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Ein Paar, zwei Perspektiven: Schlaf

NACHTSCHICHTEN AUS TROTZ

Katharina Hullen muss mit sehr wenig Schlaf auskommen und beneidet ihren Mann um seine Superkräfte.

Katharina: Schlafen macht schön und klug. Schlafen ist gesund! Ich sage Ihnen was: Schlaf ist überbewertet! Denn all diese Aussagen ergeben nur unter Laborbedingungen Sinn.

Unsere Wahrheit ist derzeit: Schlafen wäre schon schön und wahrscheinlich klug und es wäre auch sicher gesund, früher schlafen zu gehen. Leider liegt unsere Zubettgehzeit weit hinter Mitternacht. Das ist notwendig und ärgerlich zugleich, weil es einfach an so vielen Faktoren hängt, warum es sich nur schwer ändern lässt.

Zum einen: Wir sind Eulen, können abends effektiv Dinge erledigen. Beziehungsweise: könnten. Denn unsere drei Mädels, die theoretisch rund 10 Stunden Schlaf benötigen sollten, kommen abends ebenfalls noch mal richtig in Fahrt und vor allem nicht beizeiten in die Federn. Das bedeutet meist, dass unser Programm erst weit nach 22 Uhr beginnen kann.

Zum anderen ist auch die Kombination von Aufschieberitis und Trotz (jetzt will ich aber auch mal Zeit für mich haben!) oft Ursache für unzählige Nachtschichten. Hauke treibt es hierbei bisweilen auf die Spitze. Ich werkele gern parallel zu meinem Mann abends vor mich hin, aber um 2 Uhr nachts ist auch Schluss. Mein Bester sitzt dann oft noch lange am Küchentisch und korrigiert weiter Klassenarbeiten. Resigniert, weil es mal wieder nicht mit der besseren Planung geklappt hat und weil ich leider selbst zu unvernünftig bin, gehe ich dann schon mal ins Bett.

Wenn wir an normalen Abenden gegen halb 2 beschließen, das Schlafzimmer aufzusuchen, liegt Hauke 60 Sekunden später bereits im Tiefschlaf. Eine bewundernswerte Fähigkeit, denn ich räume auf dem Weg zum Badezimmer noch kurz den Flur auf, stelle Müsli auf den Tisch, stolpere über eine Wäschekiste, die ich kurzerhand im Keller noch aufsetze, drehe eine kleine Zudeck-Runde durch die Kinderzimmer und liege erst 20 Minuten später neben dem besten Ehemann von allen.

Wie schön es hier ist – so weich und warm! Warum liege ich eigentlich nicht schon seit 2 Stunden hier? Wenn‘s gut läuft, habe ich jetzt noch 5 Stunden Schlaf. Wenn‘s normal läuft, hat in 3 Stunden unser Sechsjähriger bereits ausgeschlafen oder der Kleinste träumt schlecht und steht verstrubbelt und schluchzend vor meinem Bett. Natürlich vor meinem, nicht vor Papas!

Hauke bekommt von alledem meist nichts mit. Darum haben wir eine neue Regel: Ich werde zwar wach, wenn etwas mit den Jungs ist, darf Hauke aber anstupsen. Dann schlurft er schlaftrunken ins Kinderzimmer, legt sich mit einer Matratze von innen vor die Tür und nutzt seine Superkraft „Schlafen in allen Lebenslagen“. Während die Kinder fröhlich das Zimmer auf links ziehen, blendet er alles aus und schläft. So stelle ich mir den Schlaf von Jesus bei der Sturmstillung vor.

Achja, sicher ist dies auch nur so eine Phase, und irgendwann kommt wieder mehr Ruhe in unsere Nächte. Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf! Wie gut, dass unser Herr so mächtig ist und nicht viel Zeit zum Geben braucht.

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache in Elternzeit. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

FRÜHSCHICHT FÜR HELDEN

Hauke Hullen kann sich in den ganz wichtigen Familien-Momenten nicht zeigen, weil er sie schlichtweg verpennt.

Hauke: Erstaunlich, was Schlaf alles bewirkt: Das kratzbürstigste Kind erscheint schlummernd plötzlich wie ein Sinnbild für Frieden und Geborgenheit, im Traum wachsen den Schwachen Superkräfte und im Gegenzug sind selbst die Mächtigsten schlafend völlig wehrlos.

