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Einsamkeit im ersten Babyjahr – was tun?

Den ganzen Tag mit dem Baby zusammen und dennoch einsam? Das klingt paradox – doch Einsamkeit ist für manche Eltern im ersten Babyjahr Realität.

Das Einsamkeitsbarometer des Deutschen Familienministeriums von 2024 listet die Erziehung und Betreuung minderjähriger Kinder als „erhöhte Einsamkeitsbelastung“ auf. Als Eltern habe man weniger Zeit, soziale Kontakte zu pflegen. Vor allem im Coronajahr 2020 fühlte sich rund ein Drittel aller Eltern einsam, 2021 waren es noch über 12 Prozent, bei Alleinerziehenden litten sogar 16 Prozent an Einsamkeit. Im Internet findet man viele Berichte von Müttern, die sich mit Baby zu Hause einsam fühlen. Vor allem dann, wenn der Partner viel arbeitet oder Freunde und Familie weiter weg wohnen.

Auch ich habe mich in der Elternzeit sehr oft nicht nur allein, sondern einsam gefühlt. Mir fehlte der Austausch mit Erwachsenen. Zu Hause allein mit Baby war mir oft langweilig. In Spiel- und Krabbelgruppen fühlte ich mich aufgrund der oft so unterschiedlichen Erziehungsstile selten wirklich wohl. Sozialkontakte aus der Zeit vor den Kindern brachen teilweise weg, weil die Lebensentwürfe, Themen und Zeitpläne zu verschieden waren. Da ich nebenbei freiberuflich weiterarbeitete, ging mein Themenfeld in Gesprächen über Babythemen hinaus, womit viele meiner Mama-Bekanntschaften nichts anfangen konnten. Ich wollte Zeit mit meinem Kind verbringen und brauchte gleichzeitig auch Zeit für mich allein und meine Arbeit. Diese Zerrissenheit führte zu ständigen Schuldgefühlen, weil ich weder ganz in der einen noch in der anderen Welt war. Ich war verunsichert und fragte mich, was mit mir nicht stimmte, dass ich die Elternzeit nicht so genießen konnte, wie scheinbar alle anderen Mütter um mich herum. Später stellte ich fest, dass es vielen Müttern ähnlich ging – nur sprach kaum jemand offen darüber.

Nicht allein, aber einsam

Das Gefühl von Einsamkeit im ersten Babyjahr scheint ein Tabuthema zu sein. Keine Mutter – oder kein Vater – gibt gern zu, dass die Gesellschaft des Babys nicht immer reicht. Und dennoch kennen die meisten dieses Gefühl wahrscheinlich. So wie Sara. Als die rund einjährige Elternzeit mit ihrem Sohn begann, ging ihre zweieinhalbjährige Tochter in den Kindergarten. Sara und ihr Mann waren gerade in ein Haus auf einen ehemaligen Bauernhof zur Familie gezogen. Vor der Elternzeit hatte Sara viele soziale Kontakte und ging gern zur Arbeit. Doch ihr Sohn schlief sehr schlecht, wachte nachts stündlich auf, weinte tagsüber viel. Der monatelange Schlafmangel erschöpfte Sara. „Ich war so müde, ich konnte weder Freunde treffen noch Babykurse besuchen. Nicht mal einkaufen war möglich“, sagt sie über ihren Zustand damals.

Trotz der Unterstützung von Mann und Mama fühlte sich Sara überfordert und einsam. „Es war schwierig, die Verantwortung und Belastungen die meiste Zeit des Tages nicht teilen oder sich darüber austauschen zu können“, erzählt sie. Während andere Eltern vom schönen ersten Babyjahr schwärmten, konnte Sara dieses Empfinden nicht teilen. Manche Freundinnen und Freunde reagierten mit Unverständnis, andere zeigten keinerlei Reaktion, wenn sie von ihren Problemen erzählte. Einige brachen den Kontakt sogar ab. Nur ein paar wenige zeigten sich empathisch, verständnisvoll und interessiert.

