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Anonyme Geburt: Wie die Babyklappe einem Jungen das Leben rettete

Die Babyklappe eines Berliner Krankenhauses rettete Johannes das Leben. Zu verdanken hat er das Gabriele Stangl. Sie hat dafür gekämpft, dass verzweifelte Mütter eine Möglichkeit haben, ihr Kind in gute Hände zu geben.

Johannes (Name geändert) ist regelrecht ins Leben gestürzt. Seine Mutter war alleinerziehend mit zwei Kindern, als sie ungeplant schwanger wurde. Erst verdrängte sie die Schwangerschaft, dann – als sie der Wahrheit ins Auge sehen musste – beschloss sie, ihr Kind anonym zur Welt zu bringen. Sie hatte gelesen, dass es diese Möglichkeit im Krankenhaus Waldfriede in Berlin gab. Doch lange vor dem Geburtstermin setzten die Wehen ein. „Es ist doch noch viel zu früh“, dachte die werdende Mutter panisch. Schnell schickte sie ihre Kinder zu den Nachbarn. Sie wollte die Treppe zum Schlafzimmer hochgehen, brach aber auf der Treppe zusammen. Und dort stürzte Johannes ins Leben. Er fiel einige Treppenstufen herab, dabei brach er sich – wie man später feststellte – das Becken und einen Unterschenkel.

Seine Mutter war wie in Trance. Sie suchte für das viel zu kleine Frühchen ein Puppenkleidchen, wickelte es in eine Decke und versteckte es. Erst nachdem sie etwas geschlafen und ihre beiden älteren Kinder versorgt hatte, fiel ihr wieder ein, dass da ja dieses Baby war. Ihr Baby. Der kleine Junge war kalt und still, aber er lebte. Als die Kinder schliefen, fuhr Johannes‘ Mutter mit ihm nach Berlin. Im Krankenhaus Waldfriede gab es nicht nur die Möglichkeit der anonymen Geburt, sondern auch eine Babyklappe. Sie legte das kleine Bündel dort hinein und fuhr wieder nach Hause.

Das Leben gerettet

Nur zwei Minuten lag Johannes in der Babyklappe. Dann ging der Alarm los. Da das Frühchen in einem schlechten Zustand war, wurde es sofort in die Kinderklinik gebracht. „Wir hatten große Sorge, dass er es nicht schaffen könnte“, schilderte Krankenschwester Bärbel die Situation. „Seine Temperatur war nicht mehr messbar, so kalt war er. Er wog gerade mal 2.000 Gramm.“

Gabriele Stangl, zu der Zeit Krankenhaus-Seelsorgerin in Waldfriede, war sofort in die Klinik geeilt, als sie über den Neuzugang informiert worden war. Die Babyklappe war ihre Idee gewesen. Gegen viel Widerstand hatte sie im Jahr 2000 erreicht, dass im Waldfriede die weltweit erste Babyklappe – hier „Babywiege“ genannt – in einer Klinik eingerichtet wurde. Diese Einrichtung rettete Johannes das Leben.

Schon einen Tag nach seiner Geburt war er über den Berg und stabilisierte sich zusehends. Gabriele Stangl schloss ihn in ihr Herz und besuchte ihn regelmäßig. Kurz darauf bekam sie einen Anruf von einem Polizisten. Einer Frau sei aufgefallen, dass ihre Nachbarin schwanger gewesen sei, nun sei sie wieder schlank, habe aber kein Baby. Schnell wurde klar, dass es sich hier um Johannes‘ Mutter handelte. Sie erzählte den Polizisten, dass sie ihren Sohn in die Babyklappe gelegt habe, um ihn in Sicherheit zu bringen und dass sie ihn zur Adoption freigeben wolle.

Und so kam Johannes zu Katherina und Rolf (Namen geändert), die schon lange auf ein Adoptivkind warteten. Sie waren überglücklich, als sie ihren Sohn in die Arme nehmen konnten. Sie hatten sehr viel Liebe für ihn. Drei Jahre später adoptierten sie noch ein Mädchen, das im Krankenhaus Waldfriede anonym geboren worden war.

