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Lerncoach: Auch Menschen 50+ können Neues lernen, wenn die Voraussetzungen stimmen

Auch Senioren können noch Sprachen, Instrumente oder einen neuen Sport lernen. Coach Annette Penno erklärt, welche fünf Tricks dabei helfen.

„Wirst du es nicht bereuen? Wenn du jetzt aufhörst, wird das später viel schwerer. Denn was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr …“ Ich war in der Grundschule und hatte meinem Vater gerade erklärt, dass ich keinen Bock mehr auf den blöden Klavierunterricht hatte, den ich bekam. Wobei mich genau genommen meine Lehrerin langweilte – und nicht das Instrument. Und jetzt hingen die Worte meines Vaters wie eine dunkle Wolke in der Luft. Denn seine Warnung war zugegeben eine schlimme Vorstellung für mich: Ein Leben als Erwachsene in ewigem Bedauern darüber, dass ich eine Chance meines Lebens für immer verspielt hatte! Sollte das Sprichwort wahr werden? Lieber nicht. Also hielt ich noch ein weiteres Jahr durch und lernte viel. Nur leider eins nicht: Klavier spielen.

Lernen ist auch im Alter möglich

Damit Lernen leicht und mit Freude funktioniert, ist immer ein günstiges Umfeld notwendig. Und der Eindruck, dass etwas Neues zu lernen dem Gehirn umso schwerer fällt, je älter man ist, lässt sich ja nicht einfach so von der Hand weisen: Die Vokabeln fürs Urlaubsland wollen einfach nicht so gut hängen bleiben, wie man sich das denkt. Die jungen Wilden sind beim Bouldern oder Reiten so schnell so viel besser als man selbst. Und das Pauken für die Prüfung der Weiterbildung dauert gefühlt dreimal so lang wie zu Schulzeiten. All das erlebt man oft, wenn man sich an ein neues Lern-Unterfangen heranwagt. Außerdem es ist unangenehm, wenn einen das Gefühl beschleicht, dass man das nicht (mehr) hinkriegt! Lernt unser Gehirn im Erwachsenenalter also schlechter als in jungen Jahren? Lohnt sich der Aufwand überhaupt – auch gemessen am Frust, den man verdauen muss?

Die Erkenntnisse der Hirnforschung zur Lernfähigkeit des Gehirns machen Mut: Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, ist es tatsächlich so, dass zeitlebens neue Nervenzellen im Gehirn gebildet werden. Die Fähigkeit zur Veränderung unserer Gehirnstrukturen hört nicht auf, nur weil wir erwachsen sind. Ein gesundes Gehirn, das älter wird, ist also nicht wie ein statisches Gebäude, an dem unweigerlich der Zahn der Zeit nagt und das nach und nach verfällt. Es ist ein sehr flexibles, phänomenales Etwas, das durch unser Denken permanent bewegt und in seinen Netzwerken aus Nervenzellen umgebaut werden kann. Wir können mit unserem Geist bis zum Lebensende Neues lernen. Und da wir ohnehin nur zehn Prozent unserer verfügbaren Gehirnmasse benutzen, ist die intelligente Reserve zwischen unseren Ohren schier endlos.

Das Gehirn braucht Training

Dass unsere Lebenserfahrung uns dennoch so oft ein anderes Bild malt, liegt meiner Erfahrung und Beobachtung nach vor allem an zwei Dingen: Zum einen ist Lernen ein enorm komplexer und damit auch sehr störanfälliger Prozess. Es gibt einige Faktoren, die den Erfolg sehr beeinträchtigen oder hinausschieben können. Und zum anderen ist es mit unserem Gehirn wie mit einem Muskel. Wer seinen Geist gut im Training hat – indem er zum Beispiel liest, nachdenkt, für Perspektivwechsel, Haltungsänderungen und Neues offen ist –, kommt auch besser voran.

Wenn wir uns also bestimmte Störfaktoren bewusst machen und sie ausschalten, ist schon viel gewonnen. Und wenn wir uns dann noch entscheiden, lebenslang Lernende zu sein und mit einer Wachstumshaltung durch den Alltag zu gehen, wird sich der stetige Lernfortschritt kaum aufhalten lassen.

Lassen Sie sich nicht ablenken!

