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Pilgern – Eine Auszeit zum Auftanken

Pilgern ist seit Jahrhunderten Tradition und dennoch topaktuell. Melanie Schmitt, Leiterin der Pilgerstelle im Bistum Limburg, gibt Einblicke in eine  faszinierende Wanderleidenschaft.

Tage des Laufens liegen hinter uns, rauf und runter, über einen alpinen Pilgerweg in Österreich, von Kirchlein zu Kapelle, vom alten Wallfahrtsort im Tal zum Gipfelkreuz hoch oben. Am letzten Tag kostet mich jeder Schritt Kraft, die ich nicht mehr habe. Ich frage mich ernsthaft, wie ich heute die restlichen Höhenmeter nach oben schaffen soll, um dann auf der anderen Seite wieder abzusteigen. Warum mache ich das hier eigentlich? Tageund wochenlang durch die Gegend laufen, jeden Tag dasselbe. Pilgern – was soll das?

Gebahnte Wege

Seit Menschengedenken machen sich Männer und Frauen auf Reisen, bei denen es nicht allein darum geht, einen äußeren Weg zurückzulegen, sondern auch darum, sich auf einen inneren Weg zu begeben, in inneren Angelegenheiten unterwegs zu sein, auf ganzheitlicher Bewegungstour für Körper und Seele. Nicht bei jedem religiös motiviert, aber doch auf der Suche: nach sich selbst, nach anderen oder nach Gott.

Pilgern ist eine jahrhundertealte Tradition, ein Teil der spirituellen Praxis aller großen Religionen. Ob Jerusalem, Assisi, Rom, Mekka oder Santiago de Compostela – der äußere und der innere Weg verbindet alle Pilgerinnen und Pilger und ist doch gleichzeitig sehr individuell. So unterschiedlich die Anliegen und Gründe für eine Pilgerreise sein mögen – ob Abenteuerlust, Trauerbewältigung, bewusste Umkehr oder ein neuer Lebensabschnitt –, das Unterwegssein ist beim Pilgern wichtiger als das Ankommen. Und die Erlebnisse, Ereignisse und Begegnungen unterwegs machen das Besondere des Pilgerns aus.

Es ist faszinierend, auf uralten Wegen unterwegs zu sein, auf Pfaden, die Pilger schon Jahrhunderte zuvor gebahnt haben, in gesprochenen, gedachten, geatmeten und gelebten Gedanken und Gebeten, im steten Gehen und Gehen und Gehen.

Die pure Freiheit

Reduzieren, minimalisieren, daheim lassen, loslassen: Beim Pilgern geht es auch darum, die Komfortzone zu verlassen und sich nur mit leichtem Gepäck auf den Weg zu machen. Schließlich muss alles Hab und Gut getragen werden, jeden Tag, jede Minute des Weges. Ich erlebe diese Reduktion des Materiellen bei jeder Pilgertour als große Freiheit: Alles, was ich brauche, trage ich bei mir. Und das, so stelle ich jedes Mal fest, ist wirklich sehr wenig. Zumal es zum Pilgeralltag gehört, bei Ankunft in der Unterkunft die verschwitzten Klamotten mit der Hand durchzuwaschen. Drei Unterhosen und zwei Shirts reichen wochenlang.

Am Morgen ist alles schnell wieder im Rucksack verstaut. Ich brauche nicht lange zu überlegen: Das Wirrwarr auf dem Bett aus Wechselklamotten, Ladekabel, Pilgerpass, Haargummi, Tagebuch und Flip-Flops kommt einfach komplett in den Rucksack und weiter geht‘s. Alles, was ich brauche, trage ich auf dem Rücken. Ich kann gehen, wohin ich will, und habe alles Nötige bei mir. Welch unglaubliches Gefühl von Freiheit! Sich noch unterwegs von Ballast zu trennen und Teile der Ausrüstung wegzugeben, ist eine gängige Pilgererfahrung und für manchen sogar ein Ritual, verringert es doch im konkreten wie im übertragenen Sinn die Last auf den Schultern. So nehmen manche Pilgerinnen und Pilger von zu Hause einen Stein mit, der symbolisch für eine Last steht, für eine überstandene Krankheit oder eine schmerzhafte Trennung, und legen diesen Stein unterwegs ab.

Nicht nur in Sachen Gepäck ist Pilgern eine Reduzierung auf das Wesentliche: gehen – essen – schlafen. Der Pilgeralltag folgt einer erwartbaren Regelmäßigkeit.

Die reine Abhängigkeit

Wenn ich zu Fuß unterwegs bin, nur mit dem Rucksack auf meinem Rücken, habe ich auf meiner Reise ausschließlich diese Dinge zur Verfügung. Keinen Fön, keine größere Lektüre, keine Spielesammlung. Zu Fuß bin ich außerdem nur in einem kleinen Radius mobil. Sollte ich am angepeilten Tagesziel keine Unterkunft finden, kann ich nicht mal eben weitere zehn Kilometer suchen gehen.

Hier beginnt nach meinem Empfinden der „Spirit“ des Pilgerns. Eben weil ich mich so bedürftig und abhängig mache, kann Gott seine Wunder-barkeiten deutlich auspacken und spielen lassen. Die Welt der Pilgernden ist voll von diesen Wundergeschichten, die Mut machen und Vertrauen schenken: Der Schuh meines Mannes ist zu eng. So kann er unmöglich weitergehen. Am Wegesrand im kleinen Dorf ist unversehens ein orthopädischer Schuhmacher, der den Schuh richtet. Oder: Beschwingten Schrittes sind wir ein ziemliches Stück dem falschen Pfad gefolgt. Nachdem wir unseren Irrtum bemerkt und ein Stück querfeldein gelaufen sind, finden wir uns plötzlich und überraschend auf unserem eigentlichen Weg wieder.

Wir erleben Geschichten des Versorgtseins und Getragenseins, aber auch Geschichten der persönlichen Herausforderungen. „Der Weg gibt dir nicht das, was du willst, sondern das, was du brauchst“, sagt man. Diese eindrücklichen Erfahrungen machen Pilgernde immer wieder. Ihr Weg ist ihnen ein Spiegel des Inneren. Der Weg schenkt uns die Kraft, ihn zu gehen, er leitet uns, sorgt für uns, führt uns über Umwege, bergauf und bergab, querfeldein und auch mal außerhalb der Karte, durch Sonne und Regen, über Asphaltwüsten und an blühenden Blumenwiesen vorbei. Vor mir sonnt sich ein Schmetterling. Er fliegt nicht davon. Ich darf ihm nahe sein, dem Schmetterling und dem Leben. So wird es beim Pilgern immer wieder vor allem um eines gehen: Bei sich zu bleiben und doch verbunden zu sein mit der Mitwelt – mit der menschlichen Mitwelt und mit der mehr-als-menschlichen Mitwelt.

Jeden Morgen neu aufmachen zum Pligern

Und so ist letztlich auch weniger die Frage der optimalen Outdoor-Ausrüstung entscheidend als vielmehr die Frage der inneren Ausrüstung: Pilgern schenkt uns viele hoch-heilige Momente. Und Pilgern verlangt Kondition und Ausdauer eher mental, denn körperlich sind viele Pilgerwege moderat im Anspruch. Doch die Herausforderung, sich jeden Morgen wieder neu aufzumachen ins Unbekannte und sich dem zu stellen, was innerlich in Bewegung gerät, verlangt Bereitschaft zur Hingabe ins Vertrauen.

Das merke ich besonders am letzten Tag in Österreich, als mich ernsthafte Zweifel überkommen, ob ich diese letzte Etappe schaffen werde. Mir fehlt die Kraft. Intensive Wandertage stecken mir in den Beinen. Wenn es mir gutgeht, fällt es mir leicht, dem Urgrund allen Seins dafür dankbar zu sein. Umgekehrt habe ich oft Mühe, um Hilfe zu bitten, wenn ich nicht allein weiterkomme, ob bei Menschen oder beim Ewigen. Hier oben in den Bergen kann mir kein Mensch beim Weitergehen helfen. Aber ich brauche Hilfe, ich brauche die Kraft zum Weiterkommen. Und ich bitte himmelhoch darum.

