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Beziehungs-Zoff vermeiden, auf Augenhöhe leben

Wenn es in der Partnerschaft kracht, liegt es oft daran, dass unterschiedliche Persönlichkeitsanteile aufeinandertreffen. Paartherapeutin Ira Schneider erklärt, wie Partner auf Augenhöhe zusammenfinden.

Als Paar seid ihr eine Dyade, also ein System aus zwei Personen. Wenn Kinder dazukommen, entstehen mehrere Dyaden. Die Mutter-Kind-Dyade, die Vater-Kind-Dyade und auch eine neue Triade entsteht, denn ihr seid dann zu dritt. Je mehr Kinder dazukommen, desto komplexer wird es. Aber schon in der Dyade als Paar steckt genug Zündstoff, den es anzuschauen gilt. Das geschieht, wenn sich die Parter nicht auf Augenhöhe begegnen.

Innere Anteile verstehen

Zunächst einmal: Eine Paarbeziehung bewegt sich immer zwischen Fortschritt (Progression) und kindlichen Anteilen (Regression). Denn auch als Erwachsene tragen wir unsere kindlichen Anteile weiterhin in uns. Die Progression steht für unsere selbstständigen Anteile, wie „Identität, Stabilität, Autonomie, Reife, Tatkraft und Kompetenzen“ (Heidrun Ferguson, Partnerschaftsprobleme und chronischer Stress). Die Regression steht für „Einssein, Pflege, Umsorgung, Schutz, Geborgenheit und Abhängigkeit“ (Ferguson). Diese bedürftigen Anteile in uns werden innerhalb unserer Ehe aktiviert, und es geht darum, beweglich und flexibel mit ihnen umgehen zu können. Das können Paare miteinander lernen. Diese inneren Anteile begegnen jedem Paar in verschiedensten Abschnitten und Momentaufnahmen immer wieder. In der Paartherapie und zur Reflexion hat sich die Transaktionsanalyse als hilfreich erwiesen. Die Transaktionsanalyse ist eine „sozialpsychologische Theorie und Methode, welche Austausch und die Begegnungen von Menschen in den Vordergrund stellt und dabei unterschiedliche Kontexte sowie Persönlichkeitsanteile und Lebensgeschichten der Menschen berücksichtigt“ (Jürg Bolliger, Grundlagen der Transaktionsanalyse). Dabei reagieren Paare in der Interaktion meist auf drei verschiedenen Ebenen (vgl. Bolliger):

  • Eltern-Ich: Ein Teil des Paares kann aus dem Eltern-Ich reagieren. Dieses Eltern-Ich kann fürsorglich oder kritisch sein.
  • Kind-Ich: Ein Teil des Paares kann aber auch aus einem Kind-Ich reagieren. Dieses Kind-Ich kann angepasst, rebellisch oder frei sein.
  • Erwachsenen-Ich: Ein Teil des Paares kann aus dem Erwachsenen-Ich reagieren. Dieses kann realitätsbezogen, problemlösend und sachbezogen sein.

Im ungünstigen Zustand

Das Ziel einer Paarbeziehung ist, dass sich beide auf Augenhöhe im Erwachsenen-Ich begegnen. Nehmen wir folgende Paarsituation an: Greta und Ben sind mit Freunden im Kino verabredet. Sie machen sich im Flur fertig. Draußen regnet es in Strömen. Ben nimmt noch schnell einen Regenschirm zur Hand. Greta nimmt eine dünne Übergangsjacke und wirft sie sich über. Die beiden sind ohnehin spät dran. Ben verspürt einen Fürsorgedrang und will nicht, dass Greta sich erkältet.

Gleichzeitig erlebt er innerlich einen Kontrollverlust: Wenn Greta krank wird, liegt sie mehrere Tage flach und fällt bei der Kinderbetreuung aus. Ben verwandelt sich in ein kritisches und fürsorgliches Eltern-Ich zugleich. Aus ihm schießt es heraus: „Du nimmst doch nicht etwa bei dem Regen eine Übergangsjacke. Zieh dir doch was Richtiges an. Hier, deine Regenjacke.“ Greta fühlt sich augenblicklich angegriffen. Ihr wurde suggestiv eine umgekehrte Rolle zugewiesen. Statt bei sich zu bleiben, springt sie in die Dynamik mit rein und reagiert aus einem trotzigen Kind-Ich heraus. Sie zischt: „Das ist ja wohl meine Sache. Ich brauche eigentlich gar keine Jacke.“ Sie lässt sowohl die Übergangsjacke als auch die Regenjacke drinnen liegen und stapft raus. Schon ist die Stimmung im Eimer. Greta könnte einen weichen Blick auf Ben einnehmen und nachhorchen, wovor er sich schützt, weshalb er so vehement auf die Jacke pocht.