Geringe Konzentration: Um voll bei der Sache sein zu können, brauchen wir einen freien Kopf. Das ist im Arbeitsleben oft viel schwieriger als zu Schulzeiten, weil unsere Verantwortungsbereiche größer geworden sind. Kreisende Gedanken an den Anruf bei der Schwiegermutter oder den Knatsch mit dem Chef müssen erst einmal gestoppt werden, damit sie uns nicht ablenken. Dafür alles, was sich in drei Minuten erledigen lässt, am besten vor der Lern- oder Trainingsphase erledigen. Das, was man nicht vergessen will, auf einen Zettel notieren und ihn bis zur Bearbeitung bewusst an einen anderen Ort legen. Alle äußeren Reize, die ablenken, so gut es geht aussperren oder eliminieren.

Für einen guten Fokus ist außerdem ein gut gefüllter Energietank wichtig: Wenn das letzte Drittel anbricht, fällt die Konzentration naturgemäß schwer. Daher am besten einen Zeitpunkt zum Lernen wählen, an dem man nicht bereits hundemüde oder noch in Hektik ist. Bei Kopfarbeit für Wasser, Nüsse oder Traubenzucker und frische Luft sorgen, gern ein paar Kniebeugen machen oder zum aktuellen Lieblingssong durchs Zimmer tanzen – so kann ein gut versorgtes und angeregtes Gehirn 20 Prozent mehr (!) leisten als bei Unterversorgung.

Finden Sie heraus, was Sie motiviert!

Schwache Motivation: Wenn wir uns das schöne Ziel unseres Lern-Vorhabens vor Augen malen, einen guten Zeitpunkt dafür gewählt haben und die Menge der Aufgabe nicht überfordert, haben wir eine gute Grundmotivation, um loszulegen. Dennoch kann es sein, dass es sich sehr mühsam anfühlt. Da jeder Mensch durch unterschiedliche Dinge motiviert wird, kann es helfen, sich zu überlegen, welche Umstände (auch in anderen Momenten) motivierend wirken und die Stimmung heben. Das kann alles sein, vom Lieblingspulli über einen reizarmen Lernplatz oder schönes Arbeitsmaterial bis zum Witz des Tages, den man sich vorliest. Was auch immer für gute Laune sorgt und einen in den „Ich-bin-großartig-und-kann-das-schaffen“-Modus versetzt, sollte genutzt werden!

Und: Oft wird unterschätzt, wie schwierig das Lernen allein ist. Das jüngste Distanzlernen allein vorm Bildschirm hat nicht ohne Grund eine noch größere Leistungsschere unter Schülerinnen und Schülern hervorgebracht. Egal, wie alt wir sind: Wir sind nicht dafür gemacht, alles allein zu schaffen. Hat man einen Lernpartner oder ein kleines Team, geht es oft leichter, weil man sich gegenseitig anspornen, ausfragen und auch mal bei Bedarf den Lernfrust bei den anderen abladen kann …

Greifen Sie auf Bilder und Eselsbrücken zurück!

Falsche Lernstrategien: Wer sich die Vokabeln schon früher nicht mit Karteikarten oder stumpfem Abschreiben ins Gedächtnis hämmern konnte, dem wird das auch als Erwachsenem nicht plötzlich gelingen. Ist auch kein Wunder: Soll kognitiver Lernstoff ins Hirn, braucht gehirnfreundliches Lernen eigene assoziative Bilder und Emotionen. Die sind quasi das Lieblingsessen für unsere grauen Zellen und gehen gut rein. Sketchnotes, Mnemostrategien oder auch die gute alte Eselsbrücke wären entsprechende Techniken, die man sich aneignen kann und die so „merkwürdig“ sind, dass sie besser im Kopf bleiben.

Seien Sie nett zu sich!

Geschwächte Beziehung: Ausreichend Studien belegen, dass der Lernerfolg zu mindestens 60 Prozent von der Beziehung zur Lehrkraft oder Trainingsperson abhängt. Lernen ist Beziehungsarbeit. Lernt man allein, ist die Art und Weise, wie man mit sich selbst dabei umgeht, umso wichtiger: Wie rede ich eigentlich gedanklich mit mir, wenn mir etwas nicht gleich gelingt? Wie reagiere ich bei Fehlern oder eigenen Schwächen? Das ist ein Hinweis darauf, wo noch ungenutztes Erfolgspotenzial liegt. Denn wir alle brauchen Lob, Nachsicht und Ermutigung – und sabotierende Sätze im gedanklichen Selbstgespräch wie „Mist, schon wieder falsch“, „Bin ich eigentlich blöd?“ oder „Boah, ich kann das echt nicht“ sind hinderlich für Leistung und Laune. Gehen wir also liebevoll mit uns um, damit wir unseren Erfolg nicht selbst ausbremsen.

