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Heizung runter, Feuchtigkeit hoch

Der Winter, so scheint es vielen Eltern, ist eine einzige Aneinanderreihung von Infekten. „Das ist ganz normal“, sagt der Gießener Kinderarzt Dr. Frank Wagner und gibt Eltern Tipps, was sie bei einer Erkältung machen und wie sie weiteren Infekten vorbeugen können.

Was ist eigentlich eine Erkältung?

Eine Erkältung ist eine virale Erkrankung, die bei Kindern mit Schnupfen, Husten, Hals- oder Ohrenschmerzen einhergeht. Sie fühlen sich unwohl, sind vielleicht knatschig und haben erhöhte Temperatur, also bis 38,5 Grad. Wenn sie kleiner und zum ersten Mal erkältet sind, kann sie auch höher sein. Wir Pädiater gehen davon aus, dass ein Kind bis zu zehn Infekte im ersten Kita-Winter durchlebt. Bis zum Schulalter sind es also 30 bis 40 Infekte. Das klingt viel, ist aber normal und deutet nicht zwangsläufig auf eine Immunschwäche hin.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Wenn das Allgemeinbefinden des Kindes sich verschlechtert, das Fieber nicht sinkt oder sogar steigt, der Husten stärker wird, Kurzatmigkeit und Pfeifen beim Atmen einsetzen, Flüssigkeit aus dem Ohr läuft und Symptome auftreten, die sich die Eltern nicht erklären und trotz aller Maßnahmen nicht eindämmen können.

Wie differenzieren Sie in Zeiten von Corona?

Es ist schwierig und es wird uns noch lange beschäftigen, wie wir entscheiden sollen, ob ein Risiko für eine Covid-19-Erkrankung vorliegt, zumal die Überprüfung durch den Mund-Nase-Abstrich schmerzhaft ist. Der Riech- und Geschmacksverlust tritt bei infizierten Kindern nicht auf, dafür aber in 30 bis 40 Prozent der Fälle trockener Hus-ten, Fieber und manchmal eine Magen-Darm-Symptomatik. Allerdings ist das bei manchen anderen Viruserkrankungen genauso.

Gehen wir davon aus, mein Kind hat „nur“ eine Erkältung. Was kann ich tun, um es gesund zu pflegen?

Achten Sie darauf, dass Ihr Kind ausreichend Flüssigkeit zu sich nimmt. Gönnen Sie ihm viel Ruhe und vermeiden Sie Stress! Lassen Sie Ihr Kind zu Hause – lieber einen Tag länger als zu kurz. Aber bleiben Sie mit ihm nicht nur im Haus, sondern gehen Sie, wenn es kein Fieber (mehr) hat, an der frischen Luft spazieren. Natürlich sollte es nicht rennen und auch nicht auf dem Spielplatz toben.

Wann sollte man Fiebermedikamente verabreichen?

Wenn das Kind bei 38,8 Grad ganz normal spielt, ist es zunächst nicht notwendig, ihm ein Fiebermedikament zu geben. Wenn es aber schlapp wirkt, Schmerzen oder diese Temperatur abends vor dem Schlafengehen hat, sollten Sie ihm unbedingt etwas geben, weil das Fieber in der Nacht steigt und die erhöhte Temperatur zu einem Flüssigkeitsverlust führt. Dadurch können wiederum die Schleimhäute austrocknen und sogar geschädigt werden, wodurch das Kind ansteckbarer für weitere Infektionen ist.

Wie kann ich mein Kind vor einer Erkältung schützen?

Befeuchten Sie die Nase des Kindes regelmäßig mit reiner Kochsalz- oder Meersalzlösung und achten Sie auf das Raumklima. Die Devise lautet: Heizung runter und Luftfeuchtigkeit hoch! Im Schlafzimmer sollte es nicht wärmer als 16 bis 18 Grad und in den Wohnräumen 21 Grad sein – auch dann, wenn das Kind krank ist. Geben Sie Ihrem Kind vitaminreiches und ballaststoffreiches Essen wie Obst und Gemüse, Vollkornbrot und Müsli, viel Flüssigkeit in Form von Wasser und ungesüßtem Tee.

Interview: Ruth Korte

TV-Autor: Als seine Organe zu versagen drohen, spendet seine Frau ihm eine Niere

Die Nierenwerte von Stefan Loß sehen zusehends schlechter aus. Dann beschließt seine Frau, ihm das Organ zu spenden – lebend.

Der Journalist Stefan Loß hat ein Faible für besondere Lebensgeschichten. Als TV-Autor hat er zahlreiche Menschen porträtiert, die davon berichten, wie ihnen der Glaube bei der Bewältigung ihrer Lebenskrisen geholfen hat. 2008 traf es ihn selbst. Die Diagnose „Zystennieren“ bedeutete, dass seine Nieren früher oder später versagen würden. Acht Monate lang war er schließlich an der Dialyse. Heute kann er wieder ohne künstliche Blutwäsche leben, weil ihm seine Frau Sabine eine ihrer Nieren gespendet hat. Hier erzählt er seine Geschichte.

45 Prozent Nierenfunktion

Im Sommer 2013, also fünf Jahre nach der ersten Diagnose, hatte ich nur noch fünfundvierzig Prozent Nierenfunktion. Ende 2014/Anfang 2015 spitzte sich das Ganze zu. Ich merkte deutlich, wie meine Kräfte nachließen. Ob ich wollte oder nicht, ich musste anfangen, mich ernsthaft mit der Krankheit auseinanderzusetzen. An der Dialyse führte kein Weg vorbei. Und Dialyse bedeutete, dass ich für den Rest des Lebens von Maschinen abhängig sein würde, die mein Blut dreimal in der Woche reinigen. Ich war gerade mal Anfang fünfzig und fühlte mich nicht wirklich alt. So hart damit konfrontiert zu werden, dass meinem Leben in sehr naher Zukunft enge Grenzen gesetzt sein würden, machte mir zu schaffen.

Lebendspende?

Via Internet hatte ich einen Kontakt zu einem Mann bekommen, der ebenfalls Zystennieren hatte. Seine Frau hatte ihm eine Niere gespendet. Davon hatte ich noch nie gehört. Ich wusste, dass es so etwas wie eine Lebendspende gab. Aber nach meinem Kenntnisstand war das nur zwischen blutsverwandten Familienmitgliedern möglich. Meine Eltern waren zu alt und ich hatte keine Geschwister, deshalb hatte ich nie weiter über dieses Thema nachgedacht.

„Kann das Gejammer nicht mehr hören“

Plötzlich stand die Frage im Raum: Könnte meine Frau mir eine ihrer Nieren spenden? Zum Glück konnten Sabine und ich relativ entspannt miteinander über das Thema Lebendspende reden. Uns war klar, dass eine solche Spende nur dann möglich wäre, wenn wir beide ohne Wenn und Aber ein Ja dazu hätten. Eine Lebendspende unter Vorbehalt oder mit dem Gedanken: „Dann bin ich lebenslang abhängig vom anderen“ oder „Dann ist er mir aber was schuldig“ hatte für uns keinen Sinn. Natürlich war das für Sabine keine einfache Entscheidung.

Sabine ist es immer wieder wunderbar gelungen, der Thematik das Dramatische zu nehmen. Denn es kam immer mal wieder vor, dass Freunde und Bekannte unseren Plan einer Lebendspende arg romantisierten. Ich kann mich an eine Situation erinnern, wo Sabine geantwortet hat: „Ich spende ihm eine Niere, weil ich das Gejammer nicht mehr hören kann.“

Monate der Untersuchung

Nachdem von den Transplantationsmedizinern das Okay kam, entschieden wir uns gemeinsam, den Weg der Lebendspende zu gehen. Für uns beide bedeutete das in den Wochen und Monaten davor auch, dass wir uns als Vorbereitung von den verschiedensten Fachärzten gründlich untersuchen lassen mussten. Für den Ablauf einer Lebendspende gibt es ein festes Verfahren, in das Ärzte, Psychologen und Juristen mit eingebunden sind. Das hat wesentlich länger gedauert, als wir dachten.

Warten, hoffen, beten

Der 24. Februar 2017 wurde als Transplantationstermin festgelegt. Für mich begann jetzt der medizinische Endspurt. Die Immunadsorption war erfolgreich abgeschlossen, es waren dauerhaft keine Antikörper mehr in meinem Blut nachweisbar. Zwei Tage vor dem geplanten OP-Termin bekam ich die Nachricht, dass die Transplantation aus organisatorischen Gründen verlegt werden musste. Für Sabine und mich hieß das: weiter warten, hoffen und beten.

Der vertraute Bibelvers begleitete mich in diesen Tagen: „Alle eure Sorge werfet auf ihn, denn er sorgt für euch.“ Das passte sehr gut in meine aktuelle Situation, denn Grund, mir Sorgen zu machen, hatte ich genug. Obwohl jetzt alle Zeichen auf Grün standen im Hinblick auf die Transplantation, war da nach den Erfahrungen der letzten Monate immer noch die Angst, ob das alles wirklich so klappen würde.