Vor allem kinderlose Menschen können das Gefühl von Einsamkeit in den ersten Babymonaten nur schwer nachvollziehen – wie kann das denn sein, wo man doch den ganzen Tag mit einem kleinen Menschen zusammen ist?! Doch Einsamkeit ist nicht mit Alleinsein zu verwechseln. Einsamkeit ist subjektiv. Das Einsamkeitsbarometer beschreibt Einsamkeit als „wahrgenommene Diskrepanz zwischen den Erwartungen an soziale Beziehungen und den tatsächlich vorhandenen Beziehungen“, sowohl bezogen auf die Anzahl als auch Qualität der Sozialkontakte. Es gibt Menschen, die von außen betrachtet in ein großes soziales Netzwerk eingebunden sind und sich dennoch einsam fühlen. Und es gibt Menschen, die oft allein sind, ohne darunter zu leiden. Auch Sara kennt das Gefühl, einsam, aber nie allein zu sein: „Ich habe mich nach Gesellschaft gesehnt und gleichzeitig nach Zeit, mal wirklich allein für mich zu sein. Ich war zerrissen zwischen mehreren Herzenswünschen“, erinnert sie sich.

Sehnsucht nach Austausch

Natürlich empfindet es nicht jedes Elternteil so. Manche schaffen es, ihre früheren Sozialkontakte aufrechtzuerhalten oder in Spielgruppen neue zu finden. Bei manchen leben Eltern und Geschwister im gleichen Ort. So wie bei Tabea und Linda. Tabea ist seit rund zehn Monaten in Elternzeit mit ihrem ersten Kind. „Ich bin sehr gern zu Hause, es macht mir viel Freude und ich habe viel Spaß mit meiner Tochter“, sagt sie. Vor allem die ersten vier Monate nach der Geburt war sie froh, die Zeit mit ihrer „pflegeleichten Tochter“ ohne Verpflichtungen oder Termine genießen zu können. Wenn sie sich nach Austausch sehnt, besucht sie ihre Geschwister oder Eltern, die nur wenige Gehminuten entfernt wohnen. Eine Freundin mit einem gleichaltrigen Kind wohnt im Nachbarort.

Tabeas Schwägerin war ihre Hebamme und ist jetzt selbst schwanger. Die vielen Kontakte sind „ein großer Segen“ für Tabea. Auch in ihrer Gemeinde ist sie tief verwurzelt, ihr Mann und sie arbeiten bei den Konfirmanden mit. Demnächst wollen sie dort in einen Spielkreis gehen. Aber eine Sache fehlt Tabea: eine Austauschgruppe für Mütter. „Vor allem zu Beginn hätte ich mir eine Online-Austauschgruppe gewünscht“, sagt sie. So hätte jede Mama entspannt mit Baby zu Hause bleiben und sich gleichzeitig über eigene Herausforderungen austauschen können. Leider gab es eine solche Gruppe nicht. „Beim nächsten Kind werde ich es selbst in die Hand nehmen und eine Gruppe gründen“, plant Tabea.

Als Lindas erster Sohn geboren wurde, war ihr Mann als Austauschpartner noch oft zu Hause. Das gab ihr zudem die Zeit, Elterngruppen für neue Kontakte zu finden. Einige Mütter kannte sie bereits aus dem Geburtsvorbereitungskurs. Später kamen Bekanntschaften aus dem Mutter-Kind-Kreis ihrer Gemeinde hinzu. „Ich war also Gott sei Dank von Anfang an recht gut sozial eingebunden“, erinnert sie sich. Deshalb fühlte sie sich nicht einsam, jedoch oft „alleingelassen mit meinen Fragen und Sorgen“. Die vielen unterschiedlichen Ansichten der anderen Mütter verunsicherten sie. Sie wünschte sich ehrlichen Austausch und gegenseitige Unterstützung. „Ich habe lange nach jemandem gesucht, bei dem ich mich mit meinen Unsicherheiten gut aufgehoben fühle und der mir hilfreich zur Seite steht, ohne mich zu belehren und zu sagen, was richtig und was falsch ist“, sagt Linda. Selbst sozial gut eingebundenen Eltern fehlt es also manchmal in der Elternzeit an ehrlichem Austausch auf Augenhöhe.