Besuchen Sie einen Lerncoach!

Innere Blockaden: Wenn uns Missgeschicke oder Fehler im Lernprozess an Negativerfahrungen in unserer eigenen Lernbiografie erinnern, kann es sein, dass wir uns innerlich festfahren und Lernen zum emotionalen Drahtseilakt mit Absturz wird: Plötzlich holt ein bestimmter Gedanke, Satz oder ein ähnliches Setting wie zu Schulzeiten unsere längst vergessenen oder weggesperrten Gefühle wieder hoch. Und dann geht nix mehr. Unser Inneres blockiert und geht in den Widerstand. Erlebte Mini-Traumata wie Beschämung vor oder von anderen, zu viel Druck, verletztes Selbstvertrauen oder missglückte Prüfungserfahrungen legen uns wortwörtlich lahm. Denn die Stresshormone, die unser Körper dann ausschüttet, wirken wie eine Bremse aufs Denken. Und das ist keine Einbildung, sondern eine biochemische Tatsache. Nur ein entspanntes Gehirn lernt gut! Da von allein wieder herauszukommen, ist meist sehr schwierig. Spätestens dann lohnt sich der Gang zum Lerncoach, um diese Blockaden aufzulösen und Hilfen zum Überwinden an die Hand zu bekommen.

Gewiefte Greise

Auch wenn es von der zweiten Lebenshälfte bis zum Greisenalter noch etwas dauern mag: Aus den Erkenntnissen der Neurowissenschaft lässt sich demnach ein ganz anderes Zukunftsszenario entwerfen als das übliche Bild, das die Medien oft in Sachen Alter präsentieren. Ein betagter Hans Dampf statt Demenz, eine gewiefte Alte voller Scharfsinn statt Altersstarrsinn – wäre das nicht toll? Und die Chance auf diese Option ist oft nur eine Entscheidung weit entfernt: Unser Gehirn trainiert zu halten, uns nicht gedanklich festzufahren und immer bereit zu sein, etwas Neues zu lernen und das auch in Angriff zu nehmen. Hilfe gibt es bei Bedarf. Wenn damit unser demografischer Wandel viele Alte mit vielfältigen Fähigkeiten und beeindruckender Weisheit hervorbringen kann, ist das eine faszinierende Vorstellung, an deren Umsetzung ich gern mitwirken will. Deshalb tue ich tatsächlich gerade etwas, das ich schon lange vorhatte: Ich suche ein E-Piano …

Annette Penno praktiziert als Master-LernCoach offline und online in Lübeck: annettepenno.de

Konzentrationstrainerin: „Es gibt eine Reizüberflutung in unserer Gesellschaft“ – So sollten Eltern reagieren

Manchen Kindern fällt es schwer, in der Schule aufzupassen. Was dahintersteckt und wie Eltern die Konzentrationsfähigkeit ihres Kindes fördern können, erklärt die Verhaltenstrainerin Susanne Henrich.

Frau Henrich, Sie helfen Kindern, sich besser zu konzentrieren. Wie stellen Sie das an?

Ich biete sogenannte Konzentrationskurse an, die an das Marburger Konzentrations- und Verhaltenstraining angelehnt sind. Die Kinder lernen etwa auf spielerische Weise durch lautes Denken, sich selbst Anweisungen zu geben, was sie als nächstes anstellen sollen. Das nennt man verbale Selbstinstruktion. Das machen wir Erwachsenen auch manchmal, etwa, wenn wir abgelenkt werden und vergessen, was wir tun wollten. In so einem Moment kann man mit sich selbst reden und aufzählen, was man gemacht hat, um sich dann daran zu erinnern, was man eigentlich machen wollte. Das läuft in unserem Gehirn ab, ohne dass wir laut darüber nachdenken müssen. Aber manchmal machen wir es eben auch laut. Das Training in meinen Kursen ist dafür ausgelegt, dass es den Kindern Spaß macht, denn wir lernen und konzentrieren uns natürlich auch viel besser, wenn es uns Spaß macht.

Kindern wird oft zu wenig Zeit zur Entspannung gegönnt

Was sind das für Kinder, die zu Ihren Kursen kommen?