Nie zuvor habe ich diese Hilfe so körperlich erlebt. Es fühlt sich an, als schiebe mich eine unsichtbare Hand sanft bergauf – ich gehe und gehe und gehe. Klingt irre. Ich weiß. Fühlte sich auch irre an. Oben nehme ich mir einen kleinen glitzernden Stein mit. Er soll mich zu Hause an die unbeschreibliche Ruhe erinnern, die mit der Erkenntnis kommt, wie viel Kraft sich entfaltet, wenn ich in Verbundenheit immer weiter meinen Weg gehe.

Geht das auch etwas kürzer?

Der eigentliche Effekt des Pilgerns wird erst bei einem längeren Unterwegssein von mehreren Tagen spürbar. Und dennoch kann ich diese einmal gewonnene Erfahrung auch abrufen, wenn ich mich zu Hause einen halben Tag ausklinke und bewusst rausgehe, um zu pilgern. Mir hilft das, Anliegen zu klären. Ich erfahre die Natur als Spiegel, das Gehen als Meditation. Nicht umsonst heißt es, Pilgern sei Beten mit den Füßen. Am frühen Abend nähern wir uns unserem letzten Etappenziel, der Wallfahrtskirche von Heiligenblut. Wir können sie von weitem sehen und ich denke: Jetzt fehlt eigentlich nur noch ein Regenbogen. Kurz darauf fängt es an zu nieseln und in dem Moment, als wir die Kirche erreichen, erscheint ein Regenbogen am Himmel und bleibt aufgespannt über dem Tal stehen. Wir sind angekommen. Und ich weiß, warum ich pilgern gehe, immer wieder.

Melanie Schmitt ist begeisterte Pilgerin und hat als Leiterin der Pilgerstelle im Bistum Limburg auch beruflich sehr viel mit einer Spiritualität des Unterwegsseins zu tun.

 

WISSENSWERTES ZUM PILGERN

Nachgefragt bei Melanie Schmitt, Leiterin der Pilgerstelle im Bistum Limburg

Wie fange ich an, wenn ich Pilgern ausprobieren möchte?
Es müssen nicht gleich 800 Kilometer Jakobsweg sein. Es gibt auch in Deutschland und der Schweiz viele gut markierte Wege, wie zum Beispiel den Hildegard-von-Bingen-Weg oder den Lahn-Camino, die beide in etwa zehn Tagen gut zu bewältigen sind. Und viele regionale Pilgerwege, die zum Pilgern für einen Tag einladen. Manche Outdoor-App bietet die Vorauswahl „Pilgerweg“. Wenn man sich umschaut, entdeckt man vielleicht in der Nähe des Wohnortes Jakobsmuscheln oder andere Pilgerwegmarkierungen.

Was ist besser: allein pilgern oder in der Gruppe?
Das hängt davon ab, welches Erlebnis man sucht. Vom organisierten Kulturpilgern mit Rucksacktransport bis zur individuell gestalteten Tour ist alles möglich. Allgemein gilt: Man trifft in der Regel sehr schnell andere Pilgerinnen und Pilger und das immer wieder, weil die Wegstrecke und die Etappen oft ähnlich sind. Das ist auch so schön am Pilgern: die Gemeinschaft, die unterwegs entsteht, das gemeinsame Essen, Wäschewaschen, Blasenpflegen…

Welche Ausrüstung ist notwendig?
Ein Rucksack und gut eingelaufene Schuhe verstehen sich wahrscheinlich von selbst. Wer in Pilgerherbergen übernachten möchte, braucht einen einfachen, dünnen Schlafsack. Nicht zu vergessen: einen Pilgerpass. Auf den meisten Wegen berechtigt er zur günstigen Übernachtung in Pilgerherbergen und Klöstern und dient am Ziel als Nachweis des zurückgelegten Weges für den Erhalt einer Pilgerurkunde. Die bunte Stempelsammlung ist außerdem eine schöne Erinnerung.

Wo bekomme ich Infos?
Es gibt zahlreiche Pilgerweg-Vereine, wie die Jakobusgesellschaften, den Ökumenischen-Pilgerweg-Verein oder eben die Pilgerstellen der Bistümer. Daneben viele Regalmeter an Pilgerführern, die sehr zuverlässig sind, und natürlich die weiten Wege des Internets. Qualifizierte Pilgerbegleiterinnen und -begleiter bieten oft auch Touren zu Themen an, wie Trauerpilgern oder Fastenpilgern.

Guter Sex trotz Kleinkindern? Mit diesen 10 Tipps klappt es mit der Zweisamkeit

Tagsüber Theater und Zirkus am Abend – das Leben mit Kleinkindern ist oft stressig. Wie kann trotzdem das Sexleben gelingen? Eine Paartherapeutin klärt auf

Eltern mit Kleinkindern merken schnell, dass sich in ihrer Partnerschaft und vor allem in ihrem Sexleben einiges ändert. Obwohl sie sich ein Leben ohne die süßen Kleinen nicht mehr vorstellen können, wünschen sie sich in turbulenten Zeiten insgeheim die Tage zurück, wo sie leidenschaftlich und spontan miteinander schlafen konnten. Kein Türenverschließen aus Furcht vor kleinen, ungewollten Besuchern, die fragen: „Mama, Papa, was macht ihr da?“ Kein Zeitdruck aus Furcht vor kleinen Zaungästen.

Kein ruhige Minute

„Ich fühle mich nur noch fremdgesteuert! Sexuell läuft schon seit der Geburt unseres zweiten Kindes wenig. Wie denn auch?“, fragt Kristin (Name und Umstände geändert), als sie in meine Sprechstunde kommt. Dass ihr Mann sich mehr wünscht, ist ihr sehr wohl bewusst, doch „wenn ich mal ein bisschen Lust verspüre, dann liegt eines der Kinder zwischen uns oder schreit nach mir.“ Kristin bringt auf den Punkt, was viele Eltern von Kleinkindern erleben. Sie haben ihre eigenen Bedürfnisse selbstlos hinten angestellt und sich dabei selbst aus den Augen verloren.

Das Focus Magazin veröffentlichte vor einigen Jahren einen Artikel mit dem Titel: „Wie viel Sex braucht der Mensch?“ Der Text bezog sich auf eine Studie, in der Forscher herausfinden wollten, was unsere Libido beeinflussen kann. Sehr eindeutig fiel das Ergebnis bei der Frage aus, was Stress mit der Sinnlichkeit macht: „Das Stresshormon Cortisol, das in den Nebennieren bei erhöhter körperlicher und psychischer Belastung ausgeschüttet wird, vermindert den Sextrieb. Hektik, Müdigkeit und Sorgen stören die Liebe empfindlich. Männer wie Frauen reagieren auf die Störfaktoren ähnlich.“

Stress von innen und außen

Die Kleinkindphase stellt hohe Anforderungen an die Eltern, die sich im Sexualleben der Paare bemerkbar machen. Was kann ich Kristin und anderen Müttern und Vätern raten? Zunächst legen wir den Fokus darauf, wie sie es in ihrer momentanen herausfordernden Zeit schaffen kann, zu sich selbst zu finden.

Es geht darum, kleine Auszeiten zu erkennen und einzubauen, in denen sie sich erholen kann, um gelassener mit Alltagssituationen umgehen zu können. Wir nehmen erst einmal Kristins Stresssituation in den Blick. Diese ist von den äußeren und den inneren Stressfaktoren beeinflusst oder sogar gesteuert. Um hier klarer zu sehen, erhält sie die Aufgabe, in den nächsten vierzehn Tagen aufzuschreiben, welche Situationen ihr besonders Stress bereiten. Weiterhin soll sie beobachten, welche Gedanken sie dabei wahrnimmt, welche Gefühle entstehen, welche Körpersignale sich anmelden und welches Verhalten sie zeigt.

In einem zweiten, anschließenden Schritt erforschen wir ihre inneren Stressfaktoren. Das ist zum Beispiel ihr erhöhter Perfektionismus, ihr Bedürfnis, es allen recht machen zu wollen oder ihr Anspruch, immer stark zu sein. Anhand praktischer Beispiele besprechen wir, wo ihr die inneren Stressfaktoren nützlich sind und wo sie ihr im Wege stehen. Gleichzeitig erlernt sie ein Entspannungsverfahren mit einer zusätzlichen Körperwahrnehmungsübung.