Ein letztes Foto

Mit Sabine habe ich manche Nachmittage bei langen Spaziergängen am Neckar verbracht, oft bei strahlendem Sonnenschein. An der Neckarwiese haben wir ein gemeinsames Foto gemacht mit dem Schloss im Hintergrund. Eine Erinnerung an diese besondere Zeit vor der Transplantation. Dann musste ich wieder an die Dialyse. Wenn diesmal alles wie geplant klappen würde, wäre das das vorletzte Mal. Montag sollte es dann für uns beide in die Chirurgie gehen, und für Dienstag, den 28. Februar, war die OP vorgesehen.

Warten auf die OP

Wie geplant wurde ich am Montagmorgen zur Vorbereitung der Transplantation in die chirurgische Klinik verlegt. Am Dienstagmorgen begann nach einer unruhigen Nacht das Warten. Geplant war der Eingriff bei Sabine eigentlich schon für sieben Uhr und ich sollte gleich anschließend an der Reihe sein. Kommunizieren konnten wir nur via WhatsApp, weil Sabine mich auf der Station nicht besuchen durfte. Am Morgen haben wir uns noch kurz gegenseitig Mut gemacht. Dann kamen keine Antworten mehr. Erst später erfuhr ich, dass sie gegen Mittag in den OP gebracht wurde zur Entnahme der Niere. Der Eingriff verlief wie geplant, es gab – Gott sei Dank! – keine Komplikationen.

Mutmachende Worte

Ich wartete weiter. Es wurde Nachmittag. Mein Bettnachbar, von dem ich nur durch einen Vorhang getrennt war, bekam Besuch von seiner Frau. Ihm ging es nach der zweiten Lebertransplantation gar nicht gut. Er kam einfach nicht mehr auf die Beine, und es schien, als hätte er die Hoffnung verloren. Seine Frau las ihm einen Brief laut vor, den Freunde geschickt hatten. Zu meiner Überraschung kam Psalm 121 darin vor. Atemlos hörte ich zu: „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe? Meine Hilfe kommt vom Herrn …“
In dem Moment konnte ich diese Worte für mich nehmen. Ich lag in meinem Bett und war tief berührt. Diesen Text gerade jetzt zu hören, „zufällig“ zitiert aus einem Brief von Freunden eines unbekannten Patienten. Gott hatte mir so seinen Segen mitgegeben. Ich spürte förmlich seine Hand auf meiner Schulter. Und dann hörte ich eine Stimme: „Herr Loß, jetzt sind Sie an der Reihe.“ Es war der Pfleger, der mich in den OP bringen sollte. Was für ein Timing, was für ein Gott!

Es wird ernst

Im Vorbeirollen bedankte ich mich freundlich bei der Frau meines Bettnachbarn für den Psalm. Ich wurde in den OP geschoben, den Blick nach oben. Im linken Augenwinkel sah ich dort einen kleinen fest verschlossenen grauen Plastikbehälter. Sabines Niere wartete schon eisgekühlt auf mich. Es folgten das routiniert freundliche Gespräch mit dem Anästhesisten und der Filmriss beim Zählen irgendwo zwischen 6 und 9. Es war tatsächlich ernst geworden.

Erster Tagebucheintrag

Am nächsten Morgen war ich schon wieder so fit, dass ich etwas in unseren Blog schreiben konnte. Das las sich dann so:

1. März, 7.52 Uhr: „7 Liter! … sind schon durchgelaufen. Die Niere ist schon auf dem OP-Tisch angesprungen. Ich werde mit NaCl (Kochsalzlösung) abgefüllt, damit ich nicht trockenfalle. Titer-Werte sind super. Besser hätte es nicht laufen können.
Stand heute schon wieder kurz auf eigenen Füßen, bin aber noch extrem schlapp. Halleluja! OP gelungen, Niere läuft. Sabine ist auch froh und glücklich, aber auch extrem erschöpft.
Hoffe sehr, dass wir uns bald sehen können. Wir sind extrem glücklich und dankbar!!!
Stefan“

Neubeginn an Aschermittwoch

Nach mehr als acht Monaten Wartezeit hatte es endlich geklappt. Der 1. März 2017 – in diesem Jahr war es der Aschermittwoch – wird für Sabine und mich immer ein besonderer Tag bleiben. Von wegen: „Am Aschermittwoch ist alles vorbei“ – wie die Narren singen! Aschermittwoch 2017 ist für mich der Tag, an dem etwas Neues, Großes, Wunderbares angefangen hat. Das Leben mit meiner neuen Niere.

Endlich ein Wiedersehen

Sabine hatte den Eingriff gut überstanden. Aber sie war noch sehr müde und brauchte noch ein paar Tage, um wieder auf die Beine zu kommen. Am Tag Zwei nach der OP konnte sie mich schon kurz besuchen kommen. Dick vermummt, mit grünem Kittel und Mundschutz, durften Besucher nur einzeln zu mir. Zu hoch war die Gefahr, dass ich mir irgendetwas einfing. Es war einfach wunderschön, sie wiederzusehen. Sie war noch ziemlich geschafft von der OP, und ihr Körper musste sich erst noch daran gewöhnen, dass nun eine Niere fehlte. Auf einen Schlag hatte sie immerhin fast die Hälfte ihrer Nierenfunktion verloren.

Ein Grund zum Feiern

Rund drei Wochen nach der OP reiste Sabine allein zur „Anschluss-Heilbehandlung“ nach Durbach bei Offenburg. Bis zur Visite am Vormittag hatte ich noch die vorsichtige Hoffnung, dass ich am nächsten Tag nachkommen könnte. Aber meine Leukozyten waren leider immer noch zu niedrig. Dafür wurden mir jetzt die letzten Schläuche gezogen. Nach fast drei Wochen konnte ich mich endlich wieder schlauchfrei bewegen. Auch das war ein Grund zum Feiern.

Die Taxifahrt ein Genuss

Eine Woche später bekam auch ich grünes Licht! Mit einem lauten „Halleluja“ reagierte ich auf diese gute Nachricht. Nach sechs Wochen durfte ich endlich die Klinik verlassen! Der gemeinsamen Reha mit meiner Frau stand endlich nichts mehr im Wege. Ich konnte es kaum erwarten, saß schon beim Frühstück auf gepackten Koffern. Visite, Arztbrief und dann ab ins nächste Taxi. Ich war so froh, in einem Auto durch die Gegend kutschiert zu werden. Nach so vielen Wochen in der Klinik war die Taxifahrt ein purer Genuss – jedenfalls für mich. Vor allem, weil ich bald Sabine wiedersehen sollte.

Geschafft!

Unterwegs hielt ich sie via WhatsApp auf dem Laufenden, und als wir auf den Parkplatz der Klinik einbogen, kam sie mir schon entgegen. Frisch wie das blühende Leben wartete sie vor dem Eingang auf mich. Ich konnte trotz meiner frischen Narbe kaum schnell genug aus dem Auto steigen. Wir fielen uns in die Arme und drückten uns so fest es bei unseren Operationsnarben ging. Erschöpft und froh lagen wir uns in den Armen. Endlich! Wir hatten es geschafft.

Die Zeit der Unsicherheit, des Wartens und Hoffens war vorbei. Jetzt konnte für uns beide ein neues Leben beginnen. Diese Begegnung auf dem Parkplatz vor der Rehaklinik in Durbach ist einer der glücklichsten Momente meines Lebens. Ich kann kaum ausdrücken, wie froh, dankbar und glücklich ich in diesem Moment war. Wir hatten es endlich überstanden!
Nach drei Wochen Reha, die ich wirklich genossen habe, bin ich dann, eine Woche später als Sabine, nach Hause entlassen worden.

Doppelt Ostern

Im Nachhinein wurde mir klar, was für einen besonderen Zeitpunkt wir für die Transplantation erwischt hatten: Am Aschermittwoch war ich mit einer neuen Niere in der Klinik aufgewacht und am Ostersonntag war ich glücklich wieder zu Hause angekommen. An diese doppelte Passionszeit werde ich mich mein Leben lang erinnern.

Während ich diese Zeilen schreibe, lebe ich schon seit drei Jahren mit einer Niere meiner Frau. Gott sei Dank hatte ich nach der Transplantation überhaupt keine Probleme mit der neuen Niere. Ich hatte weder mit Abstoßungsreaktionen noch mit Infektionen zu tun. Ich musste auch nie wieder an die Dialyse – die neue Niere funktionierte vom ersten Moment an perfekt. Sabine hat den Eingriff ebenfalls gut verkraftet. Unsere Nierenfunktion ist heute ungefähr gleich – bei jeweils sechzig Prozent. Also fast so gut wie bei einem gesunden Menschen.

Stefan Loß ist Redakteur, Autor, Coach und Moderator. Er arbeitet als Ausbildungsleiter und Moderator für ERF Medien. Der Artikel ist ein gekürzter und bearbeiteter Auszug aus seinem Buch „Auf Herz und Nieren – Als das Leben mit mir Achterbahn fuhr“, das im Brunnen Verlag erschienen ist. 

