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Plötzlich ist Daniel todkrank: „Wir wussten nicht, ob wir unsere Hochzeit erleben“

Daniel und Miriam lieben sich und wollen heiraten. Doch dann diagnostiziert der Arzt Nierenversagen. Niemand weiß, ob Daniel die nächsten Tage überlebt.

Sie kennen sich seit ihrer Geburt. Daniels Mama ist Miriams Patentante, ihr Papa sein Patenonkel. Schon als Zweijährige kann man sie gemeinsam auf einem Foto in die Kamera lachen sehen. 500 Meter Luftlinie haben sie in dem kleinen sächsischen Dorf ihrer Kindheit voneinander getrennt, aber erst in der Kirchengemeinde haben sie sich mit 14 und 16 Jahren besser kennengelernt. Sie konnten so gut miteinander sprechen, dass sie stundenlang chatteten. Buchseiten hätten sie füllen können mit all den Worten, die zwischen ihnen getauscht wurden.

Diagnose: Nierenversagen

Auf einem Festival 2007 sind sie schließlich zusammengekommen. Miriam stellte dafür allerdings eine Bedingung: „Wir kommen nur zusammen, wenn du mich heiratest.“ Und Daniel konterte: „Ich will im Ausland von meinem Glauben erzählen, da musst du mitkommen.“ Ende 2009 bekam Daniel plötzlich nacheinander verschiedene Symptome: Husten, Bindehautentzündung und Gelenkentzündungen. Als er zum Arzt ging, stellte dieser fest, dass er kurz vor dem Nierenversagen stand. Es folgten zahllose Untersuchungen und eine dreiwöchige Spurensuche. Schließlich stellten die Ärzte eine Autoimmunerkrankung fest, die zu multiplen Entzündungen führt. Ohne Behandlung, wäre er zwei Wochen später vermutlich einfach tot umgefallen.

Der Körper am Ende

Die gemeinsame Zukunft war plötzlich total ungewiss. Sie hatten keine Ahnung, ob sie nun heiraten sollten oder jemals Kinder bekommen würden. Sie wussten nicht mal, wie viele Tage Daniel zu leben hatte. Trotz allem entschieden sie schließlich, den ungewissen Schritt in ein gemeinsames Leben zu wagen. Während Daniel im Krankenhaus war, widmete Miriam sich den Vorbereitungen. Am Tag der Hochzeit hofften alle nur, dass Daniel den Tag überstehen würde. Sein Körper war am Ende. Die Flitterwochen gingen an die Ostsee, dort war er eigentlich nur krank. „Ich hatte einen anderen Mann geheiratet, als ich kannte“, erzählt Miriam. „Durch die Medikamente war er persönlichkeitsverändert. Außerdem war er überhaupt nicht leistungsfähig. Nach zehn Minuten Spaziergang musste er sich erst mal wieder ausruhen.“ „Wir mussten in dieser Zeit lernen, Menschen zu enttäuschen, weil keine Kraft mehr da war“, fügt Daniel hinzu. Für beide war die Zeit der Krankheit eine Zeit, in der sie gemeinsam krank waren. Jeder litt auf seine eigene Weise. Ändern konnte man daran nichts.

Immer glücklich

Trotz allem zweifelte Miriam nie an ihrer Entscheidung für Daniel. Beide waren immer glücklich. Auch die Frage, ob sie es schaffen würde, durchzuhalten, stellte sie sich nie. In Krisenzeiten war die einzige Überlegung: „Was kann ich tun, damit es Daniel besser geht?“ 2011 entschieden sie sich, gemeinsam eine theologische Ausbildung zu machen. Das „European Theological Seminary“ befand sich im Schwarzwald, in einem Luftkurort. Die Natur, die vielen Spaziergänge, auch das Gebet, bewirkten, dass es Daniel immer besser ging. In der nächsten Kreisstadt gab es einen Arzt, der ausgerechnet auf Daniels Autoimmunerkrankung spezialisiert war. Hier konnte er sich ambulant behandeln lassen und drei Jahre später tatsächlich die Medikamente absetzen. Sein Immunsystem hatte sich erholt, es gab keinerlei Krankheitsanzeichen.

Ein kleines Wunder

In den darauffolgenden Jahren wurden sie Eltern. Doch mit der Zeit wurden Daniels Nierenwerte wieder schlechter. Die Autoimmunerkrankung war nicht wiedergekommen, dennoch brauchte er eine Nierentransplantation. Mit zwei Kindern und zehn Jahre später, machte ihm diese Nachricht viel mehr zu schaffen. Anfang März 2010 kam er zum ersten Mal ins Krankenhaus. Zehn Jahre später sollte das Erstgespräch zur Nierentransplantation stattfinden. Anfang März 2020 bekam Daniel seine aktuellen Blutwerte − sie waren wie durch ein Wunder plötzlich viel besser, sodass eine Transplantation nicht mehr nötig war.

„Die Krise hat uns zusammengeschweißt“

„Wenn man dreimal pro Woche ans Sterben denken muss, und schon mal kurz davor war, dann verändert das dein ganzes Leben“, sagt Daniel. „Wir brauchen nicht so viel Zeit und Geld. Wir leben bewusster und sind für viele kleine Dinge dankbar. Stundenlanges Spazierengehen gehört beispielsweise dazu.“ „Wir wären ohne einander nicht die, die wir jetzt sind“, fügt Miriam hinzu, „wir sind die glücklichste Familie auf der Welt.“ Und dabei lachen beide herzlich. „Die Krise hat uns zusammengeschweißt. Die Krankheit ist ein Teil von uns und gehört nicht nur zu Daniel. Wenn man Krisen von außen hat, braucht man innen keine mehr.“ „An den schlimmsten Tagen haben wir einen Cappuccino getrunken, dabei aus dem Fenster gesehen und uns gesagt: „Das Leben ist schön.“ Das Positive zu sehen, hat uns immer sehr geholfen“, erinnert sich Daniel.

Stark trotz Schwachheit

Beide verarbeiten die Krankheit auch durch ihre Kunst. Daniel hat in den vergangenen 12 Jahren 80 Lieder geschrieben. Miriam malt und zeichnet. Durch ihre Künste begegnen andere Menschen ebenfalls Gott. Daniel lebt seinen Glauben dort, wo er gerade ist. Im Krankenhaus genauso wie in der Gemeinde, wo er arbeitet. Beide merken: Auch in ihrer Schwachheit können sie etwas bewirken. Ohne den Schmerz könnten sie nicht das weitergeben, was sie zu geben haben. Sie wissen, dass alles zerbrechlich ist und dass sie nicht absehen können, wie viel Leid noch auf sie zukommen wird. Aber sie investieren viel Kraft und Energie, um immer das Gute zu suchen, sich auf den anderen einzulassen und im Gespräch zu bleiben. Und das nun schon seit zehn Jahren.

