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Fürsorge und Verlangen

Wir kümmern uns um die Sorgen und Bedürfnisse unserer Liebsten. In der Partnerschaft kann das jedoch das sexuelle Verlangen stören. Wie der Gegensatz aus Begehren und Unterstützung eine Bereicherung wird, verrät Tabea Müller.

Endlich schlafen die Kinder. Luise räumt auf, legt frische Kleidung raus und macht das Nachtlicht an. Dann geht sie in die Küche, um die Brotboxen für den nächsten Tag zu füllen. Tim schlurft aus dem Büro und schenkt sich und Luise einen Schluck Wein ein. Zu müde für eine geistreiche Konversation setzen sie sich, um zumindest den Tag in stiller, aber zufriedener Zweisamkeit zu beenden. Seit die Kinder ihre Ehe bereichern, hat sich vieles geändert. Das sexuelle Verlangen leidet darunter.

Mehr Zeit fließt in Alltagsorganisation und Versorgung. Zeiten der Muße und der Langeweile sind rar geworden. Das entbehrliche Schöne in ihrem Leben stellen sie hinten an, bis die vermeintlich dringlichen Dinge erledigt sind – so auch den Sex. Als letzter Punkt auf der To-do-Liste am Abend muss er mit dem ersehnten Schlaf konkurrieren und zieht dabei oft den Kürzeren. Die wenigen Male, die er gewinnt, ähnelt er mehr einem Sandwich im Drive-in als einem festlich gedeckten Mahl: uninspirierend, fantasielos, unkreativ.

Auf andere ausgerichtet

Luise und Tim sind in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Je länger eine Beziehung dauert, desto mehr erlebt ein Paar miteinander. Neben all den schönen und aufregenden Dingen kommen auch Stressphasen, Zusammenbrüche und Krankheiten hinzu, in denen der Partner mehr Fürsorge braucht als in den ersten gemeinsamen Urlauben. Den Kaffee ans Bett zu bringen ist dann nicht mehr nur romantisch, sondern notwendig, da die Partnerin das Bett nicht verlassen kann.

Diese Phasen gemeinsam zu meistern, ist einer der vielen Vorteile einer lebendigen Beziehung. Durch die gegenseitige Fürsorge fühlen sich die Partner zugehörig, sicher und geliebt. Sie lässt beide spüren, dass sie jemandem so viel bedeuten, dass dieser nachts für sie aufsteht und seine eigenen Bedürfnisse zurückstellt.Betreten Kinder die Bühne, wird es komplizierter: Plötzlich reicht es nicht mehr, sich nur umeinander und um sich selbst zu kümmern. Tag, Nacht und Hormone werden über den Haufen geworfen, um den Bedürfnissen der neuen hilflosen Wesen nachzukommen. Sogar das mütterliche Gehirnvolumen schrumpft während Schwangerschaft und Kleinkindphase, um sich laut wissenschaftlicher Vermutung auf die Erkennung der nonverbalen Zeichen des Kindes zu spezialisieren. In dieser Zeit mutieren Eltern zu wahren Fürsorgeprofis, immer auf das Wohl eines anderen bedacht.

Selbstfürsorge, und damit die Quelle für sexuelles Verlangen, bleibt häufig auf der Strecke. Denn während Fürsorge stets gedanklich und emotional auf einen anderen ausgerichtet ist, bleibt Verlangen bei sich selbst.

Lustkiller Fürsorge

So edel Fürsorge auch sein mag, wenn du deine Identität darin findest, verwandelt sie sich in selbstgefällige Bemutterung. Statt dem anderen gutzutun, schränkt sie dessen Individualität ein und wird kontrollierend. Sie betrachtet ihn oder sie nicht mehr als Gegenüber, sondern als Hilfsbedürftigen – und wirkt dadurch wie ein echter Lustkiller. Wenn du deinen Partner bemutterst, dann habt ihr sicherlich weniger Sex. Es fällt schwer, jemanden zu begehren, den du als hilfsbedürftig wahrnimmst.

Genauso schwer ist es aber auch, den attraktivsten und selbstständigsten Partner auf dem Planeten zu begehren, wenn du selbst erschöpft und ausgelaugt bist. Von der Mutterrolle in die erotische Ehefrau zu wechseln, sobald die Kinder schlafen, ist nicht einfach. Ebenso schwer kann es sein, als Vater den Stress beiseitezuschieben, um ganz im Hier und Jetzt der müden Frau zuzuhören und dabei sexuelles Begehren aufflammen zu lassen. Hier hilft immer wieder eine Standortbestimmung, wie du dich nicht nur gegenüber deiner Partnerin oder deinem Partner verhältst, sondern auch gegenüber dir selbst.

Um deinen Partner oder deine Partnerin wieder zu begehren, musst du zuerst dich selbst lieben und dafür sorgen, dass deine Bedürfnisse gestillt und dein Liebestank gefüllt ist. Eine Gedichtzeile von Bernhard von Clairvaux drückt das ganz passend aus: „Lerne auch du, nur aus der Fülle auszugießen und habe nicht den Wunsch, freigiebiger zu sein als Gott.“ So machst du das Geliebtwerden nicht mehr vom anderen abhängig. Du begehrst aus der Fülle heraus und nicht aus Mangel. Doch auch das Verlangen kann Schatten werfen. Wenn du dich so auf deine eigenen Wünsche fokussierst, dass du den Zustand des anderen nicht mehr richtig wahrnimmst, verwandelt sich dein Begehren in Begierde.

Darin steckt ein schönes Wortspiel: Ehre wird zur Gier. Gier ehrt den Partner nicht, selbstsüchtig und rücksichtslos trampelt sie über dessen moralische und emotionale Grenzen. Das kann dazu führen, dass deine Partnerin oder dein Partner Druck empfindet. Sex passiert dann mehr aus Pflichtgefühl als aus freien Stücken.

Erotik statt Aufopferung

Lassen wir Fürsorge und Verlangen also wieder miteinander tanzen, so führt die Fürsorge das Verlangen so, dass dieses die Grenzen seines Gegenübers wahrt und ihn begehrt. Gleichzeitig sorgen die Tanzfiguren des Verlangens dafür, dass die Fürsorge beeindruckt bleibt und ihr Gegenüber nicht diskreditiert, sondern bewundernd zu ihm aufschaut. Fürsorge und Verlangen sind Gegensätze, die einander brauchen, um eine Beziehung dynamisch zu halten. Sie spannen einen Raum auf, in dem Spannung und Abenteuer, aber auch Sicherheit und Heimat Platz finden.Monate vergehen, bis der Leidensdruck von Tim und Luise groß genug ist, um etwas dagegen zu unternehmen. So sehr Tim auch die Hingabe und Aufopferung von Luise bewundert, so stark vermisst er ihre verspielte, erotische Seite.

Auch Luise vermisst diese Seite an sich, hat aber keine Idee, wie sie sie auf die Schnelle hervorzaubern kann.Um ihre Sexualität wieder wie ein Kunstwerk zu behandeln, krempeln sie ihr Leben um. Sie schaufeln sich einen Vormittag in der Woche frei, an dem die Kinder versorgt sind. Ohne Müdigkeit und Zeitdruck verabreden sie sich regelmäßig zu einer erotischen Begegnung, bei der sie ihre Lust kultivieren können.

Diese Entscheidung kostet sie nicht wenig. Da Tim dafür seine Arbeitszeit auf 80 % reduziert, bleibt weniger Geld übrig, das an anderen Stellen gespart werden muss. Doch die frische Lebendigkeit ihrer Beziehung ist ihnen jeden Euro wert.Dieser Lösungsansatz ist ziemlich radikal und sicherlich nicht für jedes Paar geeignet. Die Frage dahinter kann aber jeder beantworten: Wie viel ist mir eine Veränderung unserer aktuellen Situation wert? Kostet mich die Lösung mehr, als einfach das Problem zu behalten? Dann ist vielleicht die Lösung das Problem und ihr habt gar keins mehr. Oder ihr versucht es erst einmal mit kleineren Veränderungen.

Vier Stellschrauben, um das sexuelle Verlangen nach dem Partner zu erhalten:

1. Kümmere dich zuerst um dich selbst
Wie bei der Sicherheitseinweisung im Flugzeug: Erst die eigene Maske, dann anderen helfen. Es lohnt sich ein regelmäßiger Self-Check: Auf einer Skala von 1 (zu wenig) bis 10 (tiptop): Wie viel Schlaf erlaube ich mir? Plane ich regelmäßig Zeit für Sport ein? Wie viel Wert lege ich auf gute Ernährung? Nehme ich meine Bedürfnisse gut genug wahr? Wie begehrenswert fühle ich mich? Wo du keine 10 Punkte vergeben kannst, lohnt sich eine Anpassung.Ein häufiges Selbstsabotage-Symptom ist die sogenannte Bedtime-Prokrastination, also das sinnfreie Hinauszögern der Schlafenszeit trotz Müdigkeit. Hier gibt es viel Energie zu holen. Also: Handy aus, Schlafi an!

2. Entrümpele deinen Alltag
Je weniger du besitzt, umso weniger Dinge wollen, dass du dich um sie kümmerst. Einmal komplett zu entrümpeln ist zwar viel Arbeit, danach bleibt aber definitiv mehr Zeit für Muße und Selbstfürsorge. Auch ein kritischer Blick in den Kalender lohnt sich: Sind all deine Termine sinnvoll, notwendig oder beflügelnd? Wende auch hier wieder die 10-Punkte-Skala an. Was nicht mindestens eine 9 bekommt, kann weg.

3. Plane bewusste Intimität ein
Es geht nicht nur um die Häufigkeit von Sex und ob beide Partner zum Orgasmus kommen. Vielmehr geht es um die Qualität der gemeinsamen Zeit, wohin die Erfahrung euch trägt und welche Träume und Fantasien sie anregt. Es kann sehr intim sein, sich gegenseitig zu berühren, ohne Sex haben zu dürfen. Auch spielerisch mal den Liebesdiener zu spielen und beim nächsten Mal den Bestimmer, kann aufschlussreich darüber sein, ob dir das Geben oder das Nehmen leichterfällt. Bist du mental gern ganz bei dir oder lieber beim anderen? Wie hast du dich in der jeweiligen Rolle gefühlt?

4. Tauscht regelmäßig die Rollen
Oft werden die Aufgaben nach Kompetenz und Präferenz aufgeteilt. Dadurch wirst du in manchen Dingen zum Experten, während du andere Dinge vielleicht sogar verlernst. Die Rollen immer wieder zu tauschen, hilft, dem Partner ebenfalls alles zuzutrauen und schützt vor der Bemutterungs- oder Bevaterungsfalle.

Tabea Müller ist Psychologin und lebt mit ihrer Familie bei Karlsruhe. www.tabeasarah.de

Bemuttern oder begehren? Wie das Knistern in der Beziehung erhalten bleibt

Wir kümmern uns um die Sorgen und Bedürfnisse unserer Liebsten. In der Partnerschaft kann das jedoch das sexuelle Verlangen stören. Psychologin Tabea Müller verrät, wie es im Bett trotzdem spannend bleibt.

Endlich schlafen die Kinder. Luise räumt auf, legt frische Kleidung raus und macht das Nachtlicht an. Dann geht sie in die Küche, um die Brotboxen für den nächsten Tag zu füllen. Tim schlurft aus dem Büro und schenkt sich und Luise einen Schluck Wein ein. Zu müde für eine geistreiche Konversation setzen sie sich, um zumindest den Tag in stiller, aber zufriedener Zweisamkeit zu beenden. Seit die Kinder ihre Ehe bereichern, hat sich vieles geändert. Das sexuelle Verlangen leidet darunter.

Mehr Zeit fließt in Alltagsorganisation und Versorgung. Zeiten der Muße und der Langeweile sind rar geworden. Das entbehrliche Schöne in ihrem Leben stellen sie hinten an, bis die vermeintlich dringlichen Dinge erledigt sind – so auch den Sex. Als letzter Punkt auf der To-do-Liste am Abend muss er mit dem ersehnten Schlaf konkurrieren und zieht dabei oft den Kürzeren. Die wenigen Male, die er gewinnt, ähnelt er mehr einem Sandwich im Drive-in als einem festlich gedeckten Mahl: uninspirierend, fantasielos, unkreativ.

Auf andere ausgerichtet

Luise und Tim sind in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Je länger eine Beziehung dauert, desto mehr erlebt ein Paar miteinander. Neben all den schönen und aufregenden Dingen kommen auch Stressphasen, Zusammenbrüche und Krankheiten hinzu, in denen der Partner mehr Fürsorge braucht als in den ersten gemeinsamen Urlauben. Den Kaffee ans Bett zu bringen ist dann nicht mehr nur romantisch, sondern notwendig, da die Partnerin das Bett nicht verlassen kann.

Diese Phasen gemeinsam zu meistern, ist einer der vielen Vorteile einer lebendigen Beziehung. Durch die gegenseitige Fürsorge fühlen sich die Partner zugehörig, sicher und geliebt. Sie lässt beide spüren, dass sie jemandem so viel bedeuten, dass dieser nachts für sie aufsteht und seine eigenen Bedürfnisse zurückstellt.Betreten Kinder die Bühne, wird es komplizierter: Plötzlich reicht es nicht mehr, sich nur umeinander und um sich selbst zu kümmern. Tag, Nacht und Hormone werden über den Haufen geworfen, um den Bedürfnissen der neuen hilflosen Wesen nachzukommen. Sogar das mütterliche Gehirnvolumen schrumpft während Schwangerschaft und Kleinkindphase, um sich laut wissenschaftlicher Vermutung auf die Erkennung der nonverbalen Zeichen des Kindes zu spezialisieren. In dieser Zeit mutieren Eltern zu wahren Fürsorgeprofis, immer auf das Wohl eines anderen bedacht.

Selbstfürsorge, und damit die Quelle für sexuelles Verlangen, bleibt häufig auf der Strecke. Denn während Fürsorge stets gedanklich und emotional auf einen anderen ausgerichtet ist, bleibt Verlangen bei sich selbst.

Lustkiller Fürsorge

So edel Fürsorge auch sein mag, wenn du deine Identität darin findest, verwandelt sie sich in selbstgefällige Bemutterung. Statt dem anderen gutzutun, schränkt sie dessen Individualität ein und wird kontrollierend. Sie betrachtet ihn oder sie nicht mehr als Gegenüber, sondern als Hilfsbedürftigen – und wirkt dadurch wie ein echter Lustkiller. Wenn du deinen Partner bemutterst, dann habt ihr sicherlich weniger Sex. Es fällt schwer, jemanden zu begehren, den du als hilfsbedürftig wahrnimmst.

Genauso schwer ist es aber auch, den attraktivsten und selbstständigsten Partner auf dem Planeten zu begehren, wenn du selbst erschöpft und ausgelaugt bist. Von der Mutterrolle in die erotische Ehefrau zu wechseln, sobald die Kinder schlafen, ist nicht einfach. Ebenso schwer kann es sein, als Vater den Stress beiseitezuschieben, um ganz im Hier und Jetzt der müden Frau zuzuhören und dabei sexuelles Begehren aufflammen zu lassen. Hier hilft immer wieder eine Standortbestimmung, wie du dich nicht nur gegenüber deiner Partnerin oder deinem Partner verhältst, sondern auch gegenüber dir selbst.

Um deinen Partner oder deine Partnerin wieder zu begehren, musst du zuerst dich selbst lieben und dafür sorgen, dass deine Bedürfnisse gestillt und dein Liebestank gefüllt ist. Eine Gedichtzeile von Bernhard von Clairvaux drückt das ganz passend aus: „Lerne auch du, nur aus der Fülle auszugießen und habe nicht den Wunsch, freigiebiger zu sein als Gott.“ So machst du das Geliebtwerden nicht mehr vom anderen abhängig. Du begehrst aus der Fülle heraus und nicht aus Mangel. Doch auch das Verlangen kann Schatten werfen. Wenn du dich so auf deine eigenen Wünsche fokussierst, dass du den Zustand des anderen nicht mehr richtig wahrnimmst, verwandelt sich dein Begehren in Begierde.

Darin steckt ein schönes Wortspiel: Ehre wird zur Gier. Gier ehrt den Partner nicht, selbstsüchtig und rücksichtslos trampelt sie über dessen moralische und emotionale Grenzen. Das kann dazu führen, dass deine Partnerin oder dein Partner Druck empfindet. Sex passiert dann mehr aus Pflichtgefühl als aus freien Stücken.

Erotik statt Aufopferung

Lassen wir Fürsorge und Verlangen also wieder miteinander tanzen, so führt die Fürsorge das Verlangen so, dass dieses die Grenzen seines Gegenübers wahrt und ihn begehrt. Gleichzeitig sorgen die Tanzfiguren des Verlangens dafür, dass die Fürsorge beeindruckt bleibt und ihr Gegenüber nicht diskreditiert, sondern bewundernd zu ihm aufschaut. Fürsorge und Verlangen sind Gegensätze, die einander brauchen, um eine Beziehung dynamisch zu halten. Sie spannen einen Raum auf, in dem Spannung und Abenteuer, aber auch Sicherheit und Heimat Platz finden.Monate vergehen, bis der Leidensdruck von Tim und Luise groß genug ist, um etwas dagegen zu unternehmen. So sehr Tim auch die Hingabe und Aufopferung von Luise bewundert, so stark vermisst er ihre verspielte, erotische Seite.

Auch Luise vermisst diese Seite an sich, hat aber keine Idee, wie sie sie auf die Schnelle hervorzaubern kann.Um ihre Sexualität wieder wie ein Kunstwerk zu behandeln, krempeln sie ihr Leben um. Sie schaufeln sich einen Vormittag in der Woche frei, an dem die Kinder versorgt sind. Ohne Müdigkeit und Zeitdruck verabreden sie sich regelmäßig zu einer erotischen Begegnung, bei der sie ihre Lust kultivieren können.

Diese Entscheidung kostet sie nicht wenig. Da Tim dafür seine Arbeitszeit auf 80 % reduziert, bleibt weniger Geld übrig, das an anderen Stellen gespart werden muss. Doch die frische Lebendigkeit ihrer Beziehung ist ihnen jeden Euro wert.Dieser Lösungsansatz ist ziemlich radikal und sicherlich nicht für jedes Paar geeignet. Die Frage dahinter kann aber jeder beantworten: Wie viel ist mir eine Veränderung unserer aktuellen Situation wert? Kostet mich die Lösung mehr, als einfach das Problem zu behalten? Dann ist vielleicht die Lösung das Problem und ihr habt gar keins mehr. Oder ihr versucht es erst einmal mit kleineren Veränderungen.

Vier Stellschrauben, um das sexuelle Verlangen nach dem Partner zu erhalten:

1. Kümmere dich zuerst um dich selbst
Wie bei der Sicherheitseinweisung im Flugzeug: Erst die eigene Maske, dann anderen helfen. Es lohnt sich ein regelmäßiger Self-Check: Auf einer Skala von 1 (zu wenig) bis 10 (tiptop): Wie viel Schlaf erlaube ich mir? Plane ich regelmäßig Zeit für Sport ein? Wie viel Wert lege ich auf gute Ernährung? Nehme ich meine Bedürfnisse gut genug wahr? Wie begehrenswert fühle ich mich? Wo du keine 10 Punkte vergeben kannst, lohnt sich eine Anpassung.Ein häufiges Selbstsabotage-Symptom ist die sogenannte Bedtime-Prokrastination, also das sinnfreie Hinauszögern der Schlafenszeit trotz Müdigkeit. Hier gibt es viel Energie zu holen. Also: Handy aus, Schlafi an!

2. Entrümpele deinen Alltag
Je weniger du besitzt, umso weniger Dinge wollen, dass du dich um sie kümmerst. Einmal komplett zu entrümpeln ist zwar viel Arbeit, danach bleibt aber definitiv mehr Zeit für Muße und Selbstfürsorge. Auch ein kritischer Blick in den Kalender lohnt sich: Sind all deine Termine sinnvoll, notwendig oder beflügelnd? Wende auch hier wieder die 10-Punkte-Skala an. Was nicht mindestens eine 9 bekommt, kann weg.

3. Plane bewusste Intimität ein
Es geht nicht nur um die Häufigkeit von Sex und ob beide Partner zum Orgasmus kommen. Vielmehr geht es um die Qualität der gemeinsamen Zeit, wohin die Erfahrung euch trägt und welche Träume und Fantasien sie anregt. Es kann sehr intim sein, sich gegenseitig zu berühren, ohne Sex haben zu dürfen. Auch spielerisch mal den Liebesdiener zu spielen und beim nächsten Mal den Bestimmer, kann aufschlussreich darüber sein, ob dir das Geben oder das Nehmen leichterfällt. Bist du mental gern ganz bei dir oder lieber beim anderen? Wie hast du dich in der jeweiligen Rolle gefühlt?

4. Tauscht regelmäßig die Rollen
Oft werden die Aufgaben nach Kompetenz und Präferenz aufgeteilt. Dadurch wirst du in manchen Dingen zum Experten, während du andere Dinge vielleicht sogar verlernst. Die Rollen immer wieder zu tauschen, hilft, dem Partner ebenfalls alles zuzutrauen und schützt vor der Bemutterungs- oder Bevaterungsfalle.

Tabea Müller ist Psychologin und lebt mit ihrer Familie bei Karlsruhe. tabeasarah.de

Mein Begehren – dein Begehren

Wenn Ehepartner unterschiedlich stark ausgeprägte sexuelle Lust haben, kann das die Beziehung sehr belasten. Was hilft, damit die Lust nicht zum Frust wird? Von Susanne und Marcus Mockler

„Wie oft habt ihr beide Sex?“ Als uns in einer anonymen Fragerunde bei einem Eheseminar diese Frage gestellt wurde, waren wir uns einig: Darauf geben wir keine konkrete Antwort! Garantiert keine Zahl – denn wem sollte das helfen? Anders Martin Luther, der einst frei heraus den Ratschlag gab: „In der Woche zwier, schaden weder ihm noch ihr, macht im Jahre hundertvier.“ Doch wir glauben, dass Sexualität sich nicht so verallgemeinern lässt. Es gibt kein Richtig oder Falsch in Praktiken oder Häufigkeit. Entscheidend ist, wie es beiden damit geht. Viel wichtiger als die genaue Zahl der Sexualkontakte ist die Qualität der Paarbeziehung. Allerdings bedingt sich beides oft: Paare, die in Befragungen eine hohe Beziehungszufriedenheit angeben, haben in der Regel häufiger Sex als Paare, die insgesamt unzufrieden sind.

Unzufriedenheit und Konflikte

Das Problem kennt fast jedes Paar: unterschiedliches sexuelles Verlangen und verschiedene Vorstellungen darüber, was eine angemessene Frequenz für Intimverkehr sei. Tendenziell beobachten wir mehr Interesse an Sex bei Männern. Das variiert aber von Paar zu Paar. Immer häufiger sind es auch Frauen, die sich mehr intime Aktivitäten erhoffen, während ihre Partner sich zurückziehen. Die Gründe sind vielfältig: Stress, Erschöpfung, medizinische Probleme, hormonelle Schwankungen, traumatische Vorerfahrungen, psychische Erkrankungen, häufiger Pornokonsum. Oft ist es eine Störung der Beziehungsdynamik insgesamt, Unzufriedenheit über die Qualität des gemeinsamen Lebens und mit dem gegenseitigen Umgang, die einem (oder beiden) die Lust rauben.

Die Kluft im sexuellen Begehren führt zu Unzufriedenheit und Konflikten. Schließlich ist Sexualität ein starker Motor und Teil der Identität. Wer immer wieder im Bett abgewiesen wird, entwickelt Frustgefühle und fühlt sich manchmal sogar persönlich abgewertet. Allerdings gerät auch die Person, die weniger Lust hat, unter Druck. Viele plagt ein schlechtes Gewissen, wenn sie nicht auf das Drängen des anderen eingehen. Sie fühlen sich möglicherweise auf ihren Körper reduziert und als Ehepartner ungenügend. Wenn dann Sex regelrecht eingefordert oder einzig aus Angst vor Ablehnung ertragen wird, hilft das der Liebe auf keiner Seite weiter.

Was sind gute Strategien, um mit diesen unterschiedlichen Bedürfnissen umzugehen?

Offen über Sex reden

Wer Probleme mit der Sexualität hat, sollte darüber reden, und zwar offen und mit der ehrlichen Absicht, die Sicht des anderen zu hören und zu verstehen. Vielen ist das Thema unangenehm und sie ziehen sich zurück oder attackieren einander auf anderen Ebenen. So halten sie den anderen auf Abstand, um sich dem eigentlichen Problem nicht mehr stellen zu müssen. Das verfestigt aber den Keil zwischen beiden.

Ein ehrliches Gespräch über unterschiedliche Wünsche, Bedürfnisse und sexuelle Gefühle hilft, einander wieder näherzukommen und möglicherweise auch die Gründe hinter der starken Lust oder Lustlosigkeit zu entdecken. Dabei ist wichtig: Man darf den anderen nicht angreifen oder Vorwürfe machen, sondern sollte ausschließlich die eigenen Gefühle und Erwartungen beschreiben. Währenddessen sollte der Partner einfühlsam und interessiert zuhören. Nicht selten führt allein schon diese offene Kommunikation dazu, dass sich etwas in der Paardynamik bewegt und sich Lösungen, mit denen beide gut leben können, finden lassen.

Forschungen weisen sogar darauf hin, dass Einfühlungsvermögen, aktives Zuhören und die Bereitschaft, auf den Partner einzugehen, sexuelles Verlangen fördern können.

Wichtig ist, dass sich das Gegenüber wertgeschätzt und geliebt fühlt: „Auch wenn du meine Sehnsüchte gerade nicht befriedigen kannst, liebe und achte ich dich.“ „Auch wenn mir deine sexuelle Energie manchmal zu heftig ist, glaube ich dir, dass du mich als Person liebst und es dir nicht nur ums Körperliche geht. Ich respektiere deine größere Lust und kann sie als Ausdruck deiner Leidenschaft für mich annehmen.“ „‚Nein, nicht heute‘ bedeutet nicht, dass ich dich nicht liebe. Es liegt nicht an deiner Attraktivität und deinem Wert.“

Zugegeben, das klingt idyllisch und manchmal ist es ein schmerzlicher Weg, bis Paare dahin kommen. Einige schaffen es nicht ohne therapeutische Hilfe. Die Moderation einer dritten Person und der neutrale, wohlwollende Blick von außen können hilfreich sein, um gute Lösungen zu finden.

Sex ist nicht alles

Wie steht es um die Paarbeziehung insgesamt? Paare, die Probleme im sexuellen Bereich haben, sollten viel Zeit in andere Aktivitäten investieren, die beiden guttun: gemeinsame Hobbys, Ausflüge, ehrenamtliches Engagement, sportliche Aktivitäten. Wer auf dem sexuellen Pfad so gar nicht weiterkommt, muss Druck rausnehmen. Es hilft nicht, wenn einer dem anderen permanent ein schlechtes Gewissen macht. Vielleicht ist es für den sehr bedürftigen Partner auch dran, Selbstbeherrschung zu lernen und sich bei der geliebten Person weniger auf den Körper als vielmehr auf die inneren Werte zu konzentrieren.

Manche Paare gehen einander regelrecht aus dem Weg, um ja nicht in die Situation zu geraten, nach Sex gefragt zu werden. Da kann es helfen, zu vereinbaren, das Thema für eine gewisse Zeit ganz ruhen zu lassen und sich stattdessen bewusst auf andere Gemeinsamkeiten zu fokussieren. Manche brauchen diese Sicherheit, um wieder vertrauen zu können.

Gott um Hilfe bitten

Einige Christen tun sich schwer, Gott in das Thema Sexualität einzubeziehen. Aber auch so eine „fleischliche Angelegenheit“ wie sexuelle Unzufriedenheit ist etwas, womit man sich direkt an den Schöpfer wenden darf. Immerhin war das seine Idee! Wer sonst wüsste am besten, welche Wege einem Paar zu mehr Freiheit und Zufriedenheit verhelfen könnten? Wer leidet, sollte Gott um Hilfe bitten. Am besten gemeinsam, laut und im Vertrauen, dass er Wege kennt, wo wir noch keinen Ausweg sehen. Aber auch das persönliche Gebet wird nicht unerhört bleiben.

Die Lust auf Sex anregen

Oft leidet der Partner mit geringerer Libido darunter und würde eigentlich dem anderen zuliebe, aber auch für sich selbst gerne mehr sexuelle Intensität entwickeln. Die Forschung sagt: Menschen, die öfter Sex haben, empfinden auch ein höheres Maß an Lust auf Sex und wollen öfter intim werden. Ist Sex eine gute Erfahrung, möchte man sie häufiger machen.

Insofern könnten Partner, die eine geringere Libido haben, versuchen, sich in Stimmung zu versetzen. Eine Frau kann sich gedanklich auf Lust programmieren, indem sie im Lauf des Tages immer wieder bewusst ihre Geschlechtsorgane wahrnimmt, den Beckenboden durch Anspannen trainiert, hübsche Unterwäsche trägt, in der sie sich schön fühlt. Angenehme erotische Anspielungen des Partners, schmeichelnde Bemerkungen und zärtliche Berührungen im Alltag können luststeigernd wirken. Manchen hilft es, Termine für Sex zu setzen. Was für manche befremdlich klingt, hilft anderen, weil sie sich kontrolliert auf diese Paarzeit vorbereiten und intensiv darauf einstellen können.

Sich auf die unterschiedlichen Empfindungen einlassen

Es klingt ein bisschen verrückt, aber tatsächlich: Der Appetit kommt mit dem Essen. Befriedigender, lustvoller und erfüllender Sex steigert die Lust auf Wiederholung. Enttäuschende Erfahrungen beim körperlichen Zusammensein haben gegenteilige Wirkung. Das heißt auch: Der Partner mit der stärkeren Lusterfahrung sollte intensiver danach fragen, wie Sex für den anderen zu einem beglückenderen Erlebnis werden könnte.

Vor allem Frauen haben oft nicht spontan Lust auf Sex, können aber durch liebevolles Werben des Partners und durch erotische Berührungen, die sie mögen, dafür gewonnen werden. Hier ist Kommunikation besonders wichtig! Viele Partner wissen nämlich gar nicht, was sich für den anderen tatsächlich gut anfühlt und was der andere erotisch findet. Auch ändert sich das im Verlauf des Zyklus einer Frau stark. Während zum Beispiel in einem Stadium die Berührung der Brustwarzen elektrisiert, kann es an anderen Tagen wehtun und abschrecken. Ein bisschen ist Sex eben wie ein Tanz: Einer fordert auf, der andere lässt sich ein, beide finden in den Rhythmus und erst nach einigen Takten ist die Harmonie hergestellt.

Kompromisse aushandeln

Wenn die Erwartungen an die Häufigkeit der sexuellen Begegnungen stark abweicht, können Paare versuchen, Kompromisse auszuhandeln. Vielleicht hätte er gerne am liebsten täglich Sex, während ihr alle zwei Wochen vollkommen ausreichen. Wie wäre es, wenn die beiden sich zum Beispiel auf einmal pro Woche einigen? Dann sind die Parameter klar und beide können sich darauf einstellen und diese Begegnungen bewusst gestalten.

Sicher wird es nicht für alle die vollkommen zufriedenstellende Lösung geben. Einige körperliche oder hormonelle Ursachen sind zwar medikamentös behandelbar, aber manchmal kommt die Medizin an ihre Grenzen. Nebenwirkungen von Medikamenten hemmen teilweise die Lust und machen es schwer bis unmöglich, sexuelle Leidenschaft zu entwickeln. Auch psychische Belastungen wie Stress oder Depressionen können nicht einfach durch einfühlsame Kommunikation überwunden werden.

Aber auch solche Paare können Wege finden, wie sie einander dennoch nah bleiben: Zärtlichkeiten müssen nicht immer im Beischlaf enden, sorgen aber für die Ausschüttung von Glücks- und Bindungshormonen und stärken damit das Wohlbefinden. Alternative Formen von Intimität ohne Penetration können helfen, dass der lustbetonte Partner trotzdem auf seine Kosten kommt.

Marcus und Susanne Mockler – er ist Journalist, sie ist Paartherapeutin mit eigener Praxis und Vorsitzende der MarriageWeek Deutschland.

Ich will mehr Sex! – So finden Paare einen gemeinsamen Weg

Wenn Liebespaare unterschiedlich stark ausgeprägte sexuelle Lust haben, kann das die Beziehung sehr belasten. Was hilft, damit die Lust nicht zum Frust wird?

„Wie oft habt ihr beide Sex?“ Als uns in einer anonymen Fragerunde bei einem Eheseminar diese Frage gestellt wurde, waren wir uns einig: Darauf geben wir keine konkrete Antwort! Garantiert keine Zahl – denn wem sollte das helfen? Anders Martin Luther, der einst frei heraus den Ratschlag gab: „In der Woche zwier, schaden weder ihm noch ihr, macht im Jahre hundertvier.“ Doch wir glauben, dass Sexualität sich nicht so verallgemeinern lässt. Es gibt kein Richtig oder Falsch in Praktiken oder Häufigkeit. Entscheidend ist, wie es beiden damit geht. Viel wichtiger als die genaue Zahl der Sexualkontakte ist die Qualität der Paarbeziehung. Allerdings bedingt sich beides oft: Paare, die in Befragungen eine hohe Beziehungszufriedenheit angeben, haben in der Regel häufiger Sex als Paare, die insgesamt unzufrieden sind.

Unzufriedenheit und Konflikte

Das Problem kennt fast jedes Paar: unterschiedliches sexuelles Verlangen und verschiedene Vorstellungen darüber, was eine angemessene Frequenz für Intimverkehr sei. Tendenziell beobachten wir mehr Interesse an Sex bei Männern. Das variiert aber von Paar zu Paar. Immer häufiger sind es auch Frauen, die sich mehr intime Aktivitäten erhoffen, während ihre Partner sich zurückziehen. Die Gründe sind vielfältig: Stress, Erschöpfung, medizinische Probleme, hormonelle Schwankungen, traumatische Vorerfahrungen, psychische Erkrankungen, häufiger Pornokonsum. Oft ist es eine Störung der Beziehungsdynamik insgesamt, Unzufriedenheit über die Qualität des gemeinsamen Lebens und mit dem gegenseitigen Umgang, die einem (oder beiden) die Lust rauben.

Die Kluft im sexuellen Begehren führt zu Unzufriedenheit und Konflikten. Schließlich ist Sexualität ein starker Motor und Teil der Identität. Wer immer wieder im Bett abgewiesen wird, entwickelt Frustgefühle und fühlt sich manchmal sogar persönlich abgewertet. Allerdings gerät auch die Person, die weniger Lust hat, unter Druck. Viele plagt ein schlechtes Gewissen, wenn sie nicht auf das Drängen des anderen eingehen. Sie fühlen sich möglicherweise auf ihren Körper reduziert und als Ehepartner ungenügend. Wenn dann Sex regelrecht eingefordert oder einzig aus Angst vor Ablehnung ertragen wird, hilft das der Liebe auf keiner Seite weiter.

Was sind gute Strategien, um mit diesen unterschiedlichen Bedürfnissen umzugehen?

Offen über Sex reden

Wer Probleme mit der Sexualität hat, sollte darüber reden, und zwar offen und mit der ehrlichen Absicht, die Sicht des anderen zu hören und zu verstehen. Vielen ist das Thema unangenehm und sie ziehen sich zurück oder attackieren einander auf anderen Ebenen. So halten sie den anderen auf Abstand, um sich dem eigentlichen Problem nicht mehr stellen zu müssen. Das verfestigt aber den Keil zwischen beiden.

Ein ehrliches Gespräch über unterschiedliche Wünsche, Bedürfnisse und sexuelle Gefühle hilft, einander wieder näherzukommen und möglicherweise auch die Gründe hinter der starken Lust oder Lustlosigkeit zu entdecken. Dabei ist wichtig: Man darf den anderen nicht angreifen oder Vorwürfe machen, sondern sollte ausschließlich die eigenen Gefühle und Erwartungen beschreiben. Währenddessen sollte der Partner einfühlsam und interessiert zuhören. Nicht selten führt allein schon diese offene Kommunikation dazu, dass sich etwas in der Paardynamik bewegt und sich Lösungen, mit denen beide gut leben können, finden lassen.

Forschungen weisen sogar darauf hin, dass Einfühlungsvermögen, aktives Zuhören und die Bereitschaft, auf den Partner einzugehen, sexuelles Verlangen fördern können.

Wichtig ist, dass sich das Gegenüber wertgeschätzt und geliebt fühlt: „Auch wenn du meine Sehnsüchte gerade nicht befriedigen kannst, liebe und achte ich dich.“ „Auch wenn mir deine sexuelle Energie manchmal zu heftig ist, glaube ich dir, dass du mich als Person liebst und es dir nicht nur ums Körperliche geht. Ich respektiere deine größere Lust und kann sie als Ausdruck deiner Leidenschaft für mich annehmen.“ „‚Nein, nicht heute‘ bedeutet nicht, dass ich dich nicht liebe. Es liegt nicht an deiner Attraktivität und deinem Wert.“

Zugegeben, das klingt idyllisch und manchmal ist es ein schmerzlicher Weg, bis Paare dahin kommen. Einige schaffen es nicht ohne therapeutische Hilfe. Die Moderation einer dritten Person und der neutrale, wohlwollende Blick von außen können hilfreich sein, um gute Lösungen zu finden.

