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„Kenne keine einzige Familie, bei der alles perfekt läuft“ – Mutter ist überzeugt: Viele haben falsche Vorstellungen vom Mama-Sein

Wenn schwangere Freundinnen ihr von der Zukunft vorschwärmen, kann Simone Oswald nur lächeln. Sie weiß: Es wird schwerer als gedacht. Und genialer.

Lange bevor ich schwanger war, wusste ich genau, wie mein Leben als Mama und mein zukünftiges Kind sein würden. Ich hatte sehr genaue Vorstellungen, wie etwa „das mit dem Stillen“ oder „das mit dem Schlafen“ bei uns mal ablaufen würde – ich hätte es schon Jahre vorher beschreiben können. Dann wurde ich tatsächlich Mutter und – Überraschung! – konnte mich bald vom Großteil meiner Ideen verabschieden.

Völlig falsche Hoffnungen

In meinem Umfeld findet derzeit ein kleiner Babyboom statt. Ich führe daher recht häufig ein kleines Pläuschchen mit Frauen, die ihr erstes Kind erwarten und eine ganz genaue Vorstellung von allem haben. „Mein Kind wird, darf, soll und möchte später niemals …“ – Und ich? Ich habe das Gefühl, ein Déjà-vu zu erleben und mich in meiner früheren Version sprechen zu hören. Immer wieder stelle ich mir daher die Frage: Wie gehe ich richtig mit Bald-Mamas und ihren Vorstellungen von Mutterschaft und Kindererziehung um?

Völlig normal ist, dass man sich vor dem ersten Kind kaum in diese Situation hineinversetzen kann. Ich hatte früher immer etwas Sorge, mich bei Baby- oder Kleinkind-Beschäftigungen schnell zu langweilen. Heute schaue ich mit ehrlichem Interesse einem kleinen Marienkäfer beim Krabbeln zu und langweile mich dabei keine Sekunde, weil mein Kind vor Begeisterung kaum zu halten ist. Großen Respekt hatte ich auch vor dem allgegenwärtigen Schlafmangel. Und auch wenn sich meine Augenringe heute kaum überschminken lassen, so hätte ich mir niemals vorstellen können, wie mein Herz hüpfen würde, wenn mich mein Sohn um kurz vor fünf Uhr morgens fragt, ob ich auch etwas „Schönes däumt“ habe.

Mehr weinen als lachen

Andererseits hatte ich mir in der Schwangerschaft eine ganze Reihe an Fotomotiven abgespeichert, die ich mit meinem Neugeborenen nachstellen wollte. Dass ich in den ersten Wochen nach der Geburt mehr weinen als lachen würde und es daher kaum ein Foto aus dieser Zeit geben würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Ich wusste damals noch nicht, dass ich viele Monate lang eine Höchst-Dusch-Dauer von zwei Minuten haben sollte und dass ich beim Verlassen der Dusche schon wieder durchgeschwitzt wäre, weil mein Baby wie am Spieß brüllen und mein Herz in Flammen stehen würde.

Wenn eine Schwangere mir von Ängsten und Sorgen berichtet, dann fällt es mir leicht, darauf zu reagieren. Ich zögere keine Sekunde, ihr vorzuschwärmen, wie viel leichter, umwerfender, großartiger und genialer das Leben als Mama ist, als sie es sich vorher ausmalen kann. Unsicher bin ich mir allerdings, ob ich im umgekehrten Fall auch sagen sollte, dass es manchmal sorgenvoller und zehrender wird, als sie es sich jetzt vorstellt …

Mehr Ehrlichkeit?

Milchstau, Schlafentzug, Streit, Überforderung … Für viele Mamas sind das keine Fremdwörter. Ich finde: Viele herausfordernden Situationen sind gerade dadurch herausfordernd, weil man nicht mit ihnen gerechnet hat und sich daher auch nicht auf sie einstellen konnte. Sollte ich meinen Freundinnen gegenüber also mehr von den schwierigen Seiten sprechen, damit sie davon nicht überrascht werden? Wären sie dann besser vorbereitet?

Einerseits bin ich für Offenheit bei vermeintlichen Tabuthemen – denn genau das scheinen manche Probleme in der Elternschaft zu sein. In den sozialen Netzwerken etwa braucht es sogar einen extra Hashtag #fürmehrRealität. Denn genau diese geht zwischen all den aufgeräumten Kinderzimmern mit zur Einrichtung passend gekleideten Kindern etwas unter. Einige Neu-Mamas werden von Problemen überrumpelt, auf die man sich durchaus hätte einstellen können – wenn nur andere Mamas offen reden würden. „Warum sagt einem das vorher keiner, wenn es doch offensichtlich allen so geht?“, mag sich manche Frau da fragen. Und auch ich habe mir gewünscht, dass ich manche Dinge vorher gesagt bekommen hätte.

