine Sache, die man doch von Natur aus beherrschen sollte –, war ich mir sicher, restlos zu versagen. Im Rückblick erkenne ich, dass meine Wahrnehmung von Bildern aus dem Internet und aus Zeitschriften geprägt war. Ich verschwendete so viele Sorgen daran, irgendeinem Pinterest-Standard nicht zu entsprechen, dass ich komplett vergaß, wer ich eigentlich war.

Die einzig wahre To-do-Liste

Das hier ist wichtig für junge und werdende Mamas: Hör zu! Du brauchst nicht schon vorher alles geplant zu haben. Du brauchst auch nicht alles zu wissen. Die Handgriffe, die ein Neugeborenes am Leben erhalten, sind ziemlich simpel: füttern, kuscheln, liebhaben, feuchte Windeln wechseln, warmhalten, wieder kuscheln.

Die tägliche To-do-Liste einer frischgebackenen Mama sollte auf zwei Punkte zusammengestrichen werden:

1. Sich um das Baby kümmern.
2. Sich um sich selbst kümmern.

Peng. Ende.

Mist, du hast die Wäsche heute nicht gemacht? Guck auf deine Liste: Hast du dich um das Baby gekümmert? Ja. Hast du dich um dich selbst gekümmert? Auch ja. Na also, ich glaube, du hast die Mamasache drauf. Ich schätze, die Wäsche kann warten.

Wie bitte? Du bist traurig, weil du die Kilos von der Schwangerschaft noch nicht wieder runter hast? Nimm dir deine prima-praktische To-do-Liste mit den exakt zwei Punkten noch mal zur Hand. Lebt das Baby noch? Super. Was ist mit dir – atmest du noch ein und aus? Na dann – es klingt, als seist du die beste Mama überhaupt. Mach weiter!

Keine Angst vor dem Versagen

Pinterest ist klasse, und das Kinderzimmer in perfekt aufeinander abgestimmten Farben zu dekorieren, ist der halbe Spaß am Kinderkriegen. Durch Instagram surfen? Klar, ich sehe immer noch gern bei den ganzen schwangeren Insta-Frauen vorbei, immer auf der Suche nach tollen Outfits, die zur Kugel passen! Es ist gut, über den Tellerrand zu blicken, wenn wir unsicher sind, weil Neues anbricht – und selten sind wir so unsicher wie als junge Eltern. Aber lass mich dir eins sagen:

Der Gott, der Mond und Sterne und Berge und Meere geschaffen hat, glaubte, dass du und dein Baby zusammenkommen sollten. Das heißt nicht, dass ihr perfekt zusammenpasst. Das heißt nicht, dass du nicht auch Fehler machen wirst. Das heißt aber, dass du keine Angst vor dem Versagen haben brauchst, denn es ist unmöglich, in einer Aufgabe zu versagen, für die du geschaffen wurdest.

Du bist gut

Irgendwo denkt eine zynische Leserin gerade an all die Eltern, die dennoch versagen. Es gibt viele Mütter, die schlechte Entscheidungen treffen, die sich selbst oder ihren Kindern Verletzungen zufügen. Als frühere Pflegemutter weiß ich aus eigener Erfahrung, dass gerade jetzt in diesem Moment Säuglinge misshandelt und vernachlässigt werden, und selbst wenn ein heiliger Plan sie zu ihren Müttern brachte, ist es für sie vielleicht nicht das Beste, auch dort zu bleiben.

Aber über diese Mütter rede ich hier nicht. Ich spreche mit dir. Lass dich nicht von der Sorge zermürben, ob dein Kind einem festen Schlafrhythmus folgt, nur Bio-Gläschen isst oder schnell sitzen lernt. Ich spreche mit derjenigen, die all die Bücher und Artikel liest und sich überfordert fühlt bei der Frage, was denn das Richtige ist, wenn man doch so viele falsche Entscheidungen treffen kann. Allein, dass du dir so viele Gedanken machst, zeigt doch schon, dass du voll bei der Sache bist und das Beste erreichen willst. Das zeichnet die besten Eltern aus. Und der Rest regelt sich dann schon von allein.