Plötzlich ist Daniel todkrank: „Wir wussten nicht, ob wir unsere Hochzeit erleben“

Daniel und Miriam lieben sich und wollen heiraten. Doch dann diagnostiziert der Arzt Nierenversagen. Niemand weiß, ob Daniel die nächsten Tage überlebt.

Sie kennen sich seit ihrer Geburt. Daniels Mama ist Miriams Patentante, ihr Papa sein Patenonkel. Schon als Zweijährige kann man sie gemeinsam auf einem Foto in die Kamera lachen sehen. 500 Meter Luftlinie haben sie in dem kleinen sächsischen Dorf ihrer Kindheit voneinander getrennt, aber erst in der Kirchengemeinde haben sie sich mit 14 und 16 Jahren besser kennengelernt. Sie konnten so gut miteinander sprechen, dass sie stundenlang chatteten. Buchseiten hätten sie füllen können mit all den Worten, die zwischen ihnen getauscht wurden.

Diagnose: Nierenversagen

Auf einem Festival 2007 sind sie schließlich zusammengekommen. Miriam stellte dafür allerdings eine Bedingung: „Wir kommen nur zusammen, wenn du mich heiratest.“ Und Daniel konterte: „Ich will im Ausland von meinem Glauben erzählen, da musst du mitkommen.“ Ende 2009 bekam Daniel plötzlich nacheinander verschiedene Symptome: Husten, Bindehautentzündung und Gelenkentzündungen. Als er zum Arzt ging, stellte dieser fest, dass er kurz vor dem Nierenversagen stand. Es folgten zahllose Untersuchungen und eine dreiwöchige Spurensuche. Schließlich stellten die Ärzte eine Autoimmunerkrankung fest, die zu multiplen Entzündungen führt. Ohne Behandlung, wäre er zwei Wochen später vermutlich einfach tot umgefallen.

Der Körper am Ende

Die gemeinsame Zukunft war plötzlich total ungewiss. Sie hatten keine Ahnung, ob sie nun heiraten sollten oder jemals Kinder bekommen würden. Sie wussten nicht mal, wie viele Tage Daniel zu leben hatte. Trotz allem entschieden sie schließlich, den ungewissen Schritt in ein gemeinsames Leben zu wagen. Während Daniel im Krankenhaus war, widmete Miriam sich den Vorbereitungen. Am Tag der Hochzeit hofften alle nur, dass Daniel den Tag überstehen würde. Sein Körper war am Ende. Die Flitterwochen gingen an die Ostsee, dort war er eigentlich nur krank. „Ich hatte einen anderen Mann geheiratet, als ich kannte“, erzählt Miriam. „Durch die Medikamente war er persönlichkeitsverändert. Außerdem war er überhaupt nicht leistungsfähig. Nach zehn Minuten Spaziergang musste er sich erst mal wieder ausruhen.“ „Wir mussten in dieser Zeit lernen, Menschen zu enttäuschen, weil keine Kraft mehr da war“, fügt Daniel hinzu. Für beide war die Zeit der Krankheit eine Zeit, in der sie gemeinsam krank waren. Jeder litt auf seine eigene Weise. Ändern konnte man daran nichts.

Immer glücklich

Trotz allem zweifelte Miriam nie an ihrer Entscheidung für Daniel. Beide waren immer glücklich. Auch die Frage, ob sie es schaffen würde, durchzuhalten, stellte sie sich nie. In Krisenzeiten war die einzige Überlegung: „Was kann ich tun, damit es Daniel besser geht?“ 2011 entschieden sie sich, gemeinsam eine theologische Ausbildung zu machen. Das „European Theological Seminary“ befand sich im Schwarzwald, in einem Luftkurort. Die Natur, die vielen Spaziergänge, auch das Gebet, bewirkten, dass es Daniel immer besser ging. In der nächsten Kreisstadt gab es einen Arzt, der ausgerechnet auf Daniels Autoimmunerkrankung spezialisiert war. Hier konnte er sich ambulant behandeln lassen und drei Jahre später tatsächlich die Medikamente absetzen. Sein Immunsystem hatte sich erholt, es gab keinerlei Krankheitsanzeichen.

Ein kleines Wunder

In den darauffolgenden Jahren wurden sie Eltern. Doch mit der Zeit wurden Daniels Nierenwerte wieder schlechter. Die Autoimmunerkrankung war nicht wiedergekommen, dennoch brauchte er eine Nierentransplantation. Mit zwei Kindern und zehn Jahre später, machte ihm diese Nachricht viel mehr zu schaffen. Anfang März 2010 kam er zum ersten Mal ins Krankenhaus. Zehn Jahre später sollte das Erstgespräch zur Nierentransplantation stattfinden. Anfang März 2020 bekam Daniel seine aktuellen Blutwerte − sie waren wie durch ein Wunder plötzlich viel besser, sodass eine Transplantation nicht mehr nötig war.

„Die Krise hat uns zusammengeschweißt“

„Wenn man dreimal pro Woche ans Sterben denken muss, und schon mal kurz davor war, dann verändert das dein ganzes Leben“, sagt Daniel. „Wir brauchen nicht so viel Zeit und Geld. Wir leben bewusster und sind für viele kleine Dinge dankbar. Stundenlanges Spazierengehen gehört beispielsweise dazu.“ „Wir wären ohne einander nicht die, die wir jetzt sind“, fügt Miriam hinzu, „wir sind die glücklichste Familie auf der Welt.“ Und dabei lachen beide herzlich. „Die Krise hat uns zusammengeschweißt. Die Krankheit ist ein Teil von uns und gehört nicht nur zu Daniel. Wenn man Krisen von außen hat, braucht man innen keine mehr.“ „An den schlimmsten Tagen haben wir einen Cappuccino getrunken, dabei aus dem Fenster gesehen und uns gesagt: „Das Leben ist schön.“ Das Positive zu sehen, hat uns immer sehr geholfen“, erinnert sich Daniel.

Stark trotz Schwachheit

Beide verarbeiten die Krankheit auch durch ihre Kunst. Daniel hat in den vergangenen 12 Jahren 80 Lieder geschrieben. Miriam malt und zeichnet. Durch ihre Künste begegnen andere Menschen ebenfalls Gott. Daniel lebt seinen Glauben dort, wo er gerade ist. Im Krankenhaus genauso wie in der Gemeinde, wo er arbeitet. Beide merken: Auch in ihrer Schwachheit können sie etwas bewirken. Ohne den Schmerz könnten sie nicht das weitergeben, was sie zu geben haben. Sie wissen, dass alles zerbrechlich ist und dass sie nicht absehen können, wie viel Leid noch auf sie zukommen wird. Aber sie investieren viel Kraft und Energie, um immer das Gute zu suchen, sich auf den anderen einzulassen und im Gespräch zu bleiben. Und das nun schon seit zehn Jahren.

„Ich war in meinem Leben noch nie so krank“: Gesamte Familie mit Covid-19 infiziert

Das Coronavirus hat Familie Müller* voll erwischt. Zeitweise konnte sich Mutter Heike nur auf allen Vieren ins Bad schleppen. Doch in Erinnerung behält sie nicht die Tage im Fiebertraum, sondern die Solidarität der Nachbarn.

Es ist ein Anruf, der Heike Müller* zum ersten Mal stocken lässt: Bei ihrem Hausarzt geht nur der Anrufbeantworter ran. Die Praxis sei geschlossen, weil es Covid-19-Fälle im Team gegeben habe. Tatsächlich hat Heike dort in der Woche zuvor noch ein Rezept abgeholt – und seit Tagen mit Kopf- und Gliederschmerzen zu kämpfen. „Bis zu dem Telefonat habe ich mir überhaupt gar keine Gedanken gemacht“, erzählt sie.

Plötzlich Fieber

Als dann auch noch ihr Mann Fieber bekommt, verstärkt sich die Ahnung des Paares, dass sie sich mit dem Virus angesteckt haben könnten. Zu diesem Zeitpunkt Mitte März befindet sich die Familie aus der Nähe von Tübingen bereits in häuslicher Isolation. Deshalb unternehmen Heike und ihr Mann zwei Tage lang nichts. „Aber am Freitag war das mit dem Fieber so irre, dass wir die Vertretung unseres Hausarztes angerufen haben“, sagt die zweifache Mutter. Der Arzt schickt sie ins Corona-Testzentrum in Tübingen.

Über 40 Grad Fieber

Vater und Mutter Müller lassen sich testen. Und tatsächlich: Sie haben sich angesteckt. Was in den folgenden Tagen passiert, daran kann sich Heike rückblickend nur noch verschwommen erinnern: „Ich war in meinem Leben noch nicht so krank.“ Zehn Tage lang hat sie über 40 Grad Fieber. Wirklich kritisch ist der Zustand bei ihr und ihrem Partner nie – beide haben zu keinem Zeitpunkt Atemnot – wohl aber ist die Zeit nervenzehrend. Auf das Klo kann Heike sich zeitweise nur auf allen Vieren schleppen – wortwörtlich. Sie schläft kaum und wenn doch, plagen sie Fieberträume.

