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Ihr Sohn bricht das Studium ab und wird Koch – das lehrte Barbara-Christine diese Phase

Nicht jeder muss studieren. Barbara-Christine Schild hat das bei ihrem Sohn selbst erlebt. Und warnt davor, dass Eltern beim Berufswunsch mitbestimmen.

Mit der Entscheidung für einen zukünftigen Beruf stellen viele Jugendliche erstmals im Leben eigenverantwortlich die Weichen für ihre Zukunft. Das ist sowohl Chance als auch Risiko und für viele eine immense Herausforderung. Sie müssen sich mit sich selbst auseinandersetzen, ihre Talente und Interessen erkennen und gleichzeitig die Zukunftsfähigkeit des anvisierten Berufes abwägen. Darüber hinaus ist der Weg zum Ziel nicht immer gleich erkennbar. An dieser Stelle brauchen die Jugendlichen Unterstützung. Uns als Eltern kommt dabei eine besondere Rolle zu, auf die wir uns bewusst vorbereiten und in die wir nicht einfach hineinrutschen sollten.

Denn nicht nur in den Gesprächen, die wir mit unseren Kindern zu deren beruflicher Zukunft führen, auch ganz nebenbei im Alltag formulieren wir Vorstellungen, die wir für unsere Kinder haben. Damit machen wir Vorgaben, die oft für den Nachwuchs zur Orientierung oder gar Leitlinie werden – nicht zuletzt im Vertrauen darauf, dass die Eltern mit ihrer Lebenserfahrung schon wissen, was für die Kinder gut sein könnte.

Nicht ganz unvoreingenommen

Aufgrund meiner beruflichen Tätigkeit im Bundesinstitut für Berufsbildung könnte man vielleicht vermuten, dass ich die ideale Begleiterin in Sachen Berufswahl der eigenen Kinder sein könnte. Ich denke, dass das für mich persönlich nicht gilt – sonst wären die Dinge bei uns anders gelaufen. Auch in unserer Familie wurden die Gespräche über die berufliche Zukunft offenbar nicht ganz ergebnisoffen geführt: Tatsächlich hatte sich bei unserem Sohn die Vorstellung manifestiert, dass wir von ihm erwarten, nach dem Abitur ein Studium zu absolvieren. Dies hat uns doch sehr überrascht, denn eigentlich hatten wir gedacht, den Zukunftsvorstellungen unserer Kinder unvoreingenommen begegnet zu sein. Erst die persönliche Erfahrung hat meinen Blick dafür geschärft, wie man die Kinder begleiten sollte, wenn sie wichtige Entscheidungen für die berufliche Zukunft treffen müssen – und dass wir immer wieder unsere eigene Neutralität hinterfragen sollten.

Die befreiende Frage

Unser heute 27-jähriger Sohn hat das Gymnasium besucht, in der Oberstufe die Leistungskurse Sport und Mathe belegt und nach dem Motto „Ein kluges Pferd springt nicht höher, als es muss“ ein eher mittelprächtiges Abitur abgelegt. Anschließend hat er die Entscheidung zur eigenen Zukunft zunächst einmal vertagt und für sich eine „Findungsphase“ eingefordert. Die haben wir ihm unter der Auflage gewährt, dass er sich einen Job sucht und eine fixe Aufgabe im Haushalt übernimmt. Gesagt, getan: Den Job fand er schnell in einem Restaurant, zu Hause übernahm er das Kochen für die Familie.

Wir merkten schnell, wie begeistert er von diesen Aufgaben war. Dennoch hatte sich bei ihm der Gedanke, „dass man nach dem Abitur halt studiert“ und dass dies ja auch mit den elterlichen Vorstellungen einhergeht, offenbar schon sehr gefestigt. Deshalb begann er nach diesem Jahr mit einem Studium. Begeisterung dafür war jedoch keine zu spüren, er berichtete kaum über seinen Unialltag. Stattdessen drehten sich die Gespräche mit ihm immer wieder um das Kochen und wie welche traditionellen Gerichte zu modernisieren wären. Irgendwann haben wir dann die „befreiende“ Frage gestellt, was er denn nun wirklich möchte: studieren oder eine Ausbildung zum Koch machen?

Plötzlich ist der Berufswunsch klar

Es sprudelte nur so aus ihm heraus. Den Plan, Koch zu werden, hatte unser Sohn schon vollends ausgeklügelt, das erforderliche Vorgehen bereits klar durchdacht. Er wusste, dass er die französische Küche von der Pike auf lernen wollte, und hatte sich bereits ein Restaurant mit bestem Ruf ausgesucht. Die zentrale Begründung war, dass dort der Koch nicht im Fernsehen, sondern in der Küche zugegen sein und ihn einweisen würde. Wir haben ihm zugestimmt, es zu versuchen. Von da an ging alles schnell. Die Bewerbung war nach drei Tagen auf den Weg gebracht, weitere drei Tage später kam die Einladung des Restaurants. Für eine Woche wollten sie ihm die Möglichkeit geben, die Anforderungen des Hauses kennenzulernen.

Er war so beseelt von seinem Tun dort, dass völlig klar war: Hier hat jemand seine Profession gefunden. Eine Woche nach dem Praktikum lag der unterschriebene Ausbildungsvertrag in unserem Briefkasten. Die Ausbildung war wirklich hart, menschlich wie fachlich. Aber nicht einen Tag hat unser Sohn diese Entscheidung in Zweifel gezogen. Inzwischen leitet er die Küche eines Düsseldorfer Restaurants und sagt: „Das Kochen ist für mich das Bedienen eines Grundbedürfnisses. Und ich darf das jeden Tag tun – wow!“ Jetzt sind wir froh, dass wir alle zusammen rechtzeitig die Kurve bekommen haben. Für uns als Eltern bleibt die Erkenntnis, mehr auf unsere Kinder zu vertrauen. Sie wissen schon ganz gut, wie sie sich auf den Weg in die eigene Zukunft machen müssen. Das Ziel sollten die Jugendlichen selbst wählen – auf dem Weg dorthin können und müssen wir sie unterstützen.

Eltern sollten nur begleiten, nicht leiten

Die unvoreingenommene Beratung ist für Eltern nicht ganz einfach, denn sie „wollen ja immer das Beste“ für ihre Kinder – und glauben gern, das auch beurteilen zu können, denn sie haben ihre Kinder auf ihrem bisherigen Weg stets „gelenkt“. Aber in diesem Fall verändert sich unsere Rolle vom Leitenden zum Begleitenden. Sich dessen bewusst zu sein, dass für uns eine neutrale Beratung der eigenen Kinder bei der Berufswahl nicht ganz einfach ist, kann ein erster Schritt hin zu einer ergebnisoffenen Begleitung sein. Die fehlende Objektivität gegenüber den Kindern ehrlich zu formulieren, kann sie motivieren, die elterlichen Vorstellungen tatsächlich mit Blick auf die Vereinbarkeit mit den eigenen Ideen zu hinterfragen. Es muss für Kinder deutlich werden, dass die kritische Auseinandersetzung mit den Vorstellungen der Eltern legitim ist – was im Übrigen nicht nur bei der Berufswahl gilt.

Wenn die Berufsorientierung zum Thema wird, gilt die Devise: erst einmal zuhören und die Kinder reden lassen. Darüber hinaus sollten wir als Eltern uns bewusst machen, dass es heute nicht nur eine Vielzahl an Möglichkeiten gibt, sondern auch, dass sich Berufsbilder sehr stark gewandelt haben. So kann es sein, dass meine Vorstellungen von Berufen und deren Tätigkeiten sowie Anforderungen nicht mehr aktuell sind. Es hilft auch, sich als Eltern über den heutigen Stand in den jeweiligen Berufen erst einmal zu informieren.

Traumberuf: ja oder nein?

Ich sollte mein Kind nicht von seinem Berufswunsch abbringen, selbst wenn dieser nicht dem entspricht, was ich mir erhoffe: Wenngleich es Zeit kostet und vielleicht auch mit Enttäuschungen verbunden ist, sollten Kinder sich mit ihren Ideen versuchen dürfen. Allein schon, damit keine „offenen Fragen“ im Leben bleiben – getreu dem Motto: „Hätte ich doch …“. Auf der anderen Seite gibt es natürlich Jugendliche, die zunächst einen ähnlichen Weg wie die Eltern einschlagen möchten. Sich ein Stück weit auf „vertrauten Pfaden“ zu bewegen, etwas zu tun, was man schon zu kennen glaubt, erscheint zunächst vielleicht als der Weg des geringsten Widerstands.

Dabei sollten wir Eltern aber schon erkennen, ob bei unseren Kindern ein echtes Interesse vorliegt. Falls ja, ist es aus meiner Sicht sinnvoll, dass sie die Ausbildung in einem fremden Betrieb der gleichen Branche machen und nicht im elterlichen Unternehmen. Oder man zeigt den Kindern ähnliche Optionen auf. So nennen viele Kfz-Mechatroniker/in als Berufswunsch, aber vielleicht wäre auch eine Ausbildung als Zweiradmechaniker/in oder Land- und Baumaschinenmechatroniker/in spannend. Das erweitert zudem die Perspektive.

Einfach in Berufe reinschnuppern

Eltern sollten die vielfältigen Informationsmöglichkeiten nutzen, zum Beispiel digitale Angebote (siehe unten) oder Elternabende zur Berufsorientierung in der Schule. Vorteil des heutigen Schulsystems sind die vielfältigen Angebote zur Berufsorientierung: zum Beispiel Potenzialanalysen, Berufsfelderkundungen oder Praktika. Als Eltern können wir unsere Kinder motivieren, sich auszuprobieren und in Berufe hineinzuschnuppern, die sie nicht auf dem Schirm hatten. Sie sind ja auch einen Schritt weiter, wenn sie wissen, was auf keinen Fall in Frage kommt. Vielleicht werden sie aber auch positiv überrascht. Es hilft, praktische Erfahrungen zu sammeln.

Generell sollten wir als Eltern unsere Kinder stärken, sich etwas zuzutrauen und Rückschläge nicht als totales Versagen zu interpretieren. Die wichtigste Botschaft an die Jugendlichen ist: Welchen Beruf auch immer ihr auswählt, entscheidend ist, dass ihr es so gut macht, wie ihr könnt!

Barbara-Christine Schild ist Diplom-Geografin und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.

Hilfreiche Online-Portale

berufenavi.de: Das neue Berufsorientierungsportal für Jugendliche des Bundesministeriums für Forschung (BMBF) und des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) will Jugendliche bei der Suche nach ihrem Wunschberuf unterstützen. Neben einer Selbsteinschätzung bietet es Orientierungshilfen, Talenttests, Praktikumsbörsen und Beratungsangebote sowie Links zu weiteren Online-Angeboten.

berufsberatung.ch: Das offizielle schweizerische Informationsportal bietet eine Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung und beantwortet Fragen rund um Lehrstellen, Berufe, Aus- und Weiterbildungen.

jugendportal.at/themen/arbeit-beruf/ berufsorientierung: Hier gibt es zahlreiche Links zu Websites und Beratungsangeboten in Österreich.

Welchen Beruf soll mein Kind nach der Schule wählen? Diese Tipps können helfen

Die Jobwahl ist eine der wichtigsten Entscheidungen im Leben. Aber was tun nach dem Schulabschluss? Berufsberaterin Heike Scherneck weiß Rat.

„Meine Tochter (16) zerbricht sich seit Monaten den Kopf darüber, was sie nach der Schule machen soll. Dass ihr Abschluss nun immer näher rückt, entspannt die Lage nicht gerade. Wie kann sie diese Entscheidung treffen und wie können wir ihr dabei helfen?“

Die Berufswahl zählt zu den wichtigsten Entscheidungen im Leben, und ich rate, möglichst frühzeitig damit zu beginnen, denn die Frage, welcher Beruf zu einem passt, ist gar nicht so leicht zu beantworten.

Was sind die beliebtesten Berufe?

Zunächst gilt es herauszufinden, was man kann und will. Was sind die persönlichen Stärken und Schwächen Ihrer Tochter, ihre Hobbys und Lieblingsfächer, welcher Beruf interessiert sie? Hier kann die Hilfe durch Familie und Freunde förderlich sein. Anschließend folgt ein Abgleich dieser Eigenschaften mit Berufsbildern. Zu den beliebtesten Ausbildungsberufen der letzten zehn Jahre gehören Kaufmann/-frau im Einzelhandel, Verkäufer/-in, Bürokaufmann/-frau, Handelsfachwirt/-in, Industriekaufmann/-frau, Bankkaufmann/-frau oder Medizinische/-r Fachangestellte/-r. Natürlich kann auch ein Studium in Erwägung gezogen werden.

Arbeitsagentur übernimmt Reisekosten

Ob Ausbildung oder Studium – es empfiehlt sich immer, die Unterstützung von Experten zu suchen. An den Schulen sprechen die Berufsberater das Thema in den Vorabgangsklassen an. Bei einem Praktikum können Berufsfelder kennengelernt und ausprobiert werden. Es gibt auch verschiedene Informationsquellen online, wie beispielsweise den „Berufe-Entdecker“ auf planet-beruf.de oder in der Schweiz berufsberatung.ch. Ich empfehle zudem ein individuelles Gespräch mit einem Berufsberater der Arbeitsagentur. Hier werden jahrelange Erfahrungen und Kenntnisse über den regionalen Arbeitsmarkt weitergegeben und auch Bewerbungs- und Reisekosten zu Vorstellungsgesprächen übernommen.

Worauf es bei der Bewerbung ankommt

Findet Ihre Tochter eine Stellenanzeige, die ihr gefällt, sollte sie darauf achten, ob der Arbeitgeber eine klassische Bewerbung mit Anschreiben, Lebenslauf, Passbild und Zeugnissen oder eine E-Mail-Bewerbung wünscht. Danach orientiert sich der Aufbau des Anschreibens. Die Berufsberatung bietet auch dazu Unterstützung an. Ich rate den jugendlichen Bewerberinnen und Bewerbern, sich vor einem Vorstellungsgespräch über den Ausbildungsbetrieb kundig zu machen. Meist hilft ein Blick auf die Homepage der Firma, aber auch ein Klick auf berufenet.arbeitsagentur.de ist gut, um Auskünfte über die Ausbildung zu erhalten. Auf Umgangsformen, Motivation und Kleidung sollte auch geachtet werden. Angemessene Kleidung heißt nicht immer Schlips und Kragen.

Gute Chancen trotz Corona

Durch die Corona-Krise kam es auf dem Ausbildungsmarkt zu Verschiebungen. Arbeitgeber waren bei der Einstellung von Jugendlichen zum Teil zurückhaltend. Aber aufgrund der demografischen Entwicklung und dem unveränderten Fachkräftebedarf sind die Chancen nach wie vor sehr gut. Besonders chancenträchtig sind weniger bekannte Ausbildungsberufe. Sollte Ihre Tochter trotz guter Vorbereitung keinen Ausbildungsplatz bekommen, gibt es verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten. Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen oder Einstiegsqualifizierungen, beides eine Art Jahrespraktikum, sind Beispiele dafür.

Heike Scherneck ist Berufsberaterin der Agentur für Arbeit Gießen.

„Unser Sohn hängt nach dem Abitur nur zu Hause rum“ – Da hilft nur Durchgreifen

Was tun nach dem Abi? Wenn die Antwort »Nichts« ist, sind die Eltern gefragt. Wie das funktioniert, erklärt Pädagogin Sonja Brocksieper.

„Unser Sohn (19) konnte sich nach dem Abitur nicht für ein Studienfach entscheiden. Einen Job hat er sich auch nicht gesucht und hängt nur zu Hause oder mit Freunden rum. Müssen wir das akzeptieren?“

Vielen Abiturientinnen und Abiturienten fällt es heute aufgrund der Vielzahl von Entscheidungsmöglichkeiten schwer, sich direkt nach der Schule für einen nächsten Schritt zu entscheiden. Manche sprechen sogar von einem echten Gesellschaftsphänomen, für das es vielschichtige Gründe gibt. Für Eltern ist das nicht einfach, und es kann zu einer großen Belastungsprobe werden.

Was kann ich tun?

Einerseits ist es verständlich, dass junge Erwachsene nach der langen Schulzeit von mindestens zwölf Jahren das Bedürfnis nach einer Verschnaufpause haben. In einem gewissen Rahmen kann man ihnen die auch durchaus gönnen. Andererseits braucht es dabei auch immer gute Absprachen und eine Perspektive, wie es langfristig weitergehen kann. Sie müssen also keineswegs akzeptieren, dass Ihr Sohn nur abhängt.

Verdeutlichen Sie ihm das Prinzip von Rechten und Pflichten. Jeder Mensch, der in unserer Gesellschaft seine Pflichten nicht erfüllt, muss damit rechnen, dass seine Rechte eingeschränkt werden. So funktioniert das Zusammenleben. Eltern sind verpflichtet, ihrem volljährigen Kind den Unterhalt zu zahlen, wenn es dazu noch nicht in der Lage ist, bis eine Berufsausbildung oder ein Studium abgeschlossen ist. Macht ein volljähriges Kind nach der Schule aber einfach nichts, muss das nicht auf Kosten der Eltern laufen. Dann sollten Sie ihm keineswegs ein entspanntes Leben finanzieren, denn das hemmt die Entwicklung und Reifung Ihres Sohnes.

Sie dürfen unbequem werden!

Ihr Sohn muss die Verantwortung für seine Entscheidung tragen, indem er die Folgen spürt. Denn nicht nur Sie, auch er hat Pflichten: Er muss sich um seine finanzielle Absicherung kümmern und Aufgaben im Haushalt übernehmen. Das ist sogar gesetzlich geregelt! Erklären Sie ihm, dass Sie den Service einstellen und seine finanzielle Unterstützung reduzieren werden, wenn er sich nicht daran hält. Das Leben kann ruhig unbequem für ihn werden. Zeigen Sie Ihrem Sohn diese Optionen auf und setzen Sie ein Zeitlimit, bis wann er sich für eine Ausbildung, einen Job, ein Studium, soziales Jahr oder dergleichen entschieden haben muss und bieten Sie ihm dabei Ihre Unterstützung und Begleitung an. Ist es nicht möglich, mit ihm auf dieser vernünftigen Ebene Lösungen zu finden, könnte es Sinn machen, sich Vertrauenspersonen wie Verwandte, Paten oder Freunde dazuzuholen.

Was steckt dahinter?

Es stellt sich aber auch die Frage, warum sich Ihr Sohn nicht um einen Job gekümmert hat. Was ist die Ursache für sein Durchhängen? Ist es reine Faulheit, dann sollte Ihr Sohn die Konsequenzen deutlich erleben und mit den Einschränkungen leben. Steckt dahinter aber eine echte Lebenskrise, die viel tiefer geht, braucht er emotionale Unterstützung, um aus diesem Loch herauskommen zu können. Dann könnte es doch hilfreich sein, ihm eine Verschnaufpause für eine gewisse Zeit möglich zu machen, mit dem Ziel, die Seelenbatterie aufzuladen, sodass eine Ausbildung überhaupt erst möglich ist. Vermutlich wird das aber ohne eine psychologische Beratung nicht gehen.

Sonja Brocksieper ist Diplom-Pädagogin. Sie lebt mit ihrer Familie in Remscheid und ist Mitarbeiterin bei Team.F: sonja-brocksieper.de 

Abhängen nach dem Abi

„Unser Sohn (19) konnte sich nach dem Abitur nicht für ein Studienfach entscheiden. Einen Job hat er sich auch nicht gesucht und hängt nur zu Hause oder mit Freunden rum. Müssen wir das akzeptieren?“

Vielen Abiturientinnen und Abiturienten fällt es heute aufgrund der Vielzahl von Entscheidungsmöglichkeiten schwer, sich direkt nach der Schule für einen nächsten Schritt zu entscheiden. Manche sprechen sogar von einem echten Gesellschaftsphänomen, für das es vielschichtige Gründe gibt. Für Eltern ist das nicht einfach, und es kann zu einer großen Belastungsprobe werden.

Einerseits ist es verständlich, dass junge Erwachsene nach der langen Schulzeit von mindestens zwölf Jahren das Bedürfnis nach einer Verschnaufpause haben. In einem gewissen Rahmen kann man ihnen die auch durchaus gönnen. Andererseits braucht es dabei auch immer gute Absprachen und eine Perspektive, wie es langfristig weitergehen kann. Sie müssen also keineswegs akzeptieren, dass Ihr Sohn nur abhängt.

Rechte und Pflichten

Verdeutlichen Sie ihm das Prinzip von Rechten und Pflichten. Jeder Mensch, der in unserer Gesellschaft seine Pflichten nicht erfüllt, muss damit rechnen, dass seine Rechte eingeschränkt werden. So funktioniert das Zusammenleben. Eltern sind verpflichtet, ihrem volljährigen Kind den Unterhalt zu zahlen, wenn es dazu noch nicht in der Lage ist, bis eine Berufsausbildung oder ein Studium abgeschlossen ist. Macht ein volljähriges Kind nach der Schule aber einfach nichts, muss das nicht auf Kosten der Eltern laufen. Dann sollten Sie ihm keineswegs ein entspanntes Leben finanzieren, denn das hemmt die Entwicklung und Reifung Ihres Sohnes.

Ihr Sohn muss die Verantwortung für seine Entscheidung tragen, indem er die Folgen spürt. Denn nicht nur Sie, auch er hat Pflichten: Er muss sich um seine finanzielle Absicherung kümmern und Aufgaben im Haushalt übernehmen. Das ist sogar gesetzlich geregelt! Erklären Sie ihm, dass Sie den Service einstellen und seine finanzielle Unterstützung reduzieren werden, wenn er sich nicht daran hält. Das Leben kann ruhig unbequem für ihn werden. Zeigen Sie Ihrem Sohn diese Optionen auf und setzen Sie ein Zeitlimit, bis wann er sich für eine Ausbildung, einen Job, ein Studium, soziales Jahr oder dergleichen entschieden haben muss und bieten Sie ihm dabei Ihre Unterstützung und Begleitung an. Ist es nicht möglich, mit ihm auf dieser vernünftigen Ebene Lösungen zu finden, könnte es Sinn machen, sich Vertrauenspersonen wie Verwandte, Paten oder Freunde dazuzuholen.

Was steckt dahinter?

Es stellt sich aber auch die Frage, warum sich Ihr Sohn nicht um einen Job gekümmert hat. Was ist die Ursache für sein Durchhängen? Ist es reine Faulheit, dann sollte Ihr Sohn die Konsequenzen deutlich erleben und mit den Einschränkungen leben. Steckt dahinter aber eine echte Lebenskrise, die viel tiefer geht, braucht er emotionale Unterstützung, um aus diesem Loch herauskommen zu können. Dann könnte es doch hilfreich sein, ihm eine Verschnaufpause für eine gewisse Zeit möglich zu machen, mit dem Ziel, die Seelenbatterie aufzuladen, sodass eine Ausbildung überhaupt erst möglich ist. Vermutlich wird das aber ohne eine psychologische Beratung nicht gehen.

