Beiträge

Schutz vor Drogen? Das können Eltern tun

Immer wieder sterben junge Menschen durch Drogenmissbrauch, wie im Juni in Altentreptow. Eltern fragen sich: Was können wir tun, um unser Kind zu schützen? Sicherheit gibt es nicht, aber diese fünf Strategien können helfen, sagt Erziehungsexpertin Daniela Albert.

Dass das eigene Kind in Kontakt mit Drogen kommt, süchtig wird und vielleicht sogar in Folge dieser Sucht verstirbt, ist ein fürchterlicher Albtraum aller Eltern. Meistens schieben wir diese Möglichkeit ganz weit weg und setzen uns erst mit ihr auseinander, wenn es tatsächlich konkrete Hinweise darauf gibt, dass unser Kind auf die schiefe Bahn geraten sein könnte. Doch dann ist es leider oft schon sehr spät, in manchen Fällen zu spät. Suchtprävention beginnt in jungen Jahren.

Eins sei hier jedoch vorweggenommen: Wir Eltern haben niemals zu 100 Prozent in der Hand, wie sich der Lebensweg unserer Kinder entwickelt. Es gibt keine Garantie dafür, dass unsere Kinder niemals Drogen nehmen werden, wenn wir nur alles richtig machen. Letztlich spielen in der Entwicklung unserer Kinder, gerade in den Teenager-Jahren, so viele Unbekannte eine Rolle, dass wir uns von der Illusion verabschieden müssen, dass das eigene Kind vor allen Gefahren gefeit ist und niemals auf dumme Ideen kommt.

Doch ganz machtlos sind wir nicht. Es gibt einige Punkte, mit denen wir zumindest Weichen stellen können.

1. Bindung und Beziehung vor allem anderen

Wenn kleine Kinder von Anfang an verlässlich und liebevoll betreut werden, entwickeln sie Vertrauen in sich und die Welt – sie binden sich sicher an ihre Bezugsperson. Innerhalb dieser Beziehung können sie auch lernen, mit unangenehmen Gefühlen und Situationen umzugehen. Im besten Fall lernen sie von einem zugewandten Erwachsenen, wie sie mit Angst, Frust oder Wut umgehen können. Wenn sie umgekehrt keine verlässlichen Menschen an ihrer Seite haben oder ihre Bindungspersonen sie nicht ernstnehmen, ihre Ängste verlachen, sie wenn sie traurig sind, nicht trösten, sie für Frust oder Wut vielleicht sogar schimpfen und bestrafen, statt ihnen zu zeigen, wie man mit diesen Gefühlen gut umgehen kann, lernen sie nicht, sich selbst zu regulieren. Solche unangenehmen Empfindungen bleiben dann auch im späteren Leben ein Problem, mit dem sie nicht umgehen können. Drogen können hier als Art Ersatz für fehlende Strategien im Umgang mit negativen Gefühlen gesehen werden.

Auch heute hält sich noch hartnäckig das Gerücht, man könnte Kinder verweichlichen, wenn man sie tröstet, sie beruhigt und auf ihre Gefühle eingeht. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Durch unsere Zuwendung lernen sie langfristig, sich selbst zu helfen und Angst, Wut oder Trauer nicht hilflos ausgeliefert zu sein. Deswegen ist es immer richtig, ein weinendes Kind zu trösten, ein ängstliches in den Arm zu nehmen, im Elternbett schlafen zu lassen oder in einer schwierigen Situation zu begleiten. Wut muss nicht bestraft werden, sondern nur begleitet – und zwar so, dass niemand zu schaden kommt.

All das muss natürlich nicht in jeder Situation perfekt umgesetzt werden, sondern nur oft genug gut genug. Es wird immer Situationen geben, in denen uns das weniger gelingt. Solange wir verstehen, dass es grundsätzlich wichtig ist, den Kindern im Umgang mit Gefühlen zu helfen und dass wir sie dadurch nicht verziehen oder verwöhnen, ist schon vieles erreicht.

2. Wertschätzung – du bist gut genug

In unserer Leistungsgesellschaft erwarten wir ziemlich viel von Kindern. Oft fühlen sich schon die Kleinsten eher dadurch beurteilt, was sie können und wie sie nach außen wirken als für das, was sie sind. Suchtprävention ist auch, hier einen Gegentrend zu setzen und den Kindern zu zeigen, dass sie wertvoll sind, ganz unabhängig davon, was sie irgendwo leisten. Kinder müssen von Anfang an erleben, dass sie gewollt und geliebt sind, dass wir ihnen zuhören, dass ihre Worte Gewicht haben und dass sie so sein dürfen, wie sie sind.

Das bedeutet nicht, dass sie der Welt auf der Nase herumtanzen würden, das Thema Grenzen ist ein anderes, sondern nur, dass nicht alle in ein bestimmtes Raster passen müssen und dass wir sie nicht mit unseren eigenen Ansprüchen überfrachten sollten. Stattdessen sollten wir neugierig auf sie bleiben und den Fokus immer wieder auf ihre Stärken legen. Kinder entwickeln so ein gutes Selbstwertgefühl – und das ist ein wichtiger Suchtpräventionsfaktor.