Sportliche Familie

Und auch bei den Kindern machen sich Symptome bemerkbar. Matteo (12) hat Husten und Fieber. Und Noa-Marie (15) hustet und fühlt sich mitunter sehr schlapp. Besonders hart trifft Corona die Familie Müller, weil diese sonst ziemlich fit ist. „Ich hatte meinen Lebtag ein einziges Mal Grippe“, erzählt Mama Heike. Doch der Virus wirft sie aus der Bahn. Die Frage nach dem „Warum ich?“ stellt sich Heike aber nicht. „Ich habe mir eher gedacht: Es wird schon alles seinen Sinn haben“, sagt die Christin.

Von überall her Hilfe

Was Heike Müller aus den Krankheitswochen besonders in Erinnerung bleibt, ist dann auch nicht das Fieber-Delirium. Es ist die Solidarität ihrer Nachbarn. „Eigentlich dachte ich, die ziehen jetzt ein Stacheldraht um unser Haus, machen ein rotes Kreuz an die Tür und schreiben darauf ‚Bannzone‘.“ Das Gegenteil geschieht. Die Müllers erfahren eine „wahnsinnige Welle an Hilfsbereitschaft“. Auf eine Whatsapp-Nachricht an die Nachbarschaft, in der sie von der Quarantäne berichten, bekommen sie innerhalb weniger Minuten „überwältigend viele“ Antworten. Bekannte bieten an, den Hund auszuführen, Brötchen zuzubereiten und einkaufen zu gehen. „Das fand ich unfassbar“, resümiert die 47-Jährige.

Die Kinder werden zu Helden

Und auch die beiden Kids werden angesichts der bettlägerigen Eltern zu Überlebenskünstlern. Noa-Marie organisiert per Smartphone Helfer, die Essen besorgen. Die beiden kochen Nudeln und versorgen die Eltern mit Tee. Für die Mutter ist das ein wahrer Segen. Denn Essen zubereiten hätte sie in den schlimmsten Krankheitstagen nicht können. „Ich bin so stolz auf meine Kinder, dass die das hingekriegt haben“, sagt sie.

150 Masken

Fünf Wochen lang bleibt Heike Müller krankgeschrieben. Als der Nebel sich langsam löst, fragt sie sich, wie sie den Nachbarn etwas von dem Engagement zurückgeben kann, das sie ihrer Familie entgegenbrachten. Zu dem Zeitpunkt gibt es in Deutschland kaum Masken zu kaufen. „Und ich kann nähen. Also habe ich rumgefragt, wer denn eine Maske braucht.“ 150 Stück näht Heike schlussendlich.

Mehrere Masken liegen aufeinander.

Rund 150 Masken hat Mama Müller* genäht. Foto: privat

Als die Müllers schließlich wieder das Haus verlassen dürfen, ist das eine Erleichterung: „Das war fantastisch“, erzählt die Mutter: „Ich habe noch nie erlebt, dass die Kinder so heiß drauf waren, als erstes mit dem Hund Gassi zu gehen.“ Mittlerweile ist die Familie wieder genesen – zum Großteil zumindest. Auch fünf Monate nach dem Lockdown fühlen sich die Familienmitglieder noch erschöpft.

„Es war nie einfacher, Leben zu retten“

Im Nachhinein hat die überstandene Infektion zumindest etwas Gutes: Für die Forschung ist Familie Müller hochinteressant. Aktuell nehmen die Baden-Württemberger an einer Studie teil, die untersucht, inwieweit Kinder an der Verbreitung von Covid-19 beteiligt sind. Außerdem haben sie hautnah erfahren, was dieser Virus zu tun imstande ist. Ihre Masken tragen sie voller Überzeugung: „Es war nie einfacher, Leben zu retten“, sagt Heike Müller.

*Der Nachname wurde von der Redaktion geändert.

„Ein Wunder“: Vier Mal kämpft Simone gegen den Krebs – und siegt

Mit 13 Jahren wurde bei Simone Heintze das erste Mal Krebs diagnostiziert, ein Lymphdrüsentumor. Dreimal kommt die Krankheit zurück, davon einmal als Brustkrebs. Heute ist Simone Heintze 46 und gilt als geheilt. „Ein Wunder“, sagt sie.

Simone Heintze hat ein gelbes Tuch umgebunden. Gegen den Wind. Ein luftiger Sommertag in Herne im Ruhrgebiet, ein paar Wolken am blauen Himmel. Eine Kanne Tee, Kekse, ein Schälchen mit Kirschen, die sie vom Besuch in ihrer württembergischen Heimat am Wochenende mitgebracht hat. „Wir sitzen in einem windigen Eckchen“, lächelt sie. „Es erinnert mich an die See“.

Aus Krankheitsgründen Rente

Sie erzählt von ihrem Ehrenamt als „Versichertenälteste“ bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen. Als nach der dritten Chemo 2017 klar war, dass sie nicht mehr würde arbeiten können, hat sie sich dem Ehrenamt gewidmet. Einmal die Woche macht sie jetzt Rentenberatung „für Leute wie mich“, die aus Krankheitsgründen berentet werden. Die Arbeit macht ihr Freude, und „ich weiß, wie sie sich fühlen; diese Empathie tut kranken Menschen gut“.

Sorge um die Kinder

Wir sind mitten im Thema. Wie ist es, wenn das Leben durchgerüttelt wird? „Da ist alles drin“, sagt Simone Heintze nachdenklich. Zeitweise war es „ein Kampf“. Erschöpft hat sie in manchen Phasen gesagt: „Ich will und kann nicht mehr!“, als Jugendliche schon gefragt: „Was soll dieses Leben?“ Sie empfindet es als „Gnade, dass ich nicht bitter geworden bin“. Manchmal hat sie trotzig gesagt: „Ich schaff das schon …“ Ist es gut, das zu sagen, oft wider alle Vernunft? „Für einen selber manchmal ja“. Am Anfang einer Krankheitsphase ist so ein Satz auch „eine Botschaft an die Kinder: dass sie nicht in Panik geraten“. Das war bei den Erkrankungen 2013 und 2017 ihre größte Sorge. „Manchmal sagt man sowas auch unbewusst, um die anderen zu beruhigen.“

„Meine Ehe hat’s nicht überstanden“

„Echt schlimm“ war für Simone Heintze die Trennung von ihrem Mann, 2013, im Zuge ihrer Brustkrebserkrankung: „Die Chemo war schon schlimm, aber die Trennung hat das noch getoppt.“ Für sie „war immer klar: Ich bleib mein Leben lang verheiratet. Ich dachte: Irgendwie findet man wieder einen Weg zueinander.“ Es kommt anders. Sie schüttelt den Kopf: „Dass das so auseinanderdriftet, dass wir uns überhaupt nicht mehr kennen, dass jeder sich so verändert – das war erschreckend! Da knabber‘‚ ich heut noch dran.“ Sie möchte nicht näher darüber reden, auch mit Rücksicht auf ihren Ex-Mann. Nur so viel: „Meine Brustkrebserkrankung hab ich überlebt, aber meine Ehe hat’s leider nicht überstanden.“

Endlich wieder Haare

Sie streicht ihre Haare zurück, die der Wind zerzaust. Eine leichte Bewegung nur, aber eine wichtige. Weil neben den medizinischen Fragen auch kosmetische eine Rolle spielen. Andere können die Krankheit sehen. „Auch wenn man selbst morgens die Glatze sieht, wird einem bewusst: Du bist richtig krank!“ An manchen Tagen, wenn sie partout keine mitleidigen Blicke ertragen konnte, hat sie ihre Perücke aufgesetzt – und öfter Komplimente für die „schicke Frisur“ erhalten, schmunzelt sie. Perücken sind mittlerweile so gut, dass viele nicht merken, dass man eine trägt. Vor allem aber freut Simone sich, dass die Haare bei ihr schnell nachwachsen. Nach der letzten Therapie begann es „mit einem weichen Kükenflaum“. Ihre Kinder haben ihr danach doppelt gern über den Kopf gestreichelt. „Selbst die Ärzte fanden das toll! Mein Arzt, Dr. Abdallah von den evangelischen Kliniken Gelsenkirchen, sagte: ‚Ich muss einmal über Ihre Haare streichen‘.“

Kerzenflashmob

Simone Heintze deutet auf ein mehrstöckiges Gebäude nur ein paar hundert Meter Luftlinie entfernt: „Da drüben ist übrigens meine Klinik, das Marienhospital Herne, wo ich in Behandlung war.“ Sie arbeitet da noch als „Grüne Dame“ in der Onkologie und läuft immer mal ihrem Onkologen Professor Strumberg über den Weg. Zu ihren Ärzten hat sich ein „inniges Verhältnis“ entwickelt. „Sie standen wie eine Wand hinter mir, haben mir signalisiert: Wir gehen mit Ihnen zusammen da durch.“ Besonders, als sich ihr Zustand während der Behandlung 2017 dramatisch verschlechtert, eine Lungenentzündung und eine Herzmuskelentzündung sich einschleichen, ihr Leben zeitweilig am seidenen Faden hängt. Es geht ihr „grottenschlecht“, als Prof. Strumberg sagt: „Wir schaffen das zusammen.“ Und Dr. Abdallah nimmt bei Gesprächen ihre Hand in seine, sendet das Signal: Jetzt passe ich auf Sie auf! Dazu kommt eine WhatsApp-Gruppe mit etwa 35 Freunden und Bekannten, aus ihrer Kirchengemeinde, die fast rund um die Uhr für sie beten. Als es ihr besonders dreckig geht, entzünden alle bei einem „Kerzenflashmob“ eine Kerze für sie.

