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„Mama, ist auch bei uns bald Krieg?“ – So können Eltern mit Kinderängsten umgehen

Kriege, Krankheiten und Katastrophen machen schon Erwachsenen oft große Angst. Wie geht es Kindern dabei? Und wie können Eltern ihre Kinder begleiten? Tipps gibt Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Melanie Schüer.

„Mama, kommt der Krieg bald auch zu uns?“ Sara muss erst einmal schlucken, als ihr fünfjähriger Sohn diese Frage auf dem Rückweg vom Kindergarten stellt. „Wie meinst du das?“, fragt Sara bemüht unbeschwert, um Zeit zu gewinnen. „Naja“, entgegnet Luis und schaut seine Mama mit großen Augen an, „Heute haben die anderen Kinder Krieg gespielt und über Russland und die Ukraine gesprochen. Und Anna meinte, dass Deutschland vielleicht auch bald angegriffen wird!“ Sara hört die Angst in der Stimme ihres Sohnes – und spürt, wie sich ein Gefühl von Bedrohung in ihr ausbreitet. Keine einfache Frage, die der kleine Luis da stellt! Und doch eine, die wir Erwachsenen vermutlich alle sehr gut nachvollziehen können.

Zuversicht, aber bitte ehrlich

Es ist keine gute Idee, Dinge zu versprechen, die wir ehrlicherweise selbst nicht sicher wissen können. Und gleichzeitig ist es wichtig. unseren Kindern bei aller Ungewissheit Vertrauen und Stabilität zu vermitteln. Das kann zum Beispiel bedeuten, dem kleinen Luis eine Antwort zu geben, die so oder so ähnlich klingt:

„Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was passieren wird und ob es auch bei uns irgendwann mal Krieg geben wird. Es ist aber nicht sehr wahrscheinlich, dass uns einfach jemand angreift. Denn unser Land hat mit 31 anderen starken Ländern zusammen etwas abgemacht. Wir haben uns alle versprochen, dass wir uns gegenseitig helfen, falls ein Land angegriffen wird. Wenn ein Gegner uns angreifen würde, hätten wir 31 befreundete Länder, die uns unterstützen – das muss der Gegner sich natürlich gut überlegen, ob er das wagen will! Würdest du jemanden angreifen, der 31 Freunde auf seiner Seite hat, die ihn beschützen? Aber das Wichtigste ist: Egal, was passiert, wir halten zusammen und Mama ist bei dir!“

Auch die Vermittlung von Glaubensinhalten, kann – sofern die Eltern selbst dahinterstehen – ein starkes Mittel gegen die Angst sein, im Sinne von: „Wir wissen nicht, was kommt, aber wir wissen, dass Gott immer an unserer Seite ist – in guten und in schwierigen Zeiten.”

Betonen, was Halt gibt

Auch, wenn bedrohliche Erkrankungen im Raum stehen, ist es keine gute Idee, Kinder anzulügen, um sie vermeintlich zu schützen. Fast immer spüren die Kinder, dass etwas nicht stimmt – und das Unwissen fühlt sich oft viel belastender an als eine altersgerechte, ehrliche Antwort. Bei aller Unsicherheit ist es immer hilfreich, wenn Eltern auf das hinweisen, was Halt vermittelt. Beispielsweise:

„Du hast Recht, meine Krankheit ist schlimmer als ein kleiner Schnupfen. Und es sind schon Menschen daran gestorben. Das heißt aber nicht, dass ich auch sterben muss! Es gibt gute Behandlungen – ich muss in nächster Zeit öfter in die Klinik, damit mein Körper die Krankheit möglichst gut bekämpfen kann. Ich habe gute Chancen, wieder gesund zu werden. Sehr wahrscheinlich sterbe ich nicht! Aber selbst im schlimmsten Fall gibt es Menschen, die dich lieb haben und sich um dich kümmern: Oma, Opa, Onkel Tommy … Du bist niemals allein. Wir kämpfen gemeinsam und gemeinsam sind wir stark! Ich freue mich schon auf die Zeit, wenn wir diese blöde Krankheit besiegt haben und wieder zusammen schwimmen gehen können!“

Angst darf sein

Angst ist nicht per se negativ, denn sie ist ein wichtiges Gefühl, das uns hilft, uns nicht unnötig in Gefahr zu bringen: So ist es doch durchaus schlau, ein großes, gefährlich wirkendes Tier nicht anzufassen oder nicht einfach über die Straße gehen, ohne zu schauen!

Schwierig wird es nur, wenn die Angst ständig warnt, obwohl gar keine Gefahr droht. Dann hilft es, sich klarzumachen: Die Angst irrt sich, es ist gerade nicht gefährlich. Man kann sich auch einen Satz ausdenken, den man sich innerlich sagt, wie zum Beispiel: „Danke, liebe Angst – aber gerade ist alles okay. Fehlalarm, du kannst dich beruhigen.“ So einen Satz parat zu haben, kann auch schon Kindern helfen.