Wege aus der Einsamkeit

Was hilft nun also, aus der Einsamkeit herauszukommen? Nicht jeder kann auf die Unterstützung von Freunden oder Familie in der Nähe bauen. Wer vor der Geburt des Babys noch kein gutes soziales Netzwerk hatte, kann Krabbelgruppen, Spielplatztreffen und Co dazu nutzen, um neue Bekanntschaften zu finden. Aktivitäten gemeinsam mit dem Kind wirken der Einsamkeit entgegen, weil man vielleicht neue Bekannte mit gleichen Interessen findet. Nebenbei stärken sie die Bindung zum Kind. Das können Sportkurse sein sowie Kreativ- und Musikangebote, bei denen Babys und Kleinkinder willkommen sind. Du hast keine Gruppe, die dir gefällt, in deiner Nähe? Dann gründe wie Tabea selbst eine – vielleicht in deiner Gemeinde – und mach Werbung dafür, um Gleichgesinnte zu finden. Für alle, die sich dazu nicht überwinden können oder sich wie ich in solchen Gruppen nicht wirklich wohlfühlen, sind vielleicht Online-Foren zum Austauschen eine gute Idee.

Falls du neben dem Elternsein noch einen weiteren Lebenssinn suchst: Auch Ehrenämter sind mit Baby und Kleinkind möglich. Zum Beispiel Besuche bei Senioren in der Gemeinde oder einem Altenheim, die etwa der Besuchsdienst des Roten Kreuzes vermittelt. Die meisten Senioren freuen sich über kleine Kinder! An besonders schlechten Tagen habe ich es nicht geschafft, meine Einsamkeit zu überwinden und persönlich nach Kontakten zu suchen. Dann half es mir, meinen Partner einzubinden. Teilweise hat er dann bei befreundeten Familien angefragt und als ersten Schritt ein Treffen zwischen uns Frauen oder Mamas organisiert. Auch der Glaube kann eine große Stütze sein. Sara sagt, Gott habe in dieser schwierigen Zeit mit ihr „das Leben aufgearbeitet, wie es sonst nie möglich gewesen wäre“. Es half ihr zu wissen, „dass da jemand ist, der mich hält und sieht, auch in den dunkelsten Stunden und allein im dunklen Schlafzimmer“.

Lisa-Maria Mehrkens ist Psychologin und freie Journalistin und lebt mit ihrer Familie in Chemnitz.

„Ich schaff es nicht allein!“ – Hilfe für Mütter im Wochenbett

Die Geburt steht bevor und damit kommen oft Sorgen: Wie schaff ich das? Wie versorge ich die anderen Kinder? Wer kann mir helfen, wenn mein Partner keine Elternzeit nehmen kann? Die Mütterpflege kann helfen.

Erst einmal ist es gut, sich schon frühzeitig um die Zeit nach der Geburt Gedanken zu machen. Das Wochenbett ist solch eine besondere, aufregende, herausfordernde und emotionale Zeit für Sie als Mutter mit dem neugeborenen Baby, aber natürlich auch für den Rest der Familie. Da ist es zu Recht ratsam, sich nach Hilfe umzusehen.

Große Entlastung

Gerade, wenn der Partner keinen Urlaub oder Elternzeit nach der Geburt nehmen kann, ist es in Deutschland möglich, sich über die Krankenkasse eine Haushaltshilfe aufgrund einer Entbindung genehmigen zu lassen. Eine Mütterpflegerin wird (noch) im Rahmen der Haushaltshilfe über die Krankenkasse abgerechnet, auch wenn sie weit mehr anbietet. Da der Vorgang meist recht bürokratisch ist, empfehle ich, sich frühzeitig nach einer Mütterpflegerin in der Nähe umzusehen und mit ihr gemeinsam die Anträge vor der Geburt vorzubereiten. Viele Mütterpflegerinnen bieten das gern an.

Eine andere Möglichkeit ist, sich eine Mütterpflegerin privat „zu leisten“. Denn auch wenn der Partner in der ersten Zeit zu Hause ist, kann dies eine große Entlastung sein und entscheidend zu einer Wohlfühl-Atmosphäre beitragen. Auf muetterpflege-deutschland.de erhalten Sie einen guten Überblick, welche Mütterpflegerin in Ihrer Nähe tätig ist. Viele Mütterpflegerinnen haben auch eine eigene Homepage und sind somit gut zu finden. Sie können auch Ihre Hebamme fragen, denn oft gibt es eine enge Zusammenarbeit zwischen Hebamme und Mütterpflegerin.

