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Pilgern – Eine Auszeit zum Auftanken

Pilgern ist seit Jahrhunderten Tradition und dennoch topaktuell. Melanie Schmitt, Leiterin der Pilgerstelle im Bistum Limburg, gibt Einblicke in eine  faszinierende Wanderleidenschaft.

Tage des Laufens liegen hinter uns, rauf und runter, über einen alpinen Pilgerweg in Österreich, von Kirchlein zu Kapelle, vom alten Wallfahrtsort im Tal zum Gipfelkreuz hoch oben. Am letzten Tag kostet mich jeder Schritt Kraft, die ich nicht mehr habe. Ich frage mich ernsthaft, wie ich heute die restlichen Höhenmeter nach oben schaffen soll, um dann auf der anderen Seite wieder abzusteigen. Warum mache ich das hier eigentlich? Tageund wochenlang durch die Gegend laufen, jeden Tag dasselbe. Pilgern – was soll das?

Gebahnte Wege

Seit Menschengedenken machen sich Männer und Frauen auf Reisen, bei denen es nicht allein darum geht, einen äußeren Weg zurückzulegen, sondern auch darum, sich auf einen inneren Weg zu begeben, in inneren Angelegenheiten unterwegs zu sein, auf ganzheitlicher Bewegungstour für Körper und Seele. Nicht bei jedem religiös motiviert, aber doch auf der Suche: nach sich selbst, nach anderen oder nach Gott.

Pilgern ist eine jahrhundertealte Tradition, ein Teil der spirituellen Praxis aller großen Religionen. Ob Jerusalem, Assisi, Rom, Mekka oder Santiago de Compostela – der äußere und der innere Weg verbindet alle Pilgerinnen und Pilger und ist doch gleichzeitig sehr individuell. So unterschiedlich die Anliegen und Gründe für eine Pilgerreise sein mögen – ob Abenteuerlust, Trauerbewältigung, bewusste Umkehr oder ein neuer Lebensabschnitt –, das Unterwegssein ist beim Pilgern wichtiger als das Ankommen. Und die Erlebnisse, Ereignisse und Begegnungen unterwegs machen das Besondere des Pilgerns aus.

Es ist faszinierend, auf uralten Wegen unterwegs zu sein, auf Pfaden, die Pilger schon Jahrhunderte zuvor gebahnt haben, in gesprochenen, gedachten, geatmeten und gelebten Gedanken und Gebeten, im steten Gehen und Gehen und Gehen.

Die pure Freiheit

Reduzieren, minimalisieren, daheim lassen, loslassen: Beim Pilgern geht es auch darum, die Komfortzone zu verlassen und sich nur mit leichtem Gepäck auf den Weg zu machen. Schließlich muss alles Hab und Gut getragen werden, jeden Tag, jede Minute des Weges. Ich erlebe diese Reduktion des Materiellen bei jeder Pilgertour als große Freiheit: Alles, was ich brauche, trage ich bei mir. Und das, so stelle ich jedes Mal fest, ist wirklich sehr wenig. Zumal es zum Pilgeralltag gehört, bei Ankunft in der Unterkunft die verschwitzten Klamotten mit der Hand durchzuwaschen. Drei Unterhosen und zwei Shirts reichen wochenlang.

Am Morgen ist alles schnell wieder im Rucksack verstaut. Ich brauche nicht lange zu überlegen: Das Wirrwarr auf dem Bett aus Wechselklamotten, Ladekabel, Pilgerpass, Haargummi, Tagebuch und Flip-Flops kommt einfach komplett in den Rucksack und weiter geht‘s. Alles, was ich brauche, trage ich auf dem Rücken. Ich kann gehen, wohin ich will, und habe alles Nötige bei mir. Welch unglaubliches Gefühl von Freiheit! Sich noch unterwegs von Ballast zu trennen und Teile der Ausrüstung wegzugeben, ist eine gängige Pilgererfahrung und für manchen sogar ein Ritual, verringert es doch im konkreten wie im übertragenen Sinn die Last auf den Schultern. So nehmen manche Pilgerinnen und Pilger von zu Hause einen Stein mit, der symbolisch für eine Last steht, für eine überstandene Krankheit oder eine schmerzhafte Trennung, und legen diesen Stein unterwegs ab.

Nicht nur in Sachen Gepäck ist Pilgern eine Reduzierung auf das Wesentliche: gehen – essen – schlafen. Der Pilgeralltag folgt einer erwartbaren Regelmäßigkeit.

