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Ergotherapeutin erklärt: Das ist das geeignete Alter, um das Fahrradfahren zu lernen!

Ab wann sollten Kinder den Drahtesel zähmen? Und wie stellen Eltern das am besten an? Ergotherapeutin Susanne Ospelkaus weiß Antworten.

„Ab welchem Alter sollten Kinder Fahrradfahren lernen? Warum ist das wichtig und wie bringe ich es ihnen richtig bei?“

Wenn wir mit dem Fahrrad unterwegs sind, ist uns nicht bewusst, wie komplex die Bewegungsabläufe und wie vielfältig die Informationsverarbeitungen sind. Radfahren ist ein Zusammenspiel aus Motorik, Planung, Orientierung, Geschwindigkeit, Gleichgewicht, Sequenzierung von Handlungen und Regelwerk. Aus diesem Grund findet die Fahrradprüfung erst in der 4. Schulklasse mit neun oder zehn Jahren statt.

Wann ist das richtige Alter, um Fahrradfahren zu lernen?

Obwohl man schon für Kleinkinder Fahrräder kaufen kann, bedeutet dies nicht, dass es das ideale Lernalter ist. Erst wenn Kinder von sich aus Interesse am Rad zeigen, sollten sie es ausprobieren. Dabei sind manche ein Kindergartenkind und andere gehen schon in die Schule.

Lassen Sie sich nicht verunsichern, wenn jüngere Kinder durch die Straßen sausen und Ihres noch auf einem Laufrad herumkurvt. Lernen braucht Zeit, und die Voraussetzungen fürs Radfahren lassen sich gut mit Roller und Laufrad trainieren. Das Kind entwickelt ein Gespür für Balance und Geschwindigkeit. Es wird merken, wie schnell es sein muss, um die Beinchen zu heben. Und es wird wissen, wie ruckartig es den Lenker drehen kann, ohne auf die Nase zu fallen. Viele Eindrücke müssen eingeordnet werden: Geräusche, Bewegungen von Personen und Autos oder Hindernisse auf dem Weg. Das Kind lernt Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, und nach und nach automatisieren sich Bewegungsabläufe. Wenn es dann ein Fahrrad ausprobieren möchte, kann auch ein Rad von Geschwistern oder Nachbarskindern hilfreich sein. Eine Anschaffung lohnt sich erst, wenn sich Fahrerfolg einstellt. So sparen Sie sich zum Beispiel ein kleines 12-Zoll-Rad und können gleich ein größeres anschaffen.

Ohne Stützräder fahren!

Vermeiden Sie Stützräder. Sie sind eher hinderlich als hilfreich, denn mit ihnen lässt sich nicht der entscheidende Gleichgewichtssinn trainieren. Am Anfang fehlt den Kindern häufig die Kraft, um anzufahren. Geben Sie dem Rad einen Schubs, aber schieben Sie es nicht ständig. Das lenkt Ihr Kind ab, und es guckt mehr nach hinten als nach vorne. Sie sollten außerdem darauf achten, nicht ständig zu reden, denn ihr Kind ist mit so vielen Dingen auf einmal beschäftigt, dass es kaum auf Ihre Worte achten wird. Fahrradfahren ist körperbetont, es lässt sich nicht durch verbale Erklärungen erlernen. Wenn Sie Ihr Kind anfeuern wollen, dann rennen Sie vor und lotsen es ins Ziel, so fokussiert es sich nach vorne. Mancher Sturz lässt sich nicht vermeiden, sorgen Sie mit Helm, Knieschützern und robuster Kleidung vor.

Radeln Sie selbst gerne? Ihre Begeisterung wird andere anstecken. Machen Sie aus dem Radelausflug ein schönes Familienerlebnis. Suchen Sie sich ruhige Wege und leicht erreichbare Ziele: einen Lieblingsplatz im Park, die Eisdiele, den Bäcker oder das Tiergehege. Nichts ist frustrierender, als wenn aus dem Genussradeln ein Pedalenkampf wird. Die Freude wächst mit der Routine und dann „kommt Radfahren dem Flug der Vögel am nächsten“ (Louis J. Halle).

Susanne Ospelkaus lebt mit ihrer Familie in Zorneding bei München, bloggt unter susanne-ospelkaus.com und arbeitet als Autorin und Therapeutin.

Zweirad zu zweit

Gemeinsame Radtouren sind für Christian Rommert und seine Frau eine Herausforderung. Trotz Designer-E-Bike.

„Du hast dir ein E-Bike gekauft?“, fragt mich ein Freund irritiert. Auf seiner Stirn kann ich lesen: „Jetzt wirst du wirklich alt!“ Ich habe ja selbst jahrelang über dickbäuchige, alte Männer mit Fahrradhelm gelästert, die mit ihren Pedelecs verloren den Stadtverkehr unsicher machen. Doch vor ein paar Monaten war die Zeit für mich reif: Ich wollte auch so ein Teil. „Dieses E-Bike ist ein Designer-E-Bike und deshalb mit dem bloßen Auge nicht als E-Bike erkennbar!“, erkläre ich stolz und zeige ihm meine neueste Errungenschaft.