3. Sinnstiftende Lebensinhalte

Hobbys, Ehrenämter, das Eingebundensein in eine positiv erlebte Glaubensgemeinschaft oder einen Verein – all das können ebenfalls Resilienzfaktoren für unsere Kinder sein. Zum einen können sie so gute soziale Kontakte knüpfen und müssen nicht an schlechten Orten nach Anerkennung und Zugehörigkeit suchen. Zum anderen gibt die kontinuierliche Beschäftigung mit etwas, was man gernhat oder indem man vielleicht auch richtig gut ist, gerade in den schwierigen Umbruchjahren der Pubertät Halt und Stabilität.

Hier geht es darum, tatsächlich das Kind und seine Stärken und Vorlieben im Blick zu haben und uns nicht von dem leiten zu lassen, was wir uns vielleicht wünschen würden. Es nützt niemandem, den Klavierunterricht durchzuziehen, wenn das Kind lieber skaten oder zeichnen möchte. Nur eine Beschäftigung, die das Kind selbst gewählt hat, hat auch die Chance, langfristig in seinem Leben eine große Rolle zu spielen.

4. Jugendlichen eine offene Tür bieten

Alkohol, Zigaretten, echt komische Freunde und Musik mit grenzwertigen Texten – ab einem gewissen Alter kann es echt herausfordernd sein, Jugendliche ins Leben zu begleiten. Man möchte ihnen eigentlich ständig sagen, dass das, was sie tun, völlig daneben ist. Viele Eltern entscheiden sich in solchen Phasen dafür, solche Themen auszulagern – die Musik kannst du woanders hören, rauch halt, wir wollen es nur nicht sehen, deine Freunde triff bitte draußen, ich mag sie hier nicht und ich weiß, dass du Alkohol trinkst, aber hier ist das tabu.

Nun hat jede Familie andere Grenzen und niemand sollte seine Werte komplett über Bord werfen, wenn Jugendliche sich selbst austesten und sich dabei schwierig verhalten. Allerdings müssen wir bedenken, dass wir ihnen ab einem bestimmten Alter nicht mehr alles verbieten können – sie werden vieles trotzdem tun. Und gerade wenn wir quasi „wegschauen“ und Themen auslagern, treiben wir unsere Kinder in die Ecken, in denen wir sie eigentlich auf keinen Fall haben wollen. Wenn sich einen 16-jährige mit der Zigarette im Park verstecken muss, wird sie das vielleicht da tun, wo sich auch andere Menschen mit viel schlimmeren Suchtmitteln vor den Augen der Öffentlichkeit verbergen. Besser wäre hier, sich klar zu positionieren und zu sagen, dass man es nicht gut findet, dass sie raucht, aber es erst einmal als ihre persönliche Entscheidung akzeptiert.

Gerade an der kritischen Schwelle zwischen nicht mehr Kind und noch nicht Erwachsen brauchen junge Menschen einen Schutzraum und das kann nur ihr Zuhause sein. Sie müssen wissen, dass sie dort willkommen sind, sogar mit dem komischen Freund, der Musik, auch wenn die Eltern dabei tief durchatmen und mit den Augen rollen – und auch dann, wenn sie richtig Mist gebaut haben. Wenn wir diese Offenheit und diesen Schutzraum nicht bieten, werden sie ihn woanders suchen.

5. Kontrolle und Grenzen

Doch ganz ohne Grenzen werden wir nicht auskommen. Gerade bei jüngeren Teenagern können wir die Dinge nicht einfach laufen lassen. Die Versuchungen sind zu groß, die Tricks derer, die unsere Kinder zum Drogenmissbrauch verführen wollen, immer raffinierter. 13-, 14- oder 15-jährige dürfen sich nicht ohne unser Wissen überall da aufhalten, wo sie wollen. Es ist völlig in Ordnung, gewisse Orte komplett zu verbieten und feste Regeln – wie zum Beispiel Uhrzeiten, zu denen sie zu Hause sein müssen – aufzustellen. Gerade in diesem Alter sind Jugendliche nicht in der Lage die Konsequenz ihrer Handlungen in Gänze abzusehen. Es ist unsere Aufgabe, sie zu schützen. Schützende Verbote, das Intervenieren, wenn sie dabei sind, sich in Gefahr zu begeben und notfalls auch das frühzeitige Einholen von Hilfe von außen, wenn wir den Eindruck haben, etwas könnte richtig schieflaufen, können für sie lebenswichtig sein.

Ich glaube einer der größten Irrwege, auf dem wir uns gesellschaftlich zum Teil befinden, ist die Idee, Teenager könnten bereits allein die Verantwortung für sich übernehmen und wir seien schon bei 14- oder 15-jährigen „raus“. Nein, sind wir nicht. Im Gegenteil, wir sind gefragt wie nie, auch wenn sie nicht mehr ständig in unserer Nähe sein wollen. Es ist an uns, gerade in diesem Alter Begegnungsräume zu schaffen, unser Interesse an ihnen zu zeigen und Teil ihres Lebens zu bleiben!

Daniela Albert ist Autorin und Eltern- und Familienberaterin (familienberatung-albert.de). Sie bloggt unter: eltern-familie.de