Was mir geholfen hat:

1. Eine Clique finden. Suche dir eine Gruppe von Frauen, die wissen, was es bedeutet, eine junge Mutter zu sein. Solidarität ist eine große Kraft. Es tut gut, sich mit einer Frau zu unterhalten, deren Baby ihr auch aufs Shirt spuckt.
2. Mich von Pinterest fernhalten.
Aus Liebe zu allem, was mir heilig ist – niemand sollte nach einem großen Lebensereignis Zutritt zu Pinterest haben. Warum? Weil man entweder das Gefühl hat, etwas zu verpassen oder das eigene Leben, Kinderzimmer oder Gewicht dem anpassen zu müssen, was man im Internet sieht. Achte einmal darauf, was dir Angst macht und wodurch du an dir zweifelst. Wenn es die Sozialen Medien sind, tu deinem Herzen einen Gefallen und lege eine Pause ein. Ich verspreche dir, dass sie noch da sind, wenn du mehr Schlaf bekommst und emotional stabiler bist.
3. Aus dem Haus gehen.
Jeden. Tag. Wieder. Das Beste, was du für dich selbst, deine Gesundheit und dein Kind tun kannst, ist, den Ort des Verbrechens zu verlassen. Verabschiede dich für eine Weile von dem Ort mit dem Geschirr in der Spüle und dem überquellenden Windeleimer. Pack dein Kind in die Trage oder Karre und spaziere durchs Viertel. Steck dir Kopfhörer ins Ohr und höre Beyoncé oder Adele oder einen Podcast über Firmenethik. Tu, was nötig ist, damit du nicht vergisst, dass ein Leben außerhalb deines Nestes existiert und dass du immer noch dazugehörst.
4. Mit jemandem über meine Gefühle sprechen. Lügen lassen sich wirksam aufdecken, wenn wir sie vor jemandem laut aussprechen. Egal, ob du dir dafür deinen Mann, deine Freundin oder eine liebe Verwandte aussuchst: Zu erzählen, dass du zu kämpfen hast, kann dir die notwendige Unterstützung verschaffen, um all die Irrtümer aufzuklären, die dein Leben bestimmen.

Rachel Hollis ist die Gründerin der Website The-ChicSite und Geschäftsführerin von Chic Media. Mit ihrem Mann und ihren vier Kindern lebt sie in Austin, Texas. Dieser Text ist ein Auszug aus ihrem Buch „Schmink’s dir ab. Lass die Lügen los und lebe“, das gerade bei SCM Hänssler erschienen ist.

Die Stürme des Vaterseins

Wenn seine Kinder angegriffen werden, wird bei Stefan Gerber der Angriffsmodus aktiviert.

Wir Eltern sind ja manchmal ganz schön irrational, wenn es um unsere Kinder geht. Ich denke zum Beispiel an eine Kinderärztin, die es gewohnt ist, im Notfall rasch und rational zu agieren. Und das tut sie auch. Normalerweise. Wenn aber ihre eigenen Töchter betroffen sind, ist diese intelligente Frau plötzlich wie verwandelt: zutiefst unsicher und beängstigend hilflos. Wenn es um die eigenen Kinder geht, sinkt die Fähigkeit zur Selbstreflexion in den Keller, und es wird mit fragwürdigen Mitteln für jeden erdenklichen Vorteil des eigenen Nachwuchses gekämpft. Natürlich kenne ich als Vater solche Situationen auch. Da wird mein Sohn zu Recht oder zu Unrecht angegriffen, und schon wird der „Turbo Booster“ aktiviert. Es fühlt sich an, als würde ich innerhalb von Sekunden zum wilden Tier mutieren. Einmal saß ich in unserem Garten, während mein Sohn Fußball spielte. Dem Nachbarn war das zu laut. Er hielt es für angebracht, meinen Sohn anzubrüllen. Da saß ich dann natürlich auch nicht mehr ruhig in meinem Garten und wies den Nachbarn „in aller Liebe“ darauf hin, dass die Kinder doch am Mittwochnachmittag spielen dürften. Wahrscheinlich ist eine solche Reaktion genauso „von der Natur“ gedacht, damit wir unsere Kinder bei einem Angriff mit aller Kraft verteidigen. Nur leben wir inzwischen nicht mehr im Freien – ich musste meine Kinder bis jetzt noch nie vor einem Raubtier beschützen. Da frage ich mich, wie ich mit diesen wilden Gedanken und Gefühlen konstruktiv umgehen kann. Ich habe die Lösung noch nicht (abschließend) gefunden und ich vermute, dass der „Turbo Booster“ Teil meines Vaterseins bleibt – mindestens, bis unsere Kinder volljährig sind. Was ich aber schon herausgefunden habe: Wenn ich zu lange keine Auszeit habe, werde ich viel schneller reizbar und stehe in Gefahr zur Überreaktion. Timeouts sind für mich einerseits unbeschwerte Momente mit Freunden, besondere Familienerlebnisse oder auch Auszeiten zu zweit. Dies alles hilft mir, trotz Kräfte raubender Aufgaben, die innere Balance nicht zu verlieren. Doch neben diesen punktuellen Timeouts brauche ich meine wöchentliche Tankstelle. Im Idealfall ist jede Woche ein halber Tag dafür reserviert. Normalerweise kann ich mittwochs 2-3 Stunden dafür einplanen. Mein persönliches Timeout besteht aus Stille genießen, Zeit fürs Lesen, Beten und Tagebuchschreiben – wenn möglich an einem inspirierenden Ort. Diese Tankstelle ist oft umkämpft – denn als Macher liebe ich es, Aktivitäten am Laufen zu halten. Doch wenn ich mir diese Zeit gönne, hilft sie mir, Stress abzubauen und die Alltagsprobleme mit etwas Distanz aus einer anderen Perspektive zu sehen. Dieses Timeout hält mich – in der Regel – auch in stürmischen Zeiten über Wasser.