Mehr als Glück

Die Behandlung ist erfolgreich, Simone Heintze als geheilt entlassen. Es war „ein ganzes Gebilde“, das sie mit ihrer Familie da durchgetragen hat. „So, wie ich jetzt dastehe, nach vier Erkrankungen, Chemotherapien, körperlichen Torturen, nach der Herzerkrankung – das kann sich keiner erklären.“ Wieder lächelt sie: „Ärzte tun sich ja schwer, ein Wort wie ‚Wunder‘ in den Mund zu nehmen, vor allem ein göttliches Wunder. Sie sagen dann: Da ist etwas passiert, was wir uns unter normalen Umständen nicht erklären können …“ Für sie ist klar: „Ich sehe es als Wunder; nicht nur eins, sondern viele Wunder sind da passiert. Was Menschen unmöglich ist, das macht Gott möglich.“

„Gott ist bei mir!“

Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben sie gelassener gemacht. Natürlich hat sie Zweifel gehabt: „Gott, hast du mich jetzt doch vergessen?!“ Auch ihre Kinder fragen: Wie kann Gott das zulassen, wo du doch so gläubig bist?! Simone sagt: „Ihr habt recht, aber kein Christ schwebt auf einer rosaroten Wolke.“ Viel wichtiger findet sie „die Erfahrung: Ich bin nicht allein, Gott ist bei mir! Das erlebt man aber nur, wenn’s einem so geht“.

Original Sylter Korb, blau-weiß

Simone Heintze sitzt bei sich im Garten, in einem blau-weißen Strandkorb: ein Sylter Original, vor Jahren auf der Insel ausrangiert. Ein Erinnerungsstück und Geschenk von ihrem Ex-Mann zum 40. Geburtstag. Hier kommt alles zusammen: Sylt ist „meine Erholungs- und Seeleninsel“. Der Blick übers Meer hilft ihr, „als ob die Weite auch mein Inneres weitet“. Eine Erinnerung an 20 Jahre Familien-Urlaub auf der Insel: „Ich war 20 Jahre verheiratet, da war ja nicht alles Mist …“

Heulend auf dem Abiball

Hat sie Träume für die Zukunft? Sie möchte Freunde besuchen, Zeit zum Zuhören haben. Sie freut sich darauf, viel mit ihren Kindern zu erleben, zu sehen, wie sie selbstständig werden, mitfeiern zu können. Als ihr Sohn 2015 seinen Abiball gefeiert hat, hat Simone erst mal geheult – sie hätte nicht gedacht, dass sie das noch erleben würde. „Die Lebensfreude ist bei mir immens. Ich mache mir bewusst, wie viel ich schon erlebt habe, wie viel Wertvolles entstanden ist. Diese Dankbarkeit gibt mir Mut für die Zukunft.“

Über ihren Kampf gegen den Krebs hat Simone Heintze zusammen mit Julia Fiedler auch ein Buch geschrieben: „Wäre schön blöd, nicht an Wunder zu glauben“ (Gerth Medien).

Ohne Vollmacht geht es nicht

Beim Thema Vorsorge sollte man nicht nur an die alten Eltern denken. Auch für erwachsene Kinder ist eine Vollmacht unerlässlich. Annunziata Hoensbroech hat das erfahren müssen.

Sie machen sich dafür stark, dass Eltern für ihre erwachsenen Kinder eine Vorsorgevollmacht haben. Warum ist das wichtig?
Ich habe selbst erfahren, dass es sehr wichtig ist. Als Eltern gehen wir davon aus, dass wir uns als Problemlöser oder als Krisenbewältiger einbringen, wenn es für unsere Kinder eng oder schwierig wird. Aber bei unseren jungen, erwachsenen Kindern haben wir mit deren Volljährigkeit das Recht verloren, so zu agieren. Es gibt dieses gefühlte Naturrecht der Eltern im juristischen Sinn nicht. Eltern fehlt ohne eine Vorsorgevollmacht die Basis, sich in einer Krise auch weiterhin um ihr Kind zu kümmern, es zu vertreten, wenn es dies nicht selbst tun kann und über 18 ist.

Sie haben auf Ihre persönlichen Erfahrungen hingewiesen …
Mein Sohn hat mit 26 Jahren während eines Studienaufenthaltes in Barcelona einen Unfall erlitten. Er wurde schwerstens verletzt und lag acht Wochen im Koma. Er war nicht in der Lage, für sich selbst zu handeln. Durch eine glückliche Fügung hatte ich eine Generalvollmacht von ihm. Von dem Moment, als ich nach Spanien flog, bis anderthalb Jahre später, als er wieder richtig auf seinen eigenen Beinen stand, habe ich diese Vollmacht unendlich oft gebraucht, um im Interesse meines Sohnes und für ihn Entscheidungen zu treffen.

Wie kam es, dass Sie für Ihren Sohn so eine Vollmacht hatten?
Für Menschen meiner Generation Mitte 50 ist es ganz normal, unsere älter werdenden Eltern zu fragen, ob sie uns eine solche Vorsorge-Vollmacht ausstellen. Im Zuge dessen habe ich auch über mich selbst nachgedacht. Ich habe das Naheliegende gemacht und meine Kinder gefragt, ob sie so eine Bevollmächtigung von mir annehmen. Das alles passierte im Vorfeld einer großen, sehr abenteuerlichen Motorradreise, die mein ältester Sohn mit seinem Zwillingsbruder geplant hatte. Da habe ich gesagt: „Alles, was mir passieren kann, kann euch auch passieren. Gerade wenn ihr jetzt auf eine Reise geht durch die Türkei, den Iran, rund ums Schwarze Meer – wollt ihr das nicht auch umgekehrt machen?“ Und so haben wir gegenseitig diese Vollmacht ausgetauscht.

Der Unfall passierte dann ja nicht bei der Motorradreise, sondern später beim Studium in Spanien. Was hätte passieren können, wenn Sie keine Vollmacht gehabt hätten?
Mit so einer Vollmacht schafft man überhaupt erst eine Gesprächsgrundlage. Die haben Sie als Eltern eines volljährigen Kindes sonst nicht. Es gilt sofort – zu Recht – die ärztliche Schweigepflicht. Um den Arzt und sich selbst auf eine juristisch abgesicherte Gesprächsgrundlage zu stellen, müssen Sie so eine Vollmacht haben. Erst dann darf ein Arzt Ihnen überhaupt Informationen über den Zustand des Patienten geben. Nur mit einer Vorsorgevollmacht haben Eltern einen Anspruch darauf, Antworten zu bekommen auf ihre Fragen: Was ist passiert? Was sind die Konsequenzen? Welche Therapien werden vorgeschlagen? Jede Operation, jede Spritze ist eine Körperverletzung, in die der Patient einwilligen muss. Wenn ein kranker Mensch dies selbst nicht kann, braucht er jemanden, der das für ihn übernimmt. Wenn keine Vorsorgevollmacht da ist, wird das Krankenhaus den vorgeschriebenen Weg zu einem Gericht gehen und sagen: „Ich brauche einen gerichtlich bestellten Betreuer, der sich um diesen Patienten kümmert.“ Das Gericht kann als Betreuer bestellen, wen es möchte. Es kann ein Familienmitglied sein, muss es aber nicht. Weil Sie in so einer Krisensituation sowieso schon schwer belastet sind, brauchen Sie nicht noch eine Auseinandersetzung mit einem Gericht, ob es Sie als Betreuer einsetzt.

Was muss man bei der Erstellung einer Vollmacht beachten?
Generell setzt sich Vorsorge aus verschiedenen Elementen zusammen. Für junge Erwachsene ist das Wichtigste eine Vorsorgevollmacht, die Eltern oder eine Vertrauensperson ermächtigt, für diesen Menschen zu sprechen und zu handeln. Diese Vollmacht sollte ein Jurist aufsetzen. Sie kann sich über verschiedene Bereiche erstrecken, zum Beispiel nur gesundheitliche Aspekte abdecken. Man kann aber auch eine Generalvollmacht erteilen. Diese deckt alle Aspekte des Lebens ab. Denn in der Regel sind mit solch einer Krise, wie wir sie erlebt haben, auch gerichtliche Auseinandersetzungen und wirtschaftliche Entscheidungen verbunden. Eine Generalvollmacht wird von einem Juristen aufgesetzt und sollte vom Notar beglaubigt werden. Das geht ganz schnell. Damit habe ich mir als Elternteil alle Handlungsfähigkeit erhalten. Ein zweites Element der Vorsorge ist die Patientenverfügung. Das ist die direkte Anweisung von mir als zukünftiger Patientin an einen zukünftigen Arzt. Eine Patientenverfügung beschäftigt sich mit medizinischen Ausnahmesituationen. Eventuell ist sie für ältere Menschen wichtiger als für junge Erwachsene.