In der Schweiz findet man Ansprechpersonen unter wochenbettbetreuung.ch oder wochenbettfee.ch. Die Kosten für eine Haushaltshilfe im Wochenbett werden zum Teil von Zusatzversicherungen übernommen.

Zeit mit dem Neugeborenen

Eine Mütterpflegerin übernimmt alle haushaltsnahen Tätigkeiten, betreut die Geschwisterkinder und sorgt somit für die Familie, sodass die Mutter in den ersten Tagen und Wochen freigestellt ist, um sich körperlich und seelisch zu regenerieren und viel Zeit mit dem Neugeborenen zum Bindungsaufbau nutzen kann. Ein häufiger Wunsch ist auch das Zubereiten von gesunden, frischen und wochenbettgeeigneten Mahlzeiten. Neben dem körperlichen Wohl ist aber auch die seelische Gesundheit der Mutter sehr wichtig.

Pause im Wochenbett

Möchte die Mutter ein wenig Schlaf nachholen oder mal in Ruhe duschen? Dann kümmert sich die Mütterpflegerin um das Baby. Möchte die Mutter Unterstützung bei der Babypflege oder dem Stillen? Dann kann die Pflegerin mit Rat und Tat zur Seite stehen. Waren die letzten Tage und Nächte sehr anstrengend? Dann freut sich die Mutter vielleicht über einen guten Tee, ein offenes Ohr und eine entspannende Nackenmassage nach dem letzten Stillmarathon.

Wichtig zu erwähnen ist noch, dass die Mütterpflegerin keine Hebamme ersetzt! Die medizinische Versorgung obliegt der Hebamme. Gern arbeiten sie aber zusammen, sodass eine optimale Versorgung der Familie gewährleistet wird.

Damaris Mierich lebt mit ihrem Mann und ihren drei Söhnen in Radebeul bei Dresden. Mit einigen Kolleginnen ist sie unter muetterpflege-sachsen.de zu finden.

Ein Paar, zwei Perspektiven: Politik

Große Politik am Küchentisch

Katharina Hullen findet den in Lockdownzeiten eingeführten Familienrat großartig.

Katharina: Politik ist, wenn sich Menschen streiten. Insofern gibt es in unserer Familie jede Menge Anlässe für Politik. Die spannende Frage ist: Auf welche Weise wird gestritten? Und: Sind Kinder überhaupt ernst zu nehmende Verhandlungspartner bei der Suche nach tragfähigen Lösungen? Da haben uns die Lockdownzeiten mindestens eine gute Sache gebracht: den Familienrat. Ehrlich, liebe Leserin, lieber Leser, ihr würdet staunen, wie viel Struktur und neue Kompetenzen so ein Rat in das Familienleben bringen kann. Nach zwei Jahren verstehe ich zuweilen Herbert Grönemeyers Forderung nach „Kinder an die Macht!“. Kinder finden erstaunlich schnell Kompromisse und Auswege aus Konflikten. Wir führten den Rat ein, um uns allen eine Struktur – eine Art Stundenplan – zu geben, nach der wir uns richten konnten. Wir wollten nicht gänzlich im Schlafanzug, vereinzelt oder im Streit miteinander vor irgendwelchen Endgeräten verlottern. Am Ende ist dieser Rat nun viel mehr als das geworden. Hier werden nicht mehr nur Wochenpläne geschrieben, sondern eigene Meinungen, Wünsche und Pläne vorgebracht, debattiert und ausprobiert. Auch Konflikte oder Dinge, die nicht so toll laufen, können hier angesprochen und gemeinsam angegangen werden. Wir alle haben gelernt, die berechtigten Interessen der anderen wahrzunehmen und uns bemüht, ein Familienleben zu gestalten, in dem diese Interessen möglichst ernst genommen werden. In einem Sieben-Personen-Haushalt wird es immer eine schwierige Herausforderung bleiben, Freiräume für die Einzelnen herauszuholen. Allein das Bewusstsein für die Wünsche der anderen, weil man schon mal zugehört hat, hat unser Miteinander verändert. Gehört zu haben, was die Eltern besonders belastet, führte zu zusätzlichen freiwilligen Tischdienstzeiten unserer großen Mädels, zu unaufgeforderten Spielzeiten mit den kleinen Brüdern oder dazu, dass Kleidung nicht so schnell in der Wäsche landet. Auch die Verteilung der sonstigen Aufgaben wird immer mal wieder neu verhandelt und organisiert – so lernen wir alle direkt zwei Dinge: vernünftige Absprachen funktionieren und das Leben ist kein Ponyhof. Und natürlich hatten die Mädels auch schnell raus: Je kooperativer das Familienleben, umso offener sind wir für Ideen, wie ihr Engagement belohnt werden könnte. Auch bei großen Entscheidungen wird gemeinsam diskutiert. Geht es im Sommer ans Meer oder in die Berge, in ein Ferienhaus oder eine Jugendherberge? Prompt werden Listen mit den Vor- und Nachteilen erstellt und kunstvoll ausgeschmückt, die Auswahl immer weiter eingegrenzt und schließlich entschieden. Unser Familienleben ist keinesfalls konfliktfrei, aber wir haben uns und unseren Kindern ein politisches Forum geschaffen. Es ist beeindruckend: Bei wichtigen Themen schaffen es auch ganz kleine Kinder, wie große Politikerinnen und Politiker zu agieren.