 

Stefan Gerber, Geschäftsführer Willow Creek Schweiz, ist Leiter der Netzwerk-Kirche „gms“ und freiberuflich als Autor („Glück finden – hier und jetzt“), Referent und Coach tätig. Er ist verheiratet mit Brigitte Gerber-Urfer und Vater von Joy Nina und Janosch Noah.

Traut euch (was zu)!

„Mein Mann lässt mir zum Glück freie Hand.“ Dieser Satz einer Mutter in Bezug auf die Erziehung ihrer Kinder hat mich ziemlich geschockt. Da freut sich eine Mutter darüber, dass sie ihre Ideen unbehelligt von ihrem Mann umsetzen kann. Nur ein Einzelfall?

Eine andere Mutter schreibt in ihrem Blog darüber, dass sie ihre Tochter schon in der Kita angemeldet hatte, aber hin- und hergerissen war, ob das das Richtige sei. Sie schildert ihr Abwägen, Gespräche mit Freundinnen, schlaflose Nächte – ihr Mann (den sie offensichtlich hat) kommt bei diesen Überlegungen nicht vor. Kann natürlich sein, dass er im Blog nicht erwähnt werden möchte. Aber im Mama-Blog-Universum scheint auch nicht so wichtig zu sein, was der Papa meint …

Kürzlich haben wir auf Facebook einen Artikel geteilt, in dem sich ein Vater darüber beklagt, dass seine Tochter lieber von Mama im Kindergarten abgeholt wird. Daraufhin kam es zu einer Diskussion: Ist Mama deshalb bei Kindern die Nummer 1, weil Papa sich aus Unsicherheit oder Bequemlichkeit zurückhält? Oder liegt es an den Müttern, die den Vätern zu wenig zutrauen und meckern, wenn sie etwas anders machen?

Natürlich sind nicht alle Väter, Mütter und Kinder gleich. Aber ich habe den Eindruck, dass oft beides stimmt: Väter lassen sich schnell verunsichern, wenn das Baby oder Kind auf sie nicht genau so begeistert reagiert wie auf die Mama. Aber es ist nun mal so, dass Mama oft Bezugsperson Nr. 1 ist, Papa „nur“ Nr. 2. Sich dann aber zurückzuziehen und Mama machen zu lassen, ist genau die falsche Reaktion. „Jetzt erst recht!“ – das würde ich mir von Vätern wünschen: Jetzt erst recht kuscheln! Jetzt erst recht die Windel wechseln! Jetzt erst recht trösten! Jetzt erst recht vom Kindergarten abholen!