Träumen ist erlaubt

Wenn ich mir auf der anderen Seite vorstelle, dass damals, als ich schwanger und beseelt von perfekten Zukunftsvisionen war, erfahrene Eltern ständig mit der Realitätskeule meine rosarot-hellblaue Blase zerplatzt hätten – ich wäre ihnen vermutlich nicht nur dankbar gewesen. Wenn man so voller Vorfreude ist, dann möchte man nicht permanent hören, wie unrealistisch der eigene Blick auf diese kommende Zeit ist. Man möchte träumen und seine überwältigende Vorfreude genießen. Sollte dann die Baby- oder Kleinkindzeit doch anders verlaufen als erhofft – erst dann ist der richtige Zeitpunkt, sich damit auseinanderzusetzen. Ich vertraue darauf, dass meine Freundinnen mich um meine Erfahrungswerte bitten, wenn sie diese auch tatsächlich brauchen können. Bis dahin versuche ich, nicht mit ungefragten „Rat-Schlägen“ um mich zu schmeißen.

So belasse ich es dabei, von meinen Problemen im Mama-Alltag zu erzählen. Ich vermeide es aber, anderen zu suggerieren, dass meine Sorgen auch zwangsläufig auf sie zukommen werden. So einzigartig jedes Kind ist, so individuell ist auch unser Mama-Leben und unser Weg. Sicherlich ist es kein schlechter Gedanke, eine werdende Mutter vorbereiten zu wollen – doch geht das kaum, ohne ihr auch ein bisschen die eigene Geschichte überzustülpen. Ich versuche, die richtige Balance zu finden und meinen Freundinnen weder ihre Vorfreude zu beschneiden, noch ihnen ein unrealistisch perfektes Leben vorzugaukeln.

Ein Baby ohne Hunger und Müdigkeit? Fehlanzeige

Tatsächlich muss ich (zumindest innerlich) meistens auch eher schmunzeln, wenn ich mir anhöre, was meine Freundinnen für die Zeit nach ihrer Schwangerschaft alles geplant haben. Die wichtigste Voraussetzung für ihre Pläne ist dummerweise meist ein Baby, das weder schlechte Laune noch Hunger, Müdigkeit, Schmerzen oder einen eigenen Willen kennt und mit recht wenig Zutun der Eltern zufrieden ist.

Wenn sie davon reden, dass sie den Beikostplan schon auswendig gelernt haben und das Kind die ersten Jahre zuckerfrei leben wird, dann grinse ich leicht skeptisch. Wenn sie mir erklären, wie albern sie den berühmten Ratschlag „Schlaf, wenn das Baby schläft“ finden – denn ein paar Wochen oder Monate etwas weniger schlafen, das wird ja wohl nicht so schlimm sein? –, dann muss ich mich schon anstrengen, ein vielsagendes Lachen zu unterdrücken. Und wenn sie erklären, dass ihr Kind später niemals in einem Supermarkt wegen einer verweigerten Süßigkeit losbrüllen wird, dann lächle ich beschämt und bin froh, dass sie uns letzte Woche nicht zu unserem Einkauf begleitet haben.

Unperfekt und wunderbar

Sicherlich: Einiges davon funktioniert tatsächlich wunderbar, keine Frage. Diese Perfektion, in der manche Freundin ihre eigene Mutterschaft vor sich sieht, ist aber vermutlich nur auf sozialen Medien hinter bearbeiteten und gestellten Fotos zu finden. Oder wie viele Familien kennen Sie, bei denen alles perfekt läuft? Auf allen Ebenen? Ich persönlich: keine einzige.

Und genau dieses Wissen, das ich schon erfahren durfte und das sicherlich auch meine Freundinnen früher oder später erkennen werden, ist der eigentliche Grund, zu lachen und zu lächeln. Weil es eben nicht perfekt ist, das Leben mit Kindern. Und genau deswegen ist es ja so wunderbar! Sobald man sich von der perfekten Bilderbuch-Familie innerlich verabschiedet hat, lebt es sich gleich viel angenehmer. Man versinkt im heimeligen Chaos mit Kleinkind (mit Schokomund!), trägt manchmal Milchflecken auf Shirts, Augenringe und ungekämmtes Haar und verspricht sich selbst, erst wieder mit Kindern zu backen, wenn sie alt genug sind, um hinterher auch beim Aufräumen zu helfen.