Wenn Paare sich wie Kinder oder Eltern verhalten, passiert das in der Regel unbewusst. Die Begleitaffekte können jedoch oft Wut oder eine diffuse und nicht greifbare Stimmung sein. Eine Möglichkeit wäre hier, dass Greta Ben erklärt, dass sie gern für sich selbst sorgen und dementsprechend auch gern allein entscheiden möchte, wie sie sich kleidet. Ben muss lernen, Gretas Grenzen und Autonomie zu wahren. Auch würde es ihm in dieser Situation helfen, seine eigentliche Angst, nämlich die Fantasie einer kranken Greta, die nicht mehr ihren Fürsorgeanteil bezüglich der Kinder übernehmen kann, zu kommunizieren.

Gemeinsame Augenhöhe finden

Es kann sehr kräftezehrend und wohltuend zugleich sein, sich mit der eigenen Vergangenheit zu beschäftigen. Keine Herkunftsfamilie, kein Paar ist perfekt. Doch allein die Tatsache, dass ihr euch mit diesen Fragen auseinandergesetzt habt, ist ein enormer Schritt. Sicher, eure kindlichen Anteile werden immer ein Stück weit bleiben und es ist wichtig, sie liebevoll zu umsorgen und anzunehmen. Ihr könnt mit eurer Ehe aber auch vieles, wenn nicht sogar alles überschreiben und wiedergutmachen und Ja zu einer Partnerschaft auf Augenhöhe sagen.

Hilfreiche Fragen für eure Beziehung

  • Rutscht ihr manchmal in verdrehte Rollen? Wenn ja, welche Situationen kommen euch hier in den Sinn?
  • Wenn ihr gerade nicht im Erwachsenen-Ich reagiert, zu was neigt ihr eher: zum Eltern-Ich oder zum Kind-Ich?
  • Welches kleine Signalwort könntet ihr verabreden, um euch daran zu erinnern, wieder aus dem Erwachsenen-Ich zu reagieren?

Ira Schneider arbeitet als Paartherapeutin und Autorin. Der Artikel stammt leicht verändert aus ihrem frisch erschienenen Buch „Jeden Tag ein neues Ja“ (SCM Hänssler).

Die Schublade klemmt …

Wir haben Vorstellungen und Bilder von unseren Kindern. Aber Kinder verändern sich. Vor allem, wenn sie erwachsen werden, passen sie oft nicht mehr in unsere „Schublade“. Von Stefanie Diekmann

In unserer Familie gibt es Rollen, die gut ausgefüllt sind. Die laute, kreative, unruhige Mama. Der zugewandte, besonnene, gewohnheitsliebende Papa. Ein Kind liebte Puppen und rosa, die andere Freiheit und Unabhängigkeit und auf keinen Fall Puppen und rosa. In unserem Miteinander gab und gibt es einordnende Adjektive für jeden von uns.

Auf einigen Elternseminaren habe ich dazu viel gehört. Wie gut es ist, dass eine Erstgeborene aus den Umständen der Geschwisterfolge viel für ihre Persönlichkeit lernt. Oder dass unser Nesthäkchen mehr Verhandlungsgeschick entwickelt als seine großen Geschwister.
Gerade weil vieles sich so stereotyp herunterbrechen, beobachten und vermitteln ließ, hat es mich sehr beruhigt: Alles läuft. Wir entwickeln uns nach allgemein gültigem Plan. Ich habe viel Kraft investiert, zu erfassen, wie wir unsere Liebe so ausdrücken können, dass jeder seinen inneren Tank gefüllt weiß – gemäß des Modells der „Fünf Sprachen der Liebe“. Immer wieder halfen mir diese Abstraktionen, um mit meinem Kind in Kontakt zu kommen oder meiner Ehe einen neuen Stellenwert zu gönnen.

Auf Adjektive reduziert

Neben Geschwisterkonstellationen und Liebestypen habe ich mich viel mit Grundstrukturen der Persönlichkeit beschäftigt. Immer noch finde ich spannend, dass ein Kern in uns allgemeinen Beschreibungen zuzuordnen ist. Herrliche Schubladen zur Vereinfachung. Alles in allem habe ich mich in den Kinderjahren echt fit gemacht in der Persönlichkeits-Förderung.

