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Dauerthema: Schnuller statt Daumen? Was hilft, weiß das Kind selbst

Darf ein Baby den Daumen benutzen, um sich zu beruhigen, oder muss es der Schnuller sein? Überlasst es dem Kind, rät Stillberaterin und Hebamme Martina Parrish.

„Mein Baby (5 Monate) verweigert partout den Schnuller und benutzt stattdessen lieber seinen Daumen, um daran zu nuckeln, wenn es müde ist oder sich beruhigen möchte. Ist der besser oder sollte ich es weiterhin mit dem Schnuller versuchen?“

Vor dieser Fragestellung stehen viele junge Eltern – und das schon seit Jahrzehnten. Allein daran erkennt man, dass es keine einheitliche Position zu diesem Thema gibt. Tendenziell neigen Kinderärzte, Logopäden, Zahnärzte und Kieferorthopäden dazu, den Schnuller zu empfehlen, und haben dabei auch gute Argumente an der Hand.

Schnuller oder Daumen – Für und Wider

Als Vorteile des Schnullers findet man immer wieder folgende Argumente aufgeführt: Er ist weicher, führt also zu weniger Zahnfehlstellungen. Seine Formen werden den anatomischen Gegebenheiten des Gaumens und Kiefers immer neu angepasst. Die Eltern können (zumindest über einen langen Zeitraum) entscheiden, wann und wie oft das Kind nuckeln darf. Und last but not least: Er kann leichter abgewöhnt werden als der Daumen.

Um vom Daumennuckeln abzuraten, wird häufig ins Feld geführt, dass der Daumen sehr viel härter und schmaler als ein Nuckel ist. Dadurch kann es zu falschen Schluckmustern, Aussprachefehlern und einer stärkeren Verformung des Kiefers bzw. Gaumens kommen.

Aus Neuseeland allerdings wurde eine Studie bekannt, die besagt, dass Daumenlutscher weniger Allergien gegen Gras, Wolle, Schimmelpilze und Katzenhaare haben. Ein weiterer eindeutiger Vorteil des Daumens liegt darin, dass er immer parat ist, nie gesucht und nie desinfiziert werden muss. Das Kind kann autonom entscheiden, wann es diesen Begleiter benötigt. Beide Arten des Saugens sollen allerdings im „Dauerbetrieb“ vermehrt zu Mittelohrentzündungen führen.

Das Kind weiß am besten, was es will

Sicher gibt es noch eine ganze Reihe anderer Für und Wider in dieser Diskussion, die sich auf Studien und wissenschaftliche Fakten beziehen. Für mich spielen andere Dinge aber eine sehr wesentliche Rolle. Das Saugen ist eines der Grundbedürfnisse eines Babys und spendet ihm häufig Trost, lässt es zur Ruhe kommen, hilft beim Einschlafen und erleichtert generell die Selbstregulation. Deswegen brauchen viele Babys mehr Möglichkeit zum Saugen, als das während einer Mahlzeit möglich ist. Dieses Saugbedürfnis ist am Anfang des Lebens besonders ausgeprägt und lässt mit dem Älterwerden langsam nach, da die Kinder nach und nach andere Mechanismen erlernen, die ihnen helfen, zur Ruhe zu kommen. Außerdem wird die Welt immer bunter für sie und es werden so viele andere Dinge interessant, die es zu erobern gilt.

Für mich steht ein Argument in vielen Bereichen über allen anderen: Trauen wir unseren Kindern doch einfach öfter zu (bis zu einem gewissen Grad natürlich!), selbst zu entscheiden, was sie brauchen und was ihnen guttut. Häufig klären sich dadurch sehr angespannte Situationen ganz von allein. Und zum Schluss sei noch meine eigene Erfahrung angeführt: Ein Baby, das sich für die Daumen-Variante entschieden hat, wird davon nur unter großen Anstrengungen abzubringen sein. Also freuen Sie sich an Ihrem kleinen, willensstarken Kind. Es weiß, was es will!

Martina Parrish war viele Jahre lang Hebamme und Stillberaterin und lebt in Berlin.

Schnuller? Oder kein Schnuller?