Hoffen auf das Gute

So bleibt mir also nur eine Reaktion: Ich schweige. Und ich denke mir meinen Teil. Manchmal lache ich dabei innerlich, manchmal träume ich ihn mit, den Traum vom perfekten Leben mit Kind. Denn obwohl ich nun eigentlich „die Realität“ kenne, stelle auch ich mir zukünftige Situationen mit älterem Kind schön und ideal vor. Ich denke heute noch nicht daran, dass mein Zweijähriger als Teenager in der Pubertät verrückte Dinge tun könnte. Ich denke nicht darüber nach, dass er als Erwachsener Geldprobleme haben könnte. Ich mache mir keine Sorgen, dass er als Rentner unglücklich mit seinem Eigenheim sein könnte …

Ich blicke positiv in die Zukunft, obwohl ich ahne, dass sie realistisch gesehen auch Herausforderungen bereithalten wird. Ich will ganz bewusst positiv sein, ich hoffe mit voller Absicht auf das Gute. Und ich weiß, dass die Zukunft so viel mehr an Schönem bereithält, als ich mir jemals ausmalen könnte. Und genau diesen Genuss des Träumens wünsche ich auch meinen schwangeren Freundinnen. Es werden Probleme kommen, aber sie werden zu meistern sein! Und sollten wir irgendwann ein Gespräch darüber führen, dass gerade alles anstrengend ist und sie sich manches anders vorgestellt hatten – dann werde ich für sie da sein, mit offenem Ohr und liebendem Herzen zuhören und sie wieder dazu bringen, von einem umwerfenden „Bald“ zu träumen.

Simone Oswald arbeitet als Lehrerin und freie Texterin. Mit ihrem Mann und ihrem Sohn lebt sie im Landkreis Deggendorf.

Schauderhafte Horrorfilme

„Unser Sohn (16) guckt sich die schrecklichsten Horrorfilme an. Wir haben unsere Kinder im Glauben erzogen und nun das! Er sagt zwar, der Glaube sei ihm nicht egal, aber wie passt das zusammen? Auch, dass er diese schlimmen Spiele am Computer spielt?“

Ihr Sohn hat auf dem Weg zum Erwachsensein eine beträchtliche Entwicklung zu absolvieren. Er muss eine Persönlichkeitsstruktur aufbauen auf dem Weg zu einem kompetenten Individuum und zugleich verantwortungsvolle Rollen für seine soziale Integration trainieren – und das Ganze auch noch aus eigenem Antrieb für ein solides Selbstwertgefühl! Dazu gehört auch die Ablösung von den Eltern.

HINSEHEN UND FREIRAUM LASSEN

Er braucht Freiräume, um Erfahrungen machen zu können. Die Freiheit, Strategien zur Entspannung und Selbsterfahrung über Filme und Spiele zu entwickeln, seine Rolle innerhalb von Peergroups zu erkunden, letztlich auch, selbst Antworten auf Glaubensfragen zu finden. Diese Freiräume nehmen Sie ihm, wenn Sie ihn kleinschrittig kritisieren, belehren und korrigieren. Ihre Aufgabe als Eltern ist es, einen Mittelweg zwischen präsentem Hinsehen und Freiraum lassen zu finden. Nun legt Ihr Sohn ein Verhalten an den Tag, das Sie besorgt, da es mit Ihren Werten nicht übereinstimmt. Wird da nicht ausradiert, was das Kind an christlichen Werten und Normen in seinem Glauben aufgebaut hat? Ist das nicht sogar gewaltverherrlichend und steht damit im Widerspruch zum Glauben?

Bei Horrorfilmen ist das keineswegs so. Sie sind – das bestätigen Studien – sogar geeignet, das eigene Aggressivitätslevel zu senken. Das liegt daran, dass Horrorfilme aus der Opferperspektive gedreht werden. Das Töten ist und bleibt negativ besetzt. Der Reiz, die so genannte „Angstlust“, liegt darin, dass man als Zuschauer ausprobiert, was man an Angst aushalten kann, eine Lernsituation im geschützten Raum, denn nach dem Film ist alles beim Alten.