Angst nicht zum Tabu machen

Es lohnt sich, Kinder zum Sprechen über Angst zu ermutigen und deutlich zu machen, dass genau das hilft, mit der Angst klarzukommen. Eltern können ihrem Kind erklären, dass Angst ein vorübergehendes Gefühl ist, das zum Leben dazugehört – genauso wie Freude, Wut und Traurigkeit.

Eltern können ein gutes Vorbild sein, indem sie auch von sich aus erzählen, wovor sie Angst haben, oder früher Angst hatten, und was ihnen geholfen hat, sie zu überwinden. Singen, Tagebuch schreiben, Beten … was hilft Ihnen, wenn die Angst hochkommt? Erzählen Sie Ihrem Kind davon!

Unbegründete Ängste gelassen angehen

Nicht jede Angst ist für uns Eltern direkt nachvollziehbar. Manchmal geraten Kinder auch in Panik über einen kleinen Hund oder haben Bauchweh vor jedem kleinen Ausflug. Dann ist es wichtig, diese scheinbar unbegründeten Sorgen ernst zu nehmen, und gemeinsam mit dem Kind herauszufinden, was dahintersteckt:

  • Verständnis ausdrücken: „Stell dich doch nicht an“ sollte natürlich tabu sein, ebenso wie Druck und Zwang. Lass dein Kind wissen, dass du siehst, dass es sich fürchtet – und, dass du an seiner Seite bist: „Du hast gerade Angst, oder? Das ist okay. Ich bin bei dir.“
  • Fragen stellen: Wenn die Angst gerade sehr stark ist, gilt es, das Kind wahrzunehmen und liebevoll zu begleiten. Sobald es sich etwas beruhigt hat, dürfen Eltern dann behutsam nachfragen: “Was genau findest du so schlimm daran? Was befürchtest du, was passieren könnte?”
  • Manchmal wissen Kinder selbst nicht, was genau die Ursache für ihre Verunsicherung ist. Dann kann es helfen, dem Kind Informationen zu geben, damit es die Situation besser einschätzen kann, zum Beispiel, wie der Ausflug ablaufen wird, wen man bei Problemen ansprechen kann, usw.
  • Verbindung zwischen Körper und Gedanken kindgerecht erklären: Viele Kinder reagieren mit Bauch- oder Kopfschmerzen auf Nervosität. Das ist dann nicht eingebildet, sondern eine körperliche Reaktion auf die Stresshormone. Das zu wissen hilft Kindern, die Symptome besser zu verstehen und gelassener damit umgehen zu können. Eltern können erläutern: „Wenn man sich Sorgen macht, dann wird auch oft der Kopf oder der Bauch ganz unruhig. Die Angst wandert sozusagen durch den Körper und kann dann auch mal weh tun, so wie deine Kopfschmerzen.“
  • Kleine Schritte gehen: So kann vielleicht ein Eltern- oder Großelternteil beim ersten Kita-Ausflug dabei sein oder der Hund kann erst einmal aus der Ferne, dann von etwas näher beobachtet und dann vorsichtig am Rücken berührt werden, während er festgehalten wird.
  • Die Angst externalisieren: So nennen es Fachleute, wenn sie mit Menschen Wege finden, der Angst eine sichtbare Gestalt zu geben. Das kann helfen, Abstand zu den Gefühlen zu finden und zu merken: “Ich bin nicht meine Angst. Ich muss mich nicht von ihr bestimmen lassen.” Das geht auch toll mit Kindern! Eltern können ihren Kindern vorschlagen, die Angst gemeinsam zu malen und sogar zu benennen – vielleicht als Tier, als fieses kleines Monster oder anderes Wesen. Im zweiten Schritt kann dann auch jemand gemalt werden, der hilft, die Angst zu zähmen.
  • Kleine Mutmachübungen: Mit körperlichen Übungen kann Angst spürbar gelindert werden. So kann es hilfreich sein, die Angst aus dem Körper herauszuklopfen (Arme, Beine und Oberkörper abklopfen und danach alles ausschütteln) oder die Arme verschränkt über die Schultern zu legen („Schmetterlingsumarmung“) und dabei ein paar Mal tief in den Bauch ein- und wieder auszuatmen. Symbole wie ein Mutstein, eine Gebets-Box oder ein Sorgenfresser können Kinder daran erinnern, dass sie nie alleine sind.

Glaube nicht alles, was du denkst!

Älteren Kindern und Jugendlichen können Eltern erklären, wie unsere Gedanken und Gefühle miteinander zusammenhängen. Je nachdem, wie wir über eine Situation denken, fühlen wir uns auch. Wer denkt: „Ich bin nervös, aber ich gebe mein Bestes und bin nicht allein!“, der fühlt sich ganz anders als jemand, der denkt: „Ich kriege das nicht hin!“

Gedanken zu verändern lässt sich üben! Anfangs fühlt es sich künstlich an, doch je öfter man positive, zuversichtliche Gedanken denkt, desto normaler wird genau das für unser Gehirn.