Nun klemmt es. Und zwar schmerzhaft. Nun bin ich Begleiterin von drei erwachsenen Kindern und erlebe mich unsicher wie am ersten Tag. Die Schublade, in die ich mein Kind sorgsam eingeordnet habe, will nicht mehr zugedrückt werden. Durch das Reifen entstehen neue Persönlichkeitsfacetten, die ich in meinem Kind nicht vermutet habe. Während ich versuche, zu meiner eigenen inneren Sicherheit mein Kind zurück in diese Schublade zu stopfen, passieren hässliche Szenen.
„Immer“, nörgele ich ihm hilflos zu, „immer hast du so lange getrotzt und wolltest dein Recht laut und klar vermitteln. Und nun wieder … Ich weiß, dass du mit dieser Entscheidung Schwierigkeiten haben wirst. Lass es dir sagen: Ich weiß es!“ Die Reaktion des Kindes, das von mir auf Adjektive reduziert wird, tut uns nicht gut.
Die Festlegungen aus sorgsam recherchierten Zusammenhängen waren lange eine Orientierung für mich. Nun werden sie zu Hürden. Aber mein mutiges Kind darf Sorgennächte für Prüfungen haben. Und mein selbstbewusstes Kind braucht auch mit 1,90 Meter noch Kuscheleinheiten.

Brandheißer Tipp

Mich irritiert, wenn Menschen mir sagen: „Deine Tochter hat – so wie ich sie kenne – viel Heimweh. Sie ist ja nie sehr selbstständig gewesen.“ Die Schubladen von Beobachtern erscheinen mir noch fester verschlossen für die Überraschungen, die das Erwachsenwerden uns allen bringt. Mittlerweile übe ich mich zu sagen: „Meiner Beobachtung nach geht es ihr … Aber frag sie bitte selbst.“ Tatsächlich wollte sich letztens eine hartnäckige Seniorin damit nicht abfinden und kommentierte: „Eltern kennen ihre Kinder doch immer am besten, egal, wie alt sie sind. Wenn sie doch nur auf uns hören würden!“

Ja, am meisten haben wir als Eltern damit zu tun, dass unsere Familien-Schubladen sich wieder öffnen. Wir lieben unsere Kinder, auch wenn wir sie manchmal nicht wiedererkennen.
Erwachsene Kinder dürfen ihre Lebensthemen nach ihren Prioritäten ordnen. Keiner möchte dabei bevormundet oder entmündigt werden. Auch wenn wir durch alle gesammelten Infos der Persönlichkeitsschublade einen brandheißen Tipp auf Lager hätten.
Leise schleichen sich Fragen neben uns und legen uns eine Last aufs Herz: Sind wir ihnen gerecht geworden? Haben wir sie genug ermutigt, gebremst, ihre Reifung gefördert? Allein diese Last lässt uns als Eltern verspannter und rückwärtsgewandter wirken, als uns lieb ist. So beleidigt, streng und distanziert wollten wir nie sein.

Fragend bleiben

Robert fragt in einer Kaffeerunde: „Sind eure Kinder auch so grässliche Besserwisser? Ich kann es manchmal kaum mit ihnen am Tisch aushalten. Alles wissen sie: Politik, Kirche, Bildung. Und dabei muss ich ihnen immer noch erklären, wie man einen Brief frankiert!“ Beim Hören erschrecke ich: So etwas will ich nicht über meine Kinder sagen. Ich habe täglich darum gerungen, dass sie sich zu gesellschaftlichen Themen positionieren. Auch wenn ihre Ansichten auf Ältere unrund wirken, sind sie doch mutig, leidenschaftlich und vermeiden das Achselzucken, das meine Generation gerade gut beherrscht.

Ich lerne es wieder schätzen, Fragen zu stellen. Zu fragen: „Was brauchst du jetzt?“, hat mir in den Zeiten geholfen, in denen unsere Kleinkinder von Wut und Mut geschüttelt worden sind. Es passt wieder und noch zu fragen:

Wie möchtest du Zeit mit uns verbringen?
Brauchst du Hilfe in deinem Zeitmanagement?
Hast du Menschen, die dich im Glauben an Gott fördern?
Welche Charaktereigenschaft hast du neu an dir kennengelernt?

Nicht selten bewegt sich die verklemmte Schublade. Dann können wir eine Erinnerung an das Miteinander vor 18 Jahren erzählen oder unsere Einschätzung geben. Noch öfter aber kommen Wünsche und Gedanken zum Vorschein, die mich heimlich die Schublade öffnen lassen, um ein altes, verletzendes Adjektiv zu entsorgen und einen neuen, staunenden Eindruck über diesen jungen Menschen hineinzulegen.
Wenn diese Schubladen öfter mal geöffnet werden, haben auch wir als Eltern gute Chancen, dass eine Sicht auf uns verändert und angepasst wird.