Die reine Abhängigkeit

Wenn ich zu Fuß unterwegs bin, nur mit dem Rucksack auf meinem Rücken, habe ich auf meiner Reise ausschließlich diese Dinge zur Verfügung. Keinen Fön, keine größere Lektüre, keine Spielesammlung. Zu Fuß bin ich außerdem nur in einem kleinen Radius mobil. Sollte ich am angepeilten Tagesziel keine Unterkunft finden, kann ich nicht mal eben weitere zehn Kilometer suchen gehen.

Hier beginnt nach meinem Empfinden der „Spirit“ des Pilgerns. Eben weil ich mich so bedürftig und abhängig mache, kann Gott seine Wunder-barkeiten deutlich auspacken und spielen lassen. Die Welt der Pilgernden ist voll von diesen Wundergeschichten, die Mut machen und Vertrauen schenken: Der Schuh meines Mannes ist zu eng. So kann er unmöglich weitergehen. Am Wegesrand im kleinen Dorf ist unversehens ein orthopädischer Schuhmacher, der den Schuh richtet. Oder: Beschwingten Schrittes sind wir ein ziemliches Stück dem falschen Pfad gefolgt. Nachdem wir unseren Irrtum bemerkt und ein Stück querfeldein gelaufen sind, finden wir uns plötzlich und überraschend auf unserem eigentlichen Weg wieder.

Wir erleben Geschichten des Versorgtseins und Getragenseins, aber auch Geschichten der persönlichen Herausforderungen. „Der Weg gibt dir nicht das, was du willst, sondern das, was du brauchst“, sagt man. Diese eindrücklichen Erfahrungen machen Pilgernde immer wieder. Ihr Weg ist ihnen ein Spiegel des Inneren. Der Weg schenkt uns die Kraft, ihn zu gehen, er leitet uns, sorgt für uns, führt uns über Umwege, bergauf und bergab, querfeldein und auch mal außerhalb der Karte, durch Sonne und Regen, über Asphaltwüsten und an blühenden Blumenwiesen vorbei. Vor mir sonnt sich ein Schmetterling. Er fliegt nicht davon. Ich darf ihm nahe sein, dem Schmetterling und dem Leben. So wird es beim Pilgern immer wieder vor allem um eines gehen: Bei sich zu bleiben und doch verbunden zu sein mit der Mitwelt – mit der menschlichen Mitwelt und mit der mehr-als-menschlichen Mitwelt.

Jeden Morgen neu aufmachen zum Pligern

Und so ist letztlich auch weniger die Frage der optimalen Outdoor-Ausrüstung entscheidend als vielmehr die Frage der inneren Ausrüstung: Pilgern schenkt uns viele hoch-heilige Momente. Und Pilgern verlangt Kondition und Ausdauer eher mental, denn körperlich sind viele Pilgerwege moderat im Anspruch. Doch die Herausforderung, sich jeden Morgen wieder neu aufzumachen ins Unbekannte und sich dem zu stellen, was innerlich in Bewegung gerät, verlangt Bereitschaft zur Hingabe ins Vertrauen.

Das merke ich besonders am letzten Tag in Österreich, als mich ernsthafte Zweifel überkommen, ob ich diese letzte Etappe schaffen werde. Mir fehlt die Kraft. Intensive Wandertage stecken mir in den Beinen. Wenn es mir gutgeht, fällt es mir leicht, dem Urgrund allen Seins dafür dankbar zu sein. Umgekehrt habe ich oft Mühe, um Hilfe zu bitten, wenn ich nicht allein weiterkomme, ob bei Menschen oder beim Ewigen. Hier oben in den Bergen kann mir kein Mensch beim Weitergehen helfen. Aber ich brauche Hilfe, ich brauche die Kraft zum Weiterkommen. Und ich bitte himmelhoch darum.

Nie zuvor habe ich diese Hilfe so körperlich erlebt. Es fühlt sich an, als schiebe mich eine unsichtbare Hand sanft bergauf – ich gehe und gehe und gehe. Klingt irre. Ich weiß. Fühlte sich auch irre an. Oben nehme ich mir einen kleinen glitzernden Stein mit. Er soll mich zu Hause an die unbeschreibliche Ruhe erinnern, die mit der Erkenntnis kommt, wie viel Kraft sich entfaltet, wenn ich in Verbundenheit immer weiter meinen Weg gehe.

Geht das auch etwas kürzer?