Fachliche Hilfe einbeziehen

Nicht immer lassen sich Ängste ganz problemlos regulieren. Wenn Eltern merken, dass bestimmte Sorgen das Kind dauerhaft belasten oder sich sogar verstärken, dann ist fachliche Unterstützung angezeigt. Denn je länger man wartet, desto höher ist die Gefahr, dass sich die Angst festsetzt und chronisch wird. Je früher aber die richtigen Schritte unternommen werden, desto besser stehen die Chancen, dass dein Kind schon bald wieder mit mehr Leichtigkeit durch den Alltag gehen kann.

Wenn also trotz deiner Begleitung dein Kind weiter unter der Angst leidet und davon eingeschränkt wird (beispielsweise schulisch oder im Alltag), dann scheue dich nicht, dich beraten zu lassen. Wende dich an die kinderärztliche Praxis und/oder eine Erziehungsberatungsstelle. Kostenlose Angebote gibt es unter dajeb.de

Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen können einschätzen, ob eine Psychotherapie (meist geht das gut ambulant mit wöchentlichen Terminen) nötig ist. Die Wartezeiten, besonders im ambulanten Bereich, sind oft lang. Deshalb warte nicht zu lange und überbrücke die Wartezeit gerne mit Besuchen in einer Erziehungsberatungsstelle. Auch Schulsozialarbeiterinnen können oft gute erste Hilfe bei Ängsten leisten, welche den Schulalltag betreffen.

Fazit: Angst gehört zum Leben – muss es aber nicht bestimmen!

Gerade im Kindesalter kommen bestimmte Ängste entwicklungstypisch häufiger vor. Wer sein Kind achtsam im Umgang mit großen und kleinen Sorgen begleitet und sich im Ernstfall nicht scheut, fachliche Hilfe zu holen, bringt seinem Kind etwas Wichtiges für’s Leben bei: Angst gehört dazu. Angst kann sogar nützlich sein. Wenn sie zu stark wird, kann man etwas tun – denn Angst muss uns nicht lähmen.

Melanie Schüer ist Kinder- und Jugendpsychotherapeutin und Autorin.

Mit Kindern über Katastrophen reden

Der Flugzeugabsturz gestern hat uns alle traurig gemacht. Auch unsere Kinder. Dass eine Schülergruppe aus Haltern bei dem Absturz gestorben ist, bringt Kindern und Teenagern dieses schreckliche Ereignis ganz besonders nah. Wie gehen wir als Eltern damit um? Welche Antworten können wir unseren Kindern auf ihre Fragen geben?

Grundsätzlich gilt: Wir können unsere Kinder nicht vor schrecklichen Nachrichten bewahren. Spätestens im Schulalter bekommen sie sowieso mit, wenn etwas Schlimmes passiert. Anders ist es bei Kindern unter drei Jahren. Die müssen noch nicht mit den Ereignissen dieser Welt konfrontiert werden. Deshalb sollte der Fernseher auch nie als Nebenbei-Medium laufen, wenn Säuglinge und Kleinkinder im Raum sind. Sie bekommen oft mehr mit, als man glaubt.

Für die Größeren gilt: Es ist wichtig, solche Katastrophen wie den Flugzeugabsturz zu Hause mit ihnen anzusprechen. Ein guter Aufhänger sind die Kindernachrichten logo! im KIKA, die man auch in der Mediathek ansehen kann (www.logo.de). Dort werden die Ereignisse des Tages kindgerecht erklärt. Aber bitte die Kinder nicht allein vor den Fernseher setzen. Denn oft tauchen hier Fragen auf. Wenn Kinder Näheres wissen wollen, sollte man ihnen auch ehrlich antworten. Man muss aber nicht alle Details und Einzelheiten berichten. Und wenn die Kinder fragen, warum das passiert ist? Oder warum Gott nicht aufgepasst hat? Hier sind wir Erwachsenen ja oft selbst am Ende mit unserem Latein. Und das können wir ruhig zugeben: „Ich verstehe auch nicht, warum das geschehen ist und Gott das nicht verhindert hat.“

Oft kommt die Frage: „Kann uns das auch passieren?“ Hier sollten Eltern ebenfalls ehrlich sein, aber auch betonen, dass so etwas zum Glück nur selten passiert. Dass Flugzeuge zu den sichersten Verkehrsmitteln gehören. Dass Piloten und Techniker alles tun, damit ein Flugzeug sicher ankommt …

Eine gute und hilfreiche Reaktion auf eine Katastrophe ist das Gebet. Wir können mit unseren Kindern für die Betroffenen und Angehörigen der Katastrophe beten, aber auch für uns selbst. Wir können Gott sagen, dass wir nicht begreifen können, was da passiert ist. Wir können ihm von unseren Ängsten erzählen. Und ihn bitten, uns zu bewahren. Vielleicht hilft es den Kindern auch, eine Kerze anzuzünden für die Opfer. Oder sich in einem Kondolenzbuch einzutragen. Oder ein Bild  zu malen.  Das nimmt ihnen ein bisschen das Gefühl der Ohnmacht und hilft, die Trauer zu bewältigen.

Bettina Wendland

Family-Redakteurin