Zu jung zum Heiraten?

„Meine Tochter und ihr Freund (beide 18) wollen heiraten. Ich finde, dass sie dafür zu jung sind. Sie leben noch zu Hause, schließen gerade die Schule ab und haben noch so viel vor sich. Kann der Mangel an Lebenserfahrung ihnen irgendwann vor die Füße fallen?“

Während Frauen jahrzehntelang als bemitleidenswert galten, wenn sie mit über 20 Jahren noch ledig waren, liegt das durchschnittliche Heiratsalter inzwischen bei 32 Jahren. Der Grund für die meisten jungen Menschen, nicht so früh zu heiraten, ist, dass sie vorher ihre eigenen Ziele realisieren wollen. Dass Auslandserfahrungen oder eine berufliche Karriere gemacht werden wollen, bevor man heiratet, ist nachvollziehbar, jedoch kein Garant für eine gelungene Ehe.

Wenn zwei Menschen früh heiraten, können sie ihr Leben in Bezug auf Job, Hobby, Wohnort und vieles mehr gemeinsam gestalten. Das kann ein Vorteil sein. Bei älteren Paaren treffen zwei nahezu ausgereifte Lebensentwürfe aufeinander, die nicht immer kompatibel sind. Das kann früher oder später zu Konflikten führen. Junge Menschen sind durchaus flexibler, sich aufeinander einzustellen, Kompromisse zu finden oder sich mit Abstrichen zu arrangieren. Haben Ihre Tochter und ihr Freund schon eine längere, vielleicht sogar jahrelange Beziehung, hatte ihre Freundschaft bereits viel Zeit zu wachsen. Sie haben sicherlich nicht nur die angenehmen Seiten des anderen kennengelernt. Zuneigung bekommt damit eine andere Qualität, und die Entscheidung, zusammenzubleiben, wird sicherer.

BEDENKEN ÄUSSERN

Suchen Sie auf jeden Fall das Gespräch mit Ihrer Tochter und Ihrem zukünftigen Schwiegersohn und sprechen Sie über Ihre Bedenken. Fragen Sie sie auch nach ihren Beweggründen. Wertschätzung und gegenseitiger Respekt sind bei dem Gespräch absolute Voraussetzung. Die Entscheidung bleibt letztendlich bei Ihrer Tochter und deren Freund, denn mit 18 Jahren sind sie zwar noch jung, gelten vor dem Gesetz aber als erwachsen.

Sprechen Sie auch über Geld. Ausbildungsvergütungen, Stipendien oder BAföG bieten jungen Paaren eine finanzielle Basis. Wenn Eltern einspringen, ist das nett. Doch nehmen sich manche Eltern damit bewusst oder unbewusst das Recht heraus, sich in die Beziehung ihrer Kinder einzumischen und Erwartungen zu stellen. Darum sollte es von vornherein klare Absprachen geben, wo die Grenzen sind.

GRUND ZU FEIERN!

Wichtig ist, dass jedes Paar über Möglichkeiten informiert wird, wie man mit schwierigen Beziehungssituationen umgeht. Denn die werden kommen. Eltern sind für die Beziehungen der Kinder selten gefragte Ratgeber. Wir haben unsere Kinder immer zu Freundschaften mit anderen Paaren ermutigt. In vielen Gemeinden gibt es zudem Gesprächsangebote für Paare, und bei Seminaren von Team.F und anderen Anbietern werden sie vor der Ehe mit wichtigen Themen konfrontiert. Letztendlich ist und bleibt es ein schönes Signal, wenn zwei Menschen entscheiden, sich fest aneinander zu binden. Eine Hochzeit ist immer ein Grund zum Feiern! Freuen Sie sich mit Ihren Kindern und bereiten Sie ihnen einen schönen und unvergesslichen Hochzeitstag! Die Hochzeiten meiner Kinder waren nach meiner eigenen die schönsten Feste.

Heidi Goseberg ist Mutter von vier erwachsenen Kindern, Großmutter und in der Leitung von Team.F, einer christlichen Organisation, die Ehen und Familien fördert.
Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

„Ohne den Glauben könnte die Ehe für uns nicht funktionieren“

„Frag den Pastor“ heißt der YouTube-Kanal, auf dem Gunnar Engel aus seinem Alltag als Dorfpastor einer kleinen Gemeinde an der Grenze zu Dänemark erzählt. Seine Frau postet auf Instagram („Segensbringer“) gestaltete Bibelverse und verkauft mittlerweile auch ihre Werke. Kennengelernt haben sich die beiden ganz standesgemäß über Facebook. Christof Klenk hat sich mit ihnen via Skype unterhalten.

Ihr habt vor einigen Monaten Nachwuchs bekommen. Wie hat sich denn euer Leben dadurch verändert?
Gunnar:
Man hat sich so viele Gedanken gemacht, so viele Gespräche mit Freunden geführt, aber wenn es dann soweit ist, dann ist alles ganz anders. Es ist wie ein riesiges Abenteuer und ein Riesengeschenk.
Anni: Es hat meine ganze Welt einmal grundlegend erschüttert. Es musste sich alles erst einmal neu sortieren. Man wird auf einmal ins kalte Wasser geschmissen und fängt an zu schwimmen.

Und musstet ihr euch als Paar neu finden?
Gunnar:
Da tauchen auf einmal eine Menge Fragen auf, die wir uns vorher nie gestellt haben. Wenn einer von uns abends weggehen will, ist jetzt mehr Absprache notwendig. Da müssen wir uns neu zusammenfinden.
Anni: Ich würde sagen, dass wir dadurch noch mehr zusammenwachsen. In der Wochenbettsituation war ich total auf Gunnar angewiesen. Mir ist sehr bewusst geworden, dass wir einander brauchen, um dieser Aufgabe gerecht werden zu können. Dazu kommt, dass man sich auch in der neuen Rolle als Papa und Mama sortieren muss. Diese Rollen kommen ja einfach mit dazu. Ich glaube, es ist wichtig, dass man sich eben nicht nur als Mama und Papa sieht, sondern dass man sich auch immer wieder als Paar wahrnimmt. Ich glaube, man muss sich die Zeit als Paar echt einfordern, sonst bleibt das schnell mal auf der Strecke.