Der eigentliche Effekt des Pilgerns wird erst bei einem längeren Unterwegssein von mehreren Tagen spürbar. Und dennoch kann ich diese einmal gewonnene Erfahrung auch abrufen, wenn ich mich zu Hause einen halben Tag ausklinke und bewusst rausgehe, um zu pilgern. Mir hilft das, Anliegen zu klären. Ich erfahre die Natur als Spiegel, das Gehen als Meditation. Nicht umsonst heißt es, Pilgern sei Beten mit den Füßen. Am frühen Abend nähern wir uns unserem letzten Etappenziel, der Wallfahrtskirche von Heiligenblut. Wir können sie von weitem sehen und ich denke: Jetzt fehlt eigentlich nur noch ein Regenbogen. Kurz darauf fängt es an zu nieseln und in dem Moment, als wir die Kirche erreichen, erscheint ein Regenbogen am Himmel und bleibt aufgespannt über dem Tal stehen. Wir sind angekommen. Und ich weiß, warum ich pilgern gehe, immer wieder.

Melanie Schmitt ist begeisterte Pilgerin und hat als Leiterin der Pilgerstelle im Bistum Limburg auch beruflich sehr viel mit einer Spiritualität des Unterwegsseins zu tun.

 

WISSENSWERTES ZUM PILGERN

Nachgefragt bei Melanie Schmitt, Leiterin der Pilgerstelle im Bistum Limburg

Wie fange ich an, wenn ich Pilgern ausprobieren möchte?
Es müssen nicht gleich 800 Kilometer Jakobsweg sein. Es gibt auch in Deutschland und der Schweiz viele gut markierte Wege, wie zum Beispiel den Hildegard-von-Bingen-Weg oder den Lahn-Camino, die beide in etwa zehn Tagen gut zu bewältigen sind. Und viele regionale Pilgerwege, die zum Pilgern für einen Tag einladen. Manche Outdoor-App bietet die Vorauswahl „Pilgerweg“. Wenn man sich umschaut, entdeckt man vielleicht in der Nähe des Wohnortes Jakobsmuscheln oder andere Pilgerwegmarkierungen.

Was ist besser: allein pilgern oder in der Gruppe?
Das hängt davon ab, welches Erlebnis man sucht. Vom organisierten Kulturpilgern mit Rucksacktransport bis zur individuell gestalteten Tour ist alles möglich. Allgemein gilt: Man trifft in der Regel sehr schnell andere Pilgerinnen und Pilger und das immer wieder, weil die Wegstrecke und die Etappen oft ähnlich sind. Das ist auch so schön am Pilgern: die Gemeinschaft, die unterwegs entsteht, das gemeinsame Essen, Wäschewaschen, Blasenpflegen…

Welche Ausrüstung ist notwendig?
Ein Rucksack und gut eingelaufene Schuhe verstehen sich wahrscheinlich von selbst. Wer in Pilgerherbergen übernachten möchte, braucht einen einfachen, dünnen Schlafsack. Nicht zu vergessen: einen Pilgerpass. Auf den meisten Wegen berechtigt er zur günstigen Übernachtung in Pilgerherbergen und Klöstern und dient am Ziel als Nachweis des zurückgelegten Weges für den Erhalt einer Pilgerurkunde. Die bunte Stempelsammlung ist außerdem eine schöne Erinnerung.

Wo bekomme ich Infos?
Es gibt zahlreiche Pilgerweg-Vereine, wie die Jakobusgesellschaften, den Ökumenischen-Pilgerweg-Verein oder eben die Pilgerstellen der Bistümer. Daneben viele Regalmeter an Pilgerführern, die sehr zuverlässig sind, und natürlich die weiten Wege des Internets. Qualifizierte Pilgerbegleiterinnen und -begleiter bieten oft auch Touren zu Themen an, wie Trauerpilgern oder Fastenpilgern.

Pause! Wie Familien wieder auftanken können

Der Familienalltag ist oft anstrengend und hektisch. Sozialpädagogin Julia Otterbein verrät, wie Pausen individuell geplant und bewusst genutzt werden können.

Familienalltag fühlt sich manchmal wie das Durchqueren einer großen Wüste an: brütende Hitze, anstrengende Tage – und Pausen in der prallen Sonne sind keine echte Option. Zumindest lässt sich so nicht nachhaltig Kraft schöpfen für die nächste Wegstrecke. Es braucht also eine sinnvolle Routenplanung, die es ermöglicht, in regelmäßigen Abständen eine Oase aufzusuchen.

Pausen einplanen

Eltern, die immer versuchen, alles unter einen Hut zu bekommen, erzeugen damit einen Familienalltag, der eng getaktet ist. Und auch die Kinder sind durch (Ganztags-)Schule und verschiedene Hobbys zeitlich eng eingebunden. Wofür dann häufig keine Zeit mehr bleibt, sind die eigentlich so wichtigen Pausen und unverplante Zeiten.

