Kann sie den Seitensprung wiedergutmachen?

Katharina ist fremdgegangen. Ihren Mann Nick hat das schwer getroffen. Der Ehebruch liegt mittlerweile zwei Jahre zurück. Doch die Ehe hat sich davon nicht erholt. Nick möchte weder in ein Beratungsgespräch, noch mit Freunden darüber reden. Der Glaube ist für ihn keine Hilfe, da er für Religion nicht viel übrig hat. Nick fordert von Katharina, dass sie das, was sie getan hat, irgendwie wiedergutmacht. Sie weiß nicht, wie das gehen soll. Wie können die beiden zueinanderfinden?

Es ist schon eine besondere Frage, wie zwei Menschen überhaupt zueinanderfinden können und hier insbesondere, wenn die Beziehung bereits durch schlechte Erfahrungen belastet ist.

Wenn zwei Menschen zusammenkommen und ein Leben verbindlich und vertrauensvoll beginnen, entsteht ein neues System, etwas, das es nur zwischen ihnen beiden gibt. Beide Partner gestalten die Beziehung miteinander und wirken aufeinander. Die Idee Gottes war es, dass sie sich dabei finden, „erkennen“ nennt das die Bibel. Einander finden bedeutet, mehr übereinander zu erfahren, den anderen zu verstehen, seine Denkweise, seine Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse zu entdecken. Auf dem Weg dahin soll eine für beide Partner erfüllende und inspirierende Begegnung stattfinden.

Aus der hier gestellten Frage können wir keine Vorgeschichte ableiten, aber in der Regel kommt der Treuebruch nicht einfach so zustande. Es scheint denkbar, dass sich das Paar bereits eine geraume Zeit vor dem Ehebruch „verloren“ hat oder sich vielleicht nie wirklich begegnet ist. Der beste Schutz vor Ehebruch ist eine intakte, liebevoll gestaltete Ehe, in der beide Partner auf die unterschiedlichen Bedürfnisse eingehen.

Ein langer Weg

Man darf annehmen, dass sich die Beziehung dieses Paares dysfunktional entwickelt hat. Daran haben sicherlich beide Partner ihren Anteil. Die Reaktionen waren offensichtlich unterschiedlich. Während die Ehefrau ihren Trost in den Armen eines anderen Mannes suchte, hat der Ehemann das Dilemma der Beziehung entweder gar nicht wahrgenommen oder geleugnet. Hier wurde die Ehefrau zum offensichtlichen Täter.

Wie können beide zueinanderfinden? Wenn es um den Weg zu einer neuen, vertrauensvollen Begegnung gehen soll, dann müssen beide Partner bereit sein, diesen Weg auch in kleinen Schritten zu gehen. Auch wenn es hunderttausendfach vorkommt und alle Welt uns vorgaukeln will, es gehöre heute dazu: Der Vertrauensbruch ist eine der schwersten Verletzungen, die man erfahren kann. Eine Wiederherstellung der Beziehung ist schwer und dauert lange.

Dass der Mann keine Paarberatung aufsuchen will, gilt es zu respektieren und ihn nicht zu übergehen. Abgesehen davon, dass sich viele Männer grundsätzlich nicht gern helfen lassen, scheint hier eine besondere Hürde, da in seinen Augen seine Frau die alleinige Verursacherin des Problems ist.

Trotzdem wäre es gut, wenn es eine Person gäbe, der er sich anvertrauen könnte. Immer wieder erlebe ich es, dass Männer zu Auskünften schon bereit sind, wenn sie dabei selbst nicht als das Problem betrachtet werden. Kein Mann will ein Problem sein, schon gar nicht, wenn er doch, wie hier, der Betrogene ist. Seinem Widerstand scheint die Haltung zu Grunde zu liegen: „Die Suppe hat der auszulöffeln, der sie eingebrockt hat.“ Gelänge es, ihm deutlich zu machen, dass er am Ursprung des Geschehens einen Anteil hat, könnte genau dieser Widerstand, diese Sichtweise genutzt werden, um mit ihm über seine Anteile ins Gespräch zu kommen.

