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Was die Ehe schützt – Drei Lehren aus gescheiterten Beziehungen

Prinzipiell ist keine Ehe sicher davor, ins Wanken zu geraten. Was können wir tun, um die Ehe zu schützen? Paartherapeut Jörg Berger zieht Lehren aus gescheiterten Beziehungen und zeigt, was helfen kann.

Würden Menschen ein Haus bauen, wenn dabei jeder Dritte scheitern und das Haus mit Verlust verkaufen würde? Vermutlich nicht. Den meisten Menschen wäre das Risiko zu groß. Zum Glück ist unsere Risikobereitschaft größer, wenn es um die Ehe geht. Obwohl jede dritte Ehe zerbricht, gehen Menschen glücklich und hoffnungsvoll hinein. Vielleicht denkt man anfangs, die Menschen, deren Ehe nicht gelingt, seien irgendwie anders als man selbst. Doch die Lebenserfahrung zeigt: Es sind wunderbare Menschen, die auseinandergehen – nicht weniger reif und nicht weniger liebevoll als andere. Außenstehende erleben dann oft einen bangen Moment: Könnte uns das auch treffen? Jedes Ehepaar kann in eine kritische Situation geraten. Doch wir können von gescheiterten Paaren lernen. Denn im Nachhinein zeigt sich, was sie geschützt hätte.

Vertrauen, wenn es bedrohlich wird

Zehn Jahre lang waren Verena und Dirk glücklich miteinander. Dann erlebte Verena eine persönliche Krise, infolge derer es Verena wichtig war, selbstbewusster zu werden und ihr Leben stärker in die eigene Hand zu nehmen. Sie dachte, dass dies keine Auswirkungen auf ihre Ehe hätte. Doch sie hat eine Lawine in ihrer Beziehung losgetreten. Dirk fühlte sich übergangen und abgeschrieben. Erst bemühte sich Verena, ihm mehr Liebe zu zeigen und auf Dirks Gefühle einzugehen. Aber weil das wenig half, zog sie sich zurück. Konnte es sein, dass Dirk einbricht, nur weil sie ein wenig selbstbewusster geworden ist? Der Alltag funktionierte noch, aber das Glück und die Nähe waren weg. Sobald Verena ein falsches Wort sagte, war Dirk verletzt. Sie überlegte, auszuziehen.

Kann man sich vor solchen Entwicklungen schützen? Nein, leider nicht. Aber man kann eine Haltung einnehmen, die einen solchen Teufelskreis durchbricht. Es ist menschlich, dass wir dem anderen unser Vertrauen entziehen, wenn wir verletzt oder enttäuscht werden. Doch genau das setzt einen Teufelskreis in Bewegung. Diesen durchbricht man, indem man das Vertrauen erneuert. Für Verena könnte das so aussehen: „Für mich wirkt es so, als würde Dirk kindisch reagieren und als könnte er nur mit mir zusammen leben, wenn ich schwach bin. Doch so war Dirk doch eigentlich nie. Auch wenn ich seine Gefühle nicht verstehe, gibt es sicher einen Weg, wie er sich mit mir verbunden fühlen kann und ich trotzdem die Freiheit behalte, die mir gerade so guttut.“

Dirk könnte sein Vertrauen so aufrichten: „Es fühlt sich für mich zwar so an, als würde Verena unser gemeinsames Leben verraten und als wäre ihr die Selbstverwirklichung wichtiger als unsere Liebe. Aber eigentlich kann das nicht sein. Verena war nie selbstbezogen. Außerdem hat sie sