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Familienfreundliche Gemeinden?

Es hängt sehr stark von den einzelnen (Kirchen-)Gemeinden ab, wie sehr sich Familien willkommen und zu Hause fühlen. Lisa-Maria Mehrkens hat bei Familien nachgefragt, wie sie ihr Gemeindeleben gestalten und was sie sich von Gemeinden wünschen.

Wie familienfreundlich Gemeinden wahrgenommen werden, ist sehr unterschiedlich. In den meisten Gemeinden gibt es über die Woche verteilt Angebote für verschiedene Altersgruppen, zum Beispiel Mama-Kind-Kreise, Krabbelgruppen, Jungschar, Teenkreis oder Junge Gemeinde. Auch parallel zum sonntäglichen Gottesdienst finden Angebote für Kinder und Teens statt. Manche Gemeinden haben für Eltern mit Kleinkindern spezielle und gut ausgestattete Spielräume, in die der Gottesdienst per Ton oder Bild übertragen werden kann. Doch nicht jede Kirche oder Gemeinde hat die baulichen Möglichkeiten, einen extra Raum für Familien einzurichten. „Ungemütlich, zu klein, zu laut“ nannten einige Eltern die bei ihnen vorhandenen Räume. Einige wünschten sich zusätzliche Still- oder Wickelmöglichkeiten sowie Rückzugsmöglichkeiten, wenn es den Kindern zu viel wird.

„Wir kommen immer auf den letzten Drücker zum Mutti-Kind-Kreis. Oft ist es leider nur ein weiterer Termin im stressigen Alltag“, beschreibt eine Mutter das Problem vieler Familien. Der Alltag ist so vollgepackt, dass – selbst familienfreundliche – Gemeindeveranstaltungen manchmal nur zusätzlicher Stress sind. Dabei können enge Beziehungen, die über die kirchlichen Veranstaltungen hinaus Bestand haben, günstig für das eigene Glaubensleben und Wohlbefinden sein. Deshalb plädieren viele Eltern dafür, bei Gemeindeveranstaltungen mehr Zeit für Austausch und die Pflege von Beziehungen einzuräumen. Zum Beispiel bei Familientreffen mit viel gemeinsamer Zeit und einem kurzen geistlichen Impuls. Ein gemeinsames Mittagessen nach dem Gottesdienst würde den Druck verringern, sich zu Hause um das Essen kümmern zu müssen und für Gemeinschaft und Austausch sorgen. Gleichzeitig hätten die Kinder gleichaltrige Freunde zum Spielen, was auch die Eltern entlastet. „Je mehr die Menschen aus der Gemeinde auch Teil des alltäglichen Lebens sind, umso einfacher ist es auch, Glaube in den Alltag zu bringen. Besonders wenn auch die Freunde der Kinder Teil der Gemeinde sind“, betont ein Vater.

Gottesdienst als Familie erleben

Der Besuch des wöchentlichen Gottesdienstes ist vor allem für die Eltern herausfordernd, deren Kinder noch nicht alt genug für den Kindergottesdienst sind. Dann kann bei Paaren nur ein Elternteil bewusst dem Gottesdienst folgen, während der andere den Nachwuchs betreut. Für Alleinerziehende ist es noch schwieriger. Einige Eltern bemängeln die ungünstigen Zeiten oder die zu lange Dauer der Gottesdienste. „Familienfreundliche Gottesdienste sollten zu familienfreundlichen Zeiten stattfinden sowie abwechslungsreich, kurz und prägnant gestaltet werden“, schlägt eine Mutter vor. Dennoch gehen einige Familien auch mit Babys und (Klein-) Kindern fast jeden Sonntag in den Gottesdienst. „Für mich schafft der Gottesdienst Zeit und Raum für Begegnungen mit Gott, die mir im Alltag fehlen. Zudem ist mir die Zeit auch wichtig für die Begegnung mit anderen und weil meine Kinder im Kindergottesdienst etwas vom Glauben hören“, erklärt ein Vater seine Beweggründe. Eine Mutter betont, dass es wichtig sei, gemeinsam als Familie Erfahrungen mit Gott zu machen. Die altersspezifischen Angebote unter der Woche nehme meist nur ein Teil der Familienmitglieder wahr. „Im Gottesdienst können wir zumindest zeitweise alle zusammen sein. Das stärkt uns als Familie gemeinsam in unserem Glauben.“

Zum Fußball oder in die Gemeinde?

Neben jüngeren Kindern sind auch Teenager ein wichtiger Teil von Gemeinden, der gelegentlich zu wenig beachtet wird. Manchmal konkurrieren ihre Hobbys, wie ein Fußballspiel oder eine Theateraufführung, zeitlich mit Gemeindeangeboten. Für viele Teenager ist entscheidend, zu welchem Angebot ihre Freunde gehen. Spezielle Jugendgottesdienste, gemeinsame Ausflüge, Mahlzeiten oder (Online-)Treffen unter der Woche stärken die Gemeinschaft und Freundschaften der Teens innerhalb der Gemeinde. Einige Eltern finden, ihre Teens könnten mehr in die Gemeindestrukturen eingebunden werden und Aufgaben übernehmen, damit sie Verantwortung lernen und sich gebraucht fühlen. „Man kann Jugendlichen schon mehr Verantwortung und Aufgaben übertragen, als man manchmal denkt“, meint eine Mutter. Auf diese Art können sich die jüngeren Gemeindemitglieder auch in verschiedenen Bereichen ausprobieren und ihre Begabungen entdecken und stärken. Gottesdienste und andere Angebote sollten so gestaltet werden, dass sie die Lebenswelt der Jugendlichen ansprechen. So fühlen sich Teenager auch nach der Konfirmation oder dem Ende des Bibelunterrichts noch als Teil der Gemeinde.

Anschluss nicht verlieren

„Seit wir Kinder haben, gehen wir nicht mehr jeden Sonntag in den Gottesdienst. Es ist einfach zu anstrengend, die Kinder ruhig zu halten, mit ihnen zu spielen und gleichzeitig noch dem Lobpreis oder der Predigt zu folgen. Ein Kinderprogramm gibt es erst ab drei Jahren. Da bleiben wir lieber zu Hause.“ Das berichtet eine Mutter von Zwillingen im Alter von einem Jahr. Und sie ist mit dieser Erfahrung nicht allein. Seit die Corona-Pandemie verschiedene Online-Angebote wachsen ließ, nutzen besonders Familien mit Babys und Kleinkindern, die noch zu jung für die Kindergottesdienste sind, die Möglichkeit, vom gemütlichen Sofa aus an Online-Treffen teilzunehmen oder den Gottesdienst im Livestream zu verfolgen. Eine Mutter berichtet, dass auch ihr spezieller Hauskreis für Mütter mit Babys meist online stattfindet: „So kann man sich stummschalten, wenn das Baby schreit. Und jede Mama kann füttern und wickeln, wie es gerade passt“, berichtet sie. Auch bei Hausgottesdiensten innerhalb der Familie oder zusammen mit Gästen kann durch mehr Flexibilität besser auf die einzelnen Bedürfnisse eingegangen werden.

Dennoch berichten manche Eltern, sich durch den fehlenden persönlichen Kontakt nicht mehr richtig als Teil der Gemeinde zu fühlen. Deshalb stellt sich neben der Frage, wie familienfreundlich Gemeinden sind, auch die Frage, wie gemeindefreundlich eine Familie ist. Die Möglichkeiten der Eltern, sich in die Gemeinde einzubringen, sind vielfältig: einen Hauskreis oder die Jugendgruppe leiten, den Gottesdienst moderieren, sich im Lobpreis, dem Leitungskreis oder der Technik engagieren. Die Verantwortung zwischen dem Dienst in der Gemeinde und der Betreuung der Kinder kann dabei abwechselnd aufgeteilt werden. Oder man nimmt die Kinder mit und integriert sie, soweit es geht. „Wenn ich den Beamer-Dienst im Gottesdienst habe, sitzt mein Sohn meist mit auf meinem Schoß. Manchmal lasse ich ihn eine Folie weiterklicken und er freut sich, dass er mir helfen kann“, berichtet ein Vater.

In Gemeinden Talente für Gott einsetzen

Eine andere Familie erzählt, dass sie sich gemeinsam als „Familienband“ in der Lobpreisarbeit beteiligen. „Das ist für uns perfekt. Wir haben als Familie ein gemeinsames Hobby, können gleichzeitig Zeit in der Gemeinde verbringen und unsere Talente für Gott einsetzen“, erklärt die Mutter. Gemeinsame Mahlzeiten nach Gottesdiensten, Aktivitäten mit anderen Familien oder feste wöchentliche Treffen tragen die gemeindeinternen Beziehungen in den Alltag und können auch von den Familien selbst initiiert werden. Zudem können sich Eltern für regelmäßige Familiengottesdienste stark machen und aktiv dort mitwirken. Wenn die Eltern-Kind-Räume nicht zufriedenstellend sind, können sich Familien zusammenschließen und selbst für eine Verbesserung einsetzen.