Und die Mütter? Die sollten den Vätern auch mal das Feld überlassen. Nicht erst, wenn sie nicht mehr können. Nicht nur dann, wenn Papa es genau so macht wie Mama. Vielleicht muss dann manches intensiver diskutiert werden. Aber auch Papas haben das Recht und die Pflicht, bei Erziehungsfragen mitzuentscheiden! Der Mama freie Hand zu lassen, klingt erst mal gut, ist meines Erachtens aber der falsche Weg!

Bettina Wendland ist Redakteurin bei Family und FamilyNEXT und lebt mit ihrer Familie in Bochum.

Unperfekt und trotzdem fröhlich

Vatersein zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Von Cornelius Haefele

Sie sind bestimmt ein toller Vater, nicht so wie ich“, sagt der Herr, der mir in meiner Praxis gegenübersitzt. Er hat mir gerade erzählt, wie schwer es ihm fällt, den Kontakt zu seinen Kindern aufrechtzuerhalten, von denen er getrennt lebt. In meinem Kopf sind zwiespältige Gedanken unterwegs. Der selbstgerechte Kerl in mir sagt: „Stimmt, du siehst deine Kinder jeden Tag. Du versuchst, ihnen jeden Tag auf die eine oder andere Weise zu vermitteln, dass sie dir wichtig sind und du gern an ihrem Leben teilnimmst.“ Aber dann ist da auch noch die andere Seite. Denn mir ist klar, dass ich alles andere als der perfekte Paps bin.

SCHNAPPATMUNG
Da ist zum Beispiel meine Ungeduld. An einem dunklen Winterabend komme ich nach Hause und sehe es schon von weitem. In jedem, wirklich jedem nur verfügbaren Zimmer unseres Einfamilienhauses brennt das Licht. Ich fange schon mal an, leicht asthmatisch zu schnaufen, dann betrete ich das Haus. So freundlich, wie es mir noch möglich ist, rufe ich in die Stille: „Hallo!“ Ich bin selbst erstaunt, es klingt ein bisschen wie das Bellen eines Bullterriers. Meine Jüngste kommt aus ihrem Zimmer gesaust: „Hallo Papi.“ Sie fliegt mir um den Hals. Ich bin gar nicht in Stimmung und frage: „Wo sind denn alle anderen?“ „Mami ist noch schnell was einkaufen, Joni ist bei einem Freund und Luki und Sammy sind in der Jungschar.“ Ich schnappe innerlich nach Luft. Wie ich befürchtete. Keiner im Haus und alle Lichter an. Das geht gar nicht. Wie oft hab ich schon gesagt: „Macht die Lichter aus, wenn ihr aus dem Zimmer geht.“ Ich blaffe meine Tochter an: „Und wieso brennen hier im ganzen Haus die Lichter?“ Sie zieht eine Schnute und sagt beleidigt: „Ich hab die nicht angemacht, das waren die anderen.“ Ja, das ist meine Lieblingsantwort. Ich fange an, mit finsterer Miene durch das ganze Haus zu stiefeln und alle Lichter auszumachen. Dabei grummle ich vor mich hin: „Unverantwortlich, so eine Verschwendung, und an die Umwelt denkt auch keiner, was das kostet.“ Als endlich überall die Lichter aus sind, laufe ich durch den dunklen Flur Richtung Wohnzimmer und stoße mir ganz fürchterlich den großen Zeh an einer herumliegenden Schultasche. Das gibt mir den Rest. Leise schimpfend sitze ich im finsteren Wohnzimmer, reibe meinen Zeh und fange langsam an, mich selbst zu fragen: „Was machst du eigentlich hier? Bist du wirklich der Meinung, du hättest gerade den Lauf der Welt geändert, weil du alle Lichter ausgemacht hast?“ Plötzlich stelle ich mir vor, wie das wohl in fünfzehn Jahren sein wird, wenn ich abends nach Hause kommen werde. Dann wird das Haus dunkel sein, weil meine Kinder ausgeflogen sind. „Was bin ich doch für ein ungeduldiger Trottel“, denke ich. „Du kamst nach Hause und dein Haus sagte dir: ‚Hier ist Leben. Hier sind alle die am Werk, die du liebst – und alles, woran du denken kannst, ist dein schwäbischer Geldbeutel.‘“ Ich stehe auf, gehe durchs Haus und mache wieder ein paar Lichter an, nicht alle, aber immerhin. Dann geh ich zu meiner Tochter und sage: „Tut mir leid, mein Schatz, dass ich dich eben so angepflaumt habe.“ Sie grinst mich an und sagt: „Tja, Paps, mach dir nichts draus, keiner ist perfekt.“

