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„Unser dreijähriger Sohn hört nicht auf ‚Nein!'“ – Das rät die Expertin

Was tun, wenn das Kind nicht gehorcht? Erziehungswissenschaftlerin Daniela Albert erklärt, wie Eltern reagieren sollten und was sie unbedingt vermeiden müssen.

„Unser Sohn (fast 4) hört nicht auf uns. Trotz mehrmaligem Nein-Sagen und dem Androhen von Konsequenzen zieht er sein Verhalten durch und bereitet uns damit nicht nur Stress, sondern bringt sich auch selbst in Gefahr! Auch anderen fällt dieses Verhalten auf. Manche raten uns zu mehr Härte. Müssen wir unser Kind denn strafen, damit es gelingt?“

Ihr Sohn ist mit drei Jahren noch sehr klein. Oft erwarten wir von Kindern in diesem Alter zu viel Kooperation. Besonders das „Hören“ auf Zuruf funktioniert in dieser Phase oft noch nicht. Wenn Kinder sich ein Ziel gesetzt haben (zum Beispiel auf das höchste Klettergerüst auf dem Spielplatz zu kommen), dann ist der kindliche Fokus genau dort und nicht bei dem, was Sie sagen. Auch die Gründe für Ihre Verbote kann Ihr Sohn selbst noch nicht abschätzen, sodass es ihm noch schwerer fällt, seine Aktivität zu stoppen. Das, was er tut, ist in diesem Moment sehr wichtig für ihn, und es fällt ihm schwer, umzudenken.

Reagieren Sie ruhig!

Was Ihr Sohn in solchen Momenten wirklich braucht, ist Ihre Begleitung. Wenn Sie beobachten, dass er etwas tut, was er nicht soll, dann gehen Sie zu ihm. Erklären Sie ihm in ruhigen und wenigen Worten, dass das nicht geht. Und wenn er es trotzdem tun möchte, nehmen Sie ihn sanft aus der Situation. Es ist völlig in Ordnung, ein kleines Kind wegzutragen oder festzuhalten, wenn es dabei ist, sich in Gefahr zu bringen oder andere Dinge zu tun, die nicht gewollt sind.

Es kann sein, dass Ihr Kind dann mit Wut oder Trauer reagiert. Hier ist es wichtig, dass Sie diese Gefühle begleiten und sie ihm nicht übelnehmen. Wenn er jetzt schreit, weint, sich auf den Boden wirft, sie beschimpft oder vielleicht sogar hauen will, dann liegt das daran, dass er in diesem Moment sehr frustriert und sein kleines Nervensystem überfordert ist.

Härte bringt nichts

Genau deshalb würde auch „mehr Härte“ nichts bringen. Ihr Sohn würde den Zusammenhang zwischen einer Strafe und seinem Verhalten gar nicht verstehen, sondern nur mitnehmen, dass Sie etwas für ihn Unangenehmes tun. Zudem schaden Strafen Ihrer Beziehung zueinander, und Konfliktsituationen verschärfen sie mittelfristig eher, als dass sie sich dadurch lösen lassen.

Ein Gedanke zum Schluss: Die Entwicklungsphase, in der Ihr Sohn sich befindet, ist sowohl schön als auch herausfordernd. Gerade wenn er sehr unternehmungsfreudig und willensstark ist, kann es in dieser Zeit auch anstrengend werden. Das Letzte, was Sie in schwierigen Situationen brauchen, sind Menschen, die Ihnen durch „Ratschläge“ noch mehr Druck aufbürden. Ich möchte Sie ermutigen, solche Sätze zukünftig zu ignorieren und mit Ihrer Aufmerksamkeit ganz bei sich und Ihrem Kind zu bleiben.

Daniela Albert ist Erziehungswissenschaftlerin und Eltern– und Familienberaterin (familienberatung-albert.de). Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Kaufungen bei Kassel und bloggt unter eltern-familie.de. 

Ist Kitzeln übergriffig?