Ihr habt euch über Facebook kennengelernt und dann neun Monate später schon geheiratet. Wie konntet ihr so schnell wissen, dass das passt?
Gunnar: Ich war auf Facebook nicht aktiv auf der Suche nach einer möglichen Ehefrau. Wir haben uns zufällig in einer christlichen Facebook-Gruppe kennengelernt. Die ersten vier Wochen haben wir uns nur geschrieben. Als ich Anni das erste Mal in echt gesehen habe, hatte ich das Gefühl, ich kenne sie schon. Wir hatten uns schon ganz viel unterhalten, vor allem über viele Glaubensdinge. Da hatte ich schon den Eindruck: Auf der Ebene würde es auf jeden Fall passen. Meine Beziehung zu Gott ist das Grundlegende in meinem Leben. Wenn ich einen Partner habe, der sagt: „Das ist bei mir genauso!“, dann ist schon mal eine gute Basis da. Der Rest findet sich dann irgendwie.
Anni: Bei mir war das ziemlich anders. In der Zeit, bevor wir uns kennengelernt haben, war ich ganz bewusst Single. Ich habe sehr viel gebetet und auch sehr viel darüber nachgedacht, was mir an meinem zukünftigen Partner wichtig ist. Da kam eine ganze Latte von Punkten zusammen. Freunde und Familie haben schon zu mir gesagt, dass diese Liste ziemlich unrealistisch sei. Und dann kam Gunnar und tatsächlich: Alle Dinge, die mir grundsätzlich wichtig waren, hat er total erfüllt. Ich war selber erstaunt. Dann kam aber auch im Gebet eine ganz übernatürliche Sicherheit und ein Frieden, den ich vorher nicht kannte. Da wusste ich: Das ist es jetzt.

Der Schritt vom virtuellen Kennenlernen ins wirkliche Leben fällt manchen gar nicht so leicht.
Gunnar:
Ich war zuerst am Treffpunkt, stand da vor der Tür des Cafés und habe auf sie gewartet. Ich war ganz schön nervös, aber als sie mir dann entgegenkam, hatte sie gleich so eine fröhliche, freundliche Ausstrahlung, dass ich dachte: Das wird gut.
Anni: Ich glaube, das kann sehr unterschiedlich laufen. Ich bin nicht mit der Erwartung hingegangen, dass da gleich die Funken sprühen. Wir hatten zwar viel über theologische Fragen diskutiert, aber ich habe mir gedacht, die Chance, dass auch die ganze Chemie stimmt, um sich zu verlieben, ist eher gering. Aber dann war es tatsächlich mit dem ersten Treffen um mich geschehen.

Was hat euch aneinander überrascht?
Anni:
Da gab es nicht die große Enthüllung. Es sind eher kleine Überraschungen im Alltag, dass man neue Facetten vom anderen kennenlernt.
Gunnar: Als wir Eltern geworden sind, war ich richtig geflasht, mit welcher Sicherheit und Stärke Anni das alles angegangen ist. Also von: Wir fahren ins Krankenhaus, es geht los. Bis: Wir nehmen den Kleinen jetzt mit nach Hause und das kriegen wir hin.

Ihr habt zusammen ein YouTube-Video zu Ehefragen gemacht. Ihr kommt als Paar offensichtlich sehr gut rüber. Die Kommentare darunter sind überwältigend positiv. Alle finden euch total sympathisch, obwohl eure Ansichten gar nicht so Mainstream sind. Ihr sagt zum Beispiel, dass ihr es nicht für schlau haltet, wenn Christen Nichtchristen heiraten.
Gunnar:
Also mich wundert das nicht nur bei dem Video, sondern auch bei den anderen, die ich gemacht habe. Es ist ja schon eine starke Position, die ich vertrete.
Anni: Ich habe auch mit viel mehr Gegenwind gerechnet. Das Internet kann grausam sein, aber ich denke, dass Authentizität ganz entscheidend ist. Wir zwingen ja niemandem etwas auf. Wir vertreten Standpunkte, von denen wir von tiefstem Herzen überzeugt sind. Wir erzählen von dem, was für unsere Ehe wichtig ist, um sie glücklich zu führen. Für uns ist der Glaube sehr zentral. Ohne den Glauben könnte die Ehe für uns nicht funktionieren.

Ihr sagt in dem Video auch, dass das Gebet ein großer Faktor ist, wenn ihr Streit habt. Inwiefern ist das so?
Gunnar:
Wenn ich mich über etwas aufrege, ist das oft der Standardspruch von Anni: „Komm, geh jetzt was essen und dann gehst du beten.“ Da muss es gar nicht mal um Streit zwischen uns beiden gehen. Sich mit dem zu unterhalten, der es in der Hand hat, ist tatsächlich der erste Schritt. Dabei kann ich über mich selbst reflektieren und darüber, was mein Anteil an dem Streit ist. Wenn wir beide Streit haben, dann liegt es in den allerseltensten Fällen nur an einer Seite, meistens sind wir beide beteiligt. Da ist es nicht verkehrt, jemand anderes hinzuzuholen.
Anni: Das Gebet verändert die Perspektive. Es zwingt uns, eine Haltung der Demut einzunehmen und den eigenen Balken zu identifizieren. Das Gebet verbindet unglaublich. Gott ist der, der uns beide verbindet. Das ist auch der Rahmen, wo Vergebung geschehen kann. Im Streit zu beten, kostet immer viel Überwindung und trotzdem ist es sehr heilbar.

Könnt ihr miteinander beten, wenn ihr miteinander im Clinch seid?
Anni:
Ja, man muss sich wirklich überwinden, aber wenn das dann geschehen ist …
Gunnar:
Oft beten wir erst alleine … Das Ding ist ja auch: Ich kann schwer auf jemanden böse sein, für den ich bete.

Wie habt ihr für euch entdeckt, dass ihr für YouTube und Co. geeignet seid?
Gunnar:
YouTube ist das, was ich eher mache. Anni ist im künstlerischen Bereich unterwegs. Das finde ich viel krasser. Ich habe schon immer viel fotografiert und konnte mich für Bild und Technik begeistern. Wir sind gerade im größten kommunikativen Umschwung seit 500 Jahren, seit Luther und dem Buchdruck. Als ich Pastor wurde, habe ich überlegt: Wie könnte ich das nutzen? Ich bin ja Dorfpastor kurz vor Dänemark. Wie kann ich Leute mit der besten Botschaft der Welt erreichen? Und da habe ich Möglichkeiten, die es vor 20 Jahren noch nicht so gegeben hat.
Anni:
Ich habe schon immer gemalt und war künstlerisch aktiv, aber dann hatte mir Gunnar zum Geburtstag eine Art-Journaling-Bibel geschenkt, also eine Bibel mit viel Platz zum Gestalten. Da kam ich auf die Idee, beides zu verbinden: das Wort Gottes und die Kunst, beziehungsweise die Kalligraphie. Als Gunnar meine Werke gesehen hat, meinte er: „Das ist schade, wenn die in der Schublade verstauben, lad deine Sachen doch einfach mal bei Instagram hoch.“ Ich habe das ausprobiert und gemerkt, auf wie viel positive Rückmeldung die Sachen stoßen. Ich merke, dass ich Menschen damit ermutige, selbst mit der Bibel künstlerisch aktiv zu werden. Daraus ist mit „Segensbringer“ ein eigener Shop entstanden. Das Hauptaugenmerk liegt darauf, dass ich Bibelverse „lettere“.
Gunnar:
Wir ermutigen uns da gegenseitig. Als ich die Idee mit den Videos hatte, bin ich erst mal drei Monate schwanger damit gegangen. Mit meinen ersten Videos war ich nicht glücklich. Irgendwie hat das nicht gepasst. Bis Anni mir sagte: „Das nächste, das du drehst, das veröffentlichst du auch.“ Anni sieht mehr in mir als ich in mir selbst, und manchmal auch andersherum.
Anni:
Wir haben einfach mal losgelegt und gemerkt, dass Menschen das interessiert. Das gibt einem enormen Rückenwind. Ich glaube auch, dass Gott uns nutzen möchte.

Wen erreicht ihr mit euren Internetgeschichten? Geht das über die christliche Blase hinaus?
Anni:
Ich würde sagen, man erreicht echt viele Menschen, die enttäuscht von Gott sind, sich aber weiterhin auf die Suche machen. Beim „Segensbringer-Kanal“ erreiche ich sicherlich vor allem Christen.
Gunnar: Ich glaube, das hängt stark von den Inhalten ab. Wenn ich ein Video zum Markieren von Bibelversen mache, dann ist das schon eher eins für die christliche Blase. Aber ich mache auch Geschichten aus meinem Gemeindealltag. Da schreiben mir Leute dann: „Finde ich voll toll, was du da machst. So habe ich Kirche noch nie gesehen!“ Bei manchen entsteht da ein neues Interesse an der Kirche.

Kommen Leute sonntags bei dir in den Gottesdienst, die dich über deinen YouTube-Kanal kennen?
Gunnar:
Ja, das passiert. Es ist eigentlich in jedem Gottesdienst so, dass Menschen vorbeischauen, der eine oder andere bleibt dann hängen.

Wann wird es denn ein neues Video zu Ehefragen geben?
Gunnar:
Das wollen wir bald angehen, aber man merkt das auch bei diesem Gespräch, dass es da noch jemand gibt, der Aufmerksamkeit braucht. Wenn wir zwei vor der Kamera sitzen, müssen wir schauen, wie das geht. Sonst laden wir meine Mutter ein, dass sie ihn dann eine Runde mit dem Kinderwagen fährt und wir drehen Ehe Video Teil 2. Wir wollen das machen, weil das ein superwichtiges Thema ist.

Vielen Dank für das Gespräch!

„Bedrängt mich nicht, aber bietet Unterstützung an!“

Wie erleben junge Erwachsene die Abnabelung von den Eltern? Was wünschen sie sich von ihnen? Borika Lea Luft (22) hat sich umgehört.

„Solange du deine Füße unter meinen Tisch stellst, tust du, was ich sage!“ Wie oft haben wir als Kinder diesen Satz gehört – nicht unbedingt in dieser Formulierung, aber doch in allen möglichen Variationen. Manchmal haben wir uns wirklich nichts sehnlicher gewünscht, als endlich auszuziehen und zu machen, was wir wollen. Nicht von Mama und Papa abhängig zu sein, selbst bestimmen zu dürfen und einfach frei zu sein. Und auf einmal beginnt diese Zeit des Loslassens, Abnabelns, Ausziehens, Unabhängigwerdens, ob aufgrund des Studiums, der Arbeit, eines Auslandsjahres oder einer Beziehung. Gründe wie auch Zeitpunkte sind unterschiedlich, aber irgendwann kommen alle Eltern und ihre Kinder an den Punkt, an dem sie einander auf irgendeine Weise loslassen müssen. Manche fürchten sich davor, andere sehnen es herbei.

AN DEN GEDANKEN GEWÖHNEN

Auch meine Eltern und ich stecken in diesem Prozess. Ein erstes Loslassen gab es, als ich mit 19 für ein halbes Jahr auf eine Bibelschule ging. Das erste Mal richtig weg von Mama und Papa, weitgehend auf mich allein gestellt. Die sechs Monate haben mich sehr geprägt – in meinem Glaubensleben und meiner Beziehung zu Jesus und auch in Hinblick auf die Nähe zu meinen Eltern. Der Weg dahin war für mich sehr schwer, da ich schon immer sehr an meinen Eltern hing und es für mich kaum etwas Schlimmeres gab, als von ihnen getrennt zu sein. Doch diese Zeit ist für uns zum Segen geworden.

Nach der Bibelschule zog ich aufgrund meiner beruflichen Situation wieder daheim ein. Jetzt, mit 22, wohne ich immer noch beziehungsweise schon wieder im Elternhaus und komme nicht umhin, mich tagtäglich mit dem Thema „Loslassen“ und allen zugehörigen Fragen zu beschäftigen. Vor allem meinem Vater ist es schon immer sehr wichtig gewesen, dass meine zwei jüngeren Brüder und ich uns an den Gedanken gewöhnen, irgendwann auf uns allein gestellt zu sein, eigene Entscheidungen treffen und für uns selbst Verantwortung zu übernehmen. Unsere Eltern betonten aber stets, dass sie immer für uns da seien, wenn wir Hilfe oder Unterstützung bräuchten. Und das waren und sind sie auch.

ZWEI TERMINKALENDER

Im Gespräch mit Freunden und Freundinnen zwischen 18 und 23 Jahren habe ich festgestellt, dass Loslassen ein sehr individueller und subjektiver Prozess ist. Jede und jeder versteht ein bisschen etwas anderes darunter. Manchen fällt es leichter, andere tun sich schwer damit, sich zu lösen. Deshalb fand ich es spannend zu erfahren, was andere junge Erwachsene denken und habe sechs Freunde und Freundinnen befragt. Vier von ihnen sind Studierende oder gehen noch zur Schule, zwei stehen an der Schwelle zum Eintritt in das Arbeitsleben. Drei sind schon ausgezogen, die anderen leben noch im Elternhaus. Als Gründe für den Auszug von daheim wurden die Entfernung zur Uni oder Schule, die Heirat oder ein angespanntes Verhältnis zu einem Elternteil genannt. Ob schon ausgezogen oder noch zu Hause lebend – fast alle bewerteten das aktuelle Verhältnis zu den Eltern als gut bis sehr gut. Bei allen Befragten fiel auf, dass sie die Beziehung zu den Eltern in der Pubertät als angespannt und weniger gut beschrieben und der Wunsch nach Freiheit von den Eltern in dieser Zeit groß war.

Auf die Frage, was „Loslassen“ in Bezug auf Eltern und Elternhaus für sie bedeute, wurden folgende Antworten gegeben: „Ausziehen und allein leben“, meint Eduard (18). Bennet (19) nennt die Stichworte „Verantwortung annehmen“ und „selbstständig werden“. „Nicht mehr abhängig sein, eigene Entscheidungen treffen, versuchen, alles selbstständig zu erledigen, wie kochen oder waschen“, lautet die Antwort von Jon (20). Für Melli (20) stehen „Selbstständigkeit, zwei Terminkalender haben, nach eigenen Lösungen suchen“ im Vordergrund. Und Sara (21) antwortet: „Loslassen bedeutet für mich, meine gewohnte Routine mit meinen Eltern loszulassen und eine neue, eigene Routine zu finden. Loslassen bedeutet für mich nicht, seine Eltern nur noch selten zu sehen und sich ganz von ihnen abzuschotten.“

Diese Aussage finde ich sehr bezeichnend. Loslassen heißt nicht, seine Eltern in die Wüste zu schicken, sondern sich ein eigenes, selbstbestimmtes Leben aufzubauen, welches die Eltern zwar enthält, aber nicht durch sie vorgegeben wird.

Rebekka (23) ergänzt diesen Gedanken. Loslassen bedeute für sie, sich selbst zuzutrauen, im Leben klarzukommen. Sie müsse nicht ständig wissen, was ihre Eltern machen und diese nicht, was Rebekka mache. Gleichzeitig finde sie, dass Loslassen auch die Freiheit beinhalte, sich diese Dinge gegenseitig freiwillig zu erzählen. Es bedeute, sich gegenseitig Freiheit zu geben.

Fast allen der Befragten ist oder wäre es wichtig, mit ihren Eltern in Kontakt zu bleiben, ob über Handy, Mail oder durch regelmäßige Besuche.

VERTRAUENSBEWEIS

Letztens kam mir ein Bild für das Loslassen in den Kopf: Ein Vater steht mit seinem Kind an einem Fußgängerüberweg und nimmt es an die Hand. Das Kind möchte sich losreißen und über die Straße zum Park rennen. Es realisiert nicht, dass Autos angerast kommen, die es umfahren könnten. Der Vater erkennt die Gefahr, hält das Kind fester und erklärt ihm: „Es ist gefährlich, einfach so über die Straße zu rennen. Ich möchte, dass du an meiner Hand bleibst, bis wir auf der anderen Straßenseite sind. Ich werde dich sicher nach drüben bringen.“ Das leuchtet dem Kind ein und es geht an der Hand des Vaters über die Straße. Je näher sie der anderen Straßenseite kommen, desto unruhiger wird das Kind. Es möchte allein laufen. Der Vater würde es lieber weiterhin an der Hand halten. Aber er sieht ein, dass das Kind nur noch stärker an seinem Arm ziehen und sich vielleicht einfach losreißen wird, wenn er es nicht loslässt. Also gibt er das Kind frei und es kann allein laufen. Der Vater setzt sich auf eine Bank und beobachtet es aus einer Distanz. Das Kind kann sich frei bewegen, aber es sieht, dass er doch noch irgendwie da ist. Sollte also etwas passieren, hätte es die Möglichkeit, zum Vater laufen.

Dieses Bild bedeutet für mich, dass wir die Führung unserer Eltern bis zu einem gewissen Punkt brauchen. Sie haben mehr Erfahrung, oft mehr Überblick und wissen wirklich manches besser – auch wenn wir das als Teenager oft bezweifeln. Je näher wir dem Erwachsenesein kommen, desto mehr Freiheit wünschen wir uns. Wir zerren an der Hand, wollen allein laufen. Jetzt liegt es an unseren Eltern: Lassen sie uns freiwillig los und unterstützen uns bei unserem Erkundungsdrang? Oder halten sie uns weiter fest und riskieren damit, dass wir uns weiterhin an ihnen festklammern oder dass wir uns losreißen und wegrennen? Loslassen hat viel mit Vertrauen zu tun. Es ist es ein echter Vertrauensbeweis, wenn die Eltern ihre Kinder fliegen lassen. Wenn sie ihnen zutrauen, sich selbstständig im Leben zurechtzufinden und klarzukommen.

KEINE ROMANE ERWARTEN

Zum Schluss habe ich meine Freunde und Freundinnen gefragt, wie sich Eltern nach dem Auszug der Kinder verhalten sollten. Sara hat sich von ihren Eltern gewünscht, „mich zu unterstützen und die Trauer nicht so sehr zu zeigen und verständnisvoll zu sein.“ Jon ist es wichtig, dass seine Eltern ihn „auf Anfrage hin unterstützen, sonst mich meinen Aufgaben selbst überlassen.“ „Lauft mir nicht nach, sonst komme ich nicht wieder“, würde Eduard seinen Eltern raten. Und Melli meint, ihre Eltern sollten nicht enttäuscht sein, wenn sie ohne sie auskommt. „Erwartet keine Romane von meinem Leben“, formuliert Bennet, während Rebekka betont: „Bedrängt mich nicht, aber bietet Unterstützung an!“ Liebe Eltern, wir möchten einerseits unabhängig sein, aber andererseits mit dem Wissen in die Welt gehen, dass ihr für uns da seid, wenn wir euch von uns aus um Hilfe oder Unterstützung bitten. Lasst uns frei, aber seid erreichbar. Bevormundet uns nicht, aber gebt uns Rat, wenn wir ihn erbeten. Und vor allem, betet für uns um Segen, Bewahrung und Weisheit. Das ist nämlich das größte Geschenk, das ihr uns mit auf den Weg ins Erwachsenenleben geben könnt.

Borika Lea Luft (22) lebt in Pforzheim, studiert Soziale Arbeit und absolviert zurzeit ihr Praxissemester bei pro familia. In ihrer Freizeit engagiert sie sich in ihrer Gemeinde.

 

Borika Lea Luft hat für diesen Artikel einen Fragebogen entwickelt, um junge Erwachsene zum Thema Abnabelung und Loslassen zu befragen. Die Befragten haben ihn als sehr hilfreich empfunden. Deshalb haben wir ihn zum Herunterladen online gestellt.

Mit der Checkliste zur Traumfrau

Nach dem Tod seiner Frau sucht Franz nach einer neuen Partnerin anhand einer Liste mit 30 Punkten und findet Andrea.