Muss ich denn zum Rechtsanwalt gehen? Es gibt ja auch Vordrucke – zum Beispiel auch auf Ihrer Website. Reicht das nicht aus?
Auf meiner Homepage habe ich für Österreich, die Schweiz und Deutschland von Rechtsanwälten Vordrucke entwickeln lassen. Aber oft hat man das Bedürfnis, eine individuelle Anpassung vorzunehmen. Das sollte ein Jurist machen, damit es auch wasserdicht bleibt.

Und wenn das Kind den Eltern keine Vollmacht erteilen möchte?
Ich würde mich erst einmal erkundigen, woher dieser Widerwille rührt und nachfragen: Um was geht es genau? Ich würde meinem Kind erklären, dass es allem, was in einer Krise kommen mag, wirklich allein gegenübersteht. Ich würde wenigstens versuchen, ihm das dritte Element der Vorsorge nahezubringen: die Betreuungsverfügung. Damit geht es sicher, dass ein Gericht einen vorher genannten Betreuer einsetzt und ihn auch kontrolliert. Wenn das nicht die Eltern sind, ist das zu akzeptieren. Denn wen mein Kind bevollmächtigt, bleibt natürlich ihm überlassen.

Neben dem praktischen Aspekt dieser Generalvollmacht – was hat Ihnen persönlich geholfen in dieser Zeit, in der nicht klar war, wie die Geschichte ausgeht?
Als ich mich nach dem Unfall meines Sohnes in Barcelona wiederfand, hat es mich ungeheuer getragen, dass ich nicht allein durch diese Situation gehen musste. Ich habe das Glück, dass ich viele Geschwister und vier Kinder habe. Noch am selben Abend waren wesentliche Teile der Familie ebenfalls in Barcelona. Es hat eine unglaubliche Familiendynamik um uns herum stattgefunden, die wir nicht organisieren mussten. Es war immer jemand da, der uns unterstützt hat. Das war großartig, vor allem auch für Caspars Geschwister, die immer jemanden hatten, mit dem sie sprechen konnten.
Das zweite hört sich ein bisschen merkwürdig an. Ich habe einen Trick, mich selbst relativ zu setzen. Wenn es ganz dick und schwierig kommt, denke ich darüber nach, ob es jemanden gibt, der in dieser von mir als schwierig empfundenen Situation tauschen würde. Und wenn mir jemand einfällt, der mit mir tauschen würde, kann alles ja gar nicht so schlimm sein. Dann muss ich sogar noch ein bisschen dankbar sein für die Situation und für die Möglichkeiten, die ich habe. Selbst am ersten Tag im Krankenhaus sind mir Menschen eingefallen, die mit mir tauschen würden. Menschen, die keine Chance mehr haben, am Bett ihres Kindes zu sitzen und auf das Überleben zu hoffen. Was hätten die darum gegeben? Das hat mich in der Situation dankbar gemacht und mich angespornt.

Wie wichtig war für Sie das Gebet?
Das hat auch eine große Rolle gespielt. Ich war zwei, drei Tage überhaupt nicht in der Lage zu beten und habe das sehr vermisst. Das war mir vorher noch nie passiert, dass ich nicht beten konnte. Und dann hat ein Prozess eingesetzt. Mir wurde klar: Wenn ich bete, verpacke ich immer kleine Handlungsanweisungen an den lieben Gott: „Mach, dass dies und jenes passiert.“ Es sind kleine Aufträge, die wir in unser Gebet mit hineinflechten. Die Situation war aber so, dass ich nicht wusste, was jetzt passieren soll. Um was bitte oder bete ich? Das Überleben in unsäglichen Umständen ist schwierig. Aber um den Tod und das gnädige Erlösen des eigenen Kindes zu beten, ist vollkommen unmöglich. In dieser Situation hat sich der Gedanke gebildet: Ich bin für nichts verantwortlich. Ich bitte weder für das eine noch für das andere. Ich gebe mich einfach ganz in das Gottvertrauen rein: „Lieber Gott, dein Wille geschieht hier. Schenk mir nur die Kraft, damit fertig zu werden, was geschieht.“ Ich habe jede Handlungsanweisung aus meinen Gebeten herausgenommen und mich vollkommen darauf eingelassen zu beten: „Gott, dein Wille geschehe!“ Das hat mich sehr getragen – bis heute.

Das Interview führte Bettina Wendland.

„Übertreiben Sie es mit der Hygiene nicht!“

Wie sauber muss es bei uns zugehen, damit wir gesund bleiben? Hygiene-Experte Frank Günther warnt vor übertriebener Hygiene. Er rät Familien: „Hände weg von Desinfektionsmitteln im häuslichen Umfeld!“

Wann und wie oft sollten Kinder ihre Hände waschen?
In der Regel so oft wie Erwachsene auch. Insbesondere dann, wenn Gegenstände oder Oberflächen angefasst wurden, die von vielen Menschen berührt werden und deshalb mit Infektionserregern besiedelt sein können: zum Beispiel Türgriffe oder Einkaufswagen. Insbesondere vor dem Essen sollten die Hände gewaschen werden. Kinder erforschen ihre Umwelt noch stark mit den Händen und mit dem Mund. Bei ihnen findet deshalb ein viel stärkerer Austausch mit Keimen untereinander und aus der Umgebung statt.

Muss ich meinem Kind also ständig mit Desinfektionsmittel hinterherlaufen, um es zu schützen?
Sie werden es nicht immer verhindern können, dass Ihr Kind irgendetwas anfasst und sich danach die Finger in den Mund steckt. Was man tun kann, ist, nach jedem Ausflug erst einmal die Hände zu waschen. Das genügt, denn dadurch kann man die Keimbelastung schon stark minimieren. Der Einsatz von Desinfektionsmitteln hingegen kann dem Kind mehr schaden als nützen. Im schlimmsten Fall kann deren Einsatz Hauterkrankungen oder Allergien auslösen. Die Bakterien, die sich auf unserer Hautoberfläche befinden, sind nämlich sehr wichtig für uns, weil sie unser Immunsystem stärken und verhindern, dass sich krankmachende Bakterien auf und in uns ausbreiten können. Mit dem Desinfektionsmittel würden wir nicht nur krankmachende Keime töten, sondern auch die, die gut für uns sind.

Sie raten also grundsätzlich von Desinfektionsmitteln ab?
Ja. Finger weg von Desinfektionsmitteln im häuslichen Umfeld! Auch die Ausbreitung von Infektionen wie einem Magen-Darm-Infekt werden Sie dadurch zu Hause nicht verhindern können. In der Familie herrscht ein so enger Kontakt, dass eine Durchbrechung der Übertragung eigentlich nur durch Isolation gelingen kann – aber damit würde man dem kranken Kind ja noch mehr schaden. Übertreiben Sie es mit der Hygiene nicht! Außer Haus gibt es Situationen, in denen es sinnvoll sein kann, Desinfektionsmittel mit dabei zu haben, etwa im Streichelzoo. Da Tiere für Menschen riskantere Keime auf sich tragen, kann man, wenn nichts anderes zur Hand ist und bevor man etwas isst, die Hände mit Desinfektionsgel reinigen.

Wie gut und wie gründlich sollte man das Kinderzimmer reinigen?
So wie jeden anderen Raum auch. Wischen Sie einfach regelmäßig die Oberflächen ab und saugen sie, um die Staubbelastung zu minimieren und die Vermehrung von Hausstaubmilben zu vermeiden. Deren Kot, der sich vorzugsweise in Textilien wie Matratzen, Teppichen und Bettwäsche befindet, kann nämlich auch Allergien auslösen.

Was ist bei der Zubereitung von Speisen für Kinder zu beachten?
Bei Obst und Gemüse ist immer davon auszugehen, dass die Oberfläche mit Keimen belastet ist, auch wenn es bio ist. Sie wissen nicht, wo es gelegen oder wer es vor Ihnen in der Hand gehalten hat. Diese Keime müssen nicht unbedingt krankmachen, einige bestimmte können es aber. Deshalb sollte man sie vor dem Verzehr immer mit warmem Wasser abwaschen und am besten auch abreiben. So kann man schon einen Großteil der Keime entfernen. Aber auch hier gilt: Eine komplette Keimfreiheit werden Sie nicht erreichen.

Interview: Ruth Korte

Bräutigam: „Wegen Corona steht meine Hochzeit auf der Kippe.“

Dass ich wie geplant am 28. März heiraten kann, ist wegen des Coronavirus unwahrscheinlich. Trotzdem will ich nicht verzweifeln.

