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3 bis 5 – Vorzeitig einschulen?

Elternfrage: „Unser Kind ist ein ‚Kann-Kind‘, das heißt, wir könnten es vorzeitig einschulen lassen. Wie finden wir heraus, ob es schulreif ist?“

Armin Krenz: Zunächst eine kleine fachliche Anmerkung: früher sprach man von „Schulreife“, heute werden die Begriffe „Schulfähigkeit“ beziehungsweise „Schulbereitschaft“ benutzt, weil einerseits der Teilbegriff „Reife“ die Vorstellung provoziert, mit zunehmendem Alter „reife“ jedes Kind körperlich und kognitiv heran. Andererseits wird Schulfähigkeit oder Schulbereitschaft seit Jahren sehr viel umfassender betrachtet.

Kann man denn sein Kind zu früh einschulen oder aber zu lange warten?

Krenz: Eine vorhandene Schulfähigkeit oder Schulbereitschaft ergibt sich immer aus vier Kompetenzfeldern: einer emotionalen, motorischen, sozialen und kognitiven Schulfähigkeit. Zu ihr gehören vor allem seelische Stabilität, Belastbarkeit, eine größere Portion Selbstsicherheit, ein grundsätzlich vorhandenes Regelbewusstsein, Lerninteresse und Neugierde, ein Bündel an sozialen Verhaltensweisen sowie Entspannungsfähigkeiten, Ausdauer, Zuversicht und ein gewisses Maß an Konzentrationsfertigkeit. Da jedes Kind ein „Unikat“ ist, das sich von anderen Kindern – auch unabhängig vom Alter – individuell unterscheidet, ist die Stichtagregelung in Deutschland nur bedingt hilfreich. Es kann festgehalten werden:

  • Nicht das Stichtagsalter ist entscheidend, sondern das Vorhandensein bestimmter Fertigkeiten!
  • Britische, US-amerikanische und deutsche Studien weisen deutlich darauf hin, dass die Schulfähigkeit bei 6-jährigen Kindern deutlich stärker vorhanden ist als bei 5-jährigen Kindern.
  • Vorzeitig eingeschulte Kinder wiederholen häufiger eine Klasse.
  • Bei zu früh eingeschulten Kindern ziehen sich nicht selten Fertigkeitsmängel durch die folgenden Schuljahre.
  • Wenn die Kita eine spannende, kommunikationsreiche und selbstständigkeitsfördernde, situationsorientierte Pädagogik mit handlungsaktiven Projekten anbietet, kann eine spätere Einschulung keine entwicklungshinderlichen Folgen hervorbringen.

Sollte ich mein Kann-Kind, wenn es noch ein Jahr länger in den Kindergarten geht, zusätzlich intellektuell fördern, zum Beispiel mit Musik- oder Sprachunterricht?

Krenz: Es geht bei einem Aufbau der Schulfähigkeit – im Gegensatz zur landläufigen Meinung vieler Erwachsener – nicht primär um eine intellektuelle Förderung. Das ist eine immer wiederkehrende Fehlannahme und würde am vorhandenen Problem vorbeiführen. Vielmehr muss es darum gehen, mit Kindern Rollen-, Musik-, Theater-, Fantasie-, Bewegungsspiele zu erleben, alltagsorientierte Gespräche zu führen, Umfelderkundungen zu unternehmen sowie die Selbstständigkeit der Kinder auszubauen, das Selbstwertgefühl von Kindern zu stärken und ihre Neugierde auf Neues anzusprechen! Die Schulbereitschaft setzt sich in erster Linie aus den Fertigkeiten Lernmotivation, Lernbereitschaft und Lernfreude zusammen. Es geht also um Persönlichkeitsmerkmale und nicht um Lernergebnisse.

Wie sollen wir damit umgehen, wenn unser Kind das erste Schuljahr wiederholen muss?

Krenz: Verschiedene Untersuchungen haben immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass die Grundlagen der vier basalen Kulturtechniken (Sprache/ Lesen/ Schreiben/ Rechnen) von Anfang an ein sicheres Fundament besitzen müssen. Insofern ist bei starken Fertigkeitsdefiziten eine Klassenwiederholung angezeigt, damit sich fehlende Basiskompetenzen mit jedem Schuljahr nicht weiter potenzieren. Doch es sollte am besten gar nicht erst durch eine zu frühe Einschulung zu einer Wiederholungsnotwendigkeit kommen.

Prof. Dr. h.c. Armin Krenz ist Wissenschaftsdozent für Elementarpädagogik und Entwicklungspsychologie und Autor des Buches „Ist mein Kind schulfähig? Ein Orientierungsbuch“ (Kösel).

