Beiträge

Autofrei – Wie eine Familie ohne eigenes Auto lebt

Alle Welt redet von der Verkehrswende, Familie Beyerbach macht es. Mutter Tabea erzählt, wie sie mit ihrer sechsköpfigen Familie ohne Auto klarkommt.

Wundert sich der Chef: „Heute eine halbe Stunde zu früh?“ – Angestellter: „Mein Auto ist nicht angesprungen, da bin ich zu Fuß gekommen.“

Zu meinem Führerschein habe ich von meinem großen Bruder einen Schlüssel für den familieneigenen VW-Bus und ein Witzebuch für Autofahrer bekommen. Niemand hätte damals gedacht, dass auf lange Sicht das Witzebuch das bessere Geschenk war. Ausdauernd kutschierte ich meine Jugendgruppe durch die Gegend. Das endete mit dem Auszug von daheim zu Beginn meiner Ausbildung. Da hatte sich auch das mit dem Auto erledigt. Das Azubi-Gehalt gab ein Auto nicht her.

Eine Frage des Geldes

Einige Jahre, Umzüge und ein Studium später lerne ich, immer noch autolos, meinen Mann kennen. Bei der Wahl der ersten gemeinsamen Wohnung achten wir auf eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. In diesem Fall heißt gut: werktags zweimal pro Stunde eine Bahn, sonntags nur einmal und ab 22 Uhr nur noch ein Rufbus. Mein Einkommen als Berufsanfängerin ist nicht üppig, wir versuchen, die Fix-Kosten niedrig zu halten. Mit der Geburt von Kind Nummer 1 zieht ein Fahrradanhänger in die Garage ein. Dieser leistet auch gute Dienste beim Einkauf. Mein Mann ist in dem Jahr Erziehungszeit oft stundenlang unterwegs, und das Kind liebt den Fahrradanhänger. Bei den gelegentlichen Autofahrten gibt es spätestens nach 45 Minuten Stress – im Anhänger ist stundenlang Ruhe. Haben wir bei Kind Nummer 1 noch bis zum sechsten Monat mit der ersten Fahrt gewartet, ist Kind Nummer 2 mit vier Wochen bereits mit uns unterwegs. Dann steht ein Umzug an. Uns ist klar, dass wir weiterhin ohne Auto leben wollen. Das Thema „Umweltschutz“ nimmt nun einen größeren Raum ein und das Geld ist noch immer knapp. Da passt die Redewendung „aus der Not eine Tugend machen“ ziemlich gut.

Nun leben wir in einer mittelgroßen Stadt. Ein Auto ist hier wirklich überflüssig und eher lästig. Zu unserer Wohnung gehört kein Parkplatz, sodass wir entweder teuer einen mieten müssten oder uns jedes Mal im Wohngebiet etwas suchen. Kind Nummer 3 gesellt sich zu uns und das ist nun wirklich eine Herausforderung: drei Kinder zwischen null und dreieinhalb Jahren auf dem Fahrrad, das ist anstrengend. Leider sind die ersten beiden Kinder in motorischer Hinsicht keine Überflieger, es dauert ewig, bis sie selbst so gut Fahrrad fahren können, dass ein gemeinsames Fahren möglich wird. Auf der anderen Seite – wo sollen wir überhaupt hin? Spielplätze sind fußläufig erreichbar und zu den Großeltern kommt man mit dem öffentlichen Nahverkehr. Für den Wocheneinkauf haben wir einen Bollerwagen, der auch bei Ausflügen zu Fuß gute Dienste leistet.

Profis im Zugfahren

Bevor jetzt der Eindruck entsteht, wir würden das perfekt lösen, hier noch ein paar andere Seiten: Viele Jahre sind meine Schwiegereltern einen Monat im Jahr ohne Auto im Urlaub. In dieser Zeit können wir dieses Auto ausleihen. Zudem leihen wir uns für eigene Urlaube gelegentlich ein Auto oder können das meiner Eltern nutzen.

Dann kommt Kind Nummer 4 zur Welt und das Ausleihen des Autos innerhalb der Familie erübrigt sich. Wir sind zu viele Personen. Das macht aber nichts, denn inzwischen sind die drei Großen gute Fahrradfahrer und der Zwerg fährt bei mir mit. Seit Neuestem besitze ich ein E-Lastenrad, das leistet uns gute Dienste beim Kinder- und Krempeltransport. Endlich kann ich Besuchskinder mitnehmen und selbst ein mittelgroßer Kaufrausch in der Baumschule ist kein Problem.