Sonja Brocksieper ist Diplom-Pädagogin. Sie lebt mit ihrer Familie in Remscheid und ist Mitarbeiterin bei Team.F. www.sonja-brocksieper.de 

Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

Sechs Schritte zum Traumberuf

„Unser 16-jähriger Sohn ist völlig planlos, was er beruflich machen soll. Wie kann er den passenden Beruf finden?“

Mit 16 wusste ich auch nicht, was ich werden sollte – also lernte ich Elektroinstallateur. Im Nachhinein war es der falsche Beruf für mich, auch wenn die Lehrzeit meinen Horizont enorm erweiterte. Nach meiner Zivildienstzeit in einer Behinderteneinrichtung studierte ich Theologie und wurde Pastor. Danach kam eine Zeit als Jugendreferent und heute bin ich Leiter eines Orientierungsjahres. Schon damals war es mit der Berufsfindung nicht einfach, heute ist es in unserer vernetzten Welt noch schwieriger geworden. Die Berufswahl ist eine der größten Herausforderungen im Leben von Jugendlichen. Sie haben eine Million Möglichkeiten, was sie machen könnten. Von daher ist es für die allermeisten schwer, sich für eine berufliche Richtung zu entscheiden. Wie kann man ihnen trotzdem helfen, ihren beruflichen Weg zu gehen? Hier ein paar praktische Tipps für Jugendliche:

1. Finde deine Gaben und Fähigkeiten heraus. Hilfreich ist der Schüler-Test auf www.berufsprofiling.de. Er dauert ca. 1,5 Stunden und ist das Beste, was es aktuell dazu gibt.

2. Finde Berufe, die zu diesen Begabungen passen. Das Testergebnis liefert wertvolle Hinweise.

3. Wähle fünf bis 15 Berufe aus der Liste aus und informiere dich intensiv darüber. Infos zu Berufen findest du u.a. hier: www.berufe.tv, www.planet-beruf.de, www.berufsberatung.ch

4. Mache von den drei Haupt-Berufen, die du für dich entdeckt hast, eine Liste: Was spricht für diesen Beruf, was dagegen? Lege für jeden Beruf ein Din A4-Blatt an.

5. Suche dir einen Berater, mit dem du über deine Überlegungen sprichst. Du kannst zum Beispiel mit dem (Jugend-)Pastor darüber reden. Auch im Berufsinformationszentrum bzw. in der Arbeitsagentur gibt es gute Berater. Schweizer wenden sich an die kantonale Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung.

6. Bete während dieses Prozesses immer wieder. Gott hat etwas vor mit deinem Leben – und er wird dich durch all deine Überlegungen leiten. Schreib alle Fragen, Zweifel und Unsicherheiten zum Beispiel in einem Gebetstagebuch auf.

EIN JAHR ORIENTIERUNG
Meine Frau und ich leiten „Lebenstraum“ – ein Jahr der Orientierung für junge Erwachsene in Uffenheim/Mittelfranken. Auch das ist eine Möglichkeit für unentschlossene junge Erwachsene. Es gibt drei Schwerpunkte: Berufsfindung und Persönlichkeitsentwicklung, Biblische Inhalte und christliche Werte, Soziales Engagement. Dabei ist uns wichtig, dass die jungen Erwachsenen Verantwortung übernehmen. Sowohl für die Berufswahl, als auch für die Gemeinschaft und ihren persönlichen Glauben. Außerdem kann jeder Teilnehmer in selbst konzipierten sozialen Projekten seine Gaben austesten.

Stephan Münch und seine Frau Hanna leiten das Orientierungsjahr „Lebenstraum“ in Uffenheim: www.dein-lebenstraum.com .

Die Qual der Wahl

Wie Eltern bei der Berufsfindung helfen können

Jahr für Jahr stehen Jugendliche vor der Frage, welchen Beruf sie ergreifen sollen. Eine schwierige Frage, denn nur ein Beruf, der den eigenen Fähigkeiten und Interessen entspricht, macht langfristig glücklich. Wesentlich bei der Berufswahl ist also, sich seiner Stärken und Schwächen bewusst zu sein. Falls nicht schon die Schule das Thema angestoßen hat, kann ein Gespräch mit den Eltern helfen.

Doch Vorsicht: Hier ist Neutralität gefragt. Eltern neigen dazu, sich um die Zukunft ihrer Kinder zu sorgen und empfehlen daher oft vermeintlich sichere, gut bezahlte Jobs. Mitunter spielen auch unerfüllte Träume eine Rolle oder unbewusste Eigeninteressen. Dem Jugendlichen müssen aber persönliche Wünsche erlaubt sein – und scheinen sie noch so illusorisch. Besser, als das Kind in eine ungewünschte Richtung zu drängen, ist es, aus seinen Äußerungen eine realistische Perspektive zu entwickeln.

Stärken entdecken

Neben der Eigencharakterisierung des Jugendlichen, die in der Regel aus Lieblingsfächern und Hobbys resultiert, kann es helfen, sich mit der Beurteilung anderer auseinanderzusetzen: Sporttrainer, Lehrer, Freunde oder Vereinsmitglieder. Am wichtigsten aber ist es, nach aussagekräftigen Situationen zu forschen: Wann geht das Kind wirklich auf in einer Sache? Wann kam es zu außergewöhnlichem Engagement? Vielleicht bei der Organisation eines Festes, der Aufführung eines Theaterstücks, beim Reparieren defekter Geräte, einem Marathonlauf? Je konkreter die Beispiele, desto besser.

Außerdem sollten Persönlichkeitsmerkmale berücksichtigt werden, die bei der Berufsfindung allzu oft im Hintergrund bleiben. Hält sich das Kind zum Beispiel lieber drinnen oder draußen auf, zieht es Ruhe oder Bewegung vor, arbeitet es  lieber allein oder mit anderen, kann es sich gut unterordnen, ist es freiheitsliebend oder folgsam, braucht es Herausforderungen? Ein quirliger Jugendlicher, der die meiste Zeit draußen in Bewegung ist, wird eventuell später Schwierigkeiten haben, zu festen Zeiten einem Angestelltenjob nachzugehen. Egal, wie gut seine Noten im kaufmännischen Rechnen sind.

Praxis statt Theorie

Ein Einblick in den Berufsalltag ist unersetzlich. Eltern sollten nicht nur detailliert alle Facetten ihres eigenen Jobs darlegen – Arbeitszeiten, Kleidung, Tagesablauf –, sondern auch ihre Kontakte spielen lassen. Freunde, Verwandte und Bekannte können aus ihrem Arbeitsleben berichten oder bei der Vermittlung eines Praktikums helfen. Auch der Apotheker oder Buchhändler, bei dem man Stammkunde ist, kann vielleicht interessante Einblicke gewähren. Wichtig ist, dem Jugendlichen ein umfassendes Bild zu verschaffen von Arbeitsinhalten und -bedingungen.

Dasselbe gilt für die Frage: Studium oder Lehre? Ein Geographiestudium unterscheidet sich sehr vom Erdkundeunterricht in der Schule und mancher Sprachenfreund wäre mit einer Dolmetscherausbildung besser bedient als mit einem Romanistikstudium. Sinnvoll ist, sich vorab genau über Inhalte und Ablauf eines Studiums zu informieren und auch einmal Vorlesungen live mitzuerleben und mit Studenten vor Ort zu sprechen. Was auch immer Sohn oder Tochter am Ende beschließen: Die Eltern sollten stets im Hinterkopf behalten, dass es das Kind ist, das letztlich mit seiner Entscheidung leben muss. Eltern können – und sollten – nichts weiter tun, als alle notwendigen Informationen zu beschaffen, die das Kind braucht, um eine wohl überlegte Entscheidung zu treffen.

Silke Mayer arbeitet im Bereich Weiterbildung und Training, daneben ist sie als freiberufliche Autorin tätig. Sie lebt mit ihrer Familie in Duisburg.

Illustration: Thees Carstens