ANGEBER-LEDERSATTEL

Ein holländischer Hersteller hat ein E-Bike für Hipster auf den Markt gebracht. Es sieht wirklich stylisch aus. Es ist mit digitaler Diebstahlsicherung ausgestattet und verfügt über jede Menge smarter Funktionen. Ich kann das Fahrrad von einer App aus ab- und aufschließen und die Gänge steuern. „Das ist schon cool!“, muss mein Kumpel zugeben. Ich habe mir sogar einen handgefertigten Angeber-Ledersattel eines bekannten britischen Herstellers zugelegt. Die bauen die Teile schon seit über 100 Jahren. Das Design des Fahrrads und der Vintage-Look meines Sattels lassen meinen Freund murmeln: „Das sieht wirklich schick aus!“

In der Stadt fahre ich jetzt fast nur noch Rad und wenn ich mal mit dem Zug irgendwo hin muss, parke ich mein Schätzchen in einer der Mietradboxen am Bahnhof. Ich find’s genial. „Jetzt braucht nur noch deine Frau so ein Teil“, sagt mir mein Freund. Das ist ein wichtiger Punkt. Denn in der Tat waren gemeinsame Radtouren von Katrin und mir bisher ein echtes Problem. Während sie mit hochrotem Kopf nicht hinterherkam, fühlte ich mich permanent unterfordert. Richtig schöne Radtouren machte ich allein oder mit unserem Sohn. Das sollte sich mit der Anschaffung von E-Bikes endlich ändern. Wenn wir beide ein Pedelec haben, könnten wir endlich zu zweit im gleichen Tempo durch die Gegend düsen. „Ja, Katrin hat auch eins“, antworte ich kurz angebunden. „Aber …“, buchstabiert mein Freund, der ahnt, dass längst nicht alles in Ordnung ist. „Naja, wenn wir gemeinsam unterwegs sind, nehme ich meistens mein altes Fahrrad“, sage ich und erzähle ihm von unseren neuen Schwierigkeiten.

„ECO“ STATT „SPORT“

Katrin hatte sich sofort in ein Fahrrad mit roten Streifen verliebt. Eine 26-Zoll-Version mit starkem Mittelmotor und Rücktritt. Dann kam es zu unserem ersten gemeinsamen Ausritt. Ich düste vorneweg und merke erst an irgendeiner Ampel, dass Katrin nicht mehr da war. Interessanterweise hatte sich durch die Anschaffung eines E-Bikes noch immer nicht Katrins Geschwindigkeit an meine angepasst. Statt die gesetzlich möglichen 25 km/h auszureizen, cruiste sie mit gemütlichen 15 Stundenkilometern über den Radweg. „Du weißt aber, dass du nicht im ‚Eco-Modus‘ fahren musst, sondern ruhig auch mal auf ‚Sport‘ schalten darfst?“, fragte ich und verwies auf die Schülerinnen und Schüler, die sie auf ihren Kinderrädern überholt hatten.

„Eco fühlt sich sicherer an und spart Strom!“, erklärte sie mir, während wir gemeinsam auf Grün warteten. Auf den nächsten Kilometern unserer Tour schaltete ich meinen Motor einfach ab, und es wurde doch noch ein schöner Ausflug. Inzwischen machen wir immer mal wieder gemeinsame Radtouren. Allerdings fährt Katrin E-Bike mit Motor, und ich steige auf mein altes klappriges Herrenrad mit Dreigang-Narben-Schaltung. Dann ist es halbwegs fair – zumindest am Berg. Mein E-Bike, das mit Smartfunktion und dem tollen Design – das steht währenddessen in der Garage.

Christian Rommert ist Autor, Redner und Berater und Fan des VfL Bochum. Er ist verheiratet mit Katrin und Vater von drei erwachsenen Kindern. Regelmäßig spricht er das Wort zum Sonntag in der ARD.
Foto: Wolfgang Wedel

Wenn die Kinder an einem vorbeiziehen

Papa fährt voran – so geht es lange Jahre. Doch plötzlich werden die Söhne immer schneller … Von Joachim Bosch

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie meine Söhne kleine Babys waren und ich der große Papa. Und das änderte sich auch lange, lange Zeit nicht. Sie schauten zu mir auf, versuchten nachzumachen, was ich so trieb, wollten auch groß sein und das können, was ich kann. Mann, tat das gut! Dann wurden die Jungs größer und wollten auch mit dem Fahrrad unterwegs sein. Sie wollten auch mit Werkzeug hantieren, auch einen Computer haben und natürlich auch an ihm herumschrauben – eben alles das, was ich so mache. Und wieder fühlte ich mich als das große Vorbild, als derjenige, an dem sie sich orientieren. Und das tat immer noch sooo gut!