Generell hilft es, unnötigen Druck herauszunehmen, To-do-Listen zu verschlanken und wieder eine aktivere Haltung einzunehmen. „Nein“ zu sagen zum dritten verbindlichen Hobby mit entsprechend festen Terminen unter der Woche oder sogar noch am Wochenende, und stattdessen Pausenzeiten fest einzuplanen, in den Kalender einzutragen und mit der gleichen Priorität zu versehen wie einen Arzttermin.

Oasen im Familienalltag

Damit diese Pausen auch zu wirklichen Oasen werden, darfst du dir folgende Fragen stellen: Was möchte ich tun oder lassen? Was tut mir gut? Wie sieht meine persönliche Oase aus? Denn Oasen im Familienalltag sind so verschieden, wie wir Menschen verschieden sind. Vielleicht hilft dir dabei auch dieses Experiment:

Nichts tun. Nur aus dem Fenster schauen. In der Sonne sitzen und die Augen schließen. Einfach nur sein. Auf deinen Atem oder Herzschlag achten. Und dann kannst du mal deine unerfüllten Bedürfnisse erkunden: die körperlichen, sozialen und geistigen Bedürfnisse. Was fehlt dir gerade? Ist es Schlaf, Essen, Trinken, Bewegung, Entspannung, Austausch mit anderen (erwachsenen) Menschen, Inspiration?

Gemeinsam und getrennt

Im nächsten Schritt gilt es, eine passende Strategie für das Bedürfnis zu finden: Gärtnern oder lesen? Freunde treffen oder Zeit für sich haben? Musik hören oder Musik machen? Aktiv sein oder chillen? Da hat jeder so seine persönlichen Favoriten. Was allen Strategien gemeinsam ist: Jeder tut es mit Freude und Genuss.

Manche von uns laufen allerdings schon so lange durch die sprichwörtliche Wüste, dass sie nur noch eine vage Erinnerung daran haben, wie die persönliche Wohlfühloase aussieht. Daher ist es wichtig, (mal wieder) herauszufinden, was zu einem passt und was nicht. Dafür kannst du den Test in der Box nutzen (siehe unten).

Nicht selten steht man als Familie aber vor folgendem Problem: Die Strategien der einzelnen Familienmitglieder passen nicht zusammen. Was die einen entspannt, ist für die anderen eher anstrengend, zum Beispiel der Besuch eines Indoor-Spielplatzes. Da gilt es dann, individuelle Lösungen zu finden und sich vielleicht in der Familie aufzuteilen.

Gerade diejenigen, die im Alltag eine hohe Belastung durch die Übernahme von Sorgearbeit in der Familie haben, brauchen auch Zeiten, in denen sie die Verantwortung für andere Menschen abgeben und ihren eigenen Bedürfnissen ohne Einschränkungen und Kompromisse nachgehen können.

Dennoch ist es toll, wenn es das eine oder andere Familienritual gibt, das bei allen für Ruhe und Entspannung sorgt: kuschelige Vorlesezeiten, ein Familien-Heimkino-Abend, gemeinsam in Erinnerungen schwelgen…

Oder einmal im Monat einen Wochenendtag bewusst unverplant zu lassen und sich gemeinsam treiben zu lassen. Zeit zum Nichtstun oder mal wieder eine Runde „Mensch ärgere dich nicht“ oder „Uno“ spielen. Oft sind es gerade solche Kleinigkeiten, die zu besonderen Erinnerungen werden.

Was passt zu dir?

Vielleicht braucht es aber auch mal eine größere Oasenzeit und mehr Abstand zum Alltag, zum Beispiel auf einer Freizeit zum Auftanken oder einem Urlaub ohne die Familie. Auch eine Mutter- oder Vater-Kind-Kur oder bei älteren Kindern eine Kur allein kann dafür sorgen, mal für drei Wochen fern des Alltags Entlastung zu erleben und die Beziehung untereinander zu stärken.

Finde heraus, welche Dimension deine Oase haben soll und was zu dir passt. Erinnere dich an frühere Hobbys, die vielleicht im Trubel des Familienalltags aus dem Blick geraten sind. Wenn Strategien von früher nicht mehr funktionieren, probiere etwas Neues aus. Ausgetretene Pfade zu verlassen und kleine Abenteuer zu erleben, sorgt für Abwechslung – und schon sieht die Wüste ein bisschen lebendiger aus.