Die Lebensgeschichte der Lermers liest sich wie ein Roman, bei dem der Autor arg dick aufgetragen hat. Das passt doch alles gar nicht in zwei Leben! Nach dem plötzlichen Tod seiner Ehefrau sucht Franz in einer besonders trüben Stunde nach einer neuen Partnerin anhand einer Liste mit 30 Punkten – Eigenschaften, die seine Traumfrau erfüllen soll. Und er findet Andrea auf einer Internetplattform. Auch sie ist schwer vom Leben gebeutelt. Sie hat eine katastrophale Ehe hinter sich, in der sie Missbrauch und Gewalt erlebt hat. Die Verbindung endete mit dem Selbstmord des Ehemannes.

Heute leben Andrea und Franz Lermer zusammen mit ihren vier Kindern als Patchworkfamilie in Sachsen und betreiben eine Landwirtschaft mit Westernflair. Ihre Seminare auf der Ranch sind immer ausgebucht, obwohl sie keine Werbung dafür machen und obwohl man dort weder Reiten noch Lassowerfen lernen kann. Denn eigentlich wollen sie vor allem von Jesus erzählen – mitten im säkularisierten Osten, wo sich drei Viertel der Bevölkerung keiner Religion zugehörig fühlen.

Christof Klenk hat die Lermers in Hainichen besucht.

Leute öffnen sich

Sie sind beide verwitwet, haben heftige Schicksalsschläge erlebt und bieten Seminare mit dem Titel „Heil und gesund“ an. Inwiefern helfen Ihre Erfahrungen da?

Franz: Das ist unser Kapital. Viele fühlen sich völlig unverstanden in ihrer Situation, kommen zu uns und merken: Hier versteht mich doch jemand. Vielleicht haben sie Missbrauch erlebt wie Andrea. Vielleicht finden sie sich in den wirtschaftlichen Geschichten wieder, die ich erlebt habe.

Andrea: Wir erleben, dass sich Leute öffnen können, weil sie sagen: Ich habe fast die gleiche Geschichte. Manchmal erzählen sie uns Dinge, die sie nicht mal ihren Psychiatern erzählen. Manchmal wissen sie auch gar nicht, warum sie solche Schwierigkeiten im Leben haben.

Und was bieten Sie ihnen an?

Franz: Viele Leute suchen Heilung. Wir sind keine Therapeuten, keine Seelsorger, sondern für die Leute da. Wir raten niemandem ab, zum Arzt oder Therapeuten zu gehen. Unsere Seminare dauern eineinhalb bis drei Tage, in denen wir als Christen von uns erzählen und was wir mit Gott erlebt haben. Wir beten auch für die Menschen – und erleben, dass Gott handelt.

Andrea: Ich war am Anfang total hilflos, wenn die Leute anfingen, ihre Geschichte zu erzählen. Ich hatte keine Lösung für ihre Situation und habe gemerkt: Das kann ich gar nicht tragen. Dann haben wir angefangen, für die Menschen zu beten – und für Gott gab es eine Lösung.

In jedem steckt ein Cowboy

Welche Rolle spielen die Pferde und eure Ranch in dem Prozess?

Franz: Das gehört zu unserer Geschichte. Wir züchten Pferde und verkaufen sie; das ist unser Hobby. Wir haben eine Landwirtschaft, wo wir Black Angus-Rinder züchten. Das ist unser Flair, und die Leute finden es toll. Die Atmosphäre wirkt entspannend. Am Anfang haben wir versucht, die Pferde mit einer therapeutischen Rolle einzubeziehen. Das lenkt aber eher ab von dem, was uns wichtig ist.

Andrea: Bei den Seminaren haben wir den Stall immer geöffnet. Man kann die Pferde streicheln, wir bieten aber kein Reiten an.

Franz: Über dem Stall haben wir einen Saloon. Das ist unser Veranstaltungsaal, in den 100 Leute reinpassen. Dort machen wir unsere Seminare. Diese Umgebung holt die Leute ab. Wir dachten am Anfang, dass sie das möglicherweise doof finden, aber scheinbar steckt ein Cowboy in jedem.

Andrea: Uns gefällt das. Wenn wir irgendwo ohne Hut hinkommen, dann sagen die Leute manchmal: „Habt ihr den Hut nicht dabei?“

Als ihr euch kennengelernt habt, hattet ihr beide eine schwere Geschichte hinter euch. Hat euch das verbunden?

Andrea: Am Anfang hat es uns schon verbunden, dass wir beide unsere Partner verloren hatten und in einer ähnlichen Situation steckten. Man fühlte sich verstanden. Wir konnten uns über Vieles austauschen.

Franz: Trotzdem hätte auch alles schief gehen können, gerade mit den Kindern. Wir kennen so viele Geschichten, die so sind wie unsere, bei denen es überhaupt nicht funktioniert hat. Patchwork – das ist für viele die Hölle.

Und könnt ihr erklären, warum es bei euch funktioniert?

Franz: Die einzige Erklärung, die ich abgeben könnte, wäre unsere Kennenlerngeschichte. Ich habe meinen Kindern ein Bild von Andrea gezeigt und die waren überzeugt, dass sie sie bereits kennen. Bei Andreas Eltern und Kindern war’s genauso, als sie ein Bild von mir sahen. Da sind wir in eine offene Tür reingefallen. Unsere Kinder waren damals 9, 12, 13 und 16.

Andrea: Die Kinder von Franz haben mich sehr schnell gefragt: „Kann ich zu dir Mama sagen?“ Da bin ich fast vom Stuhl gefallen.

Franz: Und wir haben über die Jahre in dem Bewusstsein gelebt, dass sich das auch noch mal ändern kann; aber jetzt sind es mehr als zehn Jahre.

Unerträglicher Schmerz

Konntet ihr euch in dem Trauerprozess helfen?

Andrea: Als wir uns kennengelernt haben, war der Trauerprozess noch nicht abgeschlossen.

Franz: Wir haben uns vier Monate nach dem Tod unserer Ehepartner kennengelernt.

Andrea: Wir haben viel gesprochen, gefragt: „Wie geht es dir?“ und haben das ausgewertet. Es war übernatürliche Heilung, das kann ich nicht anders sagen.

Franz: Ich hatte nach dem Tod meiner Frau das Gefühl, dass ich auf der Brust eine blutende Wunde habe, ein unerträglicher Schmerz. In einem Bild: Wie ein riesiger Haufen Sand vor der Tür, der wegmuss. Du kannst das Ding ignorieren und auf 50 Jahre verteilt wegschaufeln, aber so lange klebst du auch daran fest. Ich habe mich schnell da durchgewühlt, geschaufelt wie ein Kaputter und bin durch den Trauerprozess gegangen.

Und was bedeutet das Schaufeln …?

Franz: Sich damit konfrontieren, auseinandersetzen, drüber nachdenken, das zulassen.