AUF DURCHZUG GESTELLT
Und dann ist da noch meine Unaufmerksamkeit. Wenn ich im Stress bin, bin ich in meiner Familie mit Autopilot unterwegs. Ich kriege schon irgendwie mit, dass alle da sind und dass um mich herum der Bär steppt, aber die Einzelheiten gehen an mir vorbei. Das nervt mich selbst kolossal, aber ich krieg es einfach nicht abgestellt. Schon meine Kinder haben das kapiert. Beim Essen geht es mal wieder hoch her, alle erzählen was. Plötzlich kriege ich mit, dass einer der Jungs morgen ins Schullandheim fährt. „Wie, du fährst ins Schullandheim?“, frage ich. Mein Sohn schaut mich mit einer Mischung aus leichtem Spott, Erstaunen und vielleicht auch etwas Verletztheit an und sagt: „Ach, Papi hat mal wieder was nicht mitgekriegt? Ja, Papi, ich fahre morgen ins Schullandheim. Und das hab ich dir schon ungefähr hundertmal erzählt.“ Solche Momente bealtanaka schämen mich. Da sitze ich den ganzen Tag in meiner Praxis und höre aufmerksam meinen Klienten und Patienten zu, und bei meiner eigenen Familie hab ich auf Durchzug gestellt. Was stimmt nicht mit mir? Leider bin ich an manchen Stellen auch noch unerträglich perfektionistisch. Und das, obwohl ich eigentlich eher ein Chaot bin. Wie passt das bitte zusammen? Nun, es gibt so ein paar Bereiche, da will ich die Sachen so, wie ich sie will. Basta. Meine Werkbank und mein Werkzeug zum Beispiel. Mein Werkzeug hätte ich am liebsten sauber sortiert im Werkzeugkasten, meine Maschinen ordentlich in der Werkbank und nach jedem Gebrauch schön abgestaubt. Es gibt da nur ein Problem: Ich habe drei Söhne. Also kann ich das vergessen. Meine Jungs kommen zu den unmöglichsten Zeiten auf die unmöglichsten Ideen. Da muss einer nun unbedingt aus alten Brettern ein Laserschwert basteln. Kurz darauf komme ich in den Keller und falle fast in Ohnmacht. Auf der Werkbank liegt die Stichsäge, daneben steht, noch eingesteckt und vor sich hin tropfend, die mit Sägemehl bestäubte Heißklebepistole. Ein offener Farbtopf steht auch noch da und der Pinsel steckt in der Farbe. Selbstverständlich wurde keine Unterlage benutzt, was zur Folge hat, dass meine schöne, frisch geölte Werkbank nun fette blaue Farbkleckse aufweist. Ich könnte heulen. Wie oft ich schon verzweifelt Schraubenzieher, Zangen, Hämmer, den Akkuschrauber oder was auch immer suchte und dann irgendwann in einem Jungs-Zimmer – am besten noch unter dem Kopfkissen – fand, ich weiß es nicht. Natürlich habe ich das immer pädagogisch wertvoll genutzt, um meinen Söhnen eindringlich den Wert von Ordnung und Sauberkeit und den sachgerechten „Umgang mit dem Material“ beizubringen … Nur um mich dann gleich wieder aufzuregen: Hört mir eigentlich mal einer zu?