„Mir fehlt nichts“

Johannes ist inzwischen 16 Jahre alt und spricht offen über seine Geschichte. „Seit ich denken kann, weiß ich, dass ich adoptiert bin und dass ich in die Babyklappe gegeben wurde“, erzählt er im Interview. „Ich hatte dabei nie schlechte Gefühle. Und ich habe meine leibliche Mutter auch nicht vermisst. Ich bin ja von Anfang an bei meinen Adoptiveltern aufgewachsen und hatte nie das Gefühl, dass mir etwas fehlt.“ Der Gedanke, dass seine Mutter ihn nicht behalten konnte oder wollte, belastet ihn nicht: „Ich kenne ja inzwischen die Geschichte, die dahintersteckt. Und deswegen weiß ich, dass es für mich das Beste war, in dieser Familie aufgewachsen zu sein.“

Anders als die meisten Kinder aus der Babyklappe hätte Johannes sogar die Möglichkeit, Kontakt zu seiner leiblichen Mutter aufzunehmen. Aber das möchte er nicht. „Ich habe das bis jetzt noch nicht gemacht und würde das auch in näherer Zeit nicht in Betracht ziehen“, erklärt er. „Ich kann mich nicht an sie erinnern und finde gerade keinen Grund, zu ihr Kontakt aufzubauen.In meiner Familie hier lebe ich einen normalen Alltag, als wäre meine Adoptivmutter meine leibliche Mutter.“

Engere Freunde kennen seine Geschichte, ein großes Thema ist es aber nicht. Johannes wirkt vollständig versöhnt damit. Sein Ziel ist es, das Abitur zu machen und danach zu studieren. Einen Ingenieurs-Studiengang kann er sich vorstellen. Die Babyklappe hält er für eine „super Sache“: „In meinem Fall hätte es ja viel schlimmer ausgehen können, wenn meine Mutter nicht einen Ort gehabt hätte, wo sie wusste: Hier gebe ich mein Baby in gute Hände.“

Entscheidung für das Kind

So positiv wie Johannes sehen aber nicht alle das Angebot einer Babyklappe oder der anonymen Geburt. Immer wieder gibt es die Kritik, diese Angebote würden Frauen ermutigen, ihr Kind abzugeben. Doch die Frauen, die diese Möglichkeiten in Anspruch nehmen, haben meist einen langen und verzweifelten Prozess hinter sich. „Die Frauen machen sich das nicht leicht“, erklärt Gabriele Stangl. Sie hat über viele Jahre werdende Mütter begleitet, die zu einer anonymen Geburt in die Klinik kamen. Und ist sehr froh darüber, dass 30 Prozent der Frauen, die ihr Kind anonym gebären und zur Adoption freigeben wollten, sich schließlich doch dafür entschieden haben, ihr Kind zu behalten.

Damit es dazu kommt, ist viel Beratungsarbeit notwendig. Die Gespräche mit den Frauen gingen oft über Wochen, bis sie endlich eine Perspektive für sich gesehen haben. „Manchmal konnten wir sie in einem Mutter-Kind-Haus unterbringen. Manche haben schließlich doch mit ihren eigenen Eltern geredet und von ihnen Unterstützung erhalten.“

Seit 2000 gab es im Krankenhaus Waldfriede etwa 250 Frauen, die eine anonyme Geburt wünschten. Zehn Prozent der abgegebenen Babys wurden in die Babyklappe gelegt. In Deutschland sind diese Angebote allerdings eine rechtliche Grauzone. Deshalb wurde 2014 die sogenannte vertrauliche Geburt als rechtssichere Variante eingeführt. Hierbei hinterlässt die Mutter ihren Namen bei einer Beratungsstelle. Das Kind hat dann ab dem Alter von 16 Jahren die Möglichkeit, den Namen der Mutter zu erfahren und gegebenenfalls Kontakt aufzunehmen. Dadurch soll das Recht des Kindes gestärkt werden, Informationen über seine Herkunft zu erhalten.

Wahrheit und Liebe

Doch wie der Fall von Johannes zeigt, ist es nicht allen Jugendlichen wichtig, das zu tun. Zudem: „Wenn Johannes nicht bei uns abgegeben worden wäre, hätte er keine Chance gehabt“, macht Gabriele Stangl deutlich. „Es war fünf vor zwölf für ihn, als er in die Babyklappe gelegt wurde.“ Deshalb findet sie es nach wie vor wichtig, dass das Angebot der Babyklappe und der anonymen Geburt erhalten bleibt. „Und wenn nur ein einziges Kind durch die Babyklappe gerettet worden wäre, hätte sich der ganze Aufwand gelohnt“, betont sie. „Denn jedes Leben ist unbezahlbar.“ Für die betroffenen Kinder ist es wichtig, dass sie von Anfang an Klarheit über ihre Geschichte haben. Spätestens im Alter von drei oder vier Jahren, wenn Fragen aufkommen wie „Bin ich auch in deinem Bauch gewachsen?“, sollten Adoptiveltern den Kindern erklären, dass es zwei Mamas hat.