EGO-SHOOTER MACHEN NICHT ZUM KILLER

Auch Ego-Shooter, die ja den Spieler in die Täterperspektive setzen, führen trotzdem nicht automatisch zu erhöhter Gewaltbereitschaft. Auch das zeigen Studien. Häufig handelt der Spieler in konstruierten Notwehrsituationen, man kann also nicht pauschal von Killerspielen sprechen. Vielleicht können Sie mit diesen Informationen schon etwas entspannter mit dem Verhalten Ihres Sohnes umgehen. Das könnte helfen, seinen Interessen mit offener Neugier zu begegnen. Dies wiederum ist der beste Weg, sich als Eltern einen Eindruck davon zu verschaffen, was ihn antreibt, und herauszufinden, ob Handlungsbedarf besteht, weil er sich beispielsweise isoliert oder Suchtverhalten zeigt. Ob er zwischen Realität und Virtualität unterscheiden kann, merken Sie, wenn Sie sich von seinem Hobby erzählen lassen oder mal dabei zusehen oder sogar mitmachen.

Dennoch ist hier und da beharrliches und sachliches Aushandeln und Bestehen auf das Einhalten bestimmter Aufgaben in Schule und Haushalt nötig. Stimmt die Beziehung, lassen sich auch wieder Gespräche über den Glauben führen.

Sabine Vetter ist seit 41 Jahren mit Ekkehart verheiratet. Gemeinsam haben sie sechs erwachsene Kinder und 15 Enkelkinder.
Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

Zoff mit der Schwiegertochter

„Ich rassle immer häufiger mit der Frau meines Sohnes aneinander. Unser Verhältnis – auch das zu meinem Sohn – wird dadurch immer schlechter. Ich will, dass wir uns gut verstehen. Wie kann ich dieses Problem angehen?“

Da die gestellte Frage keine Einzelheiten und Beispiele beinhaltet, versuche ich, ein paar Grundsätze aufzuzeigen, die mein Mann und ich uns im Umgang mit unseren Kindern und Schwiegerkindern angeeignet haben.

KEINE BESSERWISSERISCHEN VORSCHLÄGE!

Wir, als Eltern und Schwiegereltern, bemühen uns, uns nicht in die Angelegenheiten der Familien einzumischen. Deutlicher: Als „erste Generation“, die bereits Kinder großgezogen hat, kennen wir auf der einen Seite unsere Defizite, auf der anderen Seite sehen wir, dass wir manches gut und richtig gemacht haben und hoffen, dass unsere erwachsenen Kinder unsere Werte übernehmen. Möglicherweise tun sie das, doch die Schwiegerkinder bringen eine andere Prägung mit, und vielleicht entscheiden und leben sie grundsätzlich anders, als wir es tun würden. Sie setzen persönliche Grenzen, lassen uns nicht mitreden, haben eigene Vorstellungen. Was ist daran verwerflich? Meine Lösung: Ich belasse es dabei und mache auch keine besserwisserischen Vorschläge. Mein Motto: Lernen, die Füße stillzuhalten!

Unsere Söhne haben sich für ihre Frauen entschieden. Manche Mütter empfinden darüber tief im Herzen einen Schmerz: Da ist nun die andere, die ihn doch gar nicht kennt, die vielleicht fordernd und in unseren Augen so gar nicht liebevoll mit unserem Sohn umgeht. Weiß sie überhaupt, was ihm guttut? Was ihm schmeckt? Was ihm gefällt? Warum hackt sie dauernd auf ihm herum? Ich als Mutter sollte lernen anzunehmen, dass ich „raus bin aus der Nummer“. Ich habe für seine Erziehung mein Bestes gegeben. Und nun läuft sein Leben an der Seite einer anderen Frau weiter. Punkt. Akzeptieren sollten wir als Mütter auch, dass unser Sohn zu ihr, seiner Frau halten wird – im Ernstfall gegen uns. So ist es erstrebenswert, eine gute Beziehung zur Schwiegertochter zu pflegen, um auch die Beziehung zu unserem Sohn gesund zu erhalten. Dieser Punkt liegt ganz allein in unserer Verantwortung!

DIE KLÜGERE GIBT NACH!

Hilfreich kann es sein, einmal zu analysieren, welches die schwierigen Themen sind, in denen wir aneinanderrasseln. Vielleicht berühren sie meine eigene Komfortzone, aus der ich nicht heraus möchte. Damit könnte es Momente in der Beziehung geben, in denen ich als die Ältere einfach still sein sollte. So ärgerlich es sich manchmal anfühlt: Der Klügere gibt immer nach! Ich muss nicht alles gutheißen, aber auch nicht alles in Frage stellen, sondern kann der nachwachsenden Generation zutrauen, dass sie ihr Leben regeln kann. Auch ohne mich.