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache in Elternzeit. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

Haarspaltereien im grossen Krieg

Hauke Hullen sieht kindische Muster in der Weltpolitik.

Hauke: Debatten am Küchentisch im Vergleich zur Weltpolitik? Nach ein paar Jahren Beobachtung komme
ich zu dem Schluss: Alles der gleiche Kindergarten! Die politischen Kompetenzen gleichen sich hier wie dort. Dass Kinder nur beschränkt Einsicht in übergeordnete Zusammenhänge haben, ist nachvollziehbar. An ihrem „Ich! Will! Aber!“ zerstäubt jedes Argument. Doch als Eltern hoffen wir, dass durch gute Erziehung das Menschlein heranreift und irgendwann vernünftigere Entscheidungen treffen kann. Vor allem, wenn solche Individuen an der Spitze von Staaten stehen. Dort sollten doch Profis arbeiten, deren rationales Handeln am Allgemeinwohl ausgerichtet ist. Der Ukraine-Krieg zeigt, dass es nicht so ist. Absonderliche Ausreden werden konstruiert, um die Einnahme des Bruderstaates zu rechtfertigen, letztlich ein einziges wütendes „Ich! Will! Aber!“. Ja, mag sein, dass die Bauklötze einst Kind A gehört haben. Doch im Laufe der Zeit änderten sich die Eigentumsverhältnisse – mit dem Einverständnis von eben diesem Kind. Darum darf man nun auch nicht einfach zurückfordern, was man einst besessen oder verschenkt hat. Wie heißt es? „Geschenkt ist geschenkt, und wieder holen ist gestohlen!“ Auch einige Ausreden scheinen jeder Erziehung zu trotzen, zum Beispiel: „Das war ich nicht!“ Süßigkeiten leer? Das war ich nicht! Zimmer unordentlich? Das war ich nicht! Krim erobert? Das war ich nicht! Hatte Putin 2014 doch tatsächlich seine Soldaten ohne Hoheitszeichen auf die Halbinsel geschickt und verneint, dass die Truppen aus Russland stammten. So wie ein Kind sich die Augen zuhält und hofft, nicht mehr gesehen zu werden. Der kleine Bruder vom „Das war ich nicht!“ ist „Das war der andere!“, mit dem die Verantwortung gerne in einer Täter-Opfer-Umkehr verschoben wird. Im familiären Kontext gipfelt das im leicht durchschaubaren „Der hat zuerst zurückgehauen!“ – und so werde ich auch misstrauisch, wenn russische Seiten behaupten, dass all die Krankenhäuser, Wohnblocks und Schulen von den Ukrainern selbst zerbombt worden seien. Was für ein skurriler Krieg, wo der Angegriffene das Werk der Selbstvernichtung selber übernimmt! Apropos „Krieg“ oder „militärische Spezialoperation“: Auch das ist Eltern von Streithammeln wohlvertraut, dieses haarspalterische Abstreiten von Sachverhalten, weil die Titulierung vielleicht nicht exakt passt. Erst wird abgestritten, dem anderen vors Schienbein getreten zu haben – um hinterher einzuräumen, man habe das Knie getroffen. Kinder, ehrlich: Tritt ist Tritt, Bein ist Bein, Krieg ist Krieg! Und schließlich: Sobald Kind A etwas vorschlägt, ist Kind B dagegen, einfach weil der Vorschlag von Kind A stammt. Ich finde es durchaus berechtigt, auch diskutable Vorschläge abzulehnen, wenn diese von verabscheuungswürdigen Organisationen geäußert werden, denen der Vorschlag nur als Tarnung dient, um in der Gesellschaft salonfähig zu werden. Mit Rechtsextremen demonstriert man nicht, auch wenn diese nur die Abschaffung der Maskenpflicht fordern! Nun ist aber Kind A nicht per se verabscheuungswürdig, und auch die Mächte im UN-Sicherheitsrat sollten es eigentlich schaffen, sachorientiert miteinander zu arbeiten. Eigentlich. Es ist frustrierend: Bei wichtigen Themen schaffen es auch ganz große Politiker, wie kleine Kinder zu agieren.