Julia Otterbein ist Diplom-Sozialpädagogin und Selbstfürsorge-Coach und lebt mit ihrer Familie in Süderbrarup/Schleswig-Holstein. familywithlove.de

 

SELBSTTEST ZUM AUFTANKEN

Introvertiert oder extrovertiert?
Während introvertierte Menschen besser regenerieren, wenn sie allein sind, können Extrovertierte im Kontakt mit anderen Menschen ihre Akkus aufladen.

Aktiv sein oder entspannen?
Brauchst du mehr Bewegung als Ausgleich zu deinem Alltag oder bewusstes Nichtstun und Ent-Spannung?

Inspiration für den Kopf oder Gedanken zur Ruhe kommen lassen?
Ermüdet dein Geist durch zu wenig oder zu viel Input? Sorge dann bewusst für das Gegenteil durch ein interessantes Buch, einen inspirierenden Podcast oder durch Stille und das Niederschreiben von Gedanken.

Raus in die Natur?
Viele Menschen halten sich viel zu oft in Innenräumen auf – da kann Zeit an der frischen Luft und außerhalb von bebauten Gebieten den nötigen Ausgleich schaffen.

Mittagsschlaf?
Gerade wenn der Nachtschlaf im Familienleben häufiger zu kurz kommt, kann ein Mittagsschlaf oder eine gemeinsam vereinbarte Mittagsruhe zu einer wohltuenden Oase werden.

Gemeinsame Familienrituale oder Zeit für sich allein?
Mal braucht es das eine und mal das andere – plant am besten beides für euch ein.

Heute schon gelacht?
Lachen ist gesund für Körper und Psyche. Es entspannt den Körper, reduziert Stress und lindert sogar Schmerzen. Probiert es mal aus!

Eine göttliche Ruhezeit

Bisher dachte Miriam Koller, dass der Sabbat nichts mit unserem Leben heute zu tun hat. Doch als sie sich näher damit beschäftigt, stellt sie fest, wie sehr ein Ruhetag in der Woche das Leben bereichert.

Manchmal habe ich das Gefüh, dass Gott mir etwas Bestimmtes sagen will. Wenn mir ein Thema – scheinbar wie durch Zufall – immer und immer wieder über den Weg läuft, ich mich jedes Mal direkt angesprochen fühle und spüre, hier „stupst“ Gott mich gerade an. Vor Kurzem ging es mir so mit dem Thema „Sabbat“. In drei unterschiedlichen Büchern, die ich zeitgleich las, kam wie aus dem Nichts plötzlich in allen diese biblische Tradition zur Sprache. Zunächst dachte ich, das Thema beträfe mich im Heute nicht mehr, schließlich haben wir in unserer westlichen Welt den Sonntag als Ruhetag und ich arbeite an diesem Tag auch nicht. Und doch ahnte ich: Sabbat ist mehr als unser Sonntag und Gott will mich auf die Spuren dessen führen. Ich verschlang die besagten Bücher. Eines davon war „Das Ende der Rastlosigkeit“ von John Mark Comer. Was ich da las, entfachte ein Feuer in mir. Das wollte ich ausprobieren; das erleben, was diese Menschen hier beschrieben. Die „Sehnsucht Sabbat“ war in mir geweckt, und ich forschte weiter.

Mehr als nur ein Gebot

In der Bibel machte ich folgende Entdeckungen: Für Jesus, der uns ein Vorbild sein will, war der Sabbat ein fester Bestandteil seines Lebensrhythmus. Man kann aber noch sehr viel weiter zurückgehen in der Bibel, um der Wichtigkeit dieses Tages auf den Grund zu kommen. Genau genommen bis an den Anfang der Welt. Gott schuf die Welt in sechs Tagen und am siebten Tag ruhte er. Und in den Zehn Geboten hielt er seine Geschöpfe dazu an, es ihm gleichzutun. Der Sabbat schien für Gott also etwas ganz Essenzielles zu sein. Und wenn ich ehrlich in mich hineinlauschte, merkte ich, dass meine Seele sich eigentlich auch danach sehnt: einen Tag pro Woche wirkliche Ruhe!

Dann wurden jedoch andere Stimmen in mir laut: Du hast eine kleine Tochter, die auch sonntags bespaßt und bekocht werden will. Du hast sonntags Dienste in der Gemeinde. Und nie und nimmer schaffst du es, alles pünktlich zum Samstagabend fertigzuhaben: deinen Haushalt picobello fertig, das Essen für einen Tag vorgekocht, alle Arbeiten deiner To-do-Liste erledigt. Wie bitte soll ein Tag völliger Ruhe praktisch aussehen?