Ich betreue Grundschulkinder, die zum Teil Schwierigkeiten mit ihrer Aufmerksamkeit haben, die sich beim Lernen nicht so gut konzentrieren können, sich leicht ablenken lassen und die nur langsam in der Schule mitkommen. Und auch solche, die ein bisschen schulmüde sind.

Was bedeutet schulmüde?

Die einfach ein bisschen gestresst sind vom Rhythmus der Schule. Sie müssen morgens früh aufstehen, sich anziehen, frühstücken, in die Schule fahren, sich dort lange konzentrieren und haben dann auch am Nachmittag noch Programm. Das ist für Kinder anstrengend. Sie nehmen auch selbst wahr, dass sie in der Schule nicht so mitkommen wie ihre Mitschüler, weil sie sich nicht so gut konzentrieren können, da ihnen immer etwas anderes im Kopf herumschwirrt. Das frustriert sie und drückt auf ihr Selbstbewusstsein. Sie denken dann häufig „Ich kann nichts“ oder „Ich kriege nichts hin“. Die Kinder, die zu meinen Kursen kommen, sind so toll, so schlau und haben so viele kreative Ideen. Sie müssen einfach nur lernen, aufmerksam zu sein, aber auch, sich zu entspannen. Das ist oftmals das Problem, dass den Kindern zu wenig Zeit zur Entspannung gegönnt wird.

Zu viel von allem

Es wird manchmal bemängelt, dass „die Kinder von heute“ sich immer schlechter konzentrieren können. Können Sie das bestätigen? 

Die Tendenz ist da, und ich glaube, dass es unterschiedliche Gründe dafür gibt. Zum einen machen wir uns mehr Gedanken darüber. Es gab in der Vergangenheit bestimmt auch Kinder, die sich leicht haben ablenken lassen, aber das wurde weder in der Schule noch in den Medien so stark thematisiert wie heute. Zum anderen gibt es aber auch ganz klar eine Reizüberflutung in unserer Gesellschaft, ein „zu viel“ an allem und gleichzeitig ein „zu wenig“ an Entspannung.

Meinen Sie, die Kinder haben zu volle Terminkalender? 

Es ist gut, wenn Kinder Hobbys haben. Zum Fußball gehen, ein Instrument lernen, sich verabreden. Ich bin selbst dreifache Mutter und kenne den Alltag mit Kindern. Nachmittagsprogramm ist nicht per se schlecht, aber man muss es nicht übertreiben. Auch um unserer selbst willen nicht, denn auch für uns Eltern ist es stressig, wenn wir unsere Kinder von einem Termin zum anderen fahren müssen. Dann bin ich als Mutter auch nicht entspannt, und das überträgt sich wiederum aufs Kind. Kinder brauchen nicht rund um die Uhr Aktivitäten. Das führt zur Reizüberflutung. Kinder brauchen die Chance, das Erlebte zu verarbeiten.

Achten Sie auf Bewegung!

Was können Eltern tun, um die Konzentrationsfähigkeit ihrer Kinder zu fördern? 

Grundsätzlich ist es gut, darauf zu achten, dass Kinder ausreichend und guten Schlaf bekommen, das heißt zum Beispiel, vor der Bettgehzeit keine Filme mehr zu gucken oder Videospiele zu spielen, die sie aufwühlen und die sie erst mal verarbeiten müssen. Achten Sie auf ausreichend Bewegung! Melden Sie Ihr Kind in einem Verein an oder gehen Sie mit ihm viel nach draußen – das schult gleichzeitig auch die Wahrnehmung. Es ist etwas anderes, ob man sich einen Film über Tiere und Wälder anguckt oder es draußen konkret erfährt, indem man sich auf eine Wiese setzt und das Gras unter seinen Füßen fühlt.

Spielt die Ernährung auch eine Rolle?