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

Ein Paar, zwei Perspektiven: Sinnlose Angebote

Im Wald baden

Katharina Hullen sucht zusammen mit ihrem Mann nach einem passenden Paar-Event und entdeckt allerhand Skurriles.

Katharina: Katharina: Kürzlich bekamen wir einen Erlebnisgutschein geschenkt. Nun stehen der beste Ehemann von allen und ich vor der Qual der Wahl, aus tausenden Erlebnissen das – ja, was genau soll es sein? – aufregendste, romantischste, erholsamste, außergewöhnlichste Event für einen besonderen Tag zu zweit herauszusuchen. Keine leichte Aufgabe, aber auf jeden Fall eine sehr unterhaltsame, denn neben all den Stadtführungen, Kochkursen und Funsport-Aktivitäten findet man allerlei skurrile Dinge, bei denen man sich fragt, warum Menschen dafür Geld ausgeben! So kann man sich für nur 29,90 Euro für 3 Minuten bei -150 Grad Celsius in einer Kältekammer einschließen lassen – was für ein Spaß, vor allem für mich, die schon bei 24 Grad plus fröstelt! Aber vielleicht ist es ja auch ein Schnäppchen – immerhin ist eine Tasse grüner Tee inklusive. Wer das gleiche Geld aus einem anderen Fenster werfen möchte, verschenkt ein Kinderhoroskop zur Geburt. Dort werden der Sternenstand am Tag der Geburt und die Auswirkungen auf Charakterzüge und Schicksal ausgewertet, vorhergesagt und in einer mehrseitigen Mappe zur Verfügung gestellt. Aha! Nein, vielleicht doch etwas Gemeinschaftsförderndes für die Paarbeziehung? Zum Beispiel Holzrücken: Da zieht man alte Baumstämme mithilfe von Pferden aus unwegsamem Waldgelände heraus. Für nur 84,90 Euro dürft ihr den ganzen Tag in schönster Natur dem Waldbesitzer seine schwere Arbeit abnehmen. Großartig! Wer zwar gerne im Wald sein möchte, aber dabei lieber nicht schuften will, bucht einfach 2,5 Stunden Waldbaden. Dort kann man mithilfe von diversen Achtsamkeitsübungen für 49,90 Euro die Ruhe des Waldes genießen. In Gruppen von bis zu 14 Personen. Und zwar in einem Waldgebiet in der Großstadt Essen, irgendwo zwischen A40 und A52. Und hier noch Empfehlungen für Tierliebhaber: Wem der Spaziergang in schöner Kulisse mit dem eigenen Partner nicht reicht, nimmt sich einfach wahlweise Alpaka, Rentier oder Esel mit. Was für eine wunderbare Vorstellung, wie Hauke vier Stunden lang mit einem Alpaka an der Leine durch Duisburg trottet! Wem das zu sportlich ist, dem sei das Husky-Knuddeln ans Herz gelegt: Für knapp 30 Euro darf man 2 Stunden lang einen Hund streicheln.
Interesse? Dann hätten wir auch selber noch ein paar Ideen: Wie wäre es mit meditativem Wäschefalten im Hause Hullen, pro Stunde für nur 19,90 Euro? Oder ihr puzzelt mit unserem 8-jährigen Autisten 4 Stunden lang das gleiche Puzzle? Alternativ könnten wir auch das große „Abenteuer Prozentrechnung (7. Klasse)“ anbieten (das Abfragen der Englisch-Vokabeln ist optional zubuchbar) für nur 49,90 Euro. Gibt auch eine Tasse Tee dazu! Ach ja, dieser Gutschein zeigt wunderbar, wie kreativ der Mensch werden kann, um Dinge an den Mann und die Frau zu bringen. Uns hat er eine schöne und lustige Paarzeit beschert – und zwar bereits beim Aussuchen des Erlebnisses. zeAls wir ihn einlösen wollten, war er schon abgelaufen.