Dass seine Frau die Sache wiedergutmachen soll, hört sich für mich danach an, dass sie sich sein Vertrauen neu „verdienen“ soll. Ist das möglich? Ist das berechtigt oder eine Überforderung, Vertrauen zu verdienen?

Opfer und Täter

Aus der Denke, dass der Ehemann hier das Opfer und die Ehefrau der Täter ist, entkommen die beiden auf diese Weise nicht. Diese Annahme ist genauso wenig hilfreich, wie das dysfunktionale Miteinander, das zu dem Schlamassel geführt hat. Beide Partner müssen es lernen, sich freizugeben, den anderen nicht durch die Brille des Täters oder Opfers zu sehen und sich auch nicht daran zu messen. Wann wäre die „Schuld bezahlt“? Soll oder darf das der Ehemann bestimmen? Hier entsteht eine neue belastende Abhängigkeit. Die Brillen abzulegen und den Maßstab beiseite zu legen, bedeutet aber nicht, die Tat an sich zu rechtfertigen oder aus den Augen zu verlieren.

Wie könnte ein erster Schritt der Ehefrau aussehen, den er sich von ihr wünscht? Eine Idee wäre, dass sie für sich allein eine Beratung in Anspruch nimmt, in der sie ihren Teil reflektiert. Möglicherweise hat sie ihre eigenen Bedürfnisse zu spät oder nur begrenzt wahrgenommen. Manchmal reagiert der Mensch und wird zu Handlungen fähig, die er sich selbst nicht zugetraut hätte. Das Unbewusste hat mögliche Versäumnisse nicht vergessen und drängt dazu, dass sie ausgeglichen werden. Das muss zur Sprache kommen, das heißt: bewusst gemacht und in Worte gefasst werden. Dann ist es möglich, Handlungsalternativen zu entwickeln, auch um den tiefer liegenden Nöten zu begegnen.

Dem zerstörten Vertrauen müssen aber auch ganz praktische Konsequenzen folgen. Katharina hat einen Teil des Lebens offensichtlich im Verborgenen geführt. Umfängliche Offenheit kann eine wirksame Hilfe sein. Unsere Klienten sprechen von guten Erfahrungen, die sie mit transparenten Terminkalendern gemacht haben. Jeder lässt den anderen alles wissen. Jede Verspätung wird unverzüglich gemeldet, keine Verabredung getroffen, von der der andere nichts weiß.

Ich würde der Ehefrau in diesem Fall empfehlen, das ihrem Mann anzubieten. „Schatz, ich will dich ab sofort voll in meine Karten schauen lassen, alles auf den Tisch legen. Was willst du von mir wissen? Ich werde es dir sagen!“

Gefühle ausdrücken

Zueinander können sie finden, wenn sie es lernen, über die wichtigen Informationen hinaus auch über die tiefer liegenden Gefühle ins Gespräch zu kommen. Viele Menschen haben das nur begrenzt gelernt. In unseren Seminaren üben wir das mit den Teilnehmern mit einem Papier, auf dem hundert Worte stehen, mit denen Gefühle ausgedrückt werden können.

Erwähnt wird in der Frage noch, dass der Glaube für ihn keine Hilfe ist. Was der Ehemann wohl sucht, ist eine reale, fühlbare Erfahrung der Wiedergutmachung. Er scheint die erneuerte Haltung der Zuwendung seiner Frau erleben zu wollen. Der Glaube kann manchmal als eine Abstraktion davon erlebt werden und kontraproduktiv wirken. Das kann ich als Berater gut verstehen. Jesus forderte in der Hinwendung zu ihm ja immer auch eine veränderte Handlungsweise. Dem Glauben müssen Taten folgen.

Christof Matthias ist Supervisor und Regionalleiter von Team.F, www.loscm.de.

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