Sowohl die Gemeinden als auch die Familien selbst sind durch gegenseitiges Verständnis, Austausch und Kompromisse in der Verantwortung, eine gemeinsame Basis zu finden. Nur so kann eine Gemeinde für alle gelebt werden. Eine Mutter betont, Gemeinden sollten Familien als „stark prägende Konstante für das Glaubensleben“ wertschätzen und unterstützen. Ihre Idee: eine „Patenschaft“ von älteren Eltern für jüngere Familien.

Lisa-Maria Mehrkens ist Journalistin, Autorin und Psychologin. Mit ihrer Familie wohnt sie in Chemnitz. Mehr auf Instagram unter: mehrkens.journalismus und himmelslichtfuerdich

Happy End: So wurde Eremias aus Eritrea ein Teil von Alexanders Familie

Der Geflüchtete Eremias ist mittlerweile ein Dauergast bei Alexander. Jetzt erzählen beide, was ihre Freundschaft ausmacht.

Teil 1: Der familienlose Vater Eremias (35)

Vor zwei Jahren kam ich aus Eritrea nach Deutschland. Meine Frau und unsere zwei Söhne sind noch in Afrika. Ich vermisse sie sehr. Ich hoffe, dass sie bald alle Papiere bekommen, um nachzureisen. Bis dahin versuche ich, Geld zu verdienen, eine Wohnung zu finden und Deutsch zu lernen. Gott sei Dank habe ich Freunde gefunden, die mir helfen. Alexander ist einer von ihnen. Er übt mit mir Deutsch. Gemeinsam füllen wir Anträge aus, er begleitet mich zum Amt oder zu einem Vorstellungsgespräch. Es ist sehr anstrengend für mich, denn alles ist fremd und ungewohnt.

Im Flüchtlingsheim wohne ich mit vier Männern in einem kleinen Zimmer. An der Wand neben meinem Bett hängen die Fotos meiner Frau und unserer beiden Söhne. Mein Jüngster war ein Baby, als ich ihn zuletzt sah. Jetzt kann er laufen und sprechen. Manchmal telefonieren wir und dann höre ich meine Kinder plappern.

Gemeinsam deutsch lernen

Ich war sehr glücklich, als mich Alexander in seine Familie einlud. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder im Schulalter. Wir gingen gemeinsam in den Gottesdienst und aßen zusammen Mittag. Je besser wir uns kennenlernen, umso häufiger bin ich bei ihnen. Ich versuche, keine Mühe zu machen und will die Familienroutine nicht stören. Anfangs lehnten sie meine Hilfe ab, aber es ist kein gutes Gefühl, wenn ich meine Dankbarkeit nicht ausdrücken kann. Nun mähe ich den Rasen oder helfe in der Küche mit. Wenn die Kinder am Küchentisch Hausaufgaben machen, übe ich auch. Ich lese und schreibe in Deutsch. Die Kinder lachen, wenn ich etwas falsch ausspreche. Dann verbessern sie mich. Ich versuche, ihre Bücher zu lesen. Manche sind sehr lustig. Alexanders Frau sagt immer: „Wenn man Humor versteht, versteht man sehr viel.“

„Ich war das erste Mal in einem Kino“

Seit ich Alexanders Familie besuche, bin ich fröhlicher. Ich darf bei ihnen duschen und kann mir dabei Zeit lassen. Ich habe eine gute Internetverbindung, um mit meiner Familie in Afrika zu chatten. Bei schlechtem Wetter verbringe ich die Zeit auf ihrem Sofa. Es ist so gemütlich bei ihnen. Sie geben mir ein Gefühl von Heimat Alexander und seine Familie nehmen mich mit auf Ausflüge, zu Festen oder auf den Spielplatz. Ich freue mich schon darauf, meinen Kindern den See, den Wald oder die Stadt zu zeigen. Mit Alexander war ich das erste Mal in einem Kino. Ich habe nicht alles verstanden, aber die Bilder und die Stimmung waren großartig. Ich aß Popcorn aus einem Eimer.

Alexander schenkte mir sein altes Fahrrad. Wir haben es gemeinsam repariert. Ich bin ziemlich schlecht gefahren. Wir übten auf einem Weg und die Kinder flitzten mit ihren kleinen Rädern neben mir her. Wenn ich die Hoffnung verliere, bald mit meiner Familie vereint zu sein, macht mir Alexander Mut.