Philosophen sehen darin den Grund, warum Menschen sich zu Gesellschaften zusammengeschlossen haben: Wo in einer Anarchie auch der Starke fürchten muss, morgens ohne Kopf aufzuwachen, geben nur gemeinsame Gesetze Sicherheit. Kurz: Die Existenz des Schlafes führt zu festen Regeln.
Bei uns ist es umgekehrt: Ohne feste Regeln würde kein Schlaf existieren. Nur dank mühsam erkämpfter Rituale gehen bei unseren Kindern irgendwann die Augen zu. Doch kaum erscheinen ein Brückentag oder gar Ferien im Kalender, zerstäuben unsere 10- und 12-jährigen Mädchen den Schlafrhythmus. Plötzlich gilt Mitternacht als angemessene Zielmarke, zwei Tage später murren die Mädels, wenn man sie schon vor 1 Uhr ins Bett schickt.

Doch auch hier gilt der Satz: „Es hat keinen Sinn, Kinder zu erziehen, sie machen sowieso alles nach.“ Denn auch Kathi und ich bleiben oft zu lange auf, weil wir entweder so spät erst in Ruhe arbeiten können oder auf der Couch versacken. Oder beides, was eine unheilvolle Kombination ist, weil unsere kleinen Jungs ausgesprochene Frühaufsteher sind. Dann kommt für uns die Stunde der Wahrheit: Wer liebt den anderen wirklich? Wer verlässt um kurz nach 5 die warmen Decken, weil es im Nachbarzimmer schreit und scheppert?

In meiner Jugend hatte ich mir immer gewünscht, der Frau meines Herzens meine Liebe zu zeigen, indem ich sie aus brennenden Häusern rette. Heute weiß ich: Ein Held wird man erst frühmorgens im Kampf gegen volle Windeln und die sich anbahnende Verwüstung des Kinderzimmers.

Leider kann ich meine heroische Seite oft nicht zeigen – ich höre die Kinder schlichtweg nicht! Meine Frau hingegen vernimmt jedes Rascheln und ärgert sich, dass ich nicht stante pede aus dem Bett hüpfe, um nach dem Rechten zu sehen.

Doch kann man für etwas bestraft werden, was man nicht gemacht hat? Für eine Situation, die man gar nicht wahrgenommen hat? Kathi löst das Problem, indem sie mir unsanft die Faust in die Seite bohrt und mich aus dem Bett schiebt.

Wie gut, dass uns unsere kleinen Aufmerksamkeitsterroristen manchmal länger schlafen lassen, nämlich dann, wenn sie nächtens mit wirren Haaren in unser Zimmer getapst sind. In der Besucherritze schlafen sie dann beide in anatomisch höchst bedenklichen Verrenkungen, die dazu führen, dass Kathi und ich an die Bettkanten geklammert stundenlang ums Gleichgewicht kämpfen.

So richtig erholsam ist das nicht. Und so oder so wache ich zur Unzeit morgens auf, weil entweder die Jungs oder Kathi mir Fuß oder Faust zwischen die Rippen stecken.

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

Das Baby schreien lassen?

„Meine Freundin lässt ihr wenige Wochen altes Baby schreien, damit es lernt, allein zu schlafen. Ich finde es nicht nur viel zu früh, sondern auch falsch. Was kann ich tun?“

Ihre Gefühle kann ich gut verstehen. Wichtig wäre mir noch zu klären: Was meint Ihre Freundin mit „allein schlafen“? Heißt das „ganz allein in seinem Bettchen, ohne seine Mama zu spüren“? Und wenn ja, wie kam Ihre Freundin dazu, so zu handeln?

OFFEN REDEN

Manche Babys schreien gerade in den ersten drei Lebensmonaten sehr viel und finden schwer in den Schlaf. In der Regel nimmt eine Mutter ihr schreiendes Baby ja intuitiv zu sich und versucht es zu trösten, bis es sich beruhigt hat. Doch das andauernde Schreien kann für Mütter sehr herausfordernd und gleichzeitig auch verunsichernd sein. Solche Erfahrungen machen sie empfänglich für Ratschläge von anderen, die nicht immer hilfreich und gut sind. Woher kommt dieser Rat? Welche Erziehungsvorstellung steckt dahinter? Womöglich: Die Erwachsenen geben vor, wie ein Kind „funktionieren“ soll, ohne dabei die kindlichen Bedürfnisse zu berücksichtigen.