Andrea: Es ist so: Der Partner ist plötzlich weg. Die Welt dreht sich aber weiter. Du hast alles noch an der Backe. Das Leben hört nicht auf deswegen. Und dann ist die Frage: Wie machst du jetzt weiter?

Franz: Wir raten den Leuten davon ab, das Gedenken an den Verstorbenen ständig am Leben zu erhalten. Der Tod geht knallhart mit dir um. Wir empfehlen den Leuten darum: „Entferne dich bewusst davon, lass los, geh in dein neues Leben!“ Du kannst auch entscheiden, daran festzuhalten. Aber dann wird es dich immer begleiten. Und wenn du eine neue Beziehung hast, dann hat der alte Partner dort nichts mehr zu suchen. Das tut nicht gut.

Andrea: Ich musste immer wieder dagegen ankämpfen, dass ich mir keine Selbstvorwürfe mache. Wenn sich der Partner umgebracht hat, dann fängt man an, die Schuld bei sich selbst zu suchen. Da musste ich loslassen und mir klar machen, dass das nicht meine Verantwortung war.

Der eigene Mann am Strick

Bevor Ihr Mann sich umbrachte, waren Sie mit den Kindern zu Ihren Eltern geflüchtet, weil Ihr Partner Sie geschlagen hatte. Kann man da überhaupt trauern?

Andrea: Am Anfang schon. Ich hatte mir zwar immer wieder gewünscht, dass ich aus dieser Beziehung rauskomme, aber wenn man dann den Partner am Strick hängen sieht, dann ist es nochmal was ganz Anderes.

Franz: Man könnte sagen: Du hast, egal was vorher war, eine „Best of“-Sammlung von Erinnerungen.

Andrea: Das fängt automatisch an. Man versucht sich an die wenigen schönen Situationen zu erinnern. Da gibt es schon einen massiven Trauerprozess. Später hat sich das umgewandelt in Wut und Anklage; das musste ich Stück für Stück bearbeiten.

Viele tun sich schwer damit, sich nochmals auf eine neue Beziehung und ein neues Umfeld einzulassen. Was war für euch ausschlaggebend für diesen Schritt?

Andrea: Ich glaube, das war Gottes Reden damals. Das, was wir gemacht haben, war ganz schön waghalsig. Ich habe meinen Job aufgegeben, meine Wohnung gekündigt, bin mit zwei Kindern hierhergezogen. Das hätte alles super schiefgehen können.

Franz: Wir haben gemerkt, dass wir uns nach einer dauerhaften, langfristigen Beziehung sehnen. Das ist eine Grundsehnsucht. Die Frage ist nur, welche Erfahrungen man gemacht hat. Das ist völlig unterschiedlich. Wir haben eine Menge Paare in unseren Seminaren, die richtig um ihre Ehe kämpfen. In einem Seminar war das besonders krass: Da kamen sechs Ehepaare – die Partner sind zum Teil getrennt angereist – und alle sechs Paare haben erzählt, dass sie sich auf diesem Seminar versöhnt haben. Sie haben sogar Scheidungstermine abgesagt … unglaublich, was da passiert ist!

Uns beiden hilft unsere „Bubble-Time“. Wir erzählen davon in unseren Seminaren: Seit fünf, sechs Jahren setzen wir beide uns jeden Tag in der Früh zusammen und tauschen uns aus: „Wie geht es dir emotional, geistlich, wie geht’s dir körperlich und mit deiner Sexualität?“ Und versuchen dadurch immer wieder eine Einheit als Paar zu finden.

So eine „Bubble-Time“ hat vier Fragen, habe ich gelernt …

Franz:  Ja. Wir stehen so früh auf, wie es notwendig ist. Und dann sagen wir uns etwa: „Ich fühle mich geliebt“, das heißt: Es ist alles gut. Meine Liebestanks sind voll. Das miteinander abzuchecken, halten wir für hilfreich.

Andrea: Ich bin der Umarmungstyp. Er schenkt mir den ganzen Tag Aufmerksamkeit, aber …

Franz: … Ich mag das schon, denke aber nicht immer dran. Für mich ist es viel wichtiger, dass du da bist.

Andrea: Ich habe dann erwähnt, dass ich mir eine Umarmung wünsche. Er hat darauf gesagt: „Mensch, das habe ich gar nicht auf dem Schirm.“ Wir haben uns kleine Hilfestellungen gegeben. Er hat beispielsweise gesagt: „Pass auf, dann umarme ich dich jetzt dreimal.“ Das hört sich jetzt dumm an, daraus ist aber was Tolles entstanden.

Franz: Bubble kommt von Seifenblase. Die Einheit, um die es da geht, ist so empfindlich wie eine Seifenblase. Ein doofer Blick kann unsere Einheit zerstören.

Die Liste

Frau Lermer, wie haben Sie es geschafft nach den Erfahrungen, die Sie gemacht haben, wieder einem Mann zu vertrauen?

Andrea: Wir haben viel miteinander gesprochen. Das ist der Schlüssel gewesen. Natürlich hat mir auch die Liste geholfen, die der Franz geschrieben hat.

Was ist das Besondere an dieser Liste?

Franz: Die Liste beschreibt eine Frau, wie ich sie gesucht habe. Ich hatte nach dem Tod meiner ersten Frau den Eindruck, Gott sagt mir, ich solle eine solche Liste erstellen. Nach 28 Punkten war ich fertig, hatte dann aber noch die Eingebung, zwei Punkte dazu zu schreiben: Pferd und Bauernhof … Dabei hatte ich damals mit beidem gar nichts am Hut! Und nun sitzt die Frau, die ich in der Liste beschrieben habe, eins zu eins hier! Es stimmt alles. Größe, Gewicht, Haarfarbe … Alles passt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Keine Angst vor Verbindlichkeit

Ein wunderschönes Brautkleid, zu Tränen gerührte Gäste, Blumenmädchen und eine Bilderbuchehe bis der Tod uns scheidet. Das waren meine Vorstellungen von Hochzeit und Ehe, bevor es mit dem Heiraten konkret wurde. Wie diese Entscheidung nach Außen wirkte, darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht.

Als es dann soweit war, war ich 22 Jahre alt und wollte einfach nur meinen David heiraten. Für mich war wichtig, eine Verbindlichkeit für das gemeinsame Leben mit dem Mann einzugehen, den ich liebe.