Es gibt kaum Situationen, in denen ich ein Auto ernsthaft vermisse, aber unser Leben ist eben auch auf das Leben ohne ausgerichtet. Unsere großen Kinder fahren seit dem ersten Schultag selbstständig mit dem Bus in den Nachbarort zur Freien Schule und sind auch in ihrer Freizeit mit dem Busticket unterwegs. Seit es neun ist, fährt das älteste Kind allein zu den Großeltern (45 Minuten mit Zug und Bus), jetzt mit 12 sind auch unbekannte Busstrecken kein Problem mehr. Besuche bei Freunden, die weiter entfernt wohnen, brauchen eine gründliche Vorausplanung, aber unsere Kinder sind Profis im Zugfahren. Zudem kann man sich als Eltern im Zug besser um die Kinder kümmern (zum Beispiel wickeln und stillen) und eine Toilette ist meist auch dabei. Natürlich können wir auch Geschichten von überfüllten Zügen, kaputten Toiletten und nervigen Mitreisenden erzählen, aber wir kennen auch Berichte von Autobahnsperrungen, üblen Rastanlagen, dauerstreitenden Kindern und Reiseübelkeit.

Das Auto als Selbstverständlichkeit?

Mit den Jahren ist der finanzielle Aspekt in den Hintergrund getreten. Aber wenn mir jemand erzählt, was die letzte Autoreparatur gekostet hat, grinse ich still in mich hinein. Was mich allerdings viel mehr beschäftigt, sind die negativen Aspekte des Autofahrens. Wir wohnen mitten in der Stadt. Wenn man sich nun vorstellt, dass hier kein privater PKW-Verkehr mehr durchführe, die Parkplätze Raum für Fußgänger und Radfahrerinnen böten und die Bäume nicht mehr nur kleine Felder zugewiesen bekämen – traumhaft.

Ich höre schon die Gegner rufen: Was ist mit den Menschen, die schlecht zu Fuß sind, auf dem Land leben und im Schichtdienst arbeiten? Da habe ich keine schnelle Lösung und sehe auch, dass im öffentlichen Nahverkehr Luft nach oben ist. Was ich aber ebenfalls sehe: dass viele Menschen das eigene Auto als Selbstverständlichkeit einplanen. Ihr Leben funktioniert nicht ohne Auto, weil sie es sich, oft nicht mal bewusst, so eingerichtet haben. Sie leben in diesem Bereich auf Kosten anderer Menschen und künftiger Generationen. Ganz direkt durch Lärm, Gestank und Feinstaub oder auch indirekt durch die Klimaveränderungen. Ich weiß, dass zur Verhinderung der Klimakatastrophe das Umdenken in vielen Bereichen notwendig ist. Wir müssen anfangen, unseren Lebensstil zu verändern. Und ich finde, bei der Mobilität ist das oft problemlos möglich, auch wenn es zu Lasten der Bequemlichkeit geht.

Tabea Beyerbach hat Betriebswirtschaft studiert. Sie lebt mit ihrer Familie in Süddeutschland.

Autobahnbingo für entspanntes Reisen

„Wann sind wir endlich da?“ – Der Klassiker von der Autorücksitzbank wird in diesen Wochen wahrscheinlich häufig zu hören sein. Abhilfe schaffen kann zum Beispiel ein Autobahnbingo. Unsere Kolleginnen aus der KLÄX-Redaktion haben das vor einiger Zeit im Heft gehabt und wir finden es so schön, dass wir es euch gern weitergeben wollen. Viel Spaß!

Autobahnbingo aus KLÄX

Ein Paar, zwei Perspektiven: Autofahren

MIT DEN SCHILDERLESEN HAT ER ES NICHT SO

Katharina hat als Beifahrerin alle Hände voll zu tun.

Katharina: Ja, wir kommen häufig zu spät. Einer der Gründe: Hauke verfährt sich regelmäßig. „Papa, wo fahren wir hin? Wir wollen doch zum Sport? Warum fährst du auf die Autobahn?“ Wir sind ständig unterwegs – wohin auch immer Hauke uns trägt. Meine Hauptaufgabe als Beifahrerin ist, immer hellwach zu sein und frühzeitig zu erkennen, dass wir mal wieder drohen, Richtung Süden zu fahren, obwohl die Reise nach Norden gehen soll. Denn merke ich es erst, kurz bevor es zu spät wäre, ist es bereits zu spät, denn mein Bester ist dann nicht mehr in der Lage, das „Ruder“ herumzureißen. Also drehen wir häufiger mal eine Extra-Runde auf der Autobahn, wenn Hauke seine Ausfahrt verpasst. Die A3 ist vermutlich nur deshalb so eine Dauerbaustelle, weil wir die Fahrbahnen so strapazieren.

