Beiträge

Studie zeigt: Jungs fällt es schwerer, Mitgefühl zu zeigen

Laut einer Studie zeigen Jungs weniger Solidarität und Mitgefühl als Mädchen. Psychologin Elisabeth Raffauf erklärt im Interview, was es damit auf sich hat.

Die Bepanthen-Stiftung hat eine Studie zum Gemeinschaftssinn bei Kindern und Jugendlichen durchgeführt. Dabei kam heraus, dass die meisten von ihnen durchaus Solidarität und Mitgefühl zeigen. Ein zentrales Ergebnis der Studie: Der Einfluss der Eltern ist entscheidend. Fragen dazu an die Diplom-Psychologin Elisabeth Raffauf.

Ein Ergebnis der Studie war, dass 22 Prozent der Kinder und 33 Prozent der Jugendlichen einen schwachen Gemeinschaftssinn haben. Wie kommt es zu dieser Entwicklung bei den Jugendlichen?

Raffauf: In der Jugend ist es ja erst mal dran, zu fragen: Wie finde ich meinen Weg? Es ist erst mal dran, das Eigene zu finden. Diese Phase ist notwendig, um seinen Weg zu machen. Viele Eltern sagen so etwas wie: „Meine Tochter ist wieder auf ihrem Planeten Ich.“ Das ist bei vielen auch eine vorübergehende Phase.

Wie wurde denn überhaupt Gemeinschaftssinn in der Studie definiert?

Es gab vier große thematische Blöcke: Empathie, Solidarität, Abwertung und Gleichgültigkeit. Empathie wurde durch Fragen ermittelt wie: „Würdest du einem anderen Kind helfen, wenn es sich verletzt hat?“

Mädchen werden anders erzogen

Jungs haben laut der Studie weniger Gemeinschaftssinn als Mädchen. Woran liegt das?

Ich denke, das hat damit zu tun, dass Mädchen und Jungs unterschiedlich erzogen werden und sich unterschiedlich äußern. Ich glaube nicht, dass Jungs es nicht so empfinden, z. B. wenn jemand Hilfe braucht. Aber es fällt ihnen schwerer, Mitgefühl zu zeigen. Sie haben oft die Sorge darüber, wie sie dann in der Clique dastehen. Und Mädchen werden nach wie vor mehr dazu erzogen, sich um andere zu kümmern und hilfsbereit zu sein.

Bei der Studie wurde auch die wirtschaftliche Situation der Familien berücksichtigt. Fördert wirtschaftliche Sicherheit, dass man sich eher um andere kümmert? 

Ich würde das nicht so verallgemeinern. Aber natürlich, wenn ich wenig habe, muss ich erst einmal auf mich selbst gucken. Grundsätzlich hat Gemeinschaftssinn vor allem mit dem zu tun, was uns die Eltern vermitteln: ob es ein Wert ist, sich um andere zu kümmern, oder nicht. Auch mit wenig Mitteln kann man sich um andere kümmern, und das tun auch viele.

Wie bringe ich meinem Kind Mitgefühl bei?

Sie würden also sagen, dass das Verhalten der Eltern dafür entscheidend ist, ob Kinder Gemeinschaftssinn entwickeln?

Ja. Mitgefühl mit anderen lernt man durch die Erfahrung, dass andere Mitgefühl mit einem haben. Und das sind in erster Linie die Eltern. Sie leben etwas vor, und das gucken sich die Kinder ab. Das geht sogar ohne Worte. Sind die Eltern großzügig? Denken sie an andere oder immer nur an sich? Fühlen sie sich oft selbst benachteiligt? So etwas überträgt sich auf die Kinder. Aber natürlich spielen Lehrer, Lehrerinnen, Erzieherinnen und Vorbilder in den Medien auch eine Rolle.

Können Eltern auch aktiv durch ihr Verhalten fördern, dass Kinder Gemeinschaftssinn entwickeln?

Dass Kinder und Jugendliche erst einmal an sich denken müssen, finde ich ganz gesund. Aber natürlich kann man das auch fördern. Schon kleine Kinder im Kindergarten gehen hin, wenn ein anderes Kind weint, und versuchen, es zu trösten. Das sind Kinder, die selbst erfahren haben, das Trösten eine gute Sache ist. Und das kann man bestärken und sagen: Toll, dass du das machst! Eltern sollten erst mal hinsehen: Was macht das Kind schon? Solches Verhalten sollte man bestärken und natürlich in erster Linie vorleben. Und weniger Vorträge halten.

Das Interview führte Family-Redakteurin Bettina Wendland.

Wo ist die Solidarität geblieben?

Etwa eine Woche nach dem Lockdown im März hatten wir eine – zwangsweise virtuelle – Sitzung mit unserem freien Redaktionsteam. Wir wollten Dossierthemen festlegen für 2021. Diese Überlegungen waren stark geprägt durch die aktuelle Situation. „Zusammenhalt“, „Nächstenliebe“, „Solidarität“ waren viel genannte Stichpunkte. Aber auch „Nähe“ oder „Umgang mit Krisen“.

