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„Wird unser Sohn in der Schule gemobbt?“ – Auf diese Anzeichen sollten Eltern achten

Wenn Jugendliche unter Mobbing oder Cybermobbing leiden, besteht dringender Handlungsbedarf. Elterncoach Sandra Schreiber erklärt, was die Alarmsignale sind.

„Unser Sohn (14) zieht sich immer mehr zurück und erzählt uns kaum mehr etwas. Seine Klassenlehrerin hat uns erzählt, dass er in der Schule eher Außenseiter ist und wahrscheinlich sogar gemobbt wird. Darauf angesprochen, hat er sich in sein Zimmer verzogen und jedes Gespräch mit uns verweigert. Wir würden ihm gern helfen, aber wie?“

Geben Sie Ihrem Sohn Zeit und signalisieren Sie ihm, dass Sie für ihn da und gesprächsbereit sind. Vielleicht ist es möglich, dass er in einer entspannten Atmosphäre zu einer für ihn passenden Zeit auf Sie zukommt? Gab es in der Vergangenheit vielleicht Momente, in denen persönliche Gespräche leichter entstehen konnten (bei der Autofahrt oder beim Einkaufen)? Falls ja, probieren Sie diese Möglichkeit aus. Sie könnten ihm auch anbieten, sich seinen Gesprächspartner frei zu wählen. Möglicherweise gibt es eine Tante, die einen guten Draht zu ihm hat, einen Jugendleiter, ältere Geschwister oder vielleicht den Sporttrainer? Sollten die depressiven Gefühle und die Verweigerungshaltung anhalten, rate ich Ihnen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Was ist die Definition von Mobbing?

Da die Klassenlehrerin bereits das Wort Mobbing ausgesprochen hat, möchte ich Ihnen noch einige Überlegungen dazu mitgeben: Es ist wichtig, einen Unterschied zwischen Konflikt und Mobbing zu machen. Bei einem Konflikt sind die Beteiligten einigermaßen gleichstark und gleichberechtigt. Konflikte gehören zum Alltag, sie haben meist einen konkreten Inhalt und gehören zur sozialemotionalen Entwicklung dazu. Aus Konflikten kann man viel lernen, wie etwa nachgeben oder sich wehren, sich durchsetzen, Lösungen finden und Ähnliches. Im Gegensatz dazu herrscht beim Mobbing ein Kräfteungleichgewicht (das Opfer ist körperlich oder psychisch unterlegen), die Lösung aus eigener Kraft ist nicht möglich, und die Angriffe erfolgen systematisch, wiederholt und über einen längeren Zeitraum. Bei Mobbing handelt es sich um Macht und Schwäche, Drohen und Schweigen, Ausschluss und Einsamkeit, Manipulation und Hilflosigkeit.

Werden Sie aktiv!

Beobachten Sie Ihr Kind auf Verhaltensveränderungen wie etwa Leistungsabfall in der Schule, sozialer Rückzug, körperliche und psychische Reaktionen wie Angst, Übelkeit, Kopfschmerzen, Fehlen und Beschädigung von Schulsachen. Bedenken Sie, dass Mobbing auch in Form von „Cybermobbing“ in sozialen Netzwerken stattfinden kann und Ihr Sohn somit etwaigen Angriffen möglicherweise nicht nur vor Ort in der Schule ausgesetzt ist. Bestätigt sich die Vermutung, sollten Sie aktiv werden. Sprechen Sie zuerst mit Ihrem Sohn über Ihre und die Sorge der Klassenlehrerin. Achten Sie dabei darauf, dass Sie ihm keine Schuldzuweisungen machen. Erklären Sie ihm, dass er ohne die Hilfe von Erwachsenen nicht aus der Situation herauskommt und dass es Ihre Aufgabe als Eltern und Schule ist, ihm zu helfen. Versichern Sie ihm, dass alle Interventionen vorher mit ihm besprochen werden. In der Schule gibt es häufig einen Sozialarbeiter oder eine Vertrauenslehrerin, der oder die in Anti-Mobbing-Programmen geschult ist. Nutzen Sie das Helfersystem, das sowohl Ihr Kind als auch Sie als Eltern unterstützt und konkrete Hilfe leisten kann.