Sabbat – ein Verb

Eine Schlüsselerkenntnis war für mich die wörtliche Übersetzung des jüdischen Wortes „sabbat“. Es ist ein Verb und bedeutet „aufhören/innehalten“. Für mich frei übersetzt: liegen lassen, ganz aktiv liegen lassen! Ich beschloss: Ich probiere es einfach mal aus. Ich lasse am Vorabend unseres Sabbats alles stehen und liegen, atme tief durch und nehme wahr, welche Freiheit mir diese Akzeptanz gibt. Die Akzeptanz der Staubschicht auf meinen Regalen, des noch nicht zusammengelegten Wäschebergs, der noch unbeantworteten E-Mails. Ich darf jetzt einfach 24 Stunden aus dem alltäglichen Hamsterrad der Aufgaben und Erledigungen aussteigen, innehalten, aufhören, durchatmen, ausruhen, meine Hände in den Schoß legen und einmal nicht produktiv sein. Und kann mich dadurch tatsächlich neu für Gottes Gegenwart öffnen.

Wie geht es dann aber weiter? Was genau mache ich dann? Studierende, Rentner, Ehepaare mit großen Kindern – sie alle würden sich damit leichttun. Meine Tochter dürfte jedoch von der Vorstellung eines ganzen Tages des Nichtstuns weniger zu überzeugen sein … Wie kann Sabbat praktisch gelebt werden in einer jungen Familie?

John Mark Comer schreibt: „Am Sabbat tun wir nichts als ausruhen und Gott anbeten. Wenn ich Sabbat halte, prüfe ich alles, was ich tun will, an diesem Doppelraster: Ist es Ruhe und Anbetung?“ Als ich unseren Ruhetag unter diesem Blickwinkel begutachtete, fielen mir einige Dinge ein, die ich selbst mit kleinem Kind machen konnte: bewusstes Zeitnehmen, um in der Kinderbibel zu lesen, gemeinsames Musikmachen und Gott mit Liedern loben, für ihn tanzen, malen, lachen, reden, kuscheln, spielen, ein entspanntes Treffen mit engen Freunden, ein Spaziergang im Wald, ein gemeinsames Familien-Mittagsschläfchen und immer wieder am Tag bewusst Gespräche mit Gott führen – die Gebete ruhig laut ausgesprochen und gemeinsam mit dem Kind. Ich kann meiner Tochter so viel von klein auf mitgeben – warum nicht auch diese wichtige Praxis: einen Ruhetag pro Woche zu begehen, der dem Herrn geweiht ist und an dem wir ihm Dank bringen für die Fülle, die er uns in unserem Leben schenkt.

Zeit für Gott und Genuss

Und wenn die Kleine im Bett liegt, beginnt für mich eine ganz besondere Zeit. Ich mache mir schönes Licht an, öffne vielleicht eine Flasche alkoholfreien Sekt und mache es mir bewusst gemütlich – mit Gott: Ich lese in der Bibel, spreche intensiv mit ihm, versinke im Lobpreis und genieße es, seine Gegenwart zu spüren. Im trubeligen Alltag geht eine solche bewusste „Zeit mit Gott“ oft unter – leider. Umso mehr genieße ich es, dass ich nun am Sabbat einen festen Abend pro Woche extra dafür reserviert habe. Es tut mir und meiner Beziehung zu Gott so gut.

Mir ist inzwischen unser Ruhetag so zum Gewinn geworden, dass ich ihn nun fest in meinen Terminkalender einplane. Mal kann ich uns den Samstag, mal den Sonntag blockieren, je nachdem, welche Termine und Verpflichtungen anstehen. Es gab auch schon Wochen, in denen kein Sabbat möglich war, weil bereits das ganze Wochenende verplant war. Nach einem solchen Wochenende habe ich am Montagmorgen aber einen erheblichen Unterschied gespürt: Ich kam vor Erschöpfung kaum aus dem Bett, war ungeduldig und unzufrieden mit mir selbst. Ich stellte fest, wie sehr ich einen Ruhetag pro Woche tatsächlich brauche. Ich nahm meinen Kalender zur Hand und habe für die ganzen restlichen Wochen des Jahres gleich meine „Sabbat“-Eintragung gesetzt, damit mir das nicht noch öfter passiert.