GUTES GEFÜHL
Es kam die Schulzeit. Meine Söhne waren nun immer mehr davon überzeugt, dass sie auch etwas können, das ich nicht kann. Es kam zu ersten Diskussionen über Dinge, über die wir Erwachsenen schmunzeln konnten. Aus diesen Diskussionen ging ich mit wenigen Argumenten als Sieger hervor. Und ich merkte, dass sie immer noch zu mir aufschauten. Jetzt war ich nicht nur der Große und Starke, jetzt war ich auch noch der Schlaue, der so viel weiß. Und ich fühlte mich immer noch sehr gut! Der Wechsel von der Grundschule auf das Gymnasium stand an. Und natürlich war der Wunsch groß, auch mit dem Fahrrad die vier Kilometer in die Schule fahren zu dürfen – so wie es eben Papa seit Jahren vormachte. Nach langem Überlegen entschlossen wir uns, es zu wagen. Aber ich musste dabei sein. Es ging immerhin über zwei Kreuzungen, die nicht ganz ohne sind. Der erste Schultag kam und ich „durfte“ dem Großen zeigen, an welchen Stellen er aufpassen musste, wo es ungefährlich war und wo man die Fahrt so richtig genießen konnte. Das war super, das war cool und ich war der Größte. Ich fühlte mich gut! Zwei Jahre später wechselte unser zweiter Sohn ebenfalls auf die weiterführende Schule, wollte auch mit dem Fahrrad fahren, gleiche Prozedur, gleiches Gefühl!

DAVONGEFAHREN
Die Jahre gingen ins Land. Ab und zu fuhr ich noch mit den Jungs morgens in die Schule. Aber es hatte sich etwas geändert: Hatte ich am Anfang immer wieder auf sie warten müssen, musste ich jetzt immer häufiger schauen, dass ich Schritt halten konnte. Konnte das sein? Wahrscheinlich hatte ich einen schlechten Tag oder meine Tasche war schwerer als ihre – Ausreden waren schnell zur Hand. Aber ich fühlte ich mich an diesen Tagen nicht mehr so gut. Und es wurde langsam zur Regel, dass zumindest unser Ältester mir mit dem Fahrrad davonfuhr. Das tat weh. Das kratzte gewaltig an meinem Selbstbewusstsein und an meinem Ehrgeiz, besser zu sein als die Jungen – schließlich war ich ja sportlich und trainiert (aber eben auch schon über 40). Ich wurde unsicher, frustriert, fühlte mich gedemütigt und alt und nicht mehr gut. Es dauerte sehr lange, bis ich damit klarkam. Und es gab so manchen Rückschlag auf dem Weg zur Gelassenheit und Dankbarkeit. Immer wieder kam es zu Rückschlägen, die gewaltig schmerzten. Es blieb auch nicht aus, dass die absurdesten Entschuldigungen sich in meinem Gehirn breitmachten: „Die Reifen sind nicht richtig aufgepumpt …“ Das Verdrängen – eine Spezialität von uns Männern – drohte zu verhindern, dass ich mich mit den Veränderungen des Älterwerdens auseinandersetzte. So blieb letztendlich das Gefühl, wirklich alt geworden zu sein, nicht mehr leistungsfähig und damit minderwertig zu sein.

MEIN TEMPO
Zum Glück gibt es Freunde im gleichen Alter. Auch sie mussten sich mit diesem Problem auseinandersetzen. Irgendwann kam es zur Sprache. Und jeder von uns merkte, dass wir alt werden. Es tat mir gut zu hören, dass ich nicht allein bin mit meinem Problem. Parallel dazu kamen in den Gesprächen mit meiner Frau meine Minderwertigkeitsgefühle zur Sprache. Sie „wusch“ mir den Kopf. Das Ganze gipfelte in dem Satz: „Wie ich bin, bin ich genug.“ Bei dem Versuch, es mit dem Fahrrad auch mal gemütlich anzugehen, gab es allerdings immer wieder Momente, die wehtaten: Da wurden die Überholer immer jünger. Und die zum Scheitern verurteilten Versuche mitzuhalten wieder häufiger. Schließlich kam ein älterer Schüler unserer Schule, den ich Jahre zuvor noch locker überholen konnte. Er ließ mich einfach stehen. Das war der entscheidende Moment! Die deutliche Niederlage rüttelte mich wach und machte mir spürbar klar, dass es einfach eine Entwicklung der Alterung gibt – und zwar bei allen. Seitdem fahre ich jeden Tag mein Tempo: mal langsam, mal schneller, mal auf der Jagd nach Traktoren oder E-Bikes, mal gemütlich hinter anderen her. Und seitdem fühlt sich das wieder gut an.

Joachim Bosch ist Realschullehrer, seit 25 Jahren verheiratet mit Susanne und hat zwei erwachsene Söhne. Er wohnt in Satteldorf, Kreis Schwäbisch Hall und fährt jeden Tag mit dem Fahrrad zur Schule.