Wenn Kinder ins Netz gehen …

Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche hat sich durch die digitalen Medien verändert. Das ist das Ergebnis eines Berichts, den der Missbrauchsbeauftragte der deutschen Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, gestern vorgelegt hat.

Demnach ist die Bandbreite von sexualisierten Grenzverletzungen und Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im Internet sehr groß. Sie reicht von der unfreiwilligen Konfrontation mit Pornografie über sexuelle Annäherungen bis hin zum Grooming. Beim Grooming werden Kinder und Jugendliche online angesprochen und manchmal auch mit Fotos erpresst, um sie schließlich real zu missbrauchen. Verlässliche Zahlen dazu gibt es nicht. Eine dänische Befragung von Jugendlichen zwischen 15 und 16 Jahren hat ergeben, dass es bei 7,2 % der Jungen und 4,6 % der Mädchen, die sich offline mit einer Internet-Bekanntschaft getroffen haben, zu sexueller Nötigung kam.

Andere Formen sexualisierter Gewalt im Internet sind zum Beispiel das Verbreiten von sexuell freizügigen Bilder, die Kinder und Jugendliche selbst verschickt haben – meist nicht in der Absicht, dass Dritte sie zu Gesicht bekommen. Bei diesem so genannten „Sexting“ geraten immer wieder die Kinder und Jugendlichen selbst in die Kritik. Die eigentlichen Täter, die die Fotos oder Videos illegal weiterleiten, stehen oft weniger im Fokus. Auch Live-Video-Chats stellen einen Gefahrenbereich dar, dazu gibt es aber noch reichlich Forschungsbedarf – wie auch zu vielen anderen Aspekten in diesem Themenbereich. Durch die schnelle Entwicklung und Veränderung digitaler Medien und ihrer Nutzung hinkt die Forschung leider immer hinterher.

Im Bereich der Aufklärung und der Vermittlung von Medienkompetenz wird zwar schon viel getan, aber offensichtlich immer noch nicht genug. „Fehlendes Wissen ist der Grund, warum Mädchen und Jungen häufig nicht die Hilfe angeboten werden kann, die sie bräuchten, wenn sie mit belastenden Darstellungen oder sexualisierten Aufforderungen konfrontiert werden“, meint auch Johannes-Wilhelm Rörig, der Missbrauchsbeauftragte. Seine „Konzeptgruppe Internet“ hat festgestellt, dass der Fokus der Aufklärung und Prävention häufig ausschließlich auf der Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen liege. Dabei sei es geboten, dass die erwachsene Gesellschaft – Eltern, Lehrkräfte und Anbieter digitaler Produkte – Verantwortung übernehme.

Ingo Fock, Vorsitzender des Vereins „gegen-missbrauch e.V.“ meint dazu: „Das Internet bietet Tätern und Täterinnen einen idealen Ort, um sich Kindern und Jugendlichen zu nähern. Daher ist es dringend geboten, nicht nur den Jugendlichen, sondern auch Eltern sachkompetentes Wissen über Täterstrategien zu vermitteln, damit Gefahren entsprechend erkannt werden und frühzeitig Hilfsmechanismen greifen können.“

Bei allen Risiken und Gefahren dürfen aber nicht die Chancen und Möglichkeiten der digitalen Medien aus dem Blick geraten. Darauf weist Prof. Dr. Arne Dekker vom UKE in Hamburg hin: „Internet und digitale Medien stellen Kinder und Jugendliche vor eine Reihe von Herausforderungen und neuen Risiken – auch in Bezug auf sexualisierte Gewalt. Die neuen Gefahren dürfen einerseits nicht bagatellisiert werden, andererseits aber auch nicht dazu führen, der Mediennutzung junger Menschen pessimistisch und ausschließlich mit Verboten zu begegnen. Ziel muss es sein, jungen Menschen eine sichere Nutzung digitaler Medien zu ermöglichen.“

Bettina Wendland

Redakteurin Family und FamilyNEXT

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