Die Fragen stellte Ruth Korte.

Kann-Kinder: Sollen sie früher eingeschult werden? Das sagen Pädagogik-Experten

Die Einschulung steht bevor und damit die Entscheidung für Eltern von „Kann-Kindern“: Sollen wir unser Kind vorzeitig einschulen lassen? Experte rät im Interview zur Vorsicht.

Wenn ein Kind ein sogenanntes „Kann-Kind“ ist, also vorzeigit eingeschult werden kann, ist ja die Hauptfrage: Wie finde ich heraus, ob es schulreif ist?

Armin Krenz: Zunächst eine kleine fachliche Anmerkung: früher sprach man von „Schulreife“, heute werden die Begriffe „Schulfähigkeit“ beziehungsweise „Schulbereitschaft“ benutzt, weil einerseits der Teilbegriff „Reife“ die Vorstellung provoziert, mit zunehmendem Alter „reife“ jedes Kind körperlich und kognitiv heran. Andererseits wird Schulfähigkeit oder Schulbereitschaft seit Jahren sehr viel umfassender betrachtet.

Kann man denn sein Kind zu früh einschulen oder aber zu lange warten?

Krenz: Eine vorhandene Schulfähigkeit oder Schulbereitschaft ergibt sich immer aus vier Kompetenzfeldern: einer emotionalen, motorischen, sozialen und kognitiven Schulfähigkeit. Zu ihr gehören vor allem seelische Stabilität, Belastbarkeit, eine größere Portion Selbstsicherheit, ein grundsätzlich vorhandenes Regelbewusstsein, Lerninteresse und Neugierde, ein Bündel an sozialen Verhaltensweisen sowie Entspannungsfähigkeiten, Ausdauer, Zuversicht und ein gewisses Maß an Konzentrationsfertigkeit. Da jedes Kind ein „Unikat“ ist, das sich von anderen Kindern – auch unabhängig vom Alter – individuell unterscheidet, ist die Stichtagregelung in Deutschland nur bedingt hilfreich. Es kann festgehalten werden:

  • Nicht das Stichtagsalter ist entscheidend, sondern das Vorhandensein bestimmter Fertigkeiten!
  • Britische, US-amerikanische und deutsche Studien weisen deutlich darauf hin, dass die Schulfähigkeit bei 6-jährigen Kindern deutlich stärker vorhanden ist als bei 5-jährigen Kindern.
  • Vorzeitig eingeschulte Kinder wiederholen häufiger eine Klasse.
  • Bei zu früh eingeschulten Kindern ziehen sich nicht selten Fertigkeitsmängel durch die folgenden Schuljahre.
  • Wenn die Kita eine spannende, kommunikationsreiche und selbstständigkeitsfördernde, situationsorientierte Pädagogik mit handlungsaktiven Projekten anbietet, kann eine spätere Einschulung keine entwicklungshinderlichen Folgen hervorbringen.

Sollte ich mein Kann-Kind, wenn es noch ein Jahr länger in den Kindergarten geht, zusätzlich intellektuell fördern, zum Beispiel mit Musik- oder Sprachunterricht?

Krenz: Es geht bei einem Aufbau der Schulfähigkeit – im Gegensatz zur landläufigen Meinung vieler Erwachsener – nicht primär um eine intellektuelle Förderung. Das ist eine immer wiederkehrende Fehlannahme und würde am vorhandenen Problem vorbeiführen. Vielmehr muss es darum gehen, mit Kindern Rollen-, Musik-, Theater-, Fantasie-, Bewegungsspiele zu erleben, alltagsorientierte Gespräche zu führen, Umfelderkundungen zu unternehmen sowie die Selbstständigkeit der Kinder auszubauen, das Selbstwertgefühl von Kindern zu stärken und ihre Neugierde auf Neues anzusprechen! Die Schulbereitschaft setzt sich in erster Linie aus den Fertigkeiten Lernmotivation, Lernbereitschaft und Lernfreude zusammen. Es geht also um Persönlichkeitsmerkmale und nicht um Lernergebnisse.

Wie sollen wir damit umgehen, wenn unser Kind das erste Schuljahr wiederholen muss?

Krenz: Verschiedene Untersuchungen haben immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass die Grundlagen der vier basalen Kulturtechniken (Sprache/ Lesen/ Schreiben/ Rechnen) von Anfang an ein sicheres Fundament besitzen müssen. Insofern ist bei starken Fertigkeitsdefiziten eine Klassenwiederholung angezeigt, damit sich fehlende Basiskompetenzen mit jedem Schuljahr nicht weiter potenzieren. Doch es sollte am besten gar nicht erst durch eine zu frühe Einschulung zu einer Wiederholungsnotwendigkeit kommen.

