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Unter einem Dach – Ist mein Sohn rechtsextrem?

Elternfrage: „Im Freundeskreis meines Sohnes (18) sind rechtsextreme Aussagen gefallen. Er meint, das sei nur ein Witz. Ich finde daran jedoch gar nichts witzig. Wie kann ich meinen Sohn für Rechtsextremismus sensibilisieren?“

In der Jugendphase werden wichtige Weichen für die Entwicklung unserer politischen Identität gestellt. Junge Menschen beginnen damit, sich mit ihrer Umwelt und mit gesellschaftlichen Themen auseinanderzusetzen. Deshalb sollten es Eltern ernst nehmen, wenn Jugendliche von Rechtsextremismus in ihrem Freundeskreis berichten oder sie rechtsextreme Äußerungen bei ihren Kindern wahrnehmen.

Sehnsucht nach Sinn

Rechtsextreme Positionen können bei jungen Erwachsenen aus unterschiedlichen Gründen an Attraktivität gewinnen. Zum einen sinkt durch den Ablöseprozess des Kindes der Einfluss der Familie als erste (politische) Sozialisationsinstanz. Einflüsse von Gleichaltrigen sowie von Menschen aus dem weiteren sozialen Umfeld, auch den sozialen Medien, werden dagegen wichtiger. Ein weiterer möglicher Grund besteht darin, dass Rechtsextremismus, gerade auch in unserer aktuell politisch stark polarisierten Gesellschaft, Raum für Provokation bietet. Rechtsextreme Parolen, auch in Popsong-Verkleidung, erregen Aufmerksamkeit, ecken an und bedienen damit das bei manchen Jugendlichen besonders stark ausgeprägte Bedürfnis nach Grenzüberschreitung.

Hinzu kommt, dass das Jugendalter für viele junge Menschen eine krisenhafte Zeit darstellt. Sie müssen zunehmend eigenständig Alltagsaufgaben bewältigen und beginnen, sich auf die Herausforderungen des Erwachsenenalters vorzubereiten. Sie blicken dabei in eine komplexe und durch vielfältige globale Krisen erschütterte Zukunft. Jugendliche können sich daher nach einfachen Sinnangeboten sehnen. Solche einfachen, pauschalen Deutungsmuster bieten rechtsextreme Ideologien.

Nicht lustig!

Vor dem Hintergrund so unterschiedlicher Attraktivitätsmomente ist es wichtig, jungen Erwachsenen mit rechten Meinungen mit einer sorgenden und wertschätzenden Haltung zu begegnen, um zu ergründen, was genau dahintersteckt. Dabei sollten Eltern ihren Kindern zuhören, aber auch selbst ihre Sorgen aussprechen, Gefahren benennen und die Jugendlichen ermuntern, ihren eigenen Standpunkt auch gegenüber Freunden zu vertreten. Sie sollten verdeutlichen, dass Rechtsextremismus kein Witz ist, sondern eine menschenverachtende Ideologie, die Menschen zu Opfern wie auch zu Tätern macht. Das illustrieren Biografien von Aussteigern aus der rechtsextremen Szene sehr eindrücklich.

Im besten Fall verstehen die Jugendlichen das und bleiben mit ihren Eltern im Gespräch. Falls nicht, sollten Eltern die Entwicklung ihrer Kinder und deren Freundeskreis beobachten. Wenn Eltern sich hierfür zu wenig informiert fühlen, bieten Ratgeber zu Rechtsextremismus sowie Beratungsstellen für Angehörige und Betroffene Unterstützung. Außerdem ist es hilfreich, wenn betroffene Eltern sich nicht für das Thema schämen, sondern es im eigenen Freundeskreis ansprechen und sich auf diese Weise emotionale Unterstützung holen.

Sally Hohnstein ist wissenschaftliche Referentin am Deutschen Jugendinstitut in Halle (Saale). Sie forscht zu Rechtsextremismus im Jugendalter und Rechtsextremismusprävention.