Früher wurde dies oft so gehandhabt, und natürlich haben die Kleinen dann irgendwann resigniert und sind vor Erschöpfung eingeschlafen. Aber mit welch trauriger Grunderfahrung: „Niemand ist da, keiner hilft mir!“ Wie fühlt sich eigentlich die Mama dabei, wenn sie ihr Baby im Nebenraum schreien hört? Reden Sie offen und achtsam mit Ihrer Freundin. Fragen Sie sie, wie es ihr geht. Was sind ihre Sorgen oder Nöte? Wie würde sie es eigentlich lieber machen? Wer kann sie dabei ermutigen und ihr guttun? Wer kann sie praktisch unterstützen? Ich glaube, in ihrem „Mama-Herzen“ weiß sie, wie es richtig wäre, aber dafür braucht sie Mitgefühl und Entlastung.

URVERTRAUEN ENTWICKELN

Wenn ein Baby schreit, gibt es immer einen Grund dafür – auch wenn es satt und gewickelt ist. Oft, vor allem nach einer langen Wachphase, drückt es damit aus: „Es geht mir nicht gut, Mama, ich brauche dich! Ich bin so aufgewühlt, ich kann noch nicht einschlafen!“ Je kleiner es ist, umso mehr braucht ein Baby eine ruhige, vertraute Person, in deren Armen es sich gehalten fühlt und seinen Stress rausschreien darf. Diese Erfahrung ist wichtig, um Urvertrauen entwickeln zu können. Erst auf dieser Basis von Geborgenheit kann ein Kind zum späteren Zeitpunkt lernen, allein (ein-)zu schlafen.

Dazu braucht es aber Zeit (mehrere Monate), in denen kindliche Entwicklungsprozesse reifen können, Rituale vertraut werden und das Kind tief verinnerlicht hat: „Mama ist da, auch wenn ich sie nicht sehe oder spüre. Ich kann sie rufen und sie wird mir helfen, wenn ich sie brauche.“ Den Zeitpunkt kann man nicht vorher festlegen. Das Baby oder Kleinkind zeigt es von sich aus, wenn es sich entspannt ablegen lässt und Mama den Raum verlassen kann, ohne dass es schreien muss.

Beate Döbel arbeitet als Systemische Einzel-, Paar- und Familientherapeutin in eigener Praxis. Viele Jahre begleitete sie vor allem Eltern mit Säuglingen und Kleinkindern. www.therapiepraxis-doebel.de Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

 

Ein Paar, zwei Perspektiven: Gute Nacht

DER TRAUM VOM FEIERABEND

Katharina Hullen hat sehr aufgeweckte Kinder, vor allem, wenn sie eigentlich schlafen sollten. Ihr Ehemann ist keine große Hilfe.

Katharina: Entwischte Hühner einfangen – haben Sie das schon einmal gemacht? So ungefähr müssen Sie sich unser abendliches Zu-Bett-Bringen der Kinder vorstellen. Es ist zum Auswachsen! Selbstverständlich haben wir immer wiederkehrende Rituale, die klare Signale senden, dass nun Schlafenszeit ist und Ruhe im Bau.

Pustekuchen! Wie besagte Hühner schlüpfen sie durch Türritzen und schleichen sich mit vielen Fragen oder wichtigen Anliegen durch die Wohnung. „Muss noch Zähneputzen!“ – „Ich brauche noch Kakaogeld für morgen!“ – „Mama, die Stelle im Buch gerade war sooo witzig! …“ – „Mein Bein tut weh!“ (ersetzen Sie Bein durch jedwedes Körperteil) – „Habe ich morgen um 9 XY?“… Natürlich dürfen die drei Großen etwas länger aufbleiben, aber schön wäre ja, wenn sie in dieser Zeit trotzdem all diese Fragen und Anliegen schon einmal klären könnten. Und nicht erst, wenn ich bei den Kleinen fertig bin.

Auf die konzentriere ich mich nämlich zuerst. Das ist schon schwierig genug, denn bis der Flohzirkus gebadet, gewickelt und im Bett bereit fürs Vorlesen ist, vergeht schon eine beträchtliche Zeit. Nach dem Buch singe ich noch ein Lied und platziere mich auf einer Matratze vorm Bett und warte, bis beide eingeschlafen sind. Das übrigens ist ein Ritual, welches aus der Not geboren ist. Bei den drei Großen wäre es undenkbar gewesen – natürlich sind die Kinder alleine eingeschlafen! Da inzwischen bei dem Krawall draußen vor der Tür aber beide Jungs stets mehrfach ihr Zimmer verlassen haben, musste eine lebendige Barrikade her: DU! KOMMST! NICHT! VORBEI!