Prof. Dr. h.c. Armin Krenz ist Wissenschaftsdozent für Elementarpädagogik und Entwicklungspsychologie und Autor des Buches „Ist mein Kind schulfähig? Ein Orientierungsbuch“ (Kösel).

Die Fragen stellte Ruth Korte.

„Nele Eis haben!“

Wie Kinder sprechen lernen

Von der Geburt bis zum zweiten Geburtstag rast die Entwicklung der Sprache nur so. Das Kind lernt, die Laute seiner Muttersprache von denen zu unterscheiden, die für seine Umgebung irrelevant sind, und imitiert fortan nur noch diese. Es macht vielfältige Erfahrungen mit seiner Umwelt und speichert sie unter neuen Begriffen ab. Der Begriff „Auto“ kann beispielsweise verknüpft sein mit der Vorfreude, zur Oma gefahren zu werden, mit dem Gefühl des kühlen Metalls der Karosserie an den kleinen Händchen, mit der Farbe blau, mit dem lustigen Ton, der beim Hupen entsteht oder mit dem Vanilleduft des Duftbäumchens. All diese Erfahrungen speichert das Kind unter dem Wort „Auto“ ab.

Wenn es nun viele solcher Wörter in seinem Wortschatz abgespeichert hat und anfängt, die Laute seiner Muttersprache gezielt zu benutzen, setzt es diese Bausteine nach bestimmten Regeln miteinander in Beziehung. Diese Regeln nennen wir Grammatik. Das Kind beginnt, durch Ausprobieren und Imitieren seine aktive Sprache zu entwickeln.

Wenig reden, viel verstehen

Kinder im Alter von zwei Jahren können noch keine vollständigen Sätze mit Haupt- und Nebensätzen bilden. Sie schaffen es jedoch, mehrere wichtige Informationen in einen Mehrwortsatz einzuflechten. Ein Beispiel, das alle Eltern kennen: „Eis haben?“ Das Kind hat die wichtigste Information, das Eis, untergebracht und ist am Ende des Satzes mit seiner Stimme nach oben gegangen, sodass Mama auch versteht, dass es sich hier um eine Frage handelt.

Das Kind hat begonnen, die grammatikalischen Strukturen seiner Muttersprache zu benutzen. Zweijährige Kinder benutzen ungefähr schon 50 Wörter aktiv, verstehen aber deutlich mehr. In den Sätzen benutzen sie ungefähr zwei bis drei Wörter, wobei es noch sein kann, dass das Verb im Aussagesatz am Ende steht und im Infinitiv verwendet wird. Außerdem spricht das Kind von sich selbst oft noch in der dritten Person: „Tim Auto nehmen“. Es kann schon viele Laute bilden, ersetzt aber noch schwierige Laute und Lautverbindungen durch einfachere oder lässt sie aus.

Ist Förderung nötig?

Auffällig ist eine Sprachentwicklung dann einzuschätzen, wenn ein oder mehrere Bereiche nicht altersgemäß entwickelt sind. Das stellen häufig die Kinderärzte bei den Vorsorgeuntersuchungen fest. Am besten kennen Sie als Mutter oder Vater jedoch Ihr Kind. Werden Sie wachsam, wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihr Kind nicht versteht, was Sie sagen, obwohl es nachweislich gut hört. Wenn es im Vergleich zu Gleichaltrigen nur wenig spricht und im Alter von zwei Jahren deutlich weniger als 50 Wörter aktiv benutzt, beraten Sie sich mit Ihrem Kinderarzt und stellen Sie Ihr Kind an einer Schule zur Sprachförderung oder an der Frühförderstelle zur Beratung vor. Die Experten dort können eine zuverlässige Aussage treffen, ob die Auffälligkeiten behandlungsbedürftig sind.

Für Eltern sogenannter Late-Talker, also der Kinder, die außergewöhnlich spät anfangen zu sprechen, gibt es das „Heidelberger Elterntraining“. Durch den Kurs werden Eltern geschult, die Sprachentwicklung ihrer Kleinkinder bereits sehr früh positiv zu beeinflussen. Denn je früher ein Kind gefördert wird, desto schneller kann es aufholen! Ob eine Logopädin, die Frühförderung an der Schule zur Sprachförderung oder die Frühförderstelle der geeignete Förderort für Ihr Kind ist, legen Sie dann zusammen mit ihrem Kinderarzt fest.

Birgit Wenzel ist Erzieherin und leitet eine Vorklasse an einer Schule zur Sprachförderung.