Ein selbstverständlicher Umgang mit der Thematik hilft den Kindern, das als „normal“ für sich zu akzeptieren – wie es bei Johannes der Fall war. „Wahrheit und Liebe machen einen Menschen stark“, erklärt Gabriele Stangl. Und lächelnd fügt sie hinzu: „Ich habe den Krankenschwestern immer gesagt: Seid lieb zu ‚meinen‘ Kindern! Ihr wisst ja nicht, ob ihr nicht vielleicht den zukünftigen Bürgermeister von Berlin im Arm haltet.“

Bettina Wendland ist Redaktionsleiterin von Family und FamilyNEXT.

3 bis 5 – Die Kita wechseln?

Elternfrage: „Unsere Tochter fühlt sich in ihrem Kindergarten immer unwohler. Sie weint häufig beim Abschied und erzählt von Konflikten dort. Ich habe kein gutes Gefühl. Ist das Anlass genug, die Kita zu wechseln?“

Ein Einrichtungswechsel ist immer möglich, jedoch eine heikle Sache. Denn wer weiß, wann ein Platz frei ist und ob sich das Kind in dieser Einrichtung dann wohl fühlt. Erfahrungsgemäß gibt es Kinder, die, wenn sie die Wahl haben, immer zu Hause bleiben wollen. Wann sollte also ein Wechsel in Betracht gezogen werden?

Bevor man das Prozedere „Einrichtungswechsel“ startet, sollten folgende Lösungsansätze ausgeschöpft werden:

Gespräche

Der wichtigste Schritt ist der, auf die Fachkräfte zuzugehen. Besprechen Sie Ihre Sorgen, lassen Sie sich erzählen, was Ihr Kind macht, wenn es in der Einrichtung ist. Besprechen Sie, was getan werden kann, um dem Kind das Ankommen zu erleichtern. Hierbei helfen Kuscheltiere und feste Abschiedsrituale meist am besten. Zum Beispiel können Sie selbst mit Ihrem Kind ein Puzzle machen, ihm das Frühstück auspacken helfen, Sie können von außen zum Abschied noch einmal winken, das Kind kann für Sie ein Bild malen, die Fachkräfte kümmern sich die erste Zeit etwas intensiver um das Kind oder Sie holen es früher ab. Es gibt viele Möglichkeiten, solche Situationen zu gestalten. Vielleicht kann Ihr Kind sagen, was hilft, was es braucht und möchte. Sprechen Sie mit anderen Eltern aus der Gruppe. Diese können Ihnen auch ein Bild davon geben, was das Kind macht und ob es sich wirklich nicht wohl fühlt.

Pausentag

Wenn es Ihnen möglich ist, lassen Sie Ihr Kind einen Tag zu Hause oder richten einen Opa/Oma-Tag ein. Manchmal sind fünf Tage einfach anstrengend und es hilft dem Kind, die anderen Tage zu meistern, da es sich auf diesen Tag freuen kann. Und die Tage vergehen schneller, es fällt dem Kind leichter, in der Einrichtung zu sein, und es findet immer mehr Dinge, die ihm gefallen.

Gruppenwechsel

Manchmal stimmt die Chemie einfach nicht. Da hilft vielleicht ein Gruppenwechsel. Hier hat das Kind die Chance, in dem bekannten Umfeld neue Erfahrungen zu machen, die seine Sicht auf die Dinge ändern können. Geben Sie Ihrem Kind Zeit, sich an die neuen Lösungen zu gewöhnen, diese anzunehmen und zu verinnerlichen.

Wenn das nun alles über einen längeren Zeitraum ausprobiert wurde und keinerlei Besserung bringt, dann sollten Sie den Einrichtungswechsel beginnen. Es sind prägende Jahre und diese sollten so positiv wie möglich gestaltet werden.

Anika Schunke wohnt mit ihrer Familie in der Nähe von Karlsruhe. Hauptberuflich ist sie als Erzieherin tätig. Darüber hinaus ist sie Autorin und Referentin mit dem Schwerpunkt Bewegung.