Leider schläft man selbst häufig ein auf diesem Wachposten, sodass ich irgendwann zwischen halb 10 und 11 Uhr hochschrecke, geweckt vom Huschen, Tuscheln, Singen, Pfeifen, Klappern der drei Großen im Rest der Wohnung. Ich gehe ins Wohnzimmer und finde auf dem Sofa den besten Ehemann von allen und frage mich, wie lange er eigentlich schon hier sitzt.

Er hätte ja den Mädchen schon mal Gute Nacht sagen können! „Hab ich!“, höre ich dann. Und gesungen habe er auch schon bei jeder. „Und dann war doch auch Ruhe, oder?“, meint er. Nein – eine liest noch, eine andere spielt, die dritte ist gerade erst zum Zähneputzen ins Bad gehuscht. Er hört und sieht nichts. Es käme ihm im Traum nicht die Idee, noch einmal nachzusehen oder gar zu schimpfen.

Dabei haben wir beide den Wunsch nach einem früheren Feierabend für uns Eltern – aber den können wir uns nur gemeinsam erkämpfen. Mir eine sinnvolle Konsequenz für die Kinder auszudenken, finde ich richtig schwierig. Es müssen also wohl wieder Belohnungspunkte her. Vielleicht mache ich auch eine Belohnungsliste für Hauke – ein Aufkleber für jeden Abend, wo er die Kinder um 21 Uhr schlafend im Bett hat. Die Idee gefällt mir!

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache in Elternzeit. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

„SO LEGT EUCH DENN, IHR BRÜDER …“

Hauke Hullen führt zermürbende Debatten über das Einschlafen und findet in Matthias Claudius einen Leidensgenossen. Seine Frau ist keine große Hilfe.

Hauke: Da liegen sie: Hingegossen, zart, engelsgleich. Unsere Kinder schnaufen sanft in ihren Träumen – und Kathi und ich schnaufen auch: Endlich Ruhe!

Wer keine schlafunwilligen Kinder hat, kann sich nicht vorstellen, wie nervenaufreibend solche Abende sein können. Auch wir gehörten lange Zeit dazu: unsere vier ältesten Kinder schliefen alle schnell ein und durch. Durchwachte Nächte waren Ausnahmen. Doch dann kam Nummer Fünf!

Beim kleinen Jonathan führen eine ausgeprägte Willensstärke, gepaart mit bemerkenswerten Power-Napping-Fähigkeiten, zu schwer zu prognostizierenden Einschlafrhythmen. Wir müssen unter allen Umständen verhindern, dass ihm zwischen 16 und 18 Uhr die Augen zufallen, ansonsten verwandelt sich das Kinderzimmer in einen Debattier-Club, der erst weit nach Mitternacht schließt. Es ist nicht nur frustrierend, wenn die To-do-Liste eines ganzen Abends auf einen einzigen Punkt zusammenschnurrt (selber bis 1 Uhr im Bett zu sein, na gut, bis 2!). Es ist auch entwürdigend, wenn man den Argumenten eines Zweijährigen irgendwann nichts mehr entgegenzusetzen hat: Ja, er ist halt wirklich gar nicht müde, und ja, er will tatsächlich gar nicht schlafen, und ja, er hat recht, die Sonne geht doch eh gleich wieder auf …

Unser Pastor meinte einmal, das wichtigste Gebot in der Kindererziehung sei: „Du sollst nicht töten!“ Nachts um 3 ist es wichtig, sich an diese Aussage zu erinnern.

Damit es nicht so weit kommt, habe ich eine sedative Form des Singens entwickelt, die bei unseren beiden kleinen Jungen meist recht gut funktioniert. Ich liege in ihrem Zimmer auf der Elternmatratze und stimme „Der Mond ist aufgegangen“ an – möglichst tief und möglichst langsam. Oft wirkt das so gut, dass Jungs und Papa schon bei der dritten Strophe einschlafen.

Wenn dies nicht der Fall ist und Jonathan weiterhin Rabatz macht, dann singe ich auch noch die letzte Strophe und bemerke, dass wohl auch Dichter Matthias Claudius mit renitenten Kindern zu kämpfen hatte. Hören Sie selbst:

„So legt euch denn, ihr Brüder“ – damit sind natürlich die Brüder Jonathan und Konstantin gemeint, die gerade in ihren Betten herumkullern – „in GOT-TES NA-MEN nieder!“ – man sieht förmlich, wie der Dichter die Fäuste ballt – „kalt ist der Abendhauch“ – das ist ganz klar eine Drohung – „verschon uns Gott mit Strafen“ – was war noch gleich das wichtigste Gebot in der Kindererziehung? – „und lass uns ruhig schlafen“ – nämlich meine Frau und mich – „und unser‘n kranken Nachbarn auch“ – ein Flehen, dass die anderen Bewohner des Hauses nicht unleidlich werden.