„Genuss“ ist auch noch ein wichtiger Bestandteil unseres Ruhetags: Den Sabbatabend beginnen wir ganz feierlich mit einem besonderen Essen bei Kerzenschein. Wir lesen einen Psalm zusammen, ich spreche meiner Tochter einen Segen zu, wir genießen Traubensaft und Challa-Brot – das traditionelle jüdische Zopfbrot, das daran erinnert, dass Gott in alle Wochentage eingeflochten ist – und danken für Gottes Versorgung. Hinterher gibt es einen besonderen Nachtisch, zum Frühstück am nächsten Morgen Obstsalat, den alle gemeinsam schnippeln. Zum Mittag gibt es ein Wunsch-Lieblingsessen, im Winter nachmittags Tee mit Lebkuchen, im Sommer mal ein Eis mit Schokostreuseln. Wir wollen uns bewusst etwas gönnen und nebenbei die strahlenden Kinderaugen genießen. Und so wird der siebte Tag der Woche zu einem richtigen kleinen „Feiertag“ – mitten im Alltag. Oder wie ein Urlaubstag. Was habe ich mich früher immer quälend von Urlaub zu Urlaub gehangelt … Nun erlebe ich es als einen Quell der Energie, das jetzt einmal pro Woche erleben zu dürfen, und empfinde solch eine Dankbarkeit meinem Schöpfer gegenüber, dass er das so perfekt für uns Menschen eingerichtet hat.

Ausklinken aus der Welt

Was bedeutet Sabbat für mich noch? Kein Kaufen und kein Verkaufen an diesem Tag – auch kein Onlineshopping, kein Essengehen, keinen Lieferservice anrufen. Gezielt nichts unterstützen, das andere Menschen dazu zwingt, an diesem Tag arbeiten zu müssen und keinen Ruhetag zu haben – egal, ob wir samstags oder sonntags unseren Sabbat halten.

Und dann noch das, was für mich die einschneidendste und gleichzeitig gewinnbringendste Übung wurde: Ich schalte mit Beginn des Sabbats mein Handy aus. Ja, so richtig. Für einen kompletten Tag. Auch alle anderen Multimedia-Geräte bleiben am Sabbat bei uns aus. Es ist immens, welchen Effekt das auf mich und uns hat. Erst dadurch fiel mir zum Beispiel auf, wie viel Zeit ich pro Tag mit meinem Handy verbringe (eigentlich: verschwende). Es fühlt sich an wie ein „Ausklinken“ aus dieser lauten Welt. Und auch wenn es anfangs schwer ist, das auszuhalten, diese neue Ruhe in unserer Wohnung und in meinem Kopf – sie ist so unglaublich wohltuend für mich.

Die schönste Erfahrung, die ich machen durfte, war, dass dieser eine Ruhetag pro Woche auch meine restlichen Wochentage verändert hat. Ich komme nicht mehr so sehr an meine Grenzen. Vermutlich lebe ich am Wochenbeginn noch aus der Kraft heraus, die ich am vergangenen Sabbat schöpfen durfte. Und für die letzten Tage der Woche gibt mir die Vorfreude auf den bevorstehenden Sabbat den nötigen Energieschub. Christina Schöffler hat in ihrem Buch „Slow living – Aus der Ruhe leben“ ein wunderschönes Gedicht veröffentlicht. Es beschreibt genau das, was ich Woche für Woche fühle, und was der Grund dafür ist, warum ich unser neues liebgewonnenes Ritual des Sabbats nicht mehr aus unserem Alltag streichen möchte:

Aus dem Nähkästchen
Das Leben reißt und zerrt,
sechs Tage die Woche,
dann hole ich am Sonntag meinen Flickkorb,
nehme einfach den Faden, der gerade obenauf liegt,
und lege ihn in Gottes Hände.
Und dann beobachte ich,
wie er die zerrissenen Teile
Stich für Stich wieder zusammenfügt.
Und während es draußen schon dunkel wird
und er die letzten Fäden abschneidet,
breitet sich sein Schalom in mir aus.
„So, das müsste halten, zumindest bis zum nächsten
Sonntag!“, sagt Gott lächelnd
und legt das Leben zurück in meine Hände.

Christina Schöffler, aus: „Slow living – Aus der Ruhe leben“ (Gerth Medien)

Miriam Koller lebt und arbeitet in Weinstadt in der Nähe von Stuttgart. Sie ist Buchhändlerin in einer christlichen Buchhandlung und Mutter einer Tochter im Kindergartenalter.

Mit diesen Pausenbrötchen wird die große Pause zum Fest!

Sie wollen Ihrem Kind etwas Leckeres mit in die Schule geben? Dann sollten Sie diese Brötchen ausprobieren.