„Meine Tochter (2) liebt es, ausgekitzelt zu werden – zumindest habe ich das bisher immer angenommen, weil sie uns häufig dazu auffordert. Nun wurde ich von einer anderen Mutter darauf hingewiesen, dass Kitzeln total übergriffig und Quälerei für Kinder sei. Ich bin verunsichert. Ist Kitzeln für Kinder schädlich?“

Beim Kitzeln geht es wie so oft um besondere Achtsamkeit für Grenzen. Gerade im Umgang mit uns Eltern – also ihren vertrautesten Personen – lernen Kinder ihre körperlichen Grenzen kennen. Und noch viel wichtiger: Dass andere Menschen diese respektieren müssen.

Das Kitzeln stellt uns hierbei vor eine besondere Herausforderung: Das Problem ist nämlich, dass uns die Reaktion der Kinder signalisieren kann, dass sie Spaß haben, obwohl das Gegenteil der Fall ist. Die normale körperliche Reaktion auf Kitzeln ist Lachen. Doch wir lachen nicht unbedingt, weil wir belustigt sind oder diesen Zustand genießen. Lachen ist in diesem Fall nur ein Reflex. Selbst Menschen, die tatsächlich durchgekitzelt werden, um sie damit zu quälen, lachen dabei. Lustig oder gar angenehm ist ihnen aber nicht zumute.

Nur sanft und kurz kitzeln

Wenn wir über das Kitzeln von Kindern sprechen, ist es wichtig zu schauen, wie es abläuft. Kitzeln kann eine angenehme Form des Körperkontakts sein. Das ist immer dann der Fall, wenn es als leichte Berührung und nur für relativ kurze Zeit stattfindet und wenn das Kind möglichst schon vorher weiß, was kommt, also wo es gekitzelt wird. In meinen Eltern-Kind-Kreisen haben wir beispielsweise Lieder, die Massage- und Streicheleinheiten mit einem kurzen Kitzelmoment verbinden, den wir vorher in der jeweiligen Liedstrophe benennen. Diese Art des Kitzelns bezeichnet man auch als sanftes Kitzeln. Sie ist nicht übergriffig und führt auch nicht zwangsweise zu einem Lachreflex.

Davon zu unterscheiden sind Kitzelattacken. Davon spricht man, wenn jemand festgehalten und wirklich durchgekitzelt wird und sich nicht dagegen wehren kann. Diese Art des Kitzelns kann sich für den Betroffenen mitunter sogar schmerzhaft anfühlen. Auf jeden Fall ist es nicht angenehm.

Ein Nein akzeptieren

Wenn Ihre Tochter Sie auffordert, sie zu kitzeln, meint sie wahrscheinlich eher eine sanfte Form. Dagegen spricht überhaupt nichts. Doch wie so oft sind die Übergänge von sanftem zu nicht mehr so angenehmem Kitzeln fließend. Und hier sind wir als Eltern gefragt. Wir kennen unsere Kinder am besten und können darauf achten, ab wann das Kitzeln aufhört, schön zu sein. Hilfreich ist es, wenn wir beim Kitzeln immer wieder Pausen einlegen und schauen, wie unser Kind reagiert. Und ganz wichtig ist, dass auch beim Kitzeln ein „Nein“ ein „Nein“ ist. Wenn ihr Kind äußert, dass es nicht mehr möchte, dann ist es an der Zeit, wirklich aufzuhören. Manchmal liegt hinter dem Wunsch, durchgekitzelt zu werden, auch einfach nur das Bedürfnis nach intensiver körperlicher Nähe. Eine gute Alternative finde ich hier wildes Kuscheln und Toben, in das man immer mal wieder kurzes, sanftes Kitzeln einbauen kann.

Daniela Albert ist Erziehungswissenschaftlerin und Elternund Familienberaterin (familienberatung-albert.de). Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Kaufungen bei Kassel und bloggt unter www.eltern-familie.de.
Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

 

Beim Umzug helfen?