„Mein Baby (2 Monate) will ständig an meiner Brust nuckeln – ohne zu trinken. Mir ist das zu viel, auch weil ich ‚nebenbei‘ meinen dreijährigen Sohn betreuen und mich um den Haushalt kümmern muss. Ich war immer gegen Schnuller, aber nun überlege ich, unserem Baby doch einen anzubieten, damit sein offenbar großes Saugbedürfnis gestillt wird. Das kann doch nicht schaden, oder?“

„Mein Baby (2 Monate) will ständig an meiner Brust nuckeln – ohne zu trinken. Mir ist das zu viel, auch weil ich ‚nebenbei‘ meinen dreijährigen Sohn betreuen und mich um den Haushalt kümmern muss. Ich war immer gegen Schnuller, aber nun überlege ich, unserem Baby doch einen anzubieten, damit sein offenbar großes Saugbedürfnis gestillt wird. Das kann doch nicht schaden, oder?“

Kontroverses Thema

Der Nuckel – eines der dauerhaft kontrovers diskutierten Themen. Die einen lehnen ihn vehement ab, die anderen schwören auf ihn als eine gute Hilfestellung, um ein Baby zufriedenzustellen. Da es für beide Sichtweisen vielfältige und gute Argumente gibt, kann dieser Text nur einige wenige Denkanstöße geben, die Eltern hoffentlich helfen, zu einer eigenen Entscheidung in dieser Fragestellung zu kommen.

Ersten sechs Lebenswochen sind kritisch

Zunächst die Frage: Ab welchem Alter des Babys sollte denn überhaupt erst ein Schnuller angeboten werden? Kritisch sind die ersten sechs Lebenswochen des Babys. In diesem Zeitraum besteht die Gefahr, dass die Kinder in eine Saugverwirrung kommen, wenn sie einen Nuckel (oder auch eine Flasche) bekommen. Die Brustwarzen der Mutter sollten heil sein und nicht mehr schmerzen und die Gewichtsentwicklung des Kindes muss gut sein. Wenn diese Kriterien erfüllt sind, darf der Schnuller zum Einsatz kommen.

Jede Mutter entscheidet selbst

Tatsächlich brauchen viele Säuglinge eine Möglichkeit, ihr Saugbedürfnis zu stillen, die über das Saugen während der Nahrungsaufnahme hinausgeht. Dies darf gern an der Brust der Mutter geschehen, wenn die Mutter das bejaht. Grundsätzlich ist aber jede Mutter frei zu entscheiden, ob sie das möchte oder nicht. Wenn eine Mutter entscheidet, ihre Brust nicht als Nuckel nutzen lassen zu wollen, muss eine Alternative gefunden werden, um dem Kind die Möglichkeit zu geben, dieses grundlegende Bedürfnis zu stillen. Und damit wären wir beim Beruhigungssauger. Informationen zu Formen, Material, Beeinträchtigungen im kieferorthopädischen oder logopädischen Bereich erhalten Sie zum Beispiel auf den Seiten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und dem Europäischen Institut für Stillen und Laktation.

Der Schnuller ist kein „Ruhigsteller“!

Zwei Dinge möchte ich Ihnen noch mitgeben, die Ihnen bei Ihrer Entscheidung helfen sollen: Zum einen möchte ich beim Einsatz des Nuckels davor warnen, das Kind bei jedem Muckser mit dem Schnuller zuzustöpseln. Die Versuchung ist groß, weil es so einfach ist. Bei einer solchen Vorgehensweise wird häufig leider nicht danach geschaut, welches Bedürfnis das Kind eigentlich gerade zum Ausdruck bringen möchte, sondern der Nuckel wird undifferenziert zum „Ruhigstellen“ benutzt. So sollte er bitte nicht eingesetzt werden.

Schnuller bringt Entspannung

Auf der anderen Seite kann der Einsatz eines Beruhigungssaugers viel Entspannung in eine Familie bringen, weil er dem Kind hilft, zur Ruhe zu kommen und in den Schlaf zu finden. Ebenso kann er helfen, Stressmomente zu überbrücken – und dies ist besonders in Familien ein Segen, in denen es mehrere Kinder gibt, die alle ihre Bedürfnisse haben und zu ihrem Recht kommen müssen. Nun liegt der Ball bei Ihnen – viel Spaß bei der Entscheidungsfindung!