Nun, ein halbes Jahr später, sind diese Themen immer noch aktuell. Aber sie fühlen sich ganz anders an. Vor allem die Solidarität, die wir in den ersten Wochen der Corona-Krise oft als so wohltuend erlebt haben, scheint uns abhanden gekommen zu sein. Ein Blick in meinen Facebook News Feed zeigt den Unterschied. Waren dort im März und April Videos von Balkonkonzerten zu sehen oder Hilfsaktionen für Menschen in Quarantäne, stoße ich mittlerweile immer öfter auf unschöne Diskussionen darüber, welchem Experten oder YouTuber nun zu trauen sei, ob die Corona-Maßnahmen sinnvoll oder nur „Verarschung“ sind oder ob der Mund-Nasen-Schutz ein Ausdruck von Nächstenliebe oder unterdrückter Meinungsfreiheit ist.

Und der Ton wird gefühlt immer schärfer. Reflexartig werden Beschimpfungen und Verachtung geäußert – von  beiden Seiten. Und ich habe den Eindruck, dass wir nicht nur unsere Solidarität verloren haben, sondern auch die Nächstenliebe und den Respekt voreinander. Ja, ich tappe selbst auch immer wieder in diese Falle. Weil ich nicht möchte, dass sich Falschaussagen und Verschwörungstheorien verbreiten, dass sie einfach so stehenbleiben, lasse ich mich auf Diskussionen ein – die schnell emotional werden.

Da wünsche ich mir manchmal fast den Lockdown zurück, als zumindest in meiner „Blase“ Zusammenhalt und Solidarität und die Sehnsucht nach Nähe die vorherrschenden Themen waren. Natürlich will ich nicht wirklich einen zweiten Lockdown. Aber diese Solidarität wieder zu erleben – das wünsche ich mir.

Bettina Wendland ist Redakteurin bei Family und FamilyNEXT und lebt mit ihrer Familie in Bochum.

„Ich war in meinem Leben noch nie so krank“: Gesamte Familie mit Covid-19 infiziert

Das Coronavirus hat Familie Müller* voll erwischt. Zeitweise konnte sich Mutter Heike nur auf allen Vieren ins Bad schleppen. Doch in Erinnerung behält sie nicht die Tage im Fiebertraum, sondern die Solidarität der Nachbarn.

Es ist ein Anruf, der Heike Müller* zum ersten Mal stocken lässt: Bei ihrem Hausarzt geht nur der Anrufbeantworter ran. Die Praxis sei geschlossen, weil es Covid-19-Fälle im Team gegeben habe. Tatsächlich hat Heike dort in der Woche zuvor noch ein Rezept abgeholt – und seit Tagen mit Kopf- und Gliederschmerzen zu kämpfen. „Bis zu dem Telefonat habe ich mir überhaupt gar keine Gedanken gemacht“, erzählt sie.

Plötzlich Fieber

Als dann auch noch ihr Mann Fieber bekommt, verstärkt sich die Ahnung des Paares, dass sie sich mit dem Virus angesteckt haben könnten. Zu diesem Zeitpunkt Mitte März befindet sich die Familie aus der Nähe von Tübingen bereits in häuslicher Isolation. Deshalb unternehmen Heike und ihr Mann zwei Tage lang nichts. „Aber am Freitag war das mit dem Fieber so irre, dass wir die Vertretung unseres Hausarztes angerufen haben“, sagt die zweifache Mutter. Der Arzt schickt sie ins Corona-Testzentrum in Tübingen.

Über 40 Grad Fieber

Vater und Mutter Müller lassen sich testen. Und tatsächlich: Sie haben sich angesteckt. Was in den folgenden Tagen passiert, daran kann sich Heike rückblickend nur noch verschwommen erinnern: „Ich war in meinem Leben noch nicht so krank.“ Zehn Tage lang hat sie über 40 Grad Fieber. Wirklich kritisch ist der Zustand bei ihr und ihrem Partner nie – beide haben zu keinem Zeitpunkt Atemnot – wohl aber ist die Zeit nervenzehrend. Auf das Klo kann Heike sich zeitweise nur auf allen Vieren schleppen – wortwörtlich. Sie schläft kaum und wenn doch, plagen sie Fieberträume.

Sportliche Familie

Und auch bei den Kindern machen sich Symptome bemerkbar. Matteo (12) hat Husten und Fieber. Und Noa-Marie (15) hustet und fühlt sich mitunter sehr schlapp. Besonders hart trifft Corona die Familie Müller, weil diese sonst ziemlich fit ist. „Ich hatte meinen Lebtag ein einziges Mal Grippe“, erzählt Mama Heike. Doch der Virus wirft sie aus der Bahn. Die Frage nach dem „Warum ich?“ stellt sich Heike aber nicht. „Ich habe mir eher gedacht: Es wird schon alles seinen Sinn haben“, sagt die Christin.