„Unser Sohn (23) zieht in eine neue Wohnung, wo noch viel renoviert werden muss. Dafür erwartet er unsere Hilfe. Wir haben aber gerade selbst viel um die Ohren und denken, dass er alt genug ist, um so etwas allein zu regeln. Können wir ihm absagen?“

 

Wenn die Kinder das Nest verlassen haben, bleibt bei Eltern oft nicht das erwartete Freiheitsgefühl, sondern ein Wehmutsgefühl zurück. Loslassen ist nicht einfach. Eltern müssen akzeptieren, dass ihr Kind sein eigenes Leben lebt. Es beinhaltet aber auch, dem Kind sein Erwachsensein zuzugestehen, ihm einen eigenen Lebensstil und eigene Entscheidungen auch innerlich zu erlauben. So eine Beziehung auf Augenhöhe fühlt sich nach all den Jahren der Fürsorge und Verantwortung erst einmal fremd an. Die Eltern-Kind-Beziehung wächst in ein neues Stadium hinein, das Schritt für Schritt ertastet werden will. Vieles daran fühlt sich ungewohnt an. Zum Beispiel, dass es zu einem ausgewogenen Geben und Nehmen kommen darf. Wir sind nicht mehr die nur Starken und Überlegenen, sondern wir dürfen uns auch mit unseren Schwächen und Grenzen zumuten.

ABSAGE ZUMUTEN
In Ihrer Frage wird deutlich: Da hat schon jemand das Nest verlassen. Sowohl Sie als auch Ihr Sohn haben ein jeweils eigenes, erfülltes Leben. Deshalb gilt: Ihr Sohn ist selbst verantwortlich für seinen Umzug. Dass Sie als Eltern noch gefragt werden, ist ja auch schön und zeugt von familiärer Verbundenheit. Im besten Falle hat sich zwischen Ihnen und Ihrem Sohn ein freundschaftliches Nebeneinander entwickelt. Und wie es unter guten Freunden üblich ist, darf man sich auch mit seinen Unvollkommenheiten zeigen. Auch Sie als Eltern haben Grenzen, zum Beispiel weil Sie keine Zeit haben, gesundheitlich nicht mehr so viel leisten können oder zu weit weg wohnen. Nehmen Sie auf einer erwachsenen Ebene Kontakt zu Ihrem Sohn auf und muten ihm eine Absage zu. Ihr Sohn muss lernen, dass einseitige Ansprüche der Vergangenheit angehören. Eltern wollen fair gefragt werden. Und auf eine Frage darf man auch mit „Nein“ antworten.

RÜCKHALTLOSES ZUTRAUEN
Wir als Eltern sind nicht mehr verantwortlich für das Wohlergehen unserer erwachsenen Kinder. Und damit auch nicht für das Gelingen eines Umzugs. Diese Verantwortung liegt beim Sohn (oder der Tochter). Was Ihr Sohn braucht, ist Ihr rückhaltloses Zutrauen. Hat er das? Oder denken Sie, dass der Umzug ohne Ihre Mithilfe scheitern wird? Vielleicht lohnt es sich, wenn Sie über folgende Fragen nachdenken: Warum könnte es mir schwer fallen, Nein zu sagen? Was daran macht mir Angst? Dass unser Sohn Dinge falsch einschätzt und Fehler machen wird? Dass der Umzug misslingt? Halte ich es aus, wenn es vielleicht chaotisch läuft? Habe ich die Befürchtung, dass es mit einer Absage zu einem (grundsätzlichen) Konflikt kommen wird? Dass sogar die Beziehung als solche in Frage gestellt werden wird? Wollen wir einmal grundsätzlich miteinander darüber sprechen, wie jeder von uns sich eine erwachsene Eltern-Kind-Beziehung vorstellt, was jeder bisher erwartet hat, was sich jeder wünschen würde?

 

Michaela Schnabel ist Mutter von drei Töchtern, die ihre weltweiten Umzüge sehr selbstständig organisieren. Sie arbeitet als Sozialpädagogin und lebt in Witten.