Martina Parrish ist Hebamme und Stillberaterin und lebt in Berlin. 

„Wie werden wir den Schnuller los?“

„Der Kinderarzt hat uns nahegelegt, unserer Tochter (3,5) den Schnuller abzugewöhnen. Wie gehen wir am besten vor?“

Der Schnuller gehört zum Alltag vieler Kinder. Ein Baby hat das Bedürfnis zu saugen, das man ruhig unterstützen kann, denn das Saugen – an der Brust oder an einem Schnuller – trainiert nicht nur Muskelfunktion, Kiefer und Gebiss, sondern beruhigt das Baby auch. Mit den ersten Milchzähnen löst der Kaureflex den Saugreflex ab. Bereits am Ende des ersten Lebensjahres wäre also ein guter Zeitpunkt, dem Kind den Schnuller abzugewöhnen.

SPRECHEN SIE MIT IHREM KIND!

Ihr Kind trägt den Schnuller nun schon viel länger – und das wahrscheinlich aus gutem Grund. Oft ist der Schnuller auch für die Eltern ein Instrument, das „in Not“ hilft, von Unruhe befreit. Es ist die „kleine Sicherheit“. Wenn Eltern den Schnuller ungern weglassen, spürt das Kind es. Wie soll es sich vom Schnuller verabschieden, wenn es in Ihnen die Angst vor dem Loslassen fühlt? Umso wichtiger ist es, dass erst einmal Sie Entschlossenheit und Natürlichkeit zu diesem Thema finden. Lösen Sie sich zunächst selbst von der Schnuller-Zeit. Inkonsequenz und Unsicherheit ziehen die Abgewöhnungsphase unnötig in die Länge und verunsichern das Kind.

Wenn Sie so weit sind, suchen Sie einen Zeitraum für die Abgewöhnungsphase von etwa drei Wochen. Sprechen Sie auch mit ihrem Kind über das Thema. Manchmal wirkt es so, als würden Kinder nicht verstehen oder abblocken, weil sie woanders hinsehen oder etwas antworten, das nicht zum Thema passt. Wenn Ihr Kind jedoch beiläufig beginnt, Fragen zu stellen, im Spiel darüber redet, merken Sie, wie Sie Vorarbeit leisten. Hilfreich kann auch die neutrale, gemeinsame Beobachtung von erwachsenen Vorbildern oder Alltagshelden der Kinder sein, wie die Polizistin oder der Müllmann, und die Feststellung, dass sie keine Schnuller tragen.

SCHNULLER NICHT EINFACH WEGWERFEN

Unterschätzen Sie nicht die emotionale Bindung, die Ihr Kind bereits zum Schnuller hat. Er gehört zur Wirklichkeit des Kindes, der Gewohnheitsfaktor ist entsprechend hoch, aber auch die Sicherheit und Verbundenheit zu ihm. Es ist deshalb nicht ratsam, den Schnuller achtlos wegzuschmeißen. Schmieden Sie einen Plan, der zu ihnen als Familie passt. Stärken Sie den eigenen Willen des Kindes, sich auf die Neuerung einzulassen und unterstützen Sie so die Loslösung. Neben der Schnullerfee, dem Vergraben des Schnullers im Garten, um zu sehen, ob ein Schnullerbaum wächst oder dem Verschenken des Schnullers an fiktive oder echte andere Babys gibt es viele Ideen, die Kindern und Erwachsenen dabei helfen, den Weg in die „Schnuller-Freiheit“ zu finden.

Kindern, die der Logik sehr verbunden sind, kann es aber auch helfen, wenn sie den Schnuller zu einem selbstgewählten Zeitpunkt allein mit einer Schere zerschneiden. Sie werfen ihn selbst weg und wissen genau, dass der Schnuller nun kaputt ist und von der Müllabfuhr mitgenommen wird, weil er nicht mehr gebraucht wird. Bleiben Sie in jedem Fall wohlwollend und liebevoll. So werden Sie Ihr Kind gut in die „Schnuller-Freiheit“ führen.

Irina Kostic ist Kinderkrankenschwester, Autorin und Schulsozialarbeiterin. Sie lebt mit ihrem Ehemann und vier Kindern in Nordfriesland. www.irinakostic.de
Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com