Dies soll ihr helfen, wieder entspannen zu können, ihren eigenen Körper wieder besser wahrzunehmen, damit sie Stresssignale des Körpers frühzeitig erkennt und somit entgegenwirken kann.

Zweisamkeit fördern

Man kann mit einer solchen Herangehensweise sicher nicht alle schwierigen Faktoren ausschalten. Es ist normal, sich in manchen Phasen überfordert und fremdbestimmt zu fühlen und es ist auch normal, dass darunter das Sexualleben leidet. Das muss aber nicht zu einem chronischen Zustand werden. Wichtig ist, dass Mütter und Väter sich immer wieder Freiräume schaffen, in denen sie sich selbst und einander auf entspannte Weise erleben können. Dann wird auch wieder die Lust zurückkehren und man kann das Leben insgesamt genießen. Auf der nächsten Seite gibt es einige Ideen, wie das gelingen kann:

10 Ideen für mehr Zweisamkeit

1. Euch ist wichtig, dass eure Kinder in einem liebevollen Umfeld aufwachsen. Ihr wollt auf ihre Bedürfnisse eingehen und das ist gut so! Vergesst dabei nicht, dass ihr als Eltern auch Bedürfnisse habt. Wenn ihr euch selbst oder einander verliert, haben eure Kinder nichts gewonnen. Andersherum formuliert: Wenn es den Eltern gut geht, geht es auch den Kindern gut.

2. Nehmt euch deshalb als Paar ganz bewusst hier und da Auszeiten. Vielleicht könnt ihr euch auch mal irgendwann wieder ein Wochenende zu zweit gönnen, aber selbst, wenn es nur ein paar Stunden ohne Kinder sind: Das zu tun, was euch gemeinsam Spaß macht, und euch mal wieder als Paar zu erleben, kann Wunder wirken!

3. Nehmt dafür die Unterstützung von Familie, Freunden oder anderen möglichen Babysittern in Anspruch. Eure Kinder freuen sich, wenn sie Oma und Opa einmal für sich alleine haben oder durch einen Babysitter betreut werden.

4. Macht euch klar, dass ihr immer noch ein Paar seid. Ihr habt keine Familie gegründet, weil das euer Beruf ist, sondern weil ihr euch gefunden und ineinander verliebt habt. Warum eigentlich? Was war so attraktiv? Was war so toll an ihr? Was fand sie anziehend an ihm? Was damals toll war, ist sicher auch heute noch vorhanden, ihr müsst vielleicht nur ein bisschen den Staub des Alltags wegpusten.

5. Gönnt euch gegenseitig kleine Auszeiten, damit jeder für sich einmal wieder auftanken kann. Es muss nicht immer etwas Großes sein. Ein gemütliches Bad nehmen, ohne Kind zum Friseur, zwei Stunden Sport mit Freunden – das alles kann einen den Alltagstrott für kurze Zeit vergessen lassen.

6. Planung tut gut! Spontaner Sex während der Kleinkindphase bleibt wahrscheinlich eher ein Wunschtraum. Verabredet euch zum Liebesspiel. Weshalb nicht einmal die Zeit nutzen, wenn die Kinder ihre Lieblingssendung sehen oder ihren Mittagsschlaf halten? Das gibt euch als Paar etwas Zeit füreinander. Was ihr aus der Ruhezeit macht, ist euch überlassen.

7. Das mag seltsam klingen, aber Sex hat ähnlich wie Sport oder ein Musikinstrument spielen mit Gewohnheit zu tun. Manche Paare haben es sich abgewöhnt, miteinander zu schlafen. Das war keine bewusste Entscheidung, es ist einfach so passiert. Jetzt tun sie sich umso schwerer, wieder zueinander zu finden. Paare, die beispielsweise auch während der Schwangerschaft Sex hatten, tun sich leichter, ihr Liebesleben einige Wochen nach der Geburt zu reaktivieren.

8. Gewohnheit heißt auch: Es muss nicht immer das ganz große Feuerwerk sein. Macht euch keinen Druck, wenn sich die Lust nicht wie gewünscht einstellt. Streicheln, schmusen, im Bett nebeneinander liegen und über Gott und die Welt reden – Intimität kann auch ohne Sex sehr schön sein. Manchmal stellt sich gerade dann die Lust ein, wenn man den Druck rausnimmt.

9. Freut euch darüber, dass ihr einander habt! Wie ihr Familie lebt und welche Herausforderungen ihr mit eurem Kleinkind tagtäglich meistert, das ist einzigartig. Notiert euch am Abend, was ihr am Tag so alles hingekriegt habt. Ihr werdet staunen, was ihr alles so nebenbei erledigen konntet!

10. Wenn man mittendrin steckt, kann man es nicht glauben, aber die Kleinkindphase geht auch einmal vorüber!

 

Andrea Kronester arbeitet als Heilpraktikerin für Psychotherapie und ist Therapeutische Seelsorgerin (TS) und Entspannungspädagogin im mittelfränkischen Petersaurach (praxis-kronester.de).

Vereinbarkeit von Familie und Beruf – Mit diesen 5 Tipps meistern sie die Work-Life-Balance

Kann es gelingen, Familie und Beruf so zu planen, dass alle zufrieden sind? Coach Christine Jaschek gibt fünf Tipps, wie Paare den passenden Weg für sich finden können.

Überall wird sie diskutiert, gefordert und propagiert: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Doch in der Realität stoßen Familien an diesem Wunsch immer wieder an wie an einer Glastür. Diese „Glastür“ können äußere Rahmenbedingungen wie der Wohnort, die Kinderbetreuungszeiten, der Arbeitgeber, aber auch innerfamiliäre Einflüsse sein. Oder eine weltweite Pandemie. Am Ende steht die resignierte Schlussfolgerung: Es funktioniert nicht und ist ein Wunschdenken.

Klar ist, dass sich bei den Unternehmen, in der Gesellschaft und in der Politik noch viel bewegen muss, damit sich eine Vereinbarkeit für alle umsetzen lässt. Dennoch beginnt Veränderung im Kleinen. Daher sollte jede Familie für sich an der Umsetzung des Wunschtraums der Vereinbarkeit von Familie und Beruf arbeiten. Besonders in der letzten Zeit waren Familien und Arbeitgeber gezwungen, in kurzer Zeit viel in Sachen Vereinbarkeit dazuzulernen und auszuprobieren: Was ist machbar? Wo sind Grenzen? Welche Modelle sind erfolgreich und welche nicht?

Ganz zu Beginn möchte ich klarstellen, dass für jede Familie die Vereinbarkeit anders aussieht, egal, ob mit Eltern in einer Paarbeziehung, in einer Patchworkfamilie oder als Alleinerziehende. Das ist auch gut so. Die perfekte Anleitung oder Empfehlung gibt es nicht. Aber es gibt ein paar Tipps, die helfen, die Vereinbarkeit so umzusetzen, dass alle in der Familie glücklich sind. Wir arbeiten in unserer Familie immer wieder daran, und auch in meinen Coachings sind es oft dieselben Themen, über die wir sprechen.

1. Vereinbarkeit beginnt mit der Kinderplanung

Bereits vor der Kinderplanung sollte man sich als Paar darüber einigen, wie das Familienleben aussehen kann, wenn Kinder da sind. Keiner sollte sich scheuen, seine Vorstellung darüber zu äußern. Es gibt keine Tabus – jeder Wunsch oder jede Vorstellung hat seine Berechtigung. So gelangt man zu einer gemeinsamen Vorstellung, weil jeder vom anderen weiß, was er oder sie sich wünscht. In dieser Zeit wird die Basis für ein gemeinsames Familienleben gelegt.