Hauke will zum Training fahren und wird erst stutzig, wenn er vor dem Kindergarten steht. Er will zur Arbeit und wundert sich nach einer Weile über das fröhliche Gegluckse eines Kindergartenkindes von der Rückbank. Wieder einmal heißt es: „Bitte wenden!“

Unser Bus verfügt auch über eine Rückfahr-Kamera und viele Sensoren, es piept und blinkt überall laut und klar. Es ist mir ein Rätsel, aber mein Mann hat es in den letzten drei Jahren trotzdem geschafft, vier (!) große Parkschäden zu verursachen. Er räumt zwar ein, dass es schon irgendwie gepiept hat, aber er dachte, es wäre vorne gewesen, und da war ja alles frei! Oder er dachte, er hätte noch ein paar Zentimeter. Oder er hätte einfach die Warntöne gar nicht gehört. Die Wahrheit ist wohl: Die Einparkkompetenz sinkt im Alter – mit dem Verlust der Hörfähigkeit. Vor Kurzem wollte ich ihm daher bei schlechter Sicht durch Einweisen in eine enge Parklücke helfen. Ich konnte sein Gesicht im Rückspiegel sehen und winkte ihn langsam zu mir. Plötzlich rollte unser Ungetüm von Wagen mit Schmackes auf mich zu. Ich rief, winkte, boxte gegen den Kofferraum und konnte noch rechtzeitig beiseite springen, bevor der Bus zum Stehen kam, als er mit der Anhängerkupplung das Nummernschild des Autos hinter uns touchierte. Hauke behauptet beharrlich, er hätte mich nicht gesehen!

Natürlich ist mein Mann ein guter Autofahrer. Er fährt uns stets sicher ans Ziel. Wir brauchen halt nur Zeit und mit dem Schilderlesen hat er es auch manchmal nicht so. So hat er bereits zweimal den Führerschein abgeben müssen, weil er zu schnell war. Natürlich: es war beide Male ein Sonntag auf einer 4-spurigen, leeren Autobahn, bei herrlichem Sonnenschein. Trotzdem ist man mit 170 km/h einfach zu schnell, wenn nur 100 km/h erlaubt sind.

Ja, ich sammle auch meine Knöllchen in den 30er Zonen unserer Stadt und die erste Beule in unserem Bus habe auch ich verursacht, weil eine Sturm-Böe die Tür an der Tankstelle gegen einen Pfosten gerissen hat. Aber die Bilanz, wer von uns beiden besser fährt, ist angesichts aller Beobachtungen eindeutig: Frauen können besser einparken, kommen sicherer und vor allem direkter ans Ziel und sind einfach die besseren Autofahrer!

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache in Elternzeit. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

ICH WIDME MICH GEISTIG ANSPRUCHSVOLLEREN THEMEN

Hauke muss sich von einem beliebten männlichen Klischee verabschieden.

Hauke: Um es gleich vorweg zu sagen: Ja, es stimmt. Meine Frau fährt besser Auto als ich. Nach diesem Geständnis hat die Kolumne wahrscheinlich den größten Teil ihrer männlichen Leserschaft bereits verloren – warum sollte man(n) auch Zeit damit verschwenden, eine offenkundige Lügengeschichte weiter zu beachten, welche es wagt, das Alleinstellungsmerkmal des Mannes in Zweifel zu ziehen, nämlich die meisterhafte Beherrschung des Automobils? Denn wir wissen es doch alle: Frauen können nur zuhören, Männer hingegen einparken, Frauen und Technik … (lassen Sie beim Lesen hier bitte eine unheilvolle Pause), Frau am Steuer, das wird teuer … und so weiter und so fort.

Diese Macho-Matsche ließe sich noch beliebig fortsetzen. Doch was ist dran an der legendären Verschmelzung von Mann und Maschine? Bei der Beantwortung dieser Frage verlassen wir Männer uns natürlich nicht auf ein diffuses Bauchgefühl, sondern setzen auf knallharte Fakten. Um es gleich vorweg zu sagen: Ja, es stimmt. Auch insgesamt fahren Frauen besser Auto als wir Männer.