Inzwischen schlafen die Jungs. Ich schleiche mich aus ihrem Zimmer und entdecke die beste Ehefrau von allen auf dem Sofa. Offenbar hat sie von dem ganzen Theater nichts mitbekommen.

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

„Gaga“ im Kopf

Eine Frage ist Elisabeth Vollmer besonders wichtig geworden.

„Sie müssen nicht erschrecken, wenn Ihre Tochter beim Aufwachen ziemlich desorientiert ist. Der Medikamentencocktail, den sie gekriegt hat, lässt die Kinder beim Aufwachen manchmal ziemlich gaga wirken. Aber das geht vorbei.“ Glücklicherweise hatte mich der Anästhesist mit diesen Worten auf Tabeas Zustand vorbereitet. Aber selbst damit war es noch gruselig genug, meine 14-jährige taffe Teenagertochter so desorientiert zu erleben – „gaga“ traf es ziemlich gut. Neben all dem mehr oder weniger sinnlosen Geblubber, das sie dabei äußerte, kam eine Frage ungefähr alle zwei Minuten klar und deutlich: „Mama, bist du da?“ – und wurde von mir selbstverständlich und liebevoll in gleicher Häufigkeit positiv beantwortet.

Der Zustand ging wie prognostiziert vorbei. Das Ganze ist schon eine Weile her, und eigentlich hatte ich es fast vergessen. Bis ich neulich nachts im Bett lag. Unüberblickbare Problemberge in unterschiedlichen Lebensfeldern, Überforderung, Frust, Chaos in Herz und Kopf – ziemlich „gaga“ lag ich wach. Da kam mir dieser Satz von Tabea in den Sinn: „Mama, bist du da?“ Davon ausgehend formte sich die Frage an Gott: „Du fürsorglicher, liebevoll kümmernder Mama-Papa-Gott, bist du da?“

Und auch wenn ich keine Antwort hörte, so war mir doch das Bild Gottes, der an meinem Bett steht, meine Hand hält und mir zusagt, dass er da ist, plötzlich tröstend nahe. So breitete ich mein ganzes Chaos Stück für Stück aus – immer wieder mit der Frage: „Bist du da – auch in dieser Chaosfacette?“ Und obwohl ich in dieser Nacht in keiner einzigen Problemlage eine Lösung gefunden habe, so hat es mir doch gut getan, mich zu vergewissern, dass Gott in all dem da ist und ich konnte – nach einiger Zeit – einschlafen.

Das hat mir so geholfen, dass ich es seitdem immer wieder übe. Nicht nur nachts, sondern auch sonst. Manchmal eher nebenbei im Alltag oder auch ganz bewusst in einer Pause, die ich mir gönne. Ich schaue mir mein Leben an und vergewissere mich, dass Gott in allem mit mir ist. Nicht nur, wenn ich ziemlich gaga, sondern auch wenn ich grade über etwas oder jemanden froh und dankbar bin.

Diese schlichte, kleine Übung tut mir gut, entlastet mich und ist mir in letzter Zeit zu einer Tankstelle geworden. Und während ich darüber nachdenke, warum das so ist – schließlich habe ich für die meisten Probleme noch immer keine Lösung gefunden! – fällt mir ein, dass Gott sich in der Begegnung mit Mose am Dornbusch „Jahwe“ nennt, was auch als „Der ich bin da“ übersetzt wird. Die Erfahrung ist also nicht neu. Auch wenn bei mir nicht der Dornbusch brennt. Gott weiß, dass wir ihn brauchen. Er weiß auch, dass es uns guttut, zu wissen, dass er da ist. Er vergewissert es uns so gerne, dass er für uns da ist, dass er es sich sogar in den Namen geschrieben hat. Und so frage ich weiter, immer wieder: „Bist du da?“ Und ich vertraue, dass er antwortet. Immer wieder, selbstverständlich und liebevoll: „Ja! Ich bin da!“

Elisabeth Vollmer ist Religionspädagogin und lebt mit ihrer Familie in Merzhausen bei Freiburg.

 

 

 

 

 

Gewohnheiten Umkrempeln

„Unser Baby will nicht alleine einschlafen. Es schläft nur, wenn der Fön läuft oder wir Auto fahren. Wie kann ich das ändern?“

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