Zeterzank

„Meine Kinder (5 und 3) streiten sehr oft. Mehrmals am Tag gehe ich dazwischen, damit sie sich nicht gegenseitig verletzen. Aber sollte ich eigentlich eingreifen?“

Kinder erleben das Streiten und Rangeln als Teil ihres Alltags und lernen dabei sehr viel. Sie lernen, wie es ist, mit einer Idee nicht durchzukommen. Im Kräftemessen werden sie erfinderisch und entwickeln Strategien, mit Erfolgen und Niederlagen umzugehen. Greifen Eltern zu oft ein, werden Kinder der Möglichkeit beraubt, eine Idee zur Lösung zu finden. Mischen Eltern sich häufig ein, kann beim Kind sogar das Gefühl entstehen, Streitereien nicht selbst regeln zu können und immer einen Fürsprecher zu benötigen. Das Eingreifen der Eltern hat aber auch noch eine andere Dimension: Der Streit besteht nicht erst ab Heulen und Schreien, sondern entwickelt sich aus Missverständnissen, Egoismus, Wut, der persönlichen Tagesform oder kleinen Gesten und Situationen. Tritt ein Elternteil in dieses Geschehen ein, ist es schwierig zu erfassen, wer Trost und wer eine Ermahnung braucht – ein ungerechtes Urteil kann die Folge sein.

BEOBACHTEN
Eltern sind gut damit beraten, sich ihre Kinder im Streit bewusst anzusehen und wahrzunehmen, ob wiederkehrende Muster auftreten. Ist zum Beispiel ein Kind wütend und empört, weil ein anderes mitspielen wollte und verleiht seiner Empörung lautstark Ausdruck, könnte es gut sein, den Mitspieler zur Seite zu nehmen und zu erklären: „Er wollte so gern allein spielen!“ Sollte dies zur Regel werden, ist es notwendig, sich mit dem Einzelspieler auseinanderzusetzen, um ihm zu helfen, sich auf andere einzustellen. Sind in einer Geschwister- oder Freundeskonstellation beide Kinder mal die Nachgebenden und die Durchsetzungsstarken, dürfen Eltern sich aus den ungemütlichen Situationen heraushalten – egal, wie lautstark es wird.

EINGREIFEN?
Eingreifen wird dann nötig, wenn ein Kind in Gefahr steht, verletzt zu werden. Eine Rangelei um ein Haargummi oben auf einer hohen Rutsche ist keine entwicklungsfördernde, sondern eine gefährliche Situation. Kneifen, kratzen, schubsen kann nach einem Konflikt als unpassend erklärt werden, wenn Kinder beißen oder würgen, müssen Eltern deutliche Zeichen setzen. Je jünger die Kinder sind, umso mehr dürfen die Streitereien mit Ritualen eingeübt werden: das Auto, um das man sich „kloppt“, kommt auf den Schrank. Beide suchen sich etwas Neues. Wichtig – auch für spätere Zusammenstöße aller Art: Es ist nicht immer der Gleiche „schuld“ und damit auch auf keinen Fall der Mensch „doof“. Eltern dürfen Vorbild sein, indem sie bei beiden Kindern nachfragen: „Alles ok?“ „Habe ich dich richtig verstanden? Du möchtest, so gern mit dem Bagger spielen?“ Dabei ist es erlaubt, zornig und ärgerlich zu werden und sich zu streiten. Eingreifen bei Streit: so wenig wie möglich. Bei jüngeren ganz konkret, um Verletzungen zu vermeiden. Bei älteren Kindern besonders, um Streit mit allen wiederstreitenden Gefühlen zu verstehen.

Stefanie Diekmann ist Diplom-Pädagogin und lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Ingelheim am Rhein.