Teil 2: Der Familienvater Alexander (46)

Immer wieder kommen Flüchtlinge in unseren Ort. Es werden immer Helfer gesucht, und ich will gern helfen. Eremias lernte ich im Deutschkurs kennen. Er ist ein junger Familienvater. Ich stellte mir vor, wie schrecklich es sein muss, die eigene Familie nicht beschützen und versorgen zu können. Ich unterstütze Eremias, damit er möglichst schnell selbstständig wird. Die vielen Anträge und Behördengänge sind mühsam, aber jedes Dokument bringt uns ein Stück vorwärts. Er hat Aussicht auf eine Arbeitsstelle als Küchenhilfe in einem Hotel. Der Arbeitgeber würde ihm eine Dienstwohnung zur Verfügung stellen. Das wäre ein großer Fortschritt.

Als ich sah, wie Eremias in der Flüchtlingsunterkunft lebt, lud ich ihn zu uns ein. Anfangs behandelten wir ihn wie einen Gast. Er sollte sich einfach nur wohlfühlen. Aber wir merkten, dass er helfen will. Er will kein Gast sein, er möchte eher ein Hausfreund sein. Er ist sehr hilfsbereit. Also packt er im Garten mit an. Beim Rasenmähen erwischt er manchmal die Pflanzen meiner Frau. Jetzt stellt sie bunte Plastikhütchen hin, damit er weiß, was stehen bleiben soll. Wir lernen, die Dinge nicht zu eng zu sehen. Wenn etwas kaputtgeht oder misslingt, dann ist es so. Wir kauften für ihn Wäsche, aber er bestand darauf, sie selbst zu bezahlen. Ich muss lernen, ihn nicht zu betüddeln oder zu bedrängen.

„Immer wieder schreibt er RIP unter die Bilder“

Manchmal mache ich mir Sorgen, dass ihn unser Familienleben erst recht traurig macht. Als meine Schwiegereltern zu Besuch waren, suchte er den Kontakt zu meiner Schwiegermutter. Seine Großfamilie fehlt ihm und es scheint ihn zu trösten, dass er bei uns Anschluss hat.

Meine Söhne spielen gern mit Nerfs, diesen Spielzeugwaffen, die Schaumstoffpfeile abschießen. Durch Eremias verstehen sie, wie schrecklich Krieg und Flucht sind. Jetzt sind sie in einem Alter, in dem Shooter Games interessant werden. Sie sind sensibler geworden und lehnen die Spiele ab, die zu realistisch sind. Eremias zeigt uns die neuesten Fotos seiner Familie, spielt eritreische Musik vor oder wir suchen auf Google Earth sein Heimathaus. Er versucht, uns mit in seine Welt zu nehmen. Aber er erzählt nur wenig von seiner Flucht und was er in den unterschiedlichen Camps erlebt hat. Als katholischer Christ wurde er von Andersgläubigen schikaniert. Seine Art, den Glauben zu leben, hat mich sehr berührt. Auf Facebook teilt er immer wieder Traueranzeigen von Freunden aus seiner Heimat. RIP. Immer wieder schreibt er RIP unter die Bilder. Eremias lebt mit so viel Zerbruch, dass mir meine Probleme ganz klein erscheinen. Wir beten mit ihm. Meine Kinder spüren auch die Traurigkeit in ihm.

„Die Freundschaft macht uns bescheidener“

Eremias lädt uns auch zu sich ein. Dann hocken wir in dem kleinen Zimmer zwischen den anderen Männern. Er hat für uns gekocht und ist stolz, uns zu bewirten. Das Essen sieht seltsam aus. Ich kann die Zutaten nicht erkennen, aber es schmeckt erstaunlich gut. Mein ältester Sohn liebt die scharfen Speisen. Den Kindern gefällt es, dass sie mit den Händen essen dürfen. Sie stippen Fladenbrot in Soßen und dicke Suppen. Wenn mir das Essen zu scharf ist und ich einen roten Kopf bekomme, lachen die Männer.

Es ist schön, mit Eremias etwas zu unternehmen, das er nicht kennt. Wir sind mit ihm in die Berge gefahren, gingen ins Konzert und besuchten ein Schwimmbad mit Sprungturm. Dadurch entdecken auch wir immer etwas Neues. Nichts ist selbstverständlich. Es macht uns bescheidener. Die Freundschaft zu Eremias hat mir gezeigt, wie kostbar Familie ist. Die besten Träume und Wünsche nützen nichts, wenn man nicht in Frieden leben darf.

Protokoll: Susanne Ospelkaus

„Ihr Engagement ist gefragt!“

Ehrenamtliche Helfer werden überall gebraucht. Was tun? Manche ziehen sich komplett in die Familie zurück. Andere Mütter und Väter stehen in der Gefahr, sich vollkommen zu verzetteln. Weiterlesen