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„Experten“

„GESUNDES MISSTRAUEN – Ist das Votum von Fachleuten immer der Weisheit letzter Schluss? Katharina Hullen wundert sich über das blinde Vertrauen ihres Mannes.

Katharina: Mein Mann ist ein belesener und mit umfangreichem Halbwissen gesegneter Mensch. Deshalb staune ich immer wieder, wie sich genau dieser kluge Mensch von sogenannten Experten über den Tisch ziehen lässt. Wenn der Auto-Mechaniker sagt: „Das Steuergerät muss raus. So können Sie nicht mehr fahren”, zückt mein Mann seufzend sein Geld und zahlt.
Ist unsere Waschmaschine defekt – was bei fünf Kindern eine Katastrophe ist! – und Hauke ruft den Kundendienst an, bekommen wir einen Termin für übermorgen! Nicht heute oder morgen. Nein, übermorgen! Ich frage ihn, ob er erwähnt hat, dass wir sieben Personen sind, es wirklich drängt (weil drei Kinder in den Urlaub fahren), ob er wenigstens gefragt hat, ob ein früherer Termin möglich wäre – Fehlanzeige. Der Experte hätte ihm sicher schon den frühestmöglichen Termin angeboten. Sonst hätte er ja was gesagt.
Zum Haare raufen! Beim nächsten Mal rufe ich selbst an! Wenn die Chefärztin im Krankenhaus behauptet, unser Kind käme am besten per Kaiserschnitt zur Welt, obwohl ebenso viele Argumente für eine spontane Entbindung sprechen, fällt es Hauke schwer, mit mir den Kampf zu kämpfen gegen die Experten, die vordergründig nur mein Bestes wollen und den mutmaßlich schnellsten, sichersten und bequemsten Weg empfehlen.
Wenn ich das Gefühl habe, hier stimmt doch was nicht, warum muss die Entscheidung jetzt sofort gefällt werden, hake ich gern noch mal nach. Das sagt mir mein Herz, nicht mein Verstand.
Warum ist Hauke so expertengläubig? Vielleicht weil er etliche Projekte ohne fachmännische Unterstützung begonnen hat. Ganz allein – nur Hauke und Herr Google – im Kampf gegen das Schimmelproblem im Badezimmer. Folge: die ganze Familie muss sich in den nächsten vier bis sechs Wochen im kleinen Gäste-WC die Zähne putzen und im Keller duschen. Wäre Schwiegerpapa nicht mit Rat und Tat zur Hilfe geeilt, sähe unser Badezimmer immer noch aus wie Dresden nach dem Krieg.
Heute hat er sich überlegt, einen Sandkasten selber zu bauen. Er wird gleich anfangen, den Garten umzugraben. Zuerst hat er aber einen Anhänger über eine Kuppe in unseren Garten gewuchtet, ihn mit Erde vollgeschaufelt, um dann festzustellen, dass man den vollen Hänger nicht mehr über die Kuppe zurückschieben kann. Daraufhin fing er an, die Kuppe abzutragen, wodurch der Hänger aber noch schwerer wurde …
Ich werde wohl schon mal heimlich die Nachbarn nach der Nummer ihres GaLa-Bauers fragen. Dumm nur, wenn der dann sagt: „Übrigens, die Bäume hier müssen aber alle weg …”

bildschirmfoto-2016-02-17-um-16-25-10-80x80Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

„EINSICHT IN DIE EIGENE BEGRENZTHEIT“ – Hauke Hullen weiß über den Weltfrieden Bescheid, alles andere überlässt er lieber Experten und seiner Frau.