So verunglücken in allen Altersgruppen im Straßenverkehr deutlich mehr Fahrer als Fahrerinnen. Und als wäre das nicht schon schlimm genug: Wir sind auch meistens selbst schuld daran! Dieses Ergebnis bleibt auch dann bestehen, wenn man berücksichtigt, dass Männer rund zehn Prozent mehr Kilometer im Jahr zurücklegen. Woran liegt unser zerstörerisches Verhältnis zum Vehikel? Die Antwort kommt aus Flensburg: Dort sind 2,5 Mio Frauen als „Verkehrssünder“ registriert – und 8 Mio Männer! Tempolimit, Abstand, Alkoholverbot – in diesen Bereichen setzt die männliche Vernunft am häufigsten aus, so dass statt der edlen Krone der Schöpfung eher ein triebgesteuerter Testosteron-Torpedo über die Autobahn rast.

Bei mir ist das natürlich anders. Meine Blechschäden resultieren aus der Tatsache, dass ich den banalen Einparkvorgang in Gedanken schon längst abgeschlossen habe und mich geistig bereits anspruchsvolleren Themen widme. Während ich über den türkischen Einmarsch in Syrien sinniere, fällt der Parkpoller in die Fahrertür ein, denke ich an die prägenden Einflüsse der Fremdsprachen auf die deutsche Grammatik, hinterlässt ein fremder Außenspiegel seine Prägung im Seitenblech, und aus den Grübeleien über kulturell bedingte Kommunikationsdistanzen reißt mich das knirschende Geräusch einer Stoßstange, die mir beim Rückwärtsfahren zu nahe gekommen ist.

Und auch das, was die beste Ehefrau von allen despektierlich als „sich verfahren“ bezeichnet, ist in Wirklichkeit nur Ausdruck eines großen Geistes. Ich bin in Gedanken (und alsbald auch physisch) eben einfach woanders. Auf diese Weise lerne ich die nähere Umgebung auch viel intensiver kennen und darf mich mit Fug und Recht vielleicht nicht als den besseren, aber als den erfahreneren Automobilisten bezeichnen. Und was soll noch mal der Dirigent Karajan zum Taxifahrer gesagt haben? „Fahren Sie mich irgendwo hin, ich werde überall gebraucht.“ So wird‘s wohl sein.

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

Mobile Familie

Ob die Fahrt zum Kindergeburtstag, Training oder Einkaufen – gerade für Familien ist Mobilität wichtig. Aber nicht jede Familie kann oder will sich ein oder gar zwei Autos leisten. Eine gute Alternative sind Carsharing-Angebote. Neben kommerziellen Anbietern wie Stadtmobil oder Greenwheels in Deutschland oder Mobility in der Schweiz gibt es inzwischen auch mehrere Apps oder Webistes, über die man Autos von Privatleuten mieten kann.

Über Drivy (gibt es u.a. in Deutschland und Österreich) bieten Autobesitzer ihren Wagen anderen zur Nutzung an. Der Vorteil: Häufig sind die Autos mit Zubehör ausgestattet, das gerade für Familien relevant ist, zum Beispiel Kindersitze, Dachbox oder Fahrradträger. Wichtig: Jedes Auto ist für die Mietdauer umfassend versichert. In der Schweiz bietet Sharoo einen ähnlichen Service an. Weiterer Vorteil dieser Portale: Autobesitzer, die ihren Wagen nicht ständig brauchen, können ihn vermieten und dadurch refinanzieren.

Aber es muss ja nicht immer das Auto sein. In immer mehr Städten gibt es auch Bikesharing-Angebote. Meist sind hier aber nur „normale“ Fahrräder zu mieten. Gerade für Familien sind Lastenräder eine gute Alternative zum Auto. Aber leider sind sie nicht ganz billig. Das Portal listnride versteht sich als eine Art Airbnb für Fahrräder und hat sich zur Aufgabe gemacht, Fahrradbesitzer und potenzielle Fahrradleiher zusammenzubringen. Neben „normalen“ Rädern sind hier auch Spezialräder wie Tandems oder Lastenräder zu finden. Bisher ist listnride vor allem in Großstädten wie München, Berlin, Amsterdam und Wien gut aufgestellt, sie wollen ihren Service aber in immer mehr Städten und Regionen anbieten. Deshalb suchen sie Radbesitzer, die mit ihrem Rad noch ein bisschen was verdienen wollen. Bei listnride bieten aber nicht nur Privatleute ihre Räder an, auch Fahrradhändler nutzen diese Möglichkeit, ihren Service zu erweitern.