Eine wichtige Frage ist, wie sich die Familie finanziert. Hierfür gibt es viele individuelle Antworten: Für Familien mit beiden Eltern können die Modelle des Alleinverdieners oder das eines Voll- und eines Teilzeitverdieners interessant sein, aber auch, dass beide Vollzeit arbeiten oder beide Teilzeit oder jedes andere Modell. Wichtig dabei ist, dass jeder das Recht hat, dass seine Vorstellung ernst genommen und gemeinsam an einer Basis gearbeitet wird. Denn jeder kann nur glücklich sein, wenn er seine Bedürfnisse erfüllt sieht. Alleinerziehende haben in dieser Frage weniger Auswahl: Bei ihnen ist der finanzielle Druck höher, weil er auf den Alleinerziehenden allein liegt – vom Unterhalt abgesehen.

Ein Beispiel aus der Praxis: Zwei Berufstätige

Meinem Mann und mir war von Anfang an klar, dass ich in jedem Fall arbeiten will. Ich selbst war vor meiner Selbstständigkeit wie er in verschiedenen Leitungspositionen tätig. Gleichzeitig hatten wir uns bewusst für unsere Kinder entschieden. Uns war klar, dass wir das Doppelverdiener-Modell wählen würden. Ich arbeite nicht Vollzeit, aber einen hohen Stundensatz, und er in Vollzeit. Da er in seinen Leitungspositionen sehr flexibel war und ist, können wir viel gemeinsame Zeit mit unseren Kindern genießen.

Bis heute ist es uns wichtig, dass wir beide so arbeiten, dass genügend Zeit für unsere Kinder und unsere Familie bleibt und unsere Kinder nicht von morgens bis abends in der Kindertageseinrichtung sind. Bei uns heißt das, dass mein Mann sie morgens hinbringt und ich früh zu arbeiten beginne. Ich hole sie am frühen Nachmittag ab und spätestens zum gemeinsamen Abendessen treffen wir uns alle wieder zu Hause. Natürlich wird im Lauf der Jahre dieses Modell immer wieder in Frage gestellt, angepasst oder verändert. Leben ist Veränderung, genauso wie die Art und Weise, wie wir Familie gestalten.

2. Investiert in eine starke Paarbeziehung!

Eltern sein ist schön, aber nicht alles! Um gemeinsam die Anforderungen des Alltags zu meistern, ist eine feste Paarbeziehung wichtig. Diese kann im Alltagstrubel schnell verloren gehen, weil man sich gegenseitig aus den Augen verliert und nicht mehr aufeinander achtet. Der Fokus liegt auf der Bewältigung des Alltags und auf den Kindern. Deshalb sind gemeinsame Auszeiten ohne Kinder wichtig. Es braucht anfangs Mut, loszulassen, aber mit zunehmender Routine geht es besser. Zu Beginn hält man sich lieber in kurzer Reichweite auf, sodass man schnell bei den Kindern sein kann. Wenn sich alle daran gewöhnt haben, kann man den Radius erweitern. In Zeiten digitaler Kommunikation ist man schnell informiert und kann jederzeit reagieren. Übrigens genießen es die Kinder auch, einmal ohne Eltern zu sein.

Mein Mann und ich versuchen, einen Abend im Monat für uns zu planen, an dem wir beide ohne Kinder Zeit miteinander verbringen. Das kann ein Kinobesuch, ein gemeinsames Essen oder eine gemeinsame Aktivität sein. Einmal im Jahr fahren wir zusammen ohne Kinder für ein Wochenende weg. Da wir generell viel verreisen, haben wir daneben noch viele Zeiten, in denen wir zusammen mit den Kindern unterwegs sind. Für die Abende ohne Kinder haben wir einen Babysitter oder fragen die Großeltern. Natürlich hat dieses Vorhaben in den zurückliegenden Monaten wegen der Corona-Pandemie gelitten, aber wir haben darauf geachtet, dass wir es wieder in die Tat umsetzen können, sobald es die Situation zulässt.

Wichtig ist uns, dass wir gemeinsame Erlebnisse schaffen, die uns als Paar stärken. Wir besprechen unsere Alltagssorgen, Gedanken um die Kinder, Vorstellungen für die Zukunft, unsere Wünsche und vieles mehr. Es geht darum, an der gemeinsamen (Werte-)Basis zu arbeiten für einen respektvollen und achtsamen Umgang miteinander. Gegenseitige Vorwürfe bringen keinen weiter. Schließlich haben wir uns versprochen, in guten wie in schlechten Zeiten zusammenzuhalten.

Auszeit alleine nicht vergessen!

Ich kann nur jedem empfehlen, sich zu trauen und die Kinder einen Abend oder ein Wochenende anderweitig gut betreuen zu lassen. Diese Zeit ist wertvoll und hilft, als Paar bestehen zu bleiben. Nur wenn man versteht, warum sich der andere gerade so verhält, kann man gemeinsam daran arbeiten und Änderungen umsetzen. Daneben sollten Auszeiten allein ebenfalls möglich sein, um sich beispielsweise mit Freunden zu treffen. Denn wir alle sind für uns selbst verantwortlich, müssen für uns selbst sorgen und bleiben trotz Familie auch eigenständige Personen. Und deshalb darf es ruhig auch einmal der Abend ganz ohne Mann und Kinder sein, um in Ruhe und in aller Ausführlichkeit mit der Freundin zu reden. Pausen gelten auch für Alleinerziehende! Und sie sollten sich diese auch nehmen. Entweder kann man mit dem anderen Elternteil eine entsprechende Aufteilung besprechen oder man hat Eltern, gute Freunde oder einen Babysitter, die einem die benötigten Pausen verschaffen können.

3. Gemeinsam ist man stark

Die Rolle des Vaters hat sich in den letzten Jahren gesellschaftlich extrem gewandelt. Väter wollen heute mehr denn je ihren Teil zum Familienleben und der Erziehung beitragen. Sie wollen nicht nur zusehen, sondern Bestandteil sein. Vereinbarkeit lässt sich besser realisieren, wenn jeder seinen Beitrag leistet. Sei es im Familienleben, weil die Aufgaben im Haushalt geteilt werden, sei es in der Kinderbetreuung, weil auch der Vater Zeiten in der Betreuung übernimmt, und sei es im Berufsleben, weil jeder finanziell seinen Beitrag leistet und somit das Einkommen gesichert ist. Zeiten, die Kinder allein mit dem Vater verbringen, sind ebenso wertvoll wie Zeiten, in denen sich die Mutter allein um die Kinder kümmert. Jedes Elternteil erzieht anders, davon profitieren die Kinder ungemein.

Damit schließt sich auch der Kreis zu Tipp 2. Je besser die gemeinsame Basis als Paar ist, desto stärker ist man zusammen! Dies gilt auch für getrennt lebende Eltern, denn auch wenn man kein Paar mehr ist – Eltern bleibt man ein Leben lang. Und damit auch in dieser Verantwortung. Klar gibt es Arbeitsplätze, die dies besser oder schlechter bewerkstelligen lassen. Aber in Zeiten des Fachkräftemangels und der beständigen Diskussion um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf haben auch Arbeitgeber erkannt, dass sie sich an dieser Stelle bewegen müssen. Die Umsetzung von Home-Office in den letzten Monaten ist nur ein Beispiel für eine Maßnahme, die vorher bei vielen Tätigkeiten als undenkbar gegolten hat oder nur sehr ausgewählt gewährt wurde. Daher kann ich nur raten, dem Arbeitgeber gegenüber mutig seine Wünsche zu äußern. In den meisten Fällen lässt sich eine Lösung finden, die beiden Seiten gerecht wird.

4. Achtet auf die Kinder!

Bisher haben wir den Blick auf die Eltern gelegt, denen die Vereinbarkeit gelingen muss. Aber in diesem System gibt es einen wichtigen Faktor, um den sich alles dreht: die Kinder. Sie sind ein guter Gradmesser, ob das aktuelle Familienleben gut ist und für alle passt. Sind die Kinder ausgeglichen und entspannt, kann man davon ausgehen, dass auch sie sich in dem System wohlfühlen. Kann man Änderungen in den Verhaltensweisen erkennen, wie plötzliche Aggressivität, schlechte Laune, keine Lust auf bisherige Aktivitäten, Anhänglichkeit, Weinerlichkeit oder Ähnliches, dann sollte man genauer und kritisch hinsehen. Kinder können ihre Gefühle erst mit zunehmendem Alter in Worte fassen. Anfangs drücken sie ihre Gefühle über ihr Verhalten aus. Deshalb muss man sie genau im Auge behalten und bei eindeutigen Anzeichen kritisch überlegen, was der Auslöser sein kann.

5. Reduziert den Druck!

Stress und Druck sind bekannte Phänomene im Familienleben. Sie entstehen auf mehreren Ebenen. Besonders, wenn beide Elternteile arbeiten oder nur der alleinerziehende Elternteil, ist das oft mit Stress verbunden. Jeder steht zeitlich unter Druck: pünktlich auf der Arbeit sein, die Kinder pünktlich abholen und daneben noch Arztbesuche, Einkaufen, Hobbys und vieles mehr. Es gibt genug zu tun, deshalb kann es hilfreich sein, die Kinderbetreuungszeiten großzügiger zu buchen. Das bedeutet, dass ein zeitlicher Puffer morgens und/oder abends entsteht. Dies kann beispielsweise zwischen Arbeitsende und dem Abholen der Kinder sein, sodass man nicht unter Druck nach Hause fahren muss oder noch Zeit hat für ein paar Erledigungen oder einfach zum Durchatmen nach einem stressigen Arbeitstag.

Stress wirkt sich auch auf die Kinder aus! Deshalb empfiehlt es sich umso mehr, für ein gutes Zeitmanagement zu sorgen. Auch im Hinblick auf sich selbst: Wer gestresst ist, macht Fehler. Ein anderer Druck, unter dem Eltern oft leiden, ist der Druck, perfekt zu sein. Macht euch frei davon! Es ist egal, ob Krümel auf dem Boden liegen, wenn das Kind spielen will. Die Krümel können warten. Die Kinder aber wollen die freie Zeit mit den Eltern genießen. Und wenn die Eltern oder der Vater oder die Mutter sich die Zeit nehmen und alles andere hinten anstellen, wird das die Erinnerungen schaffen, von denen Kinder als Erwachsene zehren.

Ungewöhnliche oder als ungewöhnlich wahrgenommene Lebenskonzepte können oftmals Skepsis bei anderen auslösen. Auch davon muss man sich freimachen. Wichtig ist, dass ihr euch – Eltern und Kinder – wohlfühlt, ob mit oder ohne Krümel auf dem Boden, in einem traditionellen Familienbild oder einem modernen. Damit schließt sich der Kreis: Jede Familie benötigt ihr individuelles Vereinbarkeits- und Lebenskonzept, in dem alle zufrieden sind!

Habt Spaß!

Natürlich braucht es Mut, sich zu lösen und neue Wege in der Gestaltung des Familienlebens zu gehen. Je mehr Einigkeit im Elternpaar herrscht, umso besser kann man mit Fragen oder gutgemeinten Ratschlägen umgehen, die deutlich machen, dass andere die Entscheidung nicht nachvollziehen können. Wer sich Vereinbarkeit wünscht und dem Familienleben oberste Priorität einräumt, folgt einer neuen gesellschaftlichen Sichtweise. Diese unterscheidet sich bereits von der Sichtweise unserer Eltern. Denn für diese war es noch deutlich klarer, dass sich das Familienleben dem Beruf unterordnen muss. Heute hat sich das gewandelt, viele ordnen das Familienleben als gleich wichtig zum Beruf ein. Am wichtigsten ist: Das Leben mit Kindern soll Spaß machen! Nur mit Humor können wir auch einmal die schlechten Launen unserer Kinder oder unsere eigenen schlechten Phasen kompensieren. Je glücklicher die Familienmitglieder sind, desto glücklicher ist das Familienleben!

Christine Jaschek ist verheiratet und hat zwei Kinder. Viele Jahre war sie in Leitungspositionen tätig, heute arbeitet sie selbstständig als Unternehmensberaterin sowie als Coach: christine-jaschek.de

Meine Tochter hängt an mir

„Meine Tochter (3) folgt mir auf Schritt und Tritt und mag sich nicht allein beschäftigen. Da sie keine Geschwister hat, gibt es niemanden, mit dem sie zu Hause spielen könnte. Ich versuche, sie in meine Aufgaben einzubinden und mich mit ihr zu beschäftigen, habe aber nicht immer Lust dazu und will endlich mal wieder allein aufs Klo! Ist es von einer Dreijährigen zu viel verlangt, auch mal allein zu spielen?“

Grundsätzlich können sich die meisten Dreijährigen entwicklungsbedingt gut allein beschäftigen, in der Gewissheit, dass eine vertraute Person in ihrer Nähe ist. In einem normalen Alltag lernen sie das „nebenbei“. Wenn Ihr Kind immer noch auf Schritt und Tritt in Ihrer Nähe bleibt, hat es dafür vermutlich seine „guten Gründe“.

Muss das Kind einen Verlust verarbeiten?

Um das besser zu verstehen, ist es hilfreich, die Lebensgeschichte Ihres Kindes näher anzuschauen: Waren oder sind Sie und Ihr Kind mit besonderen Herausforderungen konfrontiert, wie etwa dem Verlust einer nahestehenden Person durch Trennung oder Tod, Krankheit, einer traumatischen Geburt, Klinikaufenthalten oder einer unangemessenen Eingewöhnung? Solche und andere „stressende“ Erfahrungen können dazu beitragen, dass Kinder mehr Zeit und elterliche Zuwendung brauchen, um (wieder) die nötige Sicherheit und Vertrauen ins Leben zu gewinnen und ihre Selbstständigkeit zu entfalten.

Es ist gut, dass Sie als wichtigste Bezugsperson – soweit möglich – ganz für Ihre Kleine da waren, um das Urvertrauen (wieder) zu festigen, sich mit ihr beschäftigen, wenn keine anderen Kinder da sind, und sie in Ihren Alltag einbinden. Genauso richtig und wichtig ist es aber auch, dass Sie Ihre eigenen Bedürfnisse wahrnehmen, wie zum Beispiel, etwas für sich allein zu machen oder sich auszuruhen. Indem Sie dies ausdrücken und umsetzen, erfährt Ihr Kind: „Andere Menschen haben auch Bedürfnisse, die beachtet werden müssen“ – eine wichtige Voraussetzung für soziales Verhalten.

Eine Sanduhr schafft Freiräume

Um mehr Freiraum für Sie als Mutter zu schaffen und gleichzeitig die Entwicklung kindlicher Selbstständigkeit zu fördern, können regelmäßige Zeiten mit anderen Bezugspersonen wie Papa, Oma oder anderen Kindern sehr hilfreich sein. Wenn Sie und Ihre Tochter allein sind, könnten Sie zum Beispiel mit einer Sanduhr oder Uhr (mit Zeiger) kleine Auszeiten einführen: Nachdem Sie zusammen eine gute Zeit hatten, erklären Sie Ihrer Tochter klar und kurz: „Ich gehe jetzt … (Ort) und mache … (Handlung). Du kannst so lange … (Spielvorschlag). Wenn die Zeit um ist (siehe Uhr), komme ich wieder.“ Wichtig: Handeln Sie genau so wie angekündigt.

Aufgrund der vorangehenden Erfahrungen: „Mama ist immer für mich da, so wie ich es möchte“, wäre es verständlich, wenn Ihre Tochter erst mal „protestiert“. Das darf sie! Und Mama darf sich trotzdem um ihre eigene Angelegenheit kümmern. Sie ist ja in der Nähe (wenn auch im anderen Raum) und kommt zurück, wie versprochen. Danach geht es wieder gemeinsam weiter. Sie als Mama fühlen sich freier und Ihr Kind hat gelernt: Auf Mama ist Verlass! Und Sie bleiben mit Ihrem Kind verbunden in einer guten Balance von Zeiten der Gemeinsamkeit und des „Für-sich-Seins“.

Beate Döbel ist systemische Einzel-, Paar- und Familientherapeutin (therapiepraxis-doebel.de). 

Alles andere als egoistisch

Warum Selbstfürsorge gerade für Eltern wichtig ist. Und wie sie das richtige Maß finden. Von Julia Otterbein

Dem einen oder anderen schwirrt vielleicht folgender Gedanke durch den Kopf, wenn er das Wort Selbstfürsorge hört: Selbstfürsorge ist egoistisch; als Mutter oder Vater muss ich doch voll und ganz für die Kinder da sein.

Besonders Mütter denken, sie müssten sich immer und zuerst um die Belange aller anderen Familienmitglieder kümmern. Der eigene Anspruch, alles unter einen Hut zu bringen und eine perfekte Mutter zu sein, wirkt dabei häufig wie ein innerer Antreiber. Bei den Bemühungen, stets allen Anforderungen gerecht werden zu wollen, vergessen sie jedoch häufig sich selbst.

Auf der Liste immer ganz unten

Auch mir ging das phasenweise so. Meine Aufmerksamkeit galt lange Zeit voll und ganz meinen Kindern, dem Haushalt, meinen Ehrenämtern und ab irgendwann auch wieder meiner Arbeit als Pädagogin. Ich habe viel für andere gegeben, funktionierte dabei aber oft nur auf Sparflamme, und meine eigenen Bedürfnisse standen auf der Liste immer ganz unten. Bei dieser Herangehensweise entsteht aber schnell der Eindruck, dass Auszeiten eine Belohnung sind, die einem erst zusteht, wenn man es geschafft hat, alle anderen Aufgaben zu erledigen. Da das aber nie eintritt, gibt es folgerichtig keine Belohnung. Ein großer Zusammenbruch blieb mir damals zum Glück erspart und ich erkannte rechtzeitig, dass sich etwas ändern musste. Ich brauchte mehr Raum für mich und meine Bedürfnisse.

Zwischen Selbstfürsorge und Egoismus

Selbstfürsorge wird in unserer Gesellschaft häufig mit Egoismus verwechselt, und dieser verträgt sich so gar nicht mit unserem Bild von einer vermeintlich perfekten Mutter. Egoismus ist meist negativ belegt. Wir verbinden damit Begriffe wie Eigennutz oder Selbstsucht. Egoistische Menschen werden als rücksichtslose Personen wahrgenommen, die für ihren eigenen Vorteil bewusst Nachteile für andere in Kauf nehmen. Aber ist Selbstfürsorge tatsächlich egoistisch? Und leiden Kinder wirklich darunter, wenn Mama oder Papa sich mal Zeit für sich selbst nehmen?

Wie heißt es im Flugzeug bei den Sicherheitshinweisen doch immer so schön: „Setzen Sie zuerst Ihre eigene Sauerstoffmaske auf und helfen Sie dann anderen Personen.“ Meiner Familie ist also nicht damit geholfen, wenn ich monate- oder sogar jahrelang auf allen Straßen meines Lebens Vollgas gebe, ohne zwischendurch an die Tankstelle zu fahren. Dann bleibe ich irgendwann wie ein Auto liegen, gehe „kaputt“ und komme nicht dort an, wo ich hinwollte.

Selbstfürsorge ist Wertschätzung

Für mich hat Selbstfürsorge sehr viel mit Selbstwert zu tun. Was bin ich mir selbst wert? Steht es mir zu, jeden Tag eine Mittagspause zu machen, so wie es zum Beispiel im Arbeitsrecht ganz klar verankert ist? Warum scheint das für die unbezahlte „Kümmer-Arbeit“ in den Familien nicht zu gelten? Oder warum haben wir den Eindruck, dass es an dieser Stelle egoistisch sei, sich zwischendurch eine Pause zuzugestehen?

Fangen wir doch an, uns als Eltern selbst dafür wertzuschätzen und investieren in uns selbst und unsere eigenen Kräfte, indem wir uns regelmäßig Pausen nehmen, statt jahrelang über die eigenen Grenzen zu gehen und Raubbau an unserer Gesundheit zu betreiben. Auch im biblischen Doppelgebot der Liebe sind Selbstliebe und Nächstenliebe untrennbar verbunden und bedingen sich beide gegenseitig: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ (Markus 12,31)
Stress und Überforderung sind in unserer Gesellschaft mittlerweile zu sehr treuen Dauerbegleitern geworden. Gerade in den letzten Monaten waren wir Eltern besonders gefordert. Ein neuer Alltag im Homeoffice, zum Teil mit Homeschooling, und das ganz ohne die gewohnte Unterstützung von Oma und Opa und unserem modernen „Dorf“, also der Kita, Tagesmutter und sonstigen Menschen, die uns bei der Betreuung unserer Kinder unterstützen. Daher ist es jetzt wichtiger denn je, unsere Antennen regelmäßig nach innen auszurichten. Denn dauerhafter Stress hat fatale Folgen – körperlich und geistig. Und er überträgt sich auch auf unsere Kinder!

Ab wann ist es Egoismus?

Selbstfürsorge kann dann von anderen als Egoismus wahrgenommen werden, wenn man sich seine Freiräume ohne jegliche Absprache nimmt. Oder wenn einer der Partner ganz selbstverständlich davon ausgeht, dass er sich täglich mehrere Stunden Zeit für sich nehmen kann, während der andere von früh bis spät ohne den Hauch einer Pause durchackert.

Ich empfehle daher gerne drei Schritte für eine gesunde Selbstfürsorge:

1 Wahrnehmen
Im ersten Schritt geht es erst mal darum, dass du regelmäßig eine Bestandsaufnahme bei dir selbst machst: Was ist gerade in mir los? Wie fühle ich mich? Was brauche ich gerade? Was tue ich jetzt als nächstes?

2 Kommunizieren
Der nächste Schritt kann und sollte dann die Kommunikation mit deinen Liebsten (Partner und Kinder) sein, denn häufig können die gar nicht sehen, dass deine „Tankanzeige“ schon im roten Bereich liegt. Benenne klar, wo deine Grenzen sind, wann du Unterstützung oder eine Pause brauchst.

3 Umsetzen
Wie genau die Umsetzung für dich aussehen kann und welches Maß an Selbstfürsorge für dich das richtige ist, lässt sich hier natürlich nicht allgemein beantworten. Einige bewährte Ideen habe ich in der Infobox zusammengestellt. Nutze sie wie ein Buffet und nimm dir das für dich Passende als Inspiration heraus.

Und wenn du das Gefühl hast, dass du bei einem der drei Schritte nicht allein zurechtkommst, dann suche dir dafür (professionelle) Unterstützung, um deine für dich passende Strategie zu entwickeln. Du bist es wert! Deine Bedürfnisse sind wichtig und du darfst dich selbst wichtig nehmen!

Julia Otterbein lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern im Rhein- Main-Gebiet. Sie ist Sozialpädagogin und Selbstfürsorge-Coach für Mütter. www.familywithlove.de

Entspannt durch die Ehe

Warum will er immer etwas anderes als ich?“ – Dass sie und ihr Mann in der Freizeit ganz andere Dinge tun wollten, hat D. Friese am Anfang ihrer Ehe ins Grübeln gebracht.

Manche Beziehungskonflikte lassen sich zuweilen ganz einfach durch die Einsicht lösen, dass jeder Mensch auf seine Art entspannt. Zumindest war es bei uns so. Nicht nur die Form, auch die Dauer und die Intensität unserer Auszeiten sind unterschiedlich. Warum darüber streiten? Sieben persönliche Erkenntnisse über das Entspannen in der Ehe.

1. ENTSPANNUNG IST ABSOLUT NOTWENDIG
Das tägliche Zur-Ruhe-Kommen ist notwendig und zwar besonders in der Rushhour des Lebens zwischen 30 und 40, in der wir uns befinden. Zwei Kleinkinder, Berufe, ein Haus, Ehrenämter und viele Kontakte zu Menschen lassen unser Leben sehr bunt, aber zuweilen auch kräftezehrend erscheinen. Ohne Auszeiten fänden wir nicht zu uns selbst, zu uns als Partnern und zu Gott. Was wäre das für ein Leben, in dem es nur Arbeit gäbe! Doch wie entspannt man sich in der Ehe am besten? Wir haben lange nach einem gemeinsamen Weg gesucht. Was aber haben Talkshows schauen und Unkraut jäten miteinander zu tun? Oder jagen und Gedichte schreiben?

2. GEMEINSAM ENTSPANNEN IST NICHT ALLES
In den ersten Jahren unserer Beziehung war ich fest davon überzeugt, dass wir möglichst allen Hobbys gemeinsam nachgehen müssten, um eine glückliche Ehe zu führen. Aber das klappte nicht. Jeder wollte am wohlverdienten Feierabend etwas anderes tun. Der eine wollte im Wald sein, der andere lieber zu Hause telefonieren, der eine wollte fernsehen, der andere lieber lesen. Für mich waren die getrennten Unternehmungen stets ein Zeichen dafür, dass wir zu unterschiedlich sind und schwer zusammenpassen. Als ich meinem Seelsorger einen ausschweifenden Vortrag darüber hielt, wie unterschiedlich unsere Abendgestaltung aussah und wie falsch mir das vorkam, hörte ich einen für mich weltbewegenden Satz: „Sie haben lediglich verschiedene Methoden der Entspannung!“ „Wie bitte?“, dachte ich. Sollten wir als Paar etwa nicht gemeinsam begeistert Gitarre spielen, gemeinsam schwimmen gehen – oder eben auch abends gemeinsam mit Begeisterung fernsehen?

Mir wurde schlagartig bewusst, dass ich all diese Beschäftigungen überbewertet hatte. Schließlich haben wir genügend gemeinsame Glaubens- und Lebenseinstellungen, die weit tragender sind als bestimmte Vorlieben der Entspannung. Auf ihnen basiert in Wahrheit unsere Ehe, nicht auf den Hobbys. Wir können über sehr viele verschiedene Themen von Politik über Geschichte bis hin zu Religion diskutieren. Sei es beim Abendbrot, morgens nach dem Aufstehen oder auf einer langen Autofahrt. Meist haben wir ähnliche Ansätze und auch Moralvorstellungen, da wir nicht nur dasselbe studiert haben, sondern auch in einem ähnlichen sozialen Umfeld, als Christen in der DDR, aufgewachsen sind. Dieser Austausch verbindet uns sehr stark, mehr als jede Aktivität in der Freizeit es wohl könnte.

3. ENTSPANNUNG IST BEI JEDEM ANDERS
Ein Zeitvertreib meines Mannes war mir jedoch immer ein Dorn im Auge und sorgte folglich häufig für eheliche Debatten: der Fernseher. Stundenlang davorzusitzen, empfand ich als verlorene Zeit. Seine Begeisterung dafür konnte ich nur schwer nachempfinden. In Tagträumen malte ich mir aus, was passieren würde, wenn ich das Kabel des Fernsehers durchschneiden oder ihn einfach klammheimlich im Garten verstecken würde.

Eine gute Freundin, die den Medienkonsum nach der Arbeit auch eher den aktiveren Tätigkeiten vorzieht, ermutigte mich dann aber: „Lass ihn schauen und er wird entspannter. Du schneidest dir nur ins eigene Fleisch, wenn du ihn daran hinderst.“ Außerdem erklärte sie mir den populärwissenschaftlichen Begriff der „Höhle des Mannes“, der im Wesentlichen besagt, dass jeder Mann einen Ort des Rückzugs braucht. Was früher das Gasthaus war, ist heute eben der Fernseher. Nach und nach verstand ich, dass es in der Ehe dazugehört, sich gerade in der Andersartigkeit zu ergänzen, auch in der Freizeitgestaltung. Die Frage „Dürfen wir so verschieden sein?“, konnte ich schließlich mit einem aufrichtigen „Ja“ beantworten.

4. ENTSPANNUNG FÄNGT BEI DEN EIGENEN BEDÜRFNISSEN AN
Es ist jedoch nicht nur wichtig, seinen Partner zu kennen; man muss auch wissen, was einem selbst guttut. Selbstregulation wäre da wohl ein passendes Stichwort. Früher dachte ich, mein Mann wäre ein Stück weit zuständig für mein Entspanntsein. Ich musste erst lernen, zu erkennen und auch zu artikulieren, dass ich gerade müde und gestresst bin und Erholung brauche. In der intensiven Kleinkindzeit hatte ich völlig vergessen, wie das funktioniert. Erst durch eine Krise und Krankheit entdeckte ich meine Hobbys aus Schulzeiten wieder und erfuhr dabei, was Entspannung für mich bedeutet. Das schuf neue Optionen, und ich lernte, sie für mich gewinnbringend einzusetzen, ohne dabei in erster Linie auf andere Menschen angewiesen zu sein.

Foto: Amir Hamdi/Unsplash

Natürlich kann mein Mann mich beim Herunterkommen unterstützen, zum Beispiel indem er mir den Rücken streichelt. Dafür muss ich mir aber zunächst des eigenen Bedürfnisses nach körperlicher Nähe bewusst sein. Außerdem muss ich ihm die Chance geben, einfach Nein sagen zu dürfen. Dann läge es wieder an mir, einen anderen Weg zu finden. Hat man seine ganz persönliche Entspannungsmethode erst einmal gefunden, muss man sie nur noch konsequent anwenden, gerade auch in schwierigen Momenten. Das haben mein Mann und ich inzwischen verstanden. Wenn ein Streit droht, hilft es uns beispielsweise, keine Grundsatzfragen aufzuwerfen, sondern getrennt „in die Wüste“ zu gehen: an einen Rückzugsort, ins Gespräch mit einem lieben Menschen oder am besten natürlich ins Gebet.

5. ENTSPANNUNG MUSS NICHT SINNVOLL SEIN
Was jeder Mensch sich letztlich als „Taktik“ sucht, ist wohl zweitrangig. Am Ende gilt doch: Hauptsache, es hilft, tut niemandem weh und führt nicht in eine Form der Abhängigkeit. Ob Briefmarken sammeln, am Motorrad basteln oder Cupcakes backen: Alles Mögliche kann uns Menschen aus dem Alltag herausholen. Das wenigste davon ist weltbewegend. Wieso sollte ich also bei meinem Mann die gleichen Maßstäbe in puncto Entspannung anlegen wie bei mir? Ich lese gern psychologische Ratgeber oder rede stundenlang mit meiner Freundin über Gefühle, wohingegen mein Mann sich lieber mit seinen Hunden beschäftigt oder alte Filme anschaut. Keines ist sinnvoller als das jeweils andere, im Gegenteil: Ist nicht gerade das ziellose Herumdümpeln ohne Sinn so wichtig für den gestressten Neuzeit-Menschen, der den größten Teil des Lebens hochgesteckten Zielen in Beruf und Glauben genügen will? Hat uns Gott nicht genau dafür das Gebot der Sonntagsruhe auferlegt? Einen Tag lang etwas ohne direkten Sinn zu tun, um einfach zu entspannen?

6. REGELMÄSSIG GEMEINSAM ENTSPANNEN IST WICHTIG
Wir haben in unserer Familie schon viel über diesen wichtigen Tag, den Sonntag, diskutiert. Inzwischen können wir sagen, dass er als unser gemeinsamer „Höhepunkt“ der Entspannung recht gut ausgetüftelt ist. Er vereint Elemente, die uns allen vieren Kraft geben, sodass sich jeder ein wenig ausruhen kann: Radfahren, leckeres Essen und bei Gott ankommen gehören mit dazu. Nach einem so schön verbrachten Tag ist es leichter, in die hektische Woche zu starten. Damit auch die Zweisamkeit nicht zu kurz kommt, versuchen wir, regelmäßig den entspannenden Austausch in Gang zu halten.

Inzwischen erkennen wir, wann wir einen „Abschaltmoment“ zu zweit planen müssen – nämlich wenn wir häufiger als sonst aneinandergeraten. Obwohl wir in solchen Momenten wenig Lust auf Gemeinsamkeit haben, lohnt es sich, einen Ausflug in eine andere Stadt oder einen Abend im Restaurant zu organisieren. Das ist jeden Aufwand wert, denn schließlich ist die Ehe der Motor der Familie. Natürlich beginnen unsere Ausflüge meistens mit Reibereien, dafür enden sie fast immer umso friedlicher. Uns fällt es nach solchen Auszeiten wieder leichter, die Unterschiede zu akzeptieren, die zwischen uns bestehen. So hat mein Mann zum Beispiel gelernt, dass eine Sport treibende Ehefrau am Ende des Tages ausgeglichener ist – auch wenn das bedeutet, dass sie ihn morgens um sechs weckt, weil sie zum Joggen aufbricht. Das rechne ich ihm hoch an. Dafür stört mich das Flimmern im Nebenzimmer weniger, Hauptsache, es baut ihn auf und er kann anschließend gut schlafen.

7. ENTSPANNUNG FÜR DEN ANDEREN MITDENKEN IST DIE HOHE KUNST
Wie weit man es mit viel Zeit, Liebe und Geduld in einer Beziehung bringen kann, habe ich kürzlich bei unseren Hauskreisleitern beobachtet. In ihrer Ehe haben sie beide das Gespür dafür entwickelt, wann der andere Entspannung dringend nötig hätte. So verriet sie mir, dass er ihr an besonders stressigen Tagen hin und wieder eine „Dosis Klavierspielen“ verordnet hat. Ein solch sensibles Verständnis für das Bedürfnis des Ehepartners ist wohl Gold wert.

Entspannt durch die Ehe zu gehen, ist also am Ende des Tages eine Frage der richtigen Balance. Manchmal gilt es das Gemeinsame zu suchen, und das kann bedeuten, bei den eigenen unmittelbaren Bedürfnissen zurückzustecken. Gleichzeitig ist jeder Mensch in seinen Kräften begrenzt und braucht regelmäßig eine Akku-Ladepause. Dann darf er gern auch einmal ganz allein entscheiden, was ihm gut tut. Wie sagte der Prediger schon so schön: „Besser eine Hand voll mit Ruhe als beide Fäuste voll mit Mühe und Haschen nach Wind.“ (Prediger 4,6).

Einmal volltanken!

Wenn die Welt so ist, wie sie sein sollte.

Warum klatschen die alle?“, fragte unsere Tochter auf dem Katamaran während der Abendrundfahrt. Natürlich verdankten wir keinem Menschen den wunderschönen Sonnenuntergang – Erde und Sonne folgten bloß ihrem normalen Lauf. Trotzdem war es auch mir zum Applaudieren zumute.

Es war so ein Moment, wie er in der Liedzeile „when the world‘s all as it should be’“ (wenn die Welt so ist, wie sie sein sollte) von Matt Redman besungen wird. Zusammen mit meiner Familie durfte ich während unserer Auszeit diesen ergreifenden Moment auf dem Meer erleben. Da war dieses Gefühl von Ganzheit, umfassender Liebe und von Einssein mit sich und der Umwelt. In diesen Momenten spürte ich, wie mein Tank mit neuer Energie gefüllt wurde.

Ich kann nur mutmaßen, warum die anderen 130 Teilnehmenden dieser Katamaranfahrt an der Küste Spaniens an diesem Abend beim Sonnenuntergang applaudierten. Aber ich kann darüber reflektieren, warum es mir in diesem Moment einfach zu spontanem Applaus zu Mute war. Es war eine Form von Lobpreis: Überwältigt vom Anblick der roten Kugel, die da am Horizont langsam verschwand, wollte auch mein Herz jemandem für die Schönheit des Moments danken. Darum gehörte mein Applaus dem Schöpfer all dieser Schönheit.

Mein Herz war jedoch nicht nur wegen des Sonnenuntergangs voller Dank. Das Erlebnis war eingebettet in unser langersehntes Sabbatical. Erstmals konnten wir als Familie einen richtig langen Urlaub erleben, erstmals waren wir zusammen am Meer und erstmals wohnten wir in einer Villa mit eigenem Pool. Das war richtig toll und hat uns unheimlich gut getan.

Lange hatten wir vor unserer fünfwöchigen Auszeit überlegt, was wir machen könnten, damit alle auf ihre Rechnung kommen. Pläne wurden geschmiedet – und oft wieder verworfen. Meistens, weil die Pläne a) zu teuer und b) zu sehr nach dem Geschmack des Papis waren. Als ein finanzierbarer und konsensfähiger Plan geschnürt war, stieg die Vorfreude auf unser Sabbatical von Monat zu Monat. Was uns Freunde schon im Voraus sagten, hat sich eindeutig bestätigt: Weniger wichtig ist, was wir unternommen haben, sondern dass wir einmal Zeit für ein ausgedehntes Familienerlebnis hatten.

Drei Wochen verbrachten wir zusammen in einem wunderschönen Haus in Javea (Costa Blanca) – ohne Zeitdruck, ohne TV und PC, ohne To-Do-Liste. Dafür drei Wochen gefüllt mit Familienerlebnissen wie der Katamaranfahrt, dem stundenlangen Baden im Pool, dem Essen am Meer, dem Geocachen, dem Hören von alten TKKG-Fällen, der Irrfahrt durch den Industriehafen von Valencia … Vor und nach den drei Familienwochen hatten wir je eine Woche für uns als Ehepaar eingeplant. Zu unserem 15-jährigen Hochzeitstag haben wir uns mit einem Ausflug nach Venedig beschenkt und als krönender Abschluss unseres Sabbaticals durften wir beim Leadership Summit von Willow Creek dabei sein. Auch diese Ehezeiten waren sehr wertvoll.

Wenn ich an unser Sabbatical zurückdenke, will mein Herz gleich wieder applaudieren: „Danke, Gott, dass dieses Auftanken möglich war.“

GerberStefan Gerber ist Theologe im Bundes- Verlag (Schweiz) und Leiter der Netzwerk- Kirche „gms – gospel movement seeland“. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. In seinem neuen Buch „Glück finden – hier und jetzt“ schreibt er, wie mit dem „ShalomLeben-Windrad“ mehr Lebenszufriedenheit im Alltag integriert werden kann.

 

 

Ein bisschen mehr Ruhe!

Gerade habe ich einen Artikel für die nächste Family bearbeitet. Es geht um Ruhe. Ruhe! Etwas, wonach ich mich in dieser hektischen Vorweihnachtszeit ganz besonders sehne. Immer wieder gibt es auch hier solche Ruhepole: ein schöner Adventsabend bei Freunden, das abendliche Lesen der Adventskalendergeschichte, eine Kaffeepause mit selbstgebackenen Keksen …

Dieser Artikel über Ruhe ist auch so ein Ruhepol für mich. Geschrieben hat ihn der schwedische Pastor und Autor Tomas Sjödin. Fast jeder Satz springt mich an. Zum Beispiel dieser: „Statt den ganzen Herbst über wie ein Verrückter zu arbeiten und an Weihnachten vor Müdigkeit mit dem Kopf in den Gänsebraten zu fallen – erst ausruhen!“

Oder: „Arbeit und Ruhe, Arbeit und Ruhe, Arbeit und Ruhe. So monoton, so gewöhnlich und unspektakulär ist der Klang des guten Lebens.“

Eigentlich weiß ich das. Und ich schaffe es auch immer wieder, mir Ruhephasen zu suchen und freizuräumen. Aber oft habe ich ein schlechtes Gewissen dabei. Die To-do-Liste ist noch so lang: Lichterketten aufhängen (ob ich es noch vor dem 3. Advent schaffe?), Geschenke besorgen, Kuchen backen für die Weihnachtsfeier im Verein, aussortiertes Spielzeug bei Ebay-Kleinanzeigen einstellen (sollte man unbedingt vor Weihnachten machen). Und dann muss ja noch das Weihnachtsessen geplant werden.

„Ruhen heißt loslassen“, schreibt Tomas Sjödin. Beim Ruhen gehe es auch darum, gute Sachen in der richtigen Reihenfolge zu versäumen. Also greife ich mir noch mal meine To-do-Liste und streiche weg, was nicht unbedingt noch diese Woche erledigt werden muss. Dann verkaufen wir das Spielzeug eben nächstes Jahr. Vielleicht kommen die Lichterketten erst zum 4. Advent ans Fenster? Dynamische Adventsdeko nenne ich das – in jeder Adventswoche ein bisschen mehr. Und dafür gönne ich mir ein bisschen mehr Ruhe!

Bettina Wendland

Family-Redakteurin