Hauke: Lassen Sie mich kurz erklären, was meine Frau und unsere Waschmaschine gemeinsam haben: Beide funktionieren tadellos und haben sich trotz ihres Alters gut gehalten. Die eine sorgt in ihrem Inneren für strahlend weiße Wäsche, die andere versorgte neun Monate lang unser fünftes Kind. Saubere Sache, soweit. Bloß: Im Juli wollten beide das Ergebnis ihrer Arbeit nicht mehr raus(d)rücken. Die Tür der Maschine ließ sich nicht mehr öffnen und unser Sohn beschloss, bis auf Weiteres im Hotel Mama zu bleiben.
Hier war guter Rat buchstäblich teuer. Die Ärzte probierten fünf Tage lang, mit Gels und Infusionen die Räumungsklage durchzusetzen, vergeblich. Plötzlich entschied die schlanke, blonde Chefärztin kühl, dass der Junge rausgeschnitten werden solle. Nein, nicht morgen, heute. Dann rauschte die Heidi Klum der Geburtshilfe aus dem Zimmer.
Wir waren innerlich zerrissen, Kathi bislang zum Glück nur auf metaphorische Weise. Gewiss, es gab Risikofaktoren bei dieser Geburt, allerdings waren noch nicht alle Methoden ausgereizt, und wer weiß, vielleicht wollten die Ärzte die OP lieber vor dem nächsten EM-Spiel hinter sich bringen oder die höhere Fallpauschale kassieren. Kathi vertagte alles, diskutierte mit Oberärzten und schließlich musste die Chefärztin noch einmal kommen, um den Fall zu erörtern. In solchen Diskussionen bewundere ich meine Frau, dass sie freundlich im Ton und hartnäckig in der Sache bleibt. Ich hingegen knicke schnell ein, immerhin hatte die Frau viele Jahre Berufserfahrung und vielleicht sogar studiert. Sobald jemand im weißen Kittel oder blauem Overall vor mir steht, denke ich: „Der ist vom Fach, der hat bestimmt recht.”
Egal ob Zahnarzt oder Kfz-Mechaniker – wenn die sagen: „Da kann man nichts mehr machen, das Ding muss raus”, dann öffne ich schweigend Mund und Geldbörse und füge mich. Als Politiklehrer bin ich zwar kompetent in Sachen Weltfrieden, aber bei den wirklich wichtigen Dingen muss ich den Fachleuten vertrauen.
Vielleicht bin ich auch einfach naiv. Bei jeder Diskussion überlege ich, ob der andere nicht auch recht haben könnte. Gerne lasse ich mich von Argumenten überzeugen. Und wenn der Waschmaschinen-Techniker mir erst für übermorgen einen Termin gibt, dann wird er dafür bestimmt gute Gründe haben. Meine Frau würde den armen Menschen wahrscheinlich so lange nötigen, bis er einen Großkunden verprellt und stattdessen sofort bei uns vorbeischaut.
Ach, über das Thema könnte ich noch seitenweise schreiben. Doch die Redaktion meinte, 2500 Zeichen würden reichen. Dann ist das wohl so …

bildschirmfoto-2016-02-17-um-16-23-30-80x80Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

Endgültig am Ende

Wann der Neuanfang nach dem „Seitensprung“ gelingen kann. Und wann der Zerbruch nicht aufzuhalten ist. Von Stanislaus Klemm

Ein Paar kommt in die Eheberatung. „Mein Mann ist öfters fremdgegangen“, so die Frau, „ich sehe keine Basis mehr, ihm zu vertrauen. Gibt es dennoch eine Chance, unsere Ehe zu retten?“ Die Erfahrung zeigt, dass diese Frage generell sicher genau so oft verneint wie auch bejaht werden könnte. Es spielen dabei ganz sicher viele Faktoren eine entscheidende Rolle. Was sind das eigentlich für Wege, d ie d ann e ntweder z um u nwiderruflichen A bbruch oder aber zu einem neuen Aufbruch führen können?

Man kann leicht zu dem Schluss kommen, dass die eheliche Treue heute nicht mehr hoch im Kurs steht und im Begriff ist, ein trauriges Auslaufmodell zu werden. Immer selbstverständlicher und alltäglicher wird vom „Fremdgehen“, von außerehelichen Beziehungen oder dem „Seitensprung“ gesprochen oder in den Medien berichtet. Vielfach wird die Liebe zweier Menschen geradezu lieblos in unüberlegter Begrifflichkeit als One-Night-Stand abgehandelt – nach dem Motto: „einmal ist keinmal“. Gleichzeitig gibt es aber auch einen ganz anderen Befund: Die Treue und vor allem die sexuelle Treue wird von Frauen und Männern, aber ganz besonders von Jugendlichen als eines der Fundamente gelingender Partnerschaft angesehen. Vielleicht steckt dahinter doch eine Ahnung davon, dass das eheliche Vermächtnis: „den anderen zu lieben, zu achten und ihm in guten wie in schlechten Tagen die Treue zu halten“ nichts Geringeres ist als der Ausdruck einer Wahrheit, die hinter jeder Liebe steht.