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache in Elternzeit. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

Rehrücken-Shampoo für gefestigte Persönlichkeiten

Hauke Hullen kämpft mit Haushaltshelfern, die nicht helfen, und badet in Bolognese.

Hauke: Was für ein Jammer! Da ist der Mensch als Krone der Schöpfung mit göttlicher Kreativität gesegnet – und was macht er daraus? Er erfindet Dinge, die kein Mensch braucht. So blockiert seit Jahren ein Zwiebelschneider wertvollen Platz in der Küchenschublade. Dieses Ding, mit dem man in wenigen Sekunden eine Zwiebel würfeln kann, um sich danach eine Viertelstunde lang mit der Reinigung abzumühen. Sein dümmerer Bruder ist der Bananenschneider: eine Schere, die mit nur einem Schnitt direkt sechs Scheiben abtrennt. Was man davon hat? Ein weiteres schwer zu reinigendes Utensil, aber dafür auch eine respektable Zeitersparnis im niedrigen einstelligen Sekundenbereich. Und kennen Sie den Butterstempel? Einfach die Schablone leicht auf die Butter drücken, und schon zeigen feine Linien an, wie groß eine 20-Gramm-Portion ist. Wie haben die Leute bloß früher gewusst, wie viel Butter sie für ein Brötchen brauchen? Da wäre außerdem die Plastikdose für exakt eine Kiwi. Wann kommt die Dose für ein Paar Kirschen oder eine Erdbeere? Frühstücksboxen für Bananen gibt’s schon, gelb und gebogen. Was die Box nicht weiß: Die Norm-Bananen aus dem Supermarkt sind fast gar nicht mehr krumm, passen also gar nicht hinein. Wohl dem, der jetzt einen Bananenschneider hat!
Während hier unsere Intelligenz subtil beleidigt wird, geht es an anderer Stelle offensiver zu: Kaum sitze ich am Frühstückstisch, schreit mich mein Müsli an: „Feige Nuss!“ Der Honig nimmt mich nicht ernst und will mir seine Herkunft nicht verraten: Er komme „aus EU-Ländern und Nicht-EU-Ländern“. Warum schreibt man nicht direkt „Honig von irgendwo“? Oder: „Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern“? Immerhin, der Käse ist ehrlich und sagt mir, wer und woran ich bin: „mittelalt“. Auch das Bad ist voll mit unnützen und missverständlichen Produkten: Wonach werde ich riechen, wenn ich das Shampoo „Frohe Weihnachten!“ benutzt habe? Nach Bratapfel oder Rehrücken? Das Duschgel meiner kleinen Söhne heißt „Wilde Tiere“. Wollte ich diesen Geruch nicht eigentlich loswerden? Auch das Duschgel von „Puma“ macht mich misstrauisch. Darum greife ich lieber zum nicht ganz so exotischen Badezusatz „Thymian & Oregano“ – um den Rest des Tages ein Odeur zu verbreiten, als hätte ich in Bolognese-Sauce gebadet. Was aber gewiss erträglicher ist als die gewagte Kombination des Axe-Duschgels „sneakers & cookies“. Turnschuh & Keks, ernsthaft? Schon der Drogerie-Einkauf erfordert eine gefestigte Persönlichkeit, legen diese Produkte doch den Finger in jede Wunde: „Fettiges Haar! Spröde Haut! Trockene Haare!“ Angeblich sollen die Shampoos umso besser sein, je mehr Beleidigungen draufstehen. Ein Wunder, dass sich so etwas verkauft. Aber schon der Ökonom Jean-Baptiste Say wusste: Jedes Angebot schafft sich seine Nachfrage – offenbar auch, wenn das Produkt weitgehend sinnfrei ist. Apple warb einst mit „Wenn du kein iPhone hast, dann hast du kein iPhone“, eine Kinder-Spielkartenserie mit dem Slogan „Sammel sie alle!“ – kaufe etwas, damit du es hast. Der Besitz als reiner Selbstzweck – manchmal ist die Krone der Schöpfung ganz schön dämlich.