FESTGETROCKNETE FARBE
Aber dann gibt es die anderen Momente: Wenn ich mit meinen inzwischen baumlangen Jungs am Feuerkorb sitze und wir alle gemeinsam immer noch Spaß daran haben, Holzstöcke in die Flammen zu halten und nach Herzenslust zu kokeln. Oder wenn ich spätabends auf meinem Kopfkissen einen Zettel meiner Zwölfjährigen finde, auf dem steht: „Papi, ich hab dich soooo lieb. Du bist der beste Papi der Welt.“ Dann wird mir bewusst, wie reich ich eigentlich bin. Und dann geh ich in den Keller, räume meine Werkbank auf, fahre mit dem Finger über die festgetrocknete Farbe auf der Arbeitsplatte und denke: „Dich lass ich genau da, wo du bist, denn du wirst mich auch in zwanzig Jahren noch an die wunderbaren Zeiten erinnern, als ihr noch klein wart.“ Nein, ich bin gewiss nicht perfekt, manchmal bin ich sogar ziemlich unerträglich. Aber ja, ich bin trotzdem von Herzen gern ein Paps und will gar nichts anderes sein. Die Freude, der Stolz und das Glück, das mir meine Kinder bereiten, überwiegt alles andere bei weitem. Manchmal sehe ich das und kann es schätzen, manchmal vergesse ich es und nehme es nicht wahr. Dann wäre ich gern ein Vater, wie Gott es ist, „barmherzig, geduldig und von großer Güte“. Aber das bin ich nicht – noch nicht.

Cornelius Haefele ist Theologe, Berater und Coach in eigener Praxis (www.theologische-dienstleistungen.de). Er ist verheiratet und Vater von vier Kindern. Im Betulius-Verlag erschien sein Buch „1+1=6. Der ganz normale Wahnsinn in der Familie“.

 

 

 

Dieser Artikel ist auch in MOVO PAPS erschienen, einem Special des Männermagazins MOVO. Wie sieht das Männerleben mit Kindern wirklich aus? Was wünschen sich Kinder von ihren Vätern? Wie lässt sich eine Vaterzeit umsetzen und gestalten? Dies und mehr können Papas in MOVO PAPS lesen. www.movo.net

 

 

Plötzlich Papa

Vater zu werden, ist ein ganz besonderer Schritt im Leben eines Mannes. Vor allem, wenn es etwas ungewöhnlich zugeht, wie bei den Männern, die Priska Lachmann getroffen hat.

 

„Ich musste gleich seine Hand halten.“

Michael* ist ganz plötzlich Papa eines zweijährigen Sohnes geworden. Er verliebte sich in eine Frau, die ein Kind mit in die Beziehung brachte. „Mein erstes Zusammentreffen mit Hannes war sehr leicht, weil der Kleine mich sofort in das aktuelle Spiel mit einbezogen hat“, erinnert er sich. „Hannes* hat mir alle seine Spielsachen gezeigt, jedes Spielzeugauto und sogar die Badeente. Am ersten Tag haben wir einen Spaziergang zum See gemacht und ich musste gleich seine Hand halten. Das war ein tolles Gefühl“, schwärmt Michael. Anfangs war er aufgeregt ob seiner neuen Verantwortung. Er war lange Single gewesen und musste innerhalb kürzester Zeit nicht nur Hannes, sondern direkt auch die neuen Schwiegereltern kennen lernen. Da Michael aber von Anfang an wusste, dass seine Freundin ein Kind hat, konnte er sich ganz bewusst darauf einlassen und auch darauf, Hannes wie sein leibliches Kind zu lieben. Die erste Zeit des Zusammenlebens war dann aber doch ungewohnt. Michael merkte schnell, dass ein Kind 100 Prozent des Tages einnimmt und man wenig Zeit für andere Dinge hat. „Ich hatte manchmal Angst, Fehler zu machen. Gerade in Situationen, in denen ich mit Hannes allein war und er Trotzanfälle bekam“, gibt Michael zu. Doch schnell war er in die Papa-Rolle vollends reingewachsen. Er wurde zum Trostspender Nummer eins, zum „Superhelden“ und schließlich zum „echten“ Papa. Zu Beginn hatte Michael Angst, der Rolle als Papa nicht gerecht zu werden, inzwischen erfüllt es ihn mit Stolz, Papa zu sein. Das war und ist für ihn allerdings ein Wachstumsprozess. Die Liebe, die schönen Momente, das Vertrauen, das ihm von Hannes entgegengebracht wird – das alles macht ihn glücklich und dankbar.

* Namen geändert

 

Priska Lachmann ist verheiratet, zweifache Mama, Theologin, freie Redakteurin und Bloggerin von www.mamalismus.com

 

Mehr Beiträge zum Thema „Plötzlich Papa“ gibt es in der Family-Ausgabe 3/17