Von überall her Hilfe

Was Heike Müller aus den Krankheitswochen besonders in Erinnerung bleibt, ist dann auch nicht das Fieber-Delirium. Es ist die Solidarität ihrer Nachbarn. „Eigentlich dachte ich, die ziehen jetzt ein Stacheldraht um unser Haus, machen ein rotes Kreuz an die Tür und schreiben darauf ‚Bannzone‘.“ Das Gegenteil geschieht. Die Müllers erfahren eine „wahnsinnige Welle an Hilfsbereitschaft“. Auf eine Whatsapp-Nachricht an die Nachbarschaft, in der sie von der Quarantäne berichten, bekommen sie innerhalb weniger Minuten „überwältigend viele“ Antworten. Bekannte bieten an, den Hund auszuführen, Brötchen zuzubereiten und einkaufen zu gehen. „Das fand ich unfassbar“, resümiert die 47-Jährige.

Die Kinder werden zu Helden

Und auch die beiden Kids werden angesichts der bettlägerigen Eltern zu Überlebenskünstlern. Noa-Marie organisiert per Smartphone Helfer, die Essen besorgen. Die beiden kochen Nudeln und versorgen die Eltern mit Tee. Für die Mutter ist das ein wahrer Segen. Denn Essen zubereiten hätte sie in den schlimmsten Krankheitstagen nicht können. „Ich bin so stolz auf meine Kinder, dass die das hingekriegt haben“, sagt sie.

150 Masken

Fünf Wochen lang bleibt Heike Müller krankgeschrieben. Als der Nebel sich langsam löst, fragt sie sich, wie sie den Nachbarn etwas von dem Engagement zurückgeben kann, das sie ihrer Familie entgegenbrachten. Zu dem Zeitpunkt gibt es in Deutschland kaum Masken zu kaufen. „Und ich kann nähen. Also habe ich rumgefragt, wer denn eine Maske braucht.“ 150 Stück näht Heike schlussendlich.

Mehrere Masken liegen aufeinander.

Rund 150 Masken hat Mama Müller* genäht. Foto: privat

Als die Müllers schließlich wieder das Haus verlassen dürfen, ist das eine Erleichterung: „Das war fantastisch“, erzählt die Mutter: „Ich habe noch nie erlebt, dass die Kinder so heiß drauf waren, als erstes mit dem Hund Gassi zu gehen.“ Mittlerweile ist die Familie wieder genesen – zum Großteil zumindest. Auch fünf Monate nach dem Lockdown fühlen sich die Familienmitglieder noch erschöpft.

„Es war nie einfacher, Leben zu retten“

Im Nachhinein hat die überstandene Infektion zumindest etwas Gutes: Für die Forschung ist Familie Müller hochinteressant. Aktuell nehmen die Baden-Württemberger an einer Studie teil, die untersucht, inwieweit Kinder an der Verbreitung von Covid-19 beteiligt sind. Außerdem haben sie hautnah erfahren, was dieser Virus zu tun imstande ist. Ihre Masken tragen sie voller Überzeugung: „Es war nie einfacher, Leben zu retten“, sagt Heike Müller.

*Der Nachname wurde von der Redaktion geändert.

We Are N – Solidarität zeigen!

#WeAreN – eine Kampagne geht um die Welt! In den letzten Wochen ist eine Woge der Solidarität mit verfolgten und vertriebenen Christen durch die Sozialen Netzwerke geschwappt. Viele User haben ihr Profilbild geändert in das arabische Zeichen „ن“. Mit dem Zeichen, das für „Nazarener“ – also die Christen – steht, künden die Kämpfer der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ den dort lebenden Christen Terror an. Wer nicht zum Islam konvertiert, eine Schutzsteuer zahlt oder Haus und Hof verlässt, verwirkt das Recht zu leben. Allein aus Mossul flohen seit Beginn der Vertreibungen zehntausende Christen.

WeAreN bedeutet: „Wir sind alle Christen“. Das Signal der Ermutigung hat auch die erreicht, die es am meisten brauchen: die Menschen in den Flüchtlingslagern. Sie werden erinnert, dass sie Teil einer mitfühlenden weltweiten Christenheit sind.

Damit die Solidarität nach der digitalen Woge nicht abebbt, gibt es jetzt auch Zeichen der Verbundenheit, die man offline setzen kann: auf der Mütze, an der Tasche, am Revers, am Auto oder am Kühlschrank. Der SCM Bundes-Verlag und das christliche Hilfswerk Open Doors haben die Webseite www.WeAreN.de eingerichtet, auf der Buttons, Anstecknadeln und Kühlschrankmagneten mit dem Zeichen „ن“ in großen Mengen bestellt werden können – quasi zum Selbstkostenpreis. Als Signal nach außen und als Erinnerung für sich selbst, an die verfolgten Mitchristen zu denken.

Neben der ideellen Hilfe finden sich auf der Webseite auch Links zu Gebetsinitiativen und Spendenprojekten, über die finanzielle Hilfe schnell und unkompliziert bei Organisationen vor Ort ankommt. Damit den vertriebenen Christen auch praktisch geholfen werden kann.

Weitere Infos: www.WeAreN.de