Ja. Wir wissen inzwischen alle, dass zu viel Zucker schädlich ist – nicht nur für unseren Körper, sondern auch für unsere Konzentration. Das bedeutet nicht, dass man Kindern grundsätzlich verbieten sollte, Zucker zu essen. Aber achten Sie auf das Maß! Achten Sie auch darauf, dass Ihr Kind viel trinkt. Und schaffen Sie Erholungsphasen und Zeiten der Entspannung. In meiner Kindheit saß ich oft am Fenster und hab Schneeflocken beobachtet. Wenn das fünf Minuten sind, ist das schon eine Entspannung. Wir als Familie handhaben es auch so, dass die Kinder, wenn sie von der Schule kommen und Mittag gegessen haben, sich erst einmal eine halbe Stunde lang auf ihren Zimmern zurückziehen, um zur Ruhe zu kommen, mit Lego spielen, ein Hörspiel hören oder einen Mittagsschlaf machen – jeder auf seine Art und Weise. Schaffen Sie eine Zeit, in der Ihr Kind einfach mal nichts tut, und haben Sie auch mal den Mut, Langeweile zuzulassen. Nichtstun muss man lernen.

Besser konzentrieren

„Mein Sohn (8) ist total unkonzentriert. Hausaufgaben sind für ihn ein Krampf. Muss ich mir Sorgen machen?“

Der Grad unserer Konzentration ist von emotionalen und physischen Bedürfnissen abhängig. Das bedeutet: Geht es uns körperlich und seelisch gut, – können wir uns besser auf etwas fokussieren. Wenn Sie die Vermutung haben, dass Ihr Kind unter einer Konzentrationsschwäche leidet, sollten Sie daher zunächst einmal mögliche körperliche Ursachen von einem Arzt abklären lassen. Er wird Ihr Kind auf Allergien, visuelle oder auditive Auffälligkeiten oder eine schlechte Körperhaltung untersuchen.

Eine Konzentrationsschwäche macht sich durch Vergesslichkeit, Müdigkeit, Frust, ein schlechtes Selbstwertgefühl oder Lustlosigkeit bemerkbar. Die Aufforderung „Jetzt konzentriere dich einfach!“ ist in diesem Fall genauso sinnlos wie die Ratschläge „Freu dich mal!“ oder „Schlaf schnell ein!“. Solche inneren Prozesse lassen sich nicht erzwingen. Unkonzentriertheit lässt sich nicht durch Übung und Ermahnung wegtrainieren. Wir können sie aber durchaus beeinflussen.

EIN TEAM

Versuchen Sie, die ganze Familie ins Boot zu holen und besprechen Sie gemeinsam mit ihnen Ihre Lebenssituation: Gibt es eine belastende Situation in der Familie (Krankheit, Trennung, Geldsorgen)? Hat Ihr Sohn ausreichend Bewegung und Schlaf? Sind Sie als Eltern sehr gestresst? Überreizung ist ein Haupthindernis für Konzentration. Frische Luft, Bewegung und zweckfreie Momente hingegen bringen Ordnung in unser Hirn. Informationen finden ihren Platz und schaffen Raum für neue Lernerlebnisse.

Regelspiele wie „Memory“ und „Mensch, ärgere dich nicht“ fördern nicht nur das Familiengefühl, sondern trainieren ganz nebenbei auch die Konzentrationsfähigkeit. Denn bei solchen Karten- und Geduldspielen muss man aufpassen, sich an Regeln halten, den nächsten Zug überlegen und aufeinander warten.

Manchmal bewirken kleine Veränderungen im Tagesablauf Großes, zum Beispiel früher aufstehen, um in Ruhe zu frühstücken, gemeinsam den Ranzen packen, das Federmäppchen von Spielereien befreien, einen festen Platz für Kleidung, Spielzeug und Schulsachen schaffen. Je weniger Ablenkung das Kind umgibt, umso leichter kann es sich fokussieren.

STRUKTUR UND LOB

Konzentration lässt sich auch steigern, indem man sich an Zeitabläufe und Handlungen gewöhnt. Ein aufgeräumter Schreibtisch motiviert zum Arbeiten und lenkt weniger ab. Manche Kinder lernen besser am Esstisch, wenn die Eltern in der Nähe sind. Lassen Sie sich jedoch nicht in Gespräche verwickeln!

Eine Sanduhr oder ein Timer können beim Hausaufgabenmachen hilfreich sein. So kann Ihr Sohn die Arbeitszeit besser einschätzen und fühlt sich weniger überfordert. Gönnen Sie ihm nach 15 Minuten eine kurze Pause.

Stärken Sie das Selbstbewusstsein Ihres Kindes, indem Sie sich gemeinsam über kleine Erfolge freuen. Jedes Kind besitzt einen Entdeckerdrang und je positiver ein Lernprozess ist, umso nachhaltiger ist er. Leider lässt sich das mit dem Lehrplan nicht immer vereinbaren, umso wichtiger ist es, dass daheim kein Übungsdruck aufgebaut wird.

