„Was hast du denn da?“

Warum Doktorspiele wichtig sind

Viele Eltern sind verunsichert oder auch peinlich berührt, wenn sie sehen, dass sich ihre Kinder ausziehen und mit ihren eigenen Geschlechtsorganen oder denen der Freunde spielen. Sollen wir jetzt eingreifen? Sollen wir das verbieten oder einfach nur weggucken? – Das sind Fragen, die Eltern in solchen Situationen durch den Kopf gehen.

Jeder Junge und jedes Mädchen ist von Anfang an eine sexuelle Persönlichkeit. Deshalb ist es ganz natürlich, dass ein Kind seinen Körper und damit auch seine Geschlechtsorgane wahrnimmt und erforscht. Kinder sind neugierig, berühren sich selbst an Penis oder Scheide und können schon früh angenehme Gefühle wahrnehmen. Allerdings sind das Lustempfinden, wie es Erwachsene erleben, und das Schamgefühl noch nicht entwickelt.

Neugier und Wissensdurst

Im Kindergartenalter wächst die Neugier und viele Kinder untersuchen nicht mehr nur sich selbst, sondern entdecken, dass der Freund oder die Freundin ganz anders aussieht und beziehen den anderen in ihr Spiel ein. In Rollenspielen, den so genannten Doktorspielen, werden dann die Unterschiede und Gemeinsamkeiten untersucht. Genau wie bei den Arztbesuchen im realen Leben ziehen sich die Kinder aus, verbinden sich, geben sich Spritzen und beziehen auch die Geschlechtsorgane ein. Diese Spiele dienen dazu, dass sich Kinder Wissen über ihr eigenes und das andere Geschlecht aneignen und festigen. In der Regel verliert sich das Interesse, wenn der Wissensdurst gestillt ist. Kommen Eltern ins Kinderzimmer und sehen, dass sich die Kinder gegenseitig untersuchen, sollten sie gelassen reagieren. Mit den Worten: „Oh, ihr habt euch ja ausgezogen. Was spielt ihr denn?“, kann man kurz auf das Doktorspiel eingehen, ohne ihm aber viel Bedeutung beizumessen. Anschließend kann man die Aufmerksamkeit auf eine andere Aktivität lenken, indem man zum Beispiel ein Gesellschaftsspiel miteinander spielt. Auf diese Weise erleben Kinder, dass das Erforschen des anderen Geschlechtes nichts Verbotenes ist, aber auch keine Aktivität, die im Speziellen gefördert und bestärkt wird. Vielleicht können Vater oder Mutter darauf hinweisen, dass sie nun ja wissen, wie der Freund oder die Freundin aussieht und dass sie beim nächsten Mal die Unterhose anlassen können.

Wichtige Regeln

Reagieren Eltern erschrocken und emotional und verbieten das Spiel, kann das für Kinder verwirrend und unverständlich sein und vielleicht sogar zu unangemessenen Schuldgefühlen führen. Eltern sollten dieses Verhalten ihrer Kinder also nicht grundlegend unterbinden, aber auf die Einhaltung folgender Regeln achten:

  • Jedes Kind bestimmt selbst, mit wem es Doktorspiele spielen möchte.
  • Jedes Kind bestimmt selbst, wo es berührt werden möchte oder nicht.
  • Keiner darf dem anderen wehtun.
  • Keiner darf dem anderen einen Gegenstand in Po, Scheide, Penis, Mund, Nase oder Ohr stecken.
  • Doktorspiele finden nur unter Gleichaltrigen statt.
  • Doktorspiele finden in einem geschützten Rahmen und nicht in der Öffentlichkeit statt.
  • Es werden keine Fotos gemacht. (Viele Kinder haben heute Spiel-Digitalkameras in ihren Kinderzimmern.)

Um Kinder vor Missbrauch zu schützen, sollten Eltern mit ihren Kindern im Gespräch über Sexualität sein. Hilfreich ist es, gemeinsam gute Kinderbücher zur Aufklärung anzusehen. Auf diese Weise können neugierige Fragen beantwortet werden. Herrscht in der Familie eine offene Atmosphäre und ist Sexualität kein Tabuthema, lernen Kinder einen entspannten und verantwortungsvollen Umgang mit ihrem eigenen Körper.

Sonja Brocksieper ist Diplom-Pädagogin und lebt mit ihrer Familie in Remscheid.

Illustration: Thees Carstens

 

 

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