Den staubigen Alltag feiern!
„IIIhh, Mama! In unserem Kühlschrank ist es echt ziemlich ekelig!“
Müde schleppe ich mich in die Küche, um zu sehen, was unserem Sohn im Kühlschrank nicht gefällt. Da sehe ich sie. Erdbeeren. Oder beziehungsweise das, was einmal Erdbeeren waren. Sie sind zu einer matschigen und braunen Masse verfallen. Ich sehe sie an. Und auf einmal macht es laut „Klick“ in meinem Herzen. Ich hatte diese Erdbeeren für viel Geld an einem der Erdbeerstände gekauft, als Genuss. Ich wollte sie für einen besonderen Moment aufheben. Wollte sie dann feiern. Wenn alles stimmt. Wollte wirklich, dass diese Erdbeeren die Krönung eines besonderen Alltagsmoments sind. Nicht nebenbei, ohne mich würdig für den Genuss zu fühlen.
Und nun starre ich die matschige Masse an und spüre, dass ich unzählige Chancen verpasst habe, diese wunderbaren Früchte zu genießen. Ich werde ein bisschen traurig über mich selbst. Und über den Anspruch in mir: Erst, wenn alles stimmt gönne ich mir etwas. So wie die Flasche mit sehr teurem, guten Sekt, den wir für einen besonderen Moment geschenkt bekommen haben und der jetzt schon einen Umzug hinter sich hat. Weil wir einfach nicht dazu kommen, ihn zu trinken. Weil kein Moment besonders genug ist. Oder wie der Gutschein von einem exklusiven Restaurant. Wir haben ihn geschenkt bekommen, damit wir uns etwas gönnen.
Was ist passiert, dass es mir so schwer fällt, meinen Alltag im Kleinen zu feiern? Ich seufze, wenn es regnet, oder stöhne, wenn es warm werden soll. In meinem Kopf sind Aufgaben und Fragen zu einem unschönen Knäuel verknüpft. In vielen Medien sehe ich Menschen, die schön sind und in perfektem Setting und stylischer Dekoration ihr Leben sehr bewusst zu zelebrieren scheinen. Der automatisch zu wählende Filter für diese Bilder fehlt mir: Mein Leben ist staubig, lebt von Klappboxen mit Leergut, ungelesenen Fachbüchern und unbezahlten Rechnungen.
Während ich zur Bio-Tonne trotte, um dem Erdbeer-Desaster Lebewohl zu sagen, nehme ich mir vor: Ab heute will ich mir mehr gönnen! Gott scheint mir einen heiligen Moment zu schenken: „Hey Steffi, lass dir an meiner Gnade genügen! Für mich ist jeder Tag mit dir ein Tag zum Feiern.“
Und tatsächlich gibt es am nächsten Nachmittag für jeden ein Pfund Erdbeeren – einfach so. Einfach, weil das Leben doch wertvoll ist. Wir leben miteinander, im Frieden (was für ein großes Vorrecht – Gnade!), wir dürfen an Herausforderungen wachsen, Familie gestalten. Ja auch mal Müdigkeit, Zorn und Erschöpfung wahrnehmen, aber wir leben. Zusammen. Heute. Das ist ein Fest wert. Und eine Riesenportion Erdbeeren.
Tage später scheint Gott mich erinnern zu wollen. Eine fröhliche Nachbarin fragt an einem grauen Alltagsdienstag: „Hey, willst du ein paar Erdbeeren vom Feld? Zur Feier des Tages?“ Ich will schon abwinken, weil mein Tag eher einer der schlechten Laune und der Dreckwäsche ist. Wie im Zeitraffer erscheint die Kühlschrank-Szene vor meinem Auge. Ich atme durch und strahle meine Gnaden-Erinnerin an: Ja, ich feiere den Tage. Gönne es mir!
Stefanie Diekmann, Gemeindereferentin