Susanne Ospelkaus ist Ergotherapeutin. Sie lebt mit ihrer Familie in Zorneding bei München und bloggt unter www.buchstabenkunst.de.

Nur eine Sache

Moor Jovanovski über Konzentration aufs Wesentliche.

Irgendwas ist immer!“ Diese drei Worte sprangen mich plötzlich an. Ich hatte mir gerade den Luxus erlaubt, einen Buchladen durchzustöbern. Zwischen den Regalen waren Magnete mit kleinen Weisheiten angebracht. „Irgendwas ist immer!“ – dieser Magnet kam mir wie ein Stoppschild vor. Er aktivierte mein schlechtes Gewissen. Ich fühlte mich beim Vertrödeln wichtiger Lebenszeit ertappt. Die Leichtigkeit war dahin, und ich stand wieder unter Strom. Stimmt, dachte ich. Irgendwas ist immer.

Gerade, als ich hinauseilen wollte, um meinem Leben wieder Effizienz zu verleihen, fiel mir ein, dass man diese Aussage auch mit einem Teilsatz erweitern könnte: „Irgendwas ist immer, also mach dich nicht verrückt!“ Meine Schritte wurden langsamer, und weitere Varianten für die zweite Satzhälfte fielen mir ein: „… also gönn dir mal eine Pause.“ „… also versuch nicht alles auf einmal zu lösen.“ Und dann noch eine weitere für mich wichtige Version: „… also vergiss die wirklich wichtigen Dinge nicht!“

Wirklich wichtig sind nur wenige Dinge, aber um diese muss man in unseren Zeiten wirklich ringen. Jeder macht sein Anliegen wichtig. „Irgendwas ist immer“ wird zu einem Lebensgefühl. Ständig poppen jede Menge Nachrichten auf unserem Display auf und buhlen um unsere Aufmerksamkeit.

Diesem Lebensgefühl begegne ich mit der „Kultur der einen Sache“. So habe ich meinen Entschluss benannt, die wirklich wichtigen Dinge in meinem Leben zu kultivieren. Ich habe festgestellt (und wen wundert das), dass viele automatisierte Abläufe in meinem Alltag zu finden sind: Der Griff zum Smartphone. Der Blick ins Mailpostfach. Die Sichtung der Aufgabenlisten. Sie sind deshalb automatisch, weil sie durch das Gefühl ausgelöst werden, dass ich danach schauen muss.

Diesen Selbstläufer habe ich für meine „Kultur der einen Sache“ genutzt. Ich habe mir sehr nüchtern überlegt, was mir die meiste Kraft gibt und was meine größte Quelle der Inspiration ist und bin bei diesen Überlegungen auf einen Psalm gestoßen, der zur Grundlage für diesen Selbstläufer geworden ist:

„Eins habe ich vom HERRN erbeten, danach trachte ich: zu wohnen im Haus des HERRN alle Tage meines Lebens, um anzuschauen die Freundlichkeit des HERRN und nachzudenken in seinem Tempel. Denn er wird mich bergen in seiner Hütte am Tag des Unheils, er wird mich verbergen im Versteck seines Zeltes; auf einen Felsen wird er mich heben.“ (Psalm 27,4+5)

Eine Sache! Eine einzige Sache, die tatsächlich das Wichtigste zu sein scheint: Gott sehen. Nachzudenken über seine Präsenz. Seine Freundlichkeit vor Augen haben. Geborgenheit erleben. Ein Zuhause spüren. Fundamente bekommen.

Die Sehnsucht danach versuche ich zu kultivieren, damit ich ganz automatisch nach Begegnungen mit Gott suche. Das Gefühl, auf meine Arbeit schauen zu müssen, weil irgendwas immer ist, bekämpfe ich nicht, denn es bringt mich auch voran. Ich habe vielmehr ein weiteres Lebensgefühl kreiert, dass es eine Sache gibt, die mir Kraft und Quelle ist und so stelle ich die Alarmzeit meines Weckers auf 05:25 Uhr. Hier ist die Ruhe, um meiner „Kultur der einen Sache“ nachzukommen. Denn danach ist immer irgendetwas.

Moor JovanovskiMoor Jovanovski hat zwei Kinder und ist verheiratet mit Monica.
Er arbeitet als Fachlehrer im Bereich Praktische Theologie am Theologischen Seminar Beröa.