Sex ist nicht alles

Wie steht es um die Paarbeziehung insgesamt? Paare, die Probleme im sexuellen Bereich haben, sollten viel Zeit in andere Aktivitäten investieren, die beiden guttun: gemeinsame Hobbys, Ausflüge, ehrenamtliches Engagement, sportliche Aktivitäten. Wer auf dem sexuellen Pfad so gar nicht weiterkommt, muss Druck rausnehmen. Es hilft nicht, wenn einer dem anderen permanent ein schlechtes Gewissen macht. Vielleicht ist es für den sehr bedürftigen Partner auch dran, Selbstbeherrschung zu lernen und sich bei der geliebten Person weniger auf den Körper als vielmehr auf die inneren Werte zu konzentrieren.

Manche Paare gehen einander regelrecht aus dem Weg, um ja nicht in die Situation zu geraten, nach Sex gefragt zu werden. Da kann es helfen, zu vereinbaren, das Thema für eine gewisse Zeit ganz ruhen zu lassen und sich stattdessen bewusst auf andere Gemeinsamkeiten zu fokussieren. Manche brauchen diese Sicherheit, um wieder vertrauen zu können.

Die Lust auf Sex anregen

Oft leidet der Partner mit geringerer Libido darunter und würde eigentlich dem anderen zuliebe, aber auch für sich selbst gerne mehr sexuelle Intensität entwickeln. Die Forschung sagt: Menschen, die öfter Sex haben, empfinden auch ein höheres Maß an Lust auf Sex und wollen öfter intim werden. Ist Sex eine gute Erfahrung, möchte man sie häufiger machen.

Insofern könnten Partner, die eine geringere Libido haben, versuchen, sich in Stimmung zu versetzen. Eine Frau kann sich gedanklich auf Lust programmieren, indem sie im Lauf des Tages immer wieder bewusst ihre Geschlechtsorgane wahrnimmt, den Beckenboden durch Anspannen trainiert, hübsche Unterwäsche trägt, in der sie sich schön fühlt. Angenehme erotische Anspielungen des Partners, schmeichelnde Bemerkungen und zärtliche Berührungen im Alltag können luststeigernd wirken. Manchen hilft es, Termine für Sex zu setzen. Was für manche befremdlich klingt, hilft anderen, weil sie sich kontrolliert auf diese Paarzeit vorbereiten und intensiv darauf einstellen können.

Sich auf die unterschiedlichen Empfindungen einlassen

Es klingt ein bisschen verrückt, aber tatsächlich: Der Appetit kommt mit dem Essen. Befriedigender, lustvoller und erfüllender Sex steigert die Lust auf Wiederholung. Enttäuschende Erfahrungen beim körperlichen Zusammensein haben gegenteilige Wirkung. Das heißt auch: Der Partner mit der stärkeren Lusterfahrung sollte intensiver danach fragen, wie Sex für den anderen zu einem beglückenderen Erlebnis werden könnte.

Vor allem Frauen haben oft nicht spontan Lust auf Sex, können aber durch liebevolles Werben des Partners und durch erotische Berührungen, die sie mögen, dafür gewonnen werden. Hier ist Kommunikation besonders wichtig! Viele Partner wissen nämlich gar nicht, was sich für den anderen tatsächlich gut anfühlt und was der andere erotisch findet. Auch ändert sich das im Verlauf des Zyklus einer Frau stark. Während zum Beispiel in einem Stadium die Berührung der Brustwarzen elektrisiert, kann es an anderen Tagen wehtun und abschrecken. Ein bisschen ist Sex eben wie ein Tanz: Einer fordert auf, der andere lässt sich ein, beide finden in den Rhythmus und erst nach einigen Takten ist die Harmonie hergestellt.

Kompromisse aushandeln

Wenn die Erwartungen an die Häufigkeit der sexuellen Begegnungen stark abweicht, können Paare versuchen, Kompromisse auszuhandeln. Vielleicht hätte er gerne am liebsten täglich Sex, während ihr alle zwei Wochen vollkommen ausreichen. Wie wäre es, wenn die beiden sich zum Beispiel auf einmal pro Woche einigen? Dann sind die Parameter klar und beide können sich darauf einstellen und diese Begegnungen bewusst gestalten.

Sicher wird es nicht für alle die vollkommen zufriedenstellende Lösung geben. Einige körperliche oder hormonelle Ursachen sind zwar medikamentös behandelbar, aber manchmal kommt die Medizin an ihre Grenzen. Nebenwirkungen von Medikamenten hemmen teilweise die Lust und machen es schwer bis unmöglich, sexuelle Leidenschaft zu entwickeln. Auch psychische Belastungen wie Stress oder Depressionen können nicht einfach durch einfühlsame Kommunikation überwunden werden.

Aber auch solche Paare können Wege finden, wie sie einander dennoch nah bleiben: Zärtlichkeiten müssen nicht immer im Beischlaf enden, sorgen aber für die Ausschüttung von Glücks- und Bindungshormonen und stärken damit das Wohlbefinden. Alternative Formen von Intimität ohne Penetration können helfen, dass der lustbetonte Partner trotzdem auf seine Kosten kommt.

Marcus und Susanne Mockler – er ist Journalist, sie ist Paartherapeutin mit eigener Praxis und Vorsitzende der MarriageWeek Deutschland.