Gut ein Jahr lang haben meine Verlobte und ich geplant, beraten und uns vor allem gefreut – auf den sogenannten „schönsten Tag unseres Lebens“, unsere Hochzeit. Aktuell stehen wir vor einem Scherbenhaufen. Dass wir nicht in der geplanten Kirche feiern dürfen, steht seit heute fest. Ob die anschließende Feier stattfinden kann – wir wissen es nicht. Und beim Standesamt dürfen Trauzeugen und Eltern nicht anwesend sein. Denn Veranstaltungen jeglicher Größe sind wegen des Coronavirus in Nordrhein-Westfalen eigentlich untersagt.

Der Gedanke ans Verschieben ist schrecklich

Und, seien wir ehrlich: Das fühlt sich schrecklich an. Ich weiß, ich habe gut reden. Schließlich steht bei mir nicht mein Beruf auf der Kippe. Ich muss also nicht um meine Existenz bangen. Auch zähle ich nicht zur Risikogruppe. Es gibt also andere, denen geht es zurzeit deutlich schlechter. Trotzdem ist die aktuelle Hochzeitssituation extrem bedrückend. Dass die Eheringe eventuell neu graviert werden müssen, ist noch das kleinste Problem. Schwerwiegender sind Fragen wie: Kriegen wir das sonst ausgebuchte Wunschrestaurant überhaupt noch an einem anderen Termin? Können dann noch alle Gäste kommen? Wer bleibt schlussendlich auf den Kosten sitzen? Was ist überhaupt ein realistischer Termin, auf den wir umdisponieren können? … Kurzum: So haben wir uns diesen ganz besonderen Tag nicht vorgestellt.

Warum ich?

Und ich kann mich dessen nicht ganz erwehren: Zeitweise frage ich mich, warum gerade uns beiden so etwas passieren muss. Wieso muss die Krise gerade jetzt voll über Deutschland hineinbrechen? Wieso haben wir nicht einfach ein anderes Datum wählen können? Hätten weniger drastische Maßnahmen nicht vielleicht doch gereicht? Rational weiß ich, dass diese Gedanken nicht produktiv sind. Es hätte alles anders kommen können – ist es aber nicht. Deswegen will ich die aktuelle Situation viel lieber als eine gute Schule begreifen.

Nicht die Herrscher der Welt

Wir Menschen haben nicht die Macht über alles. Krisen wie die jetzige lassen mir das bewusst werden. Und das ist gut so. Es hilft mir, demütig zu sein. Wir sind eben nicht immer die Herrscher dieser Welt, es gibt Grenzen. Im Umkehrschluss heißt das: Ich kann für viele Dinge dankbar sein, weil sie eben keine Selbstverständlichkeit sind. Hochzeiten feiern zu können zum Beispiel. Unglücksmomente wie dieser sorgen dafür, dass Alltägliches mich wieder glücklich macht. Im kleinen kennt jeder das Gefühl, wenn beispielsweise der Schnupfen nach Wochen endlich nachlässt. Wie viel größer wird unsere Freude sein, wenn wir dann endlich als Paar vor den Traualtar treten dürfen? Das wird ein Geschenk sein, für das ich schon jetzt Dankbarkeit üben kann.

Alles dient dem Guten

Und auch darüber hinaus kann ich aus dieser Situation etwas lernen. Als Christ bin ich der festen Grundüberzeugung, dass alles dem Guten dient. Wieso also nicht auch der potenzielle Ausfall der Hochzeit? Vielleicht wäre der 28. März ein Regentag geworden. Vielleicht hätte sich jemand angesteckt und wäre ernsthaft krank geworden. Vielleicht … In meiner Vergangenheit durfte ich immer wieder erleben, dass auch aus schlechten Situationen etwas Gutes entstehen kann. Hätte mich meine vermeintliche Wunsch-Universität wegen eines formalen Fehlers im System nicht abgelehnt, hätte ich niemals meine heutige Verlobte kennen gelernt. Hätte ich den Job bekommen, den ich mir als Jugendlicher gewünscht habe, wäre ich heute nicht in einem Beruf, der mich erfüllt. „Die Wege des Herrn sind unergründlich“, heißt es so schön. Das durfte ich bisher immer wieder erleben. Wieso nicht auch bei meiner Hochzeit? Dieses positive Denken lerne ich jetzt – wenn auch ein wenig auf die harte Tour.

Der Nicht-Hochzeitstag

Den 28. März wollen meine Verlobte und ich im Zweifel übrigens zum Nicht-Hochzeitstag deklarieren. Wer sagt, dass man nicht auch den, sobald man wieder darf, feiern kann? Es ist ein schöner Gedanke, unseren Kindern Jahr für Jahr zu erzählen, wie ihre Eltern beinahe geheiratet hätten. Und es dann zum Glück so bald wie möglich nachgeholt haben.

„Gott, warum kippt Corona meine Hochzeit?“

Dass ich wie geplant am 28. März heiraten kann, ist unwahrscheinlich. Doch der Frust ist eine gute Übung für den Glauben.

Gut ein Jahr lang haben meine Verlobte und ich geplant, beraten und uns vor allem gefreut – auf den sogenannten „schönsten Tag unseres Lebens“, unsere Hochzeit. Aktuell stehen wir vor einem Scherbenhaufen. Dass wir nicht in der geplanten Kirche feiern dürfen, ist spätestens ab heute quasi gesetzt. Ob die anschließende Feier stattfinden kann – wir wissen es nicht. Und beim Standesamt dürfen Trauzeugen und Eltern nicht anwesend sein. Denn Veranstaltungen jeglicher Größe sind wegen des Coronavirus in Nordrhein-Westfalen eigentlich untersagt.

Und, seien wir ehrlich: Das fühlt sich schrecklich an. Ich weiß, ich habe gut reden. Schließlich steht bei mir nicht mein Beruf auf der Kippe. Ich muss also nicht um meine Existenz bangen. Auch zähle ich nicht zur Risikogruppe. Es gibt also andere, denen geht es zurzeit deutlich schlechter. Trotzdem ist die aktuelle Hochzeitssituation extrem bedrückend. Dass die Eheringe eventuell neu graviert werden müssen, ist noch das kleinste Problem. Schwerwiegender sind Fragen wie: Kriegen wir das sonst ausgebuchte Wunschrestaurant überhaupt noch an einem anderen Termin? Können dann noch alle Gäste kommen? Wer bleibt schlussendlich auf den Kosten sitzen? Was ist überhaupt ein realistischer Termin, auf den wir umdisponieren können? … Kurzum: So haben wir uns diesen ganz besonderen Tag nicht vorgestellt.

Keine Strafe Gottes

Und ich kann mich dessen nicht ganz erwehren: In den dunkelsten Stunden keimt auch in mir der gänzlich alttestamentarische Gedanke auf, ob das alles nicht einfach eine ganz persönliche Strafe Gottes ist. Für was auch immer. Denn eigentlich sollte ihm doch daran gelegen sein, wenn ein Paar vor ihm den Bund fürs Leben schließen will. Die Frage: „Gott, warum lässt du zu, dass der Coronavirus meine Hochzeit gefährdet?“ kam mir mehr als einmal. Natürlich weiß ich, dass der Gedanke an zwingende Kausalität irrational ist. Deswegen will ich die aktuelle Situation viel mehr als eine gute Schule begreifen.

Uns kann beim Thema Hochzeit nur noch ein Wunder helfen. Und darin ist unser Gott schließlich Experte. Nach menschlichen Maßstäben ist es absolut unwahrscheinlich, dass wir Ende März 2020 heiraten werden. Nach göttlichen Maßstäben ist alles möglich. Solche vermeintlich ausweglosen Situationen sind perfekt dazu geeignet, sich dieses Ausgeliefertsein bewusst zu machen und im zweiten Schritt zu sagen: „Gott, ich lege es in deine Hand.“

Alles dient dem Guten

Und was, wenn Gott nicht eingreift? Schließlich ist er keine Wundermaschine: Gebet rein, Erfüllung raus. Auch dann kann ich aus dieser Situation etwas lernen. Als Christ bin ich der festen Grundüberzeugung, dass alles dem Guten dient. Wieso also nicht auch der potenzielle Ausfall der Hochzeit? Vielleicht wäre der 28. März ein Regentag geworden. Vielleicht hätte sich jemand angesteckt und wäre ernsthaft krank geworden. Vielleicht … Gott wird wissen, was er tut. Es ist leicht, das in guten Zeiten zu sagen. Und es lässt einen wachsen, das in schlechten Zeiten anzunehmen. Das darf ich jetzt lernen – ein wenig auf die harte Tour.

Nathanael Ullmann ist Volontär in der Online-Redaktion des SCM Bundes-Verlags und mitverantwortlich für die Nachrichten auf Jesus.de.

Im Sturm der Traurigkeit

Der Mann unserer Autorin kämpft immer wieder mit Depressionen. Wie kommt sie damit klar?

Vor ein paar Jahren, ich war gerade im Auto unterwegs, hörte ich das Lied „Flames“ von Boy. Darin heißt es (frei übersetzt): „Die beständige Angst und Traurigkeit liegt schwer auf deiner aufgewühlten Seele. Ich rufe deinen Namen, aber ich kann nicht zu dir durchdringen. Es tut mir weh, dich so leiden zu sehen. Wenn ich doch nur einen Weg finden könnte, um dich zu beruhigen und zu heilen.“ Als ich so zuhörte, stiegen mir die Tränen in die Augen. Es war, als hätte jemand das in Worte gefasst, was ich gefühlt habe, als ich meinen Mann durch seine Depression begleitete.