Sandra Schreiber ist Beraterin und systemischer Elterncoach in der christlichen Beratungsstelle „LebensRaum Gießen“. 

Zeterzank

„Meine Kinder (5 und 3) streiten sehr oft. Mehrmals am Tag gehe ich dazwischen, damit sie sich nicht gegenseitig verletzen. Aber sollte ich eigentlich eingreifen?“

Kinder erleben das Streiten und Rangeln als Teil ihres Alltags und lernen dabei sehr viel. Sie lernen, wie es ist, mit einer Idee nicht durchzukommen. Im Kräftemessen werden sie erfinderisch und entwickeln Strategien, mit Erfolgen und Niederlagen umzugehen. Greifen Eltern zu oft ein, werden Kinder der Möglichkeit beraubt, eine Idee zur Lösung zu finden. Mischen Eltern sich häufig ein, kann beim Kind sogar das Gefühl entstehen, Streitereien nicht selbst regeln zu können und immer einen Fürsprecher zu benötigen. Das Eingreifen der Eltern hat aber auch noch eine andere Dimension: Der Streit besteht nicht erst ab Heulen und Schreien, sondern entwickelt sich aus Missverständnissen, Egoismus, Wut, der persönlichen Tagesform oder kleinen Gesten und Situationen. Tritt ein Elternteil in dieses Geschehen ein, ist es schwierig zu erfassen, wer Trost und wer eine Ermahnung braucht – ein ungerechtes Urteil kann die Folge sein.

BEOBACHTEN
Eltern sind gut damit beraten, sich ihre Kinder im Streit bewusst anzusehen und wahrzunehmen, ob wiederkehrende Muster auftreten. Ist zum Beispiel ein Kind wütend und empört, weil ein anderes mitspielen wollte und verleiht seiner Empörung lautstark Ausdruck, könnte es gut sein, den Mitspieler zur Seite zu nehmen und zu erklären: „Er wollte so gern allein spielen!“ Sollte dies zur Regel werden, ist es notwendig, sich mit dem Einzelspieler auseinanderzusetzen, um ihm zu helfen, sich auf andere einzustellen. Sind in einer Geschwister- oder Freundeskonstellation beide Kinder mal die Nachgebenden und die Durchsetzungsstarken, dürfen Eltern sich aus den ungemütlichen Situationen heraushalten – egal, wie lautstark es wird.

EINGREIFEN?
Eingreifen wird dann nötig, wenn ein Kind in Gefahr steht, verletzt zu werden. Eine Rangelei um ein Haargummi oben auf einer hohen Rutsche ist keine entwicklungsfördernde, sondern eine gefährliche Situation. Kneifen, kratzen, schubsen kann nach einem Konflikt als unpassend erklärt werden, wenn Kinder beißen oder würgen, müssen Eltern deutliche Zeichen setzen. Je jünger die Kinder sind, umso mehr dürfen die Streitereien mit Ritualen eingeübt werden: das Auto, um das man sich „kloppt“, kommt auf den Schrank. Beide suchen sich etwas Neues. Wichtig – auch für spätere Zusammenstöße aller Art: Es ist nicht immer der Gleiche „schuld“ und damit auch auf keinen Fall der Mensch „doof“. Eltern dürfen Vorbild sein, indem sie bei beiden Kindern nachfragen: „Alles ok?“ „Habe ich dich richtig verstanden? Du möchtest, so gern mit dem Bagger spielen?“ Dabei ist es erlaubt, zornig und ärgerlich zu werden und sich zu streiten. Eingreifen bei Streit: so wenig wie möglich. Bei jüngeren ganz konkret, um Verletzungen zu vermeiden. Bei älteren Kindern besonders, um Streit mit allen wiederstreitenden Gefühlen zu verstehen.

Stefanie Diekmann ist Diplom-Pädagogin und lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Ingelheim am Rhein.