Stefanie Diekmann ist Gemeindereferentin in Göttingen, verheiratet und Mutter von drei (fast) erwachsenen Kindern.

Gaben entdecken, Stärken fördern

„Wie kann ich meiner Tochter (8) helfen, ihre Gaben zu entdecken und ihre Stärken auszubauen?“

Für uns Eltern ist es eine wichtige und schöne Aufgabe, in unseren Kindern die Gaben zu sehen und zu bestätigen, die Gott in sie hineingelegt hat. Mit sieben oder acht Jahren sind sie oft schon starke Persönlichkeiten und haben klare Vorstellungen davon, was sie wollen und was nicht. Das erlebe ich zumindest bei meiner eigenen Tochter Sara (7) so, und ich finde es gut, auch wenn es manchmal anstrengend sein kann.

ZEIT ZU ZWEIT
Um die Gaben Ihrer Tochter zu entdecken, brauchen Sie Zeit mit ihr allein. In den gemeinsamen Zeiten können Sie Ihre eigenen Interessen mit ihr teilen und dabei viel Interessantes wahrnehmen! Im Alltag versuche ich, meine Tochter mit dem Blick Gottes zu sehen, der positiv und wohlwollend ist. Ich bitte ihn konkret darum, mir seinen Blick für meine Lieben und auch mich selbst zu schenken. Das macht einen großen Unterschied! Sara liebt es zum Beispiel zu lesen. Sie machte sehr schnell Fortschritte und hatte am Ende der ersten Klasse schon zahlreiche Bücher verschlungen! Ich legte eine Leseliste an und sie durfte für jedes ausgelesene Buch einen Sticker aufkleben. Auch in diesem Jahr hat sie eine solche Liste und ich merke, wie sie dadurch zusätzlich motiviert ist.

POSITIV KOMMUNIZIEREN
Sara schreibt auch gerne, vor allem Schreibschrift. Allerdings ist sie dabei oft unkonzentriert und lässt sich leicht ablenken. Deshalb ermahne ich sie zwar, dabei versuche ich jedoch etwas Positives zu kommunizieren, wie: „Ich finde es toll, dass dich so viele Dinge rundherum interessieren und dass du so viel siehst und hörst. Mach mal schnell die Schreibübung fertig, dann hast du wieder Zeit für die anderen Sachen.“ Ein anderes Mal bemerke ich, wie sie sich eine CD mit Bibelgeschichten nach der anderen „reinzieht“. Ich lobe sie für ihren Wissensdurst und frage sie nach ein paar Details, die sie mir meistens stolz wie aus der Pistole geschossen beantwortet. Ich äußere mich positiv über ihr wirklich bemerkenswertes Bibelwissen. Dieses Jahr zu Weihnachten hat sie sich eine BibleArt- Journaling Kinderbibel gewünscht. Einige Seiten hat sie schon bunt gestaltet, und ich finde ihre Bilder toll. Manchmal nehmen wir uns Zeit, um gemeinsam in unseren Bibeln zu lesen und sie kreativ zu gestalten. Dabei unterhalten wir uns über Gott, tauschen Sticker aus und bewundern gegenseitig unsere Kunstwerke. Ich liebe diese besonderen Zeiten.

WACHSENDE PERSÖNLICHKEIT
Was ich im Umgang mit Jüngeren bei ihr wahrnehme, ist eine echte Lehrergabe. Zwar kommandiert sie ihren jüngeren Bruder manchmal sehr herum, doch hat sie auch eine hingebungsvolle Art, ihm Dinge beizubringen. Auch ihre Hilfsbereitschaft ist bemerkenswert und ich danke ihr, wenn sie mal extra in den Keller flitzt, um mir etwas zu holen. Ich denke, es ist nicht so wichtig, wie oft Sie Ihre Tochter loben oder ihre Talente positiv erwähnen, sondern dass Sie sie als eigenständige, wachsende Persönlichkeit wahrnehmen und schätzen. Es ist ein spannender Prozess und ein Privileg, als Mutter hautnah dran zu sein und zu ihrer Entwicklung beizutragen!

Maria Lang lebt mit ihrer Familie in Wieselburg (Österreich) und arbeitet als Buchautorin, Illustratorin und Referentin.