Doch so klar und einfach diese Entscheidung für uns war, war sie nicht für alle Menschen in unserem Umfeld. Ich studierte zu diesem Zeitpunkt noch und bei meinen Kommilitonen warf diese Entscheidung viele Fragen auf. Ganz vorne dabei waren zwei Fragen: „Wie alt seit ihr denn?“ und „Woher nehmt ihr das Geld?“. Scheinbar war für viele die Heiratsfrage eine Frage des Alters und des Geldes. In Gesprächen mit Altersgenossen wurde oft zum Ausdruck gebracht, dass man mit Anfang 20 so eine Entscheidung gar nicht treffe könne, weil das Leben doch jetzt gerade erst anfinge. Wer weiß schon, wo man in 10 Jahren steht? Natürlich kann man nicht in die Zukunft sehen, aber mit 30 weiß ich genauso wenig wie sich meine Zukunft entwickelt. Den Rest seines Lebens mit einem Partner zu verbringen, scheint für die meisten jungen Leute wenig attraktiv zu sein. Eine Ehe wird eher als Hindernis für die persönliche Entfaltung gesehen. Ich kann für mich nur sagen, dass ich mich in meiner Persönlichkeit noch nie so gut entfalten konnte, wie mit meinem Mann an der Seite, der mich in jeder Herausforderung des Lebens begleitet und bestärkt. Der mir Ideen gibt, wenn ich keine mehr habe und der oft eine andere Sichtweise auf die Dinge hat. Zu zweit ist jede Herausforderung nur noch halb so groß.

Eine Frage des Geldes?

Dann war da ja noch die Sache mit dem Geld. Ja, eine Hochzeit kostet Geld. Doch obwohl ich mich im Studium befand, hat es hingehauen. Schlussendlich geht es doch darum, die Liebe zueinander zu feiern. Ob in einem Schloss oder im Gemeindehaus von nebenan, spielt dabei eigentlich keine Rolle. Für uns war einfach wichtig, im Kreis unserer Familien und Freunde „Ja“ zu einem gemeinsamen Leben zu sage und dieses „Ja“ unter Gottes Segen zu stellen. Dafür brauchte es nicht viel Geld und keiner der Gäste hat sich je beschwert, dass es keine Stuhl-Hussen gab, dass die Deko ein wenig zusammengewürfelt war oder dass der ein oder andere Gast Kuchen mitbringen musste.

Hand in Hand durch stürmische Zeiten

Dass eine Ehe zu führen nicht immer einfach ist und dass man nicht jeden Tag gut miteinander auskommt, scheint für die meisten jungen Leute nicht in der Vorstellung von Ehe enthalten zu sein. Die wichtigen Dinge des Lebens, wie Zusammenhalt, Loyalität, Kompromissbereitschaft, Vergebung und Empathie habe ich noch nie so intensiv erlebt, wie in den vergangenen drei Ehejahren. Mein Mann und ich führen keine perfekte Beziehung, wir verstehen uns auch nicht jeden Tag gleich gut, aber wir sind durch das Band der Ehe fest verbunden. Ich kann darauf vertrauen, dass wir zueinander halten, auch wenn wir uns ab und zu mal streiten. Wir haben eine gemeinsame Basis, von der alle Entscheidungen ausgehen. Dieses Fundament lässt sich nicht so einfach durch Streit oder Unstimmigkeiten zerschlagen, weil wir wissen, dass der Partner sich entschieden hat, für ein gemeinsames Leben, so wie wir sind.

So hart das vielleicht klingt, ich weiß nicht, ob mein Mann und ich noch zusammen wären, wenn wir nicht geheiratet hätten. Vielleicht hätte ich in Krisenzeiten einfach aufgegeben und den leichteren Weg der Trennung gewählt, wenn es die gemeinsame Basis nicht gegeben hätte. Umso schöner ist es doch zu sehen, das man viele Krisen oder Streits auch als Ehepaar überwinden kann.

Doch dieses Verständnis von Ehe ist, meiner Erfahrung nach, in unserer Gesellschaft verloren gegangen. Der Drang nach Perfektion und Vollkommenheit in allen Lebensbereichen ist groß, sodass die Entscheidung für eine verbindliche Partnerschaft schwer fällt. Ständig muss alles abgewogen und bewertet werden, damit man den perfekten Zeitpunkt oder das perfekte Alter nicht verpasst. Doch die Menschen sind nicht vollkommen. Ist es nicht viel einfacher nicht perfekt sein zu müssen? Die Gewissheit, dass man nicht alles richtig machen muss, um geliebt zu werden. Das Gott mir jemanden an die Seite stellt, mit dem ich mein Leben leben darf, so wie es eben kommt. Das ist für mich Ehe.

Eine richtige Entscheidung

Zum Glück standen unsere Familien immer voll hinter uns und freuten sich mit uns über die Entscheidung zu heiraten. Wir waren beide 23 Jahre alt und die Hochzeit war der schönste Tag unseres Lebens, weil wir unsere Liebe zueinander feierten. Ich glaube es wäre ganz egal gewesen, wie dieser Tag verlaufen wäre. Es war etwas ganz besonderes „Ja“ zueinander zu sagen. Auch wenn es den ganzen Tag geregnet hat (und das im Hochsommer), die Eisbombe schon halb geschmolzen war und der Standesbeamte mich mit Daniel anstatt David verheiraten wollte. Wenn ich mich an meine Hochzeit erinnere, dann habe ich immer ein Gefühl von Geborgenheit. Wir müssen unser Leben jetzt nicht mehr alleine bewältigen, wir haben jemanden zur Seite gestellt bekommen, mit dem wir durch Leben gehen dürfen.

Doch auch nach diesem Fest muss ich mich noch oft rechtfertigen. Die Frage nach meinem Alter ist allgegenwärtig, noch viel häufiger seit unsere Tochter auf der Welt ist. Fast niemand, der uns als Paar oder als Familie sieht, geht davon aus, dass wir verheiratet sind. Am häufigsten tauchen  die Fragen in meinem beruflichen Umfeld auf. Oft finde ich diese ganzen Erklärungen lästig, manchmal macht es mich aber auch stolz diesen Weg gegangen zu sein.

Insgesamt bin ich froh in jungen Jahren das Leben von dieser spannenden Seite kennenlernen zu dürfen. Wenn ich 10 Jahre lang darüber nachgedacht hätte, ob Heiraten die richtige Entscheidung ist oder ob David wirklich der richtige Mann ist, ich hätte vermutlich die eigentliche Bedeutung von Ehe aus den Augen verloren. Ich habe letztlich auf mein Gefühl gehört und hatte keine Angst vor falschen Entscheidungen, denn ich lebe in dem Vertrauen, dass mein Leben nicht allein in meiner Hand liegt, sondern dass es einen Gott gibt, der am Ende alles gut werden lässt. Auch eine Ehe, die mit Anfang 20 beginnt.

 

Annabell Meyer ist seit 3 Jahren verheiratet und lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Essen.

 

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