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

Reisen in der Elternzeit: Mit diesen 7 Tipps gelingt der Trip mit Wohnmobil und Baby

Annabel Breitkreuz ist zwei Monate mit Kleinkind und Van durch Skandinavien gefahren. Diese sieben Tipps hat sie mitgebracht.

1. Zeitraum festlegen

Sucht euch für die Reise eine Zeit aus, bei der ihr am Zielort mit gutem Wetter rechnen könnt – das senkt das Stresspotenzial. Behaltet bei der Planung auch mögliche Impftermine und U-Untersuchungen des Babys im Blick. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass unser Sohn Pepe der entspannteste Reisebegleiter während unserer Elternzeit-Reise war, als er noch gestillt wurde und nicht krabbeln konnte.

2. Zielregion raussuchen

Bei der Wahl solltet ihr – so unromantisch es klingt – euer Budget nicht aus dem Auge verlieren. Denkt dabei an Mautgebühren, Parkkosten und Lebensmittelpreise (all das ist zum Beispiel in Norwegen sehr hoch). Wenn ihr Campingplatzkosten sparen wollt und gern frei steht, bietet sich ein Land an, in dem das Jedermannsrecht gilt.

3. Camper kaufen oder mieten

Wer kein eigenes Wohnmobil vor der Haustür stehen hat oder ausbauen möchte, kann es sich leihen. Auf Plattformen wie paulcamper.de oder roadsurfer.com gibt es eine breite Auswahl. Wir haben unterwegs einige Familien getroffen, für die es sich auch gelohnt hat, ein Wohnmobil gebraucht zu kaufen und im Anschluss weiterzuverkaufen.

4. Route planen

Wie viel Fahrtzeit man mit Baby erreichen kann, lässt sich nicht pauschal beantworten und auch nicht festlegen! Was ihr braucht, sind keine engen Zeitpläne, sondern Flexibilität und Gelassenheit in der Route und im besten Fall immer einen Plan B.

5. Erste Erfahrungen sammeln

Probieren geht über Studieren, das gilt auch beim Vanlife als Familie. Vor der großen Tour solltet ihr Probeausflüge einplanen. Nur so lässt sich feststellen, was zu Hause bleiben kann und was ihr noch braucht (Kleinigkeiten wie Handtuchhaken steigern deutlich die Lebensqualität im Van).

6. Packen

Informiert euch, wie teuer Windeln, Breigläschen und Co. im Ausland sind. Oftmals lohnt es sich, einen großen Vorrat aus heimischen Drogeriemärkten mitzunehmen. Orientiert euch beim Packen der Kleidung an einem typischen 14-tägigen Urlaub. Denn genau diese Menge wird euch auch für zwei Monate reichen. Waschen könnt ihr zwischendurch mit der Hand, in Waschsalons oder auf Campingplätzen.

7. Stellplätze finden

Schlafplätze lassen sich zum Beispiel mithilfe der App Park4Night raussuchen. Dort könnt ihr auch nachschauen, wo eine Entleerung möglich ist oder ihr Frischwasser nachfüllen könnt.

Annabel Breitkreuz ist Mama von Pepe und Redakteurin. Auf ihrem Blog brezelzeit.com schreibt sie über ihren Start ins Familienleben zwischen Mikroabenteuern und gewöhnlichem Alltag.