Wenn man als gläubiger Mensch hinter dieser menschlichen Liebe das Fundament einer noch größeren Liebe erkennt, dann erscheint uns Treue nicht mehr nur als „Verpflichtung“. Sie ist unsere ganz natürliche Antwort, vielleicht auf eine biblische Zusage, wenn Gott sagt: „Ich lasse dich nicht fallen und verlasse dich nicht.“ (Josua 1,5) Und dennoch erfahren viele Männer und Frauen – zusammen mit ihren Kindern – immer wieder, dass sie vom anderen Partner hintergangen, betrogen und gedemütigt worden sind. Grund genug, die Partnerschaft für immer beenden zu wollen.

SELBST VERANTWORTUNG ÜBERNEHMEN
Von außen betrachtet scheint die Rollenverteilung klar. Es gibt einen Missetäter und ein Opfer. Wir sind da oft ähnlich schnell in unserem Urteil wie die Pharisäer, die eine ehebrecherische Frau zu Jesus schleppten, in der Hoffnung, er möge ihre Steinigung anordnen. Wir achten kaum auf das, was ihn zum Täter, sie zur Täterin machte oder „vorbereitete“. Hier gibt es dann auch Gründe genug, sich dieses verletzende Verhalten hinlänglich zu erklären. Friedrich Nietzsche lässt einmal in seiner Schrift „Also sprach Zarathustra“ eine Frau sprechen: „Zwar brach ich die Ehe, doch zuvor brach die Ehe mich!“

Der gefangene Mann

Wenn die Arbeit Ehemänner und Väter fesselt, leiden Partnerschaft und Familie. Doch es gibt Auswege aus den Zwängen. Von Jörg Berger

Er ist freundlich und gewinnend. Er begeistert sich schnell und setzt sich voll ein. Auch Ausdauer, Belastbarkeit und Verlässlichkeit gehören zu seinen Qualitäten. Trotzdem erzählen Ehefrauen ihren Freundinnen mit einem Seufzen von ihm, manchmal auch mit Tränen in den Augen. Kleinkinder fremdeln und lassen die Mama nicht alleine weg, obwohl doch der Papa da ist. Schulkinder beklagen sich: „Du bist nie da.“ Jugendliche behandeln ihn wie einen WG-Mitbewohner.

Der gefangene Mann hätte das Zeug zum perfekten Ehemann und Vater. Aber eine dunkle Macht zieht ihn immer wieder aus dem Haus, raubt ihm das Beste, was er zu geben hat und entlässt ihn erst spät abends – müde und zerstreut – nach Hause. Natürlich hat das Ehepaar schon oft über das Thema Arbeit gesprochen. Es hat gestritten, Vorsätze gefasst und Schlachtpläne geschmiedet. Es hat kleine Siege über die Fremdbestimmung errungen wie zum Beispiel ein völlig freies Wochenende. Aber sobald das gemeinsame Bemühen nur ein wenig erlahmt, nimmt die Arbeit wieder zu. Die Macht der Arbeit erweist sich als stärker als die Macht der Liebe.

Als ich meiner Familie beim Mittagessen von dem anstehenden Artikel erzähle, verstehe ich das Gelächter nicht gleich. Ob sie als Betroffene etwas dazu schreiben soll, fragt meine Frau. Nein, ich schreibe hier über die anderen, die richtig schweren Fälle. Oder doch nicht? Bin ich auch schon auf dem Weg zum gefangenen Mann? Oder komme ich in manchen Wochen dem Prototyp, den ich hier beschrieben habe, schon bedenklich nahe? Auch wenn Sie noch nicht im Endstadium angelangt sind, kann es spannend sein, einmal das eigene Arbeitsverhalten und die Beweggründe dafür unter die Lupe zu nehmen. Ich schreibe bei diesem Thema über Männer, weil es mir bei ihnen in der Praxis häufiger begegnet. Auch Frauen kann die Arbeit gefangen nehmen, dies zeigt sich aber in anderen Formen, und auch die Beweggründe sind andere.

Wenn Arbeit gefangen nimmt, hat das unterschiedliche Gründe. Vier davon stelle ich Ihnen im Folgenden genauer vor.

 

Kritik ist wie Salz

Eine Dosierungsanleitung für eine Zutat der Liebe. Von Jörg Berger

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„Abschied“

„NUR NOCH GANZ KURZ“ – Katharina Hullen kommt beim Verabschieden so richtig ins Gespräch.

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