Zutaten (ca. 12-18 Stück):

  • 460 g Dinkelmehl Type 812
  • 1 Prise Salz
  • 200 ml Milch oder Buttermilch
  • 80 g brauner Zucker
  • 1/2 Würfel frische Hefe (20 g)
  • 80 g weiche Butter
  • 1 Ei (Größe M)
  • 100 g Rosinen oder getrocknete Cranberrys
  • zum Bestreichen: 1 Ei
  • zum Bestreuen: nach Belieben etwas Hagelzucker und/oder Mandelblättchen

Und so geht es:

Die Rosinen oder Cranberrys in eine kleine Schüssel geben und mit Wasser bedecken. Für den Hefeteig die Milch oder Buttermilch ganz leicht erwärmen (nur lauwarm!), die Hefe und eine Prise vom Zucker darin auflösen und 10 Minuten stehen lassen. Das Mehl in eine Rührschüssel geben, Vorteig, Salz, restlichen Zucker, weiche Butter und Ei hinzufügen und mit dem Knethaken der Küchenmaschine oder von Hand fünf Minuten gut durchkneten. Nun die Rosinen/Cranberrys abgießen und ohne die Flüssigkeit zum Teig geben, nochmal 1-2 Minuten kneten. Den Teig abgedeckt gehen lassen, bis er sich sichtbar vergrößert hat (ca. 60-90 Minuten).

Den Teig auf eine bemehlte Arbeitsfläche geben, kurz durchkneten und in beliebig große Stücke teilen (bei mir waren es 16 Stück). Kugeln formen, auf mit Backpapier belegte Bleche geben und abgedeckt für weitere 20 Minuten gehen lassen. Das Ei verquirlen und die Teigkugeln damit bestreichen. Nach Belieben noch mit Hagelzucker/Mandelblättchen bestreuen. Im heißen Ofen bei 190° C Ober-/Unterhitze ca. 15-20 Minuten backen – die Backzeit variiert natürlich je nach Größe der Teigstücke. Am besten immer wieder kontrollieren und herausnehmen, wenn sie die gewünschte Bräune erreicht haben.

Tipps:

  • Wer kein Dinkelmehl Type 812 bekommt, kann auch Weizenmehl Type 405 oder 550 nehmen.
  • Die Rosinen/Cranberrys lassen sich komplett oder zur Hälfte durch Schokotropfen ersetzen.
  • Natürlich sind die Brötchen auch super zum Frühstück!

Miriam Müller betreibt den Foodblog leckerleckerliese.de.

Ein bisschen mehr Ruhe!

Gerade habe ich einen Artikel für die nächste Family bearbeitet. Es geht um Ruhe. Ruhe! Etwas, wonach ich mich in dieser hektischen Vorweihnachtszeit ganz besonders sehne. Immer wieder gibt es auch hier solche Ruhepole: ein schöner Adventsabend bei Freunden, das abendliche Lesen der Adventskalendergeschichte, eine Kaffeepause mit selbstgebackenen Keksen …

Dieser Artikel über Ruhe ist auch so ein Ruhepol für mich. Geschrieben hat ihn der schwedische Pastor und Autor Tomas Sjödin. Fast jeder Satz springt mich an. Zum Beispiel dieser: „Statt den ganzen Herbst über wie ein Verrückter zu arbeiten und an Weihnachten vor Müdigkeit mit dem Kopf in den Gänsebraten zu fallen – erst ausruhen!“

Oder: „Arbeit und Ruhe, Arbeit und Ruhe, Arbeit und Ruhe. So monoton, so gewöhnlich und unspektakulär ist der Klang des guten Lebens.“

Eigentlich weiß ich das. Und ich schaffe es auch immer wieder, mir Ruhephasen zu suchen und freizuräumen. Aber oft habe ich ein schlechtes Gewissen dabei. Die To-do-Liste ist noch so lang: Lichterketten aufhängen (ob ich es noch vor dem 3. Advent schaffe?), Geschenke besorgen, Kuchen backen für die Weihnachtsfeier im Verein, aussortiertes Spielzeug bei Ebay-Kleinanzeigen einstellen (sollte man unbedingt vor Weihnachten machen). Und dann muss ja noch das Weihnachtsessen geplant werden.

„Ruhen heißt loslassen“, schreibt Tomas Sjödin. Beim Ruhen gehe es auch darum, gute Sachen in der richtigen Reihenfolge zu versäumen. Also greife ich mir noch mal meine To-do-Liste und streiche weg, was nicht unbedingt noch diese Woche erledigt werden muss. Dann verkaufen wir das Spielzeug eben nächstes Jahr. Vielleicht kommen die Lichterketten erst zum 4. Advent ans Fenster? Dynamische Adventsdeko nenne ich das – in jeder Adventswoche ein bisschen mehr. Und dafür gönne ich mir ein bisschen mehr Ruhe!

Bettina Wendland

Family-Redakteurin