Erst die nötige Zurückhaltung in Bezug auf unsere erwachsenen Kinder und Schwiegerkinder macht ein entspanntes Miteinander möglich – das ist meine/unsere Erfahrung!

Sabine Vetter ist seit 41 Jahren mit Ekkehart verheiratet. Gemeinsam haben sie sechs erwachsene Kinder und 15 Enkelkinder.
Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

Die Meinung der anderen

Diese Woche hatte ich einen interessanten Mailwechsel mit einer unserer Autorinnen. In einem Artikel fürs übernächste Heft hatte sie ein Beispiel erzählt von einer Frau, die Angst hatte, ihr Kind in die Betreuung zu geben. Nicht weil sie sich Sorgen um das Kind machte. Sondern weil sie die Reaktionen aus ihrem Umfeld fürchtete, in dem Fremdbetreuung sehr kritisch gesehen wird.

Ich fragte zurück, ob dies ein realistisches Beispiel sei. Und die Autorin, die auch als Coach arbeitet, schrieb, dass ihr in der Beratungspraxis häufig Menschen begegnen, die sich sehr stark an der Meinung anderer orientieren. Die ihre Entscheidungen so treffen, dass sie möglichst wenig anecken.

Ja, natürlich kenne ich das auch. Und grundsätzlich ist es ja auch nicht verkehrt, sich die Meinungen und Ratschläge anderer Menschen anzuhören. Aber sich davon abhängig zu machen – das finde ich problematisch. Ganz freimachen davon können sich wahrscheinlich nur die wenigsten. Muss man ja auch nicht. Aber der erste Schritt wäre zu erkennen, wie sehr die Meinung anderer meine Entscheidung prägt.

Schicke ich meine Tochter aufs Gymnasium wie ihre Cousinen, um in der Großfamilie gut dazustehen? Suche ich mir einen Job nach dem ersten Lebensjahr meines Kindes, weil meine Freundinnen das auch so gemacht haben? Zwinge ich meinen Teenager, mit ihn den Gottesdienst zu kommen, weil ich sonst schlecht dastehe in der Gemeinde? Mache ich pünktlich Feierabend, um noch Zeit mit den Kindern zu haben, obwohl alle anderen länger arbeiten?

Ich wünsche uns allen mehr Selbstbewusstsein, zu unseren Überzeugungen und Entscheidungen zu stehen. Wir sollten uns durchaus Rat holen bei guten Freunden. Aber wir sollten uns vor allem unsere eigenen Gedanken machen und dann eine gute Entscheidung für uns und unsere Kinder treffen. Denn die Folgen dieser Entscheidungen betreffen ja schließlich zuerst uns und unsere Kinder – und nicht die anderen.

Bettina Wendland, Redakteurin Family/FamilyNEXT

Wann ist ein Ratschlag gut?

„Mir ist aufgefallen, dass du deinen Jüngsten behandelst wie ein deutlich jüngeres Kind“, meint eine Freundin. Bingo! – sie hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Der „Kleine“ ist zwar schon acht, aber irgendwie immer noch mein Baby. Da muss ich wohl stärker drauf achten, mit ihm umzugehen, wie es zu einem Achtjährigen passt.

Dieser Ratschlag war gut. Er passte, war vorsichtig und liebevoll vorgetragen und die Freundin ist im Bereich Beziehung äußerst kompetent – da fiel es mir nicht schwer, ihre Kritik anzunehmen. Leider werden Ratschläge aber nicht immer gut und passend angebracht. „Was, du stillst immer noch?“ „Wollt ihr euer Kind wirklich in diesen Kindergarten schicken?“ „Müsstest du nicht langsam wieder in deinen Job einsteigen?“ – Fragen wie diese sind selten hilfreich. Sie verunsichern und belasten nicht selten die Beziehung.

Andererseits: Soll ich um des lieben Friedens willen immer den Mund halten? Auch wenn ich überzeugt bin, dass meine Freundin sich und ihrem Kind schadet?

Wie haltet ihr es mit (guten) Ratschlägen? Seid ihr bereit dazu, sie zu hören? Wenn ja, unter welchen Bedingungen? Und gebt ihr anderen Ratschläge mit auf den Weg? Wie reagieren sie darauf?

Ich würde mir wünschen, dass unter Eltern eine Offenheit herrscht, die gute und hilfreiche Ratschläge möglich macht. Aber bitte mit ausreichend Feingefühl!

Bettina Wendland

Family-Redakteurin