Ich wusste von Anfang an, dass er psychische Probleme hat. Als wir uns ineinander verliebten, erzählte er mir, dass er sich gerade von einer Depression erholt habe, die vor ein paar Monaten, während einer Prüfungszeit, aufgetreten sei. Er konnte nichts mehr essen, nicht mehr schlafen und hatte irgendwann einen totalen Blackout. Nichts funktionierte mehr. Er wollte nichts vor mir verheimlichen und mir klar machen, dass ein Ja zu ihm auch ein Ja zu seiner Depression sein würde. Ich wusste also, was mich erwartete und gleichzeitig wusste ich überhaupt nicht, was mich erwartete.

Ein halbes Jahr nachdem wir zusammen waren, war sie wieder da. Eine Depression mit einer Angststörung. Er befürchtete ständig, durch seine Prüfungen zu fallen und sein Studium nicht zu schaffen und lernte Tag und Nacht. Und obwohl die Klausuren immer „sehr gut“ ausfielen, konnte er seinen Erfolg nicht genießen. Er war nicht in der Lage, so etwas wie Freude, Zufriedenheit oder Gelassenheit zu empfinden – und wenn, dann nur für einen kurzen Moment. Es war ein Leben ohne Graustufen. Alles, was ich sagte, schob er, wie es für Depressive typisch ist, entweder in die weiße (gute) oder schwarze (schlechte) Kategorie. Das machte unsere Kommunikation unglaublich schwierig. Gab es etwas, was mir an unserer Beziehung nicht gefiel und ich sagte es ihm, fühlte er sich sehr verletzt. Er zweifelte oft an sich selbst, und, nicht selten, auch an mir. Immer wieder stellte er mich und unsere Beziehung in Frage. Das verletzte mich am allermeisten. Zwei Mal trennten wir uns in den ersten Jahren voneinander. Bis wir ein wirkliches Ja zueinander gefunden hatten, sollten viele Jahre vergehen.

Nicht alle davon waren schlecht. War er medikamentös gut eingestellt und wir in „ruhigen Fahrwassern“ ging es uns sogar sehr gut. Wir reisten zusammen, suchten nach gemeinsamen Hobbys und machten Pläne für die Zukunft. Wir lernten, uns immer mehr so zu lieben, wie wir sind. Wir lernten auch voneinander: Ich lernte von ihm, mehr Ehrgeiz an den Tag zu legen und fing an, mich für Sport zu begeistern. Er lernte von mir, gelassener zu sein und den Moment zu genießen.

Es gab aber auch viele herausfordernde Momente. Als er ins Berufsleben einstieg, war es besonders schwierig. Der Stress und der Erwartungsdruck, der auf ihm lastete, machten ihm so sehr zu schaffen, dass ich befürchtete, er würde nun vollends zusammenbrechen und den Beruf, auf den er so lange hingearbeitet hatte, aufgeben müssen. In Phasen, in denen er psychisch stabil war, versuchte er immer wieder mit Begleitung eines Psychiaters das Antidepressivum, das er inzwischen mehrere Jahre zu sich nahm, auszuschleichen. Doch jeder Versuch scheiterte und warf ihn und uns jedes Mal zurück.

„Wie kommst du da durch?“

Inzwischen sind viele Jahre vergangen. Wir sind verheiratet und haben eine Familie. Mein Mann ist in seinem Beruf inzwischen zufrieden und sehr erfolgreich. Er hat seine Depression und seine Ängste dank der Psychopharmaka und Menschen, die ihn und uns begleiten, im Griff. Die Stürme kommen jetzt seltener, aber es gibt sie noch.

Was hilft mir in stürmischen Zeiten? Diese Frage konnte ich selbst lange nicht beantworten. Fragte man mich, wie ich da durchgekommen sei, gab ich häufig „Mit Gottes Hilfe“ zur Antwort. Und es stimmt: Hätte ich mich in all meiner Verzweiflung, Hilflosigkeit und mit all meinem Schmerz nicht an Gott wenden können, hätte es für uns keine Zukunft gegeben. Aber es sollte nicht nur der Glaube sein, der Angehörige von Depressiven durchträgt. Es sind auch die Freunde, die nachfragen, mitbeten oder, wenn nötig, auch mal ablenken. Es ist wichtig, sich über das, was man an der Seite eines Depressiven erlebt, auszutauschen – und zwar nicht nur mit dem Partner. Je nachdem, wie schwerwiegend seine Depression ist, kann es für ihn sogar zusätzlich belastend und deshalb kontraproduktiv sein. Wenn die Situation so belastend ist, dass ich sie selbst nicht aushalten kann, wende ich mich an meine Eltern, zu denen ich ein sehr gutes Verhältnis habe, und gute, vertrauensvolle Freunde – meistens solche, mit denen ich auch ins Gebet gehen kann. Eine von ihnen ist Psychologin und kann mir auch fachliche Tipps geben.

Überhaupt ist es wichtig, sich mit dem Thema Depression fachlich auseinanderzusetzen. Als ausgebildete Pädagogin dachte ich lange, ich wüsste bereits genug darüber. Ich hatte jedoch nie längere Zeit mit Depressiven zu tun gehabt und wusste schon gar nicht wie es ist, als Angehörige davon betroffen zu sein. Auch ich brauchte Hilfe und Begleitung. Das Internet bietet auf vielen Seiten, wie etwa der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, die Möglichkeit, sich zu dem Thema zu informieren. Aber auch ein Gespräch mit einer Person vom Fach, wie etwa einem Psychotherapeuten oder Psychiater, der man direkt Rückfragen stellen kann, ist hilfreich. In vielen Städten gibt es außerdem Selbsthilfegruppen für Angehörige von Depressiven, in denen man sich mit anderen austauschen kann. Je mehr man über Depressionen weiß, desto besser kann man das Verhalten des Partners verstehen und einordnen.

Gleichzeitig ist es wichtig, nicht alle Zweifel und Ängste, die der Partner hat, als übertrieben oder psychisch bedingt abzutun. Es ist nicht die Person selbst, sondern die Depression, die dazu führt, dass diese Gefühle für sie so unerträglich und für uns so unnachvollziehbar werden. Viele verstehen das nicht. „Das ist Quatsch“ oder „Du spinnst ja“ sind Sätze, die mein Mann während einer depressiven Phase manchmal zu hören bekommen hat. Auch Sätze wie „Du bist halt krank“ oder „extrem empfindlich“ sind in so einer Episode wenig hilfreich. Deshalb überlegen wir uns sehr genau, wen wir in dieses Thema einweihen. Mein Mann ist nicht „der Depressive“ oder „der Verrückte“, als den ihn manche abstempeln, weil es ihnen zu anstrengend und unangenehm ist, sich in ihn und seine Gefühlswelt hineinzudenken. Er ist der Mann, den ich liebe und der ab und zu jemanden braucht, der ihn sanft zurück auf die Beine stellt, ohne über seine Gefühle und Gedanken zu urteilen! Das steht niemandem zu – egal, ob gesund oder krank.

Nicht immer die Stärkere

Hilfreich war für mich auch, einzusehen, dass ich als „Gesündere“ von uns, nicht gleichzeitig auch immer die Stärkere sein muss. Natürlich versuche ich für ihn da zu sein, ihn zu trösten und aufzumuntern, wenn es ihm schlecht geht. Aber auch ich habe meine Grenzen, die ich lernen musste anzuerkennen, um nicht selbst krank zu werden. Manchmal bedeutet das auch, ihm vorzuschlagen, mal mit jemand anderem darüber zu sprechen und mich selbst ein bisschen zurückzuziehen. Ja, man darf sein Leben trotzdem genießen und sich selbst etwas Gutes gönnen – auch, wenn es dem Partner gerade nicht gut geht. Für mich bedeutet das, mich mit Freundinnen zu treffen, mir eine Massage zu gönnen oder ausführlich Sport zu machen. Aber auch als Paar darf man sich in solchen Zeiten schöne Abende gönnen und das Leben trotz allem feiern, indem man zum Beispiel einen Babysitter engagiert und ausgeht oder aber sich das Essen nach Hause liefern lässt und einen schönen Film zusammen guckt oder ein Spiel spielt. Umgekehrt gab es übrigens auch schon zahlreiche Situationen, in denen er der Stärkere von uns war, obwohl er der „Kränkere“ ist.

Es wäre falsch zu behaupten, dass wir inzwischen so sturmfest wären, dass uns die Stürme nichts mehr ausmachen würden. Wenn Ängste und Zweifel herumwirbeln und unser Schiff zum Schwanken bringen, erfordert es immer noch viel Kraft und Glauben, Jesus auf dem schwankenden Wasser zu erkennen und darauf zu vertrauen, dass er uns nicht untergehen lässt.

Die Autorin ist der Redaktion bekannt, möchte aber anonym bleiben.