Was soll aus dem Jungen nur werden?

Eltern von Teenagern sind oft verzweifelt, wenn ihr Kind null Interesse an der Berufswahl hat. Eine erfahrene Mutter rät aus eigener Erfahrung zur Gelassenheit.

Elternabend an der Schule mit dem Thema „Pubertät und null Bock“. Nach einem Vortrag mit Diskussion verfing die Atmosphäre sich in einer Ratlosigkeits- und Resignationssackgasse. Als vermutlich dienstälteste Mutter, die nicht nur bocklose Teens, sondern auch erwachsene, leistungsbereite Kinder hatte, musste ich mich jetzt einfach zu Wort melden. „Es gibt Licht am Ende des Tunnels“, schloss ich meinen kurzen Erfahrungsbericht. Allgemeine Erleichterung, hoffnungsvolles Aufseufzen.

Wieder einmal hatte ich mir selbst Mut zugeredet. Was sollte ich tun mit Jonas, der bereits zum zweiten Mal ein Schuljahr wiederholte und rein gar nichts hielt von Berufsberatung und Ausbildungsmesse? Hatte ich in der Erziehung eine wichtige Weichenstellung übersehen? Genoss Jonas zu viele Freiheiten?

Seinen großen Bewegungsdrang als Kind hatte ich gern unterstützt. Toben, klettern, Rad fahren, all das machte ihn glücklich. An einem etwas kühleren Tag schwamm ein Sixpack Cola in der Mitte des Flusses. Jonas warf sein Fahrrad hin, sprang ohne Zögern ins Wasser, schnappte sich das Ziel seiner Wünsche und radelte triefend nach Hause. Am nächsten Tag war er zwar krank, aber für die Cola hatte sein Einsatz sich gelohnt.

Im Kindergartenalter war sein innigster Wunsch eine Pistole. Jonas flehte immer wieder. Meinem Mutterherzen dämmerte allmählich, dass Jonas nun mal ein Junge war und dass kindliche Aggressionen nicht durch eine Spielzeugpistole entstehen. Ich liebte Jonas und kaufte ihm sein Sehnsuchtsobjekt. Sein Glück ließ sich mit Worten kaum beschreiben. Im Lauf der Zeit erweiterte sich das Arsenal um Pfeil und Bogen, Armbrust und Ähnliches. Und nein, der Umgang mit der „Waffe“ zog keine Charakterverderbnis nach sich, vielmehr war Jonas aufmerksam Schwächeren gegenüber und teilte freiwillig seine Süßigkeiten. Überhaupt war er sehr kontaktfreudig. Zugleich verstand er es, sich abzugrenzen. Doch quasi über Nacht wurde Jonas von Pubertätshormonen überschwemmt. Jetzt zog er alle Register. Seine Freunde wählte er nach dem Kriterium „Elternschreck“ aus. Schule wurde für ihn zu einer Gleichung mit drei Unbekannten. Mehrmals täglich drehte er mich durch den mentalen Fleischwolf.

Wenn Bekannte von seinem netten, höflichen Auftreten schwärmten, fragte ich mich, wen sie eigentlich meinten. Für berufliche Dinge interessierte Jonas sich nicht die Bohne. Auch nicht für Ferienjobs. Schulkameraden und Altersgenossen machten Ausbildungsverträge und Schulabschlüsse. Jonas dümpelte vor sich hin. Etwas Soziales wollte er nicht machen, mit Kreativität hatte er nichts am Hut, für Handwerk interessierte er sich auch nicht. Immerhin beschaffte er sich einen Job. Mittwochs trug er in unserem Wohnviertel hinfort die Wochenblätter aus.

Mein Mann und ich fuhren das größte Geschütz auf, das wir kannten:  Wir beteten für Jonas. Vor allem beteten wir um gute Freunde für ihn. Was weiter geschah, ließ uns staunen: Nachdem Jonas einen wirklich coolen Freund kennengelernt hatte, war plötzlich Fitnessstudio statt Chillen angesagt und Früchte statt Chips. Dennoch behielt er weiterhin sein taubes Ohr für gelegentliche Ausbildungsvorschläge unsererseits. Seine Wochenblätter aber verteilte er regelmäßig in die Briefkästen. So kam er mit dem einen oder anderen Nachbarn ins Gespräch. Einer, den wir nicht kannten, sagte: „Du hast noch keine richtige Idee, was du beruflich machen willst? Könntest du dir eine Arbeit bei der Polizei vorstellen? Hier hast du die Telefonnummer von einem Freund von mir, der ist dort Einstellungsberater. Melde dich bei ihm und sag schöne Grüße von mir.“

Um es kurz zu machen: Jonas hat alle Prüfungen prima bestanden und arbeitet heute als Polizist. Dies tut er mit einer positiven Einstellung und ist mit sich und seinem Leben im Reinen. Rückblickend denke ich: „Ein Wunder, dass er nicht schon in Uniform auf die Welt gekommen ist, dieser Beruf passt genial zu seiner Persönlichkeit.“

Ich finde, Gott hat all das sehr gut eingefädelt und bin stolz auf Jonas, dass er mit für unsere Sicherheit sorgt. Und wieder einmal habe ich ein Gebetsanliegen: Dass er beschützt bleibt …

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