 

 

Papas liebstes Kind

Ich fahre leidenschaftlich gern Auto. Es ist für mich ein Gebrauchsgegenstand und Arbeitsgerät. Mein Auto passt zu mir, und seit einem ADAC-Sicherheitstraining ist es auch ein richtiger Spaßfaktor. Ja, es ist auch ein Kostenfaktor, aber man kann halt nicht alles haben. Mein Auto ist mir auch Lehrmeister und Metapher für mein Vatersein.

Beim Sicherheitstraining habe ich Bremsen und Kurvenfahren gelernt. Jetzt mache ich ohne Scheu bei Regen und Gefahr eine Vollbremsung und freue mich, wenn ich die Autobahnabfahrt mit einem Schnitt von 100 schaffe. Frauen, die das lesen, halten mich für verantwortungslos. Ich meine aber, jede Heirat ist wie eine Vollbremsung bei Regen, und jedes geborene Kind ist wie eine Kurvenfahrt mit 100. Du musst Nerven wie Stahlseile haben, das Steuer fest in der Hand behalten und dich langsam auf die neue Situation einstellen. Ich war bei unserer Hochzeit 26 und eingefleischter Junggeselle. Da war schon manche Vollbremsung nötig, damit der Ehewagen nicht an die Wand fuhr.

Ich lerne von meinem Auto auch, dass es nicht gut ist, immer nur Vollgas zu fahren. Man kommt zwar schnell zum Ziel, aber der Preis ist hoch. Schnelle Väter trimmen ihre Kinder auf das Ziel und verpassen, was alles auf dem Weg geschieht. Wer immer nur den kürzesten Weg nimmt, entdeckt nichts Neues. Was für ein Schatz ist es, wenn du mit deinem Kind unterwegs bist. Du kannst an der Hand eines Kindes zum Beispiel die Langsamkeit entdecken. Jeder Spaziergang wird zur kostenlosen Survivaltour und zum erlebnispädagogischen Entschleunigungsseminar. Ich habe es in der Elternzeit gelernt. Leider erst nach Überlastungssymptomen und einer Auszeit bei der Geburt unserer fünften Tochter, aber es war nicht zu spät und prägt meine Lebenshaltung bis heute.

Und dann das Tanken. Du musst anhalten und neuen Kraftstoff tanken. Ich liebe den Diesel als Bild für die Vaterschaft. Diesel ist flüssig, und Vaterschaft muss auch flüssig sein. Vatersein ist keine Aufgabe, die du erledigen musst, um dich dann anderen Dingen widmen zu können. Es ist ein Aggregatzustand, in dem du lebst. Nicht hart wie ein Klotz. Nicht gasförmig, sprich überall präsent, aber nicht zu greifen. Nein, Väter sind flüssig, weil sie tragen, in die Weite führen und weil sie guten Antrieb geben. Und das machen sie gut und anders als Mütter.

Und sie machen es anders als andere Väter. Das lehrt mich der Straßenverkehr auch. Ich fahre gelassen 120, weil ich es so will. Andere fahren anders. Ich kann auch anders, aber ich will es nicht immer. Hier macht mir mein Auto Mut, Vaterschaft so zu leben, wie ich es für gut halte, auch wenn andere, ja, selbst meine Frau, es oft anders sehen. Ich bin kein Sturkopf, wie die 130-Linksfahrer, aber ich lass mich auch nicht verrückt machen von jeder neuen Welle und den vielen neuen Möglichkeiten. Ich möchte vor Gott und meiner Frau den Fahrstil meines Lebens vertreten können.

Du fragst dich vielleicht, warum ich nichts über Unfälle geschrieben habe. Weil ich es nicht wollte. Und was willst du?

Gottfried Muntschick ist Generalsekretär im CVJM Sachsen-Anhalt und Referent im Bereich Männer- und Familienarbeit.

Für den Kanadaurlaub auf dem Fahrrad frieren

Familie Faust hat kein Auto mehr, dafür können sie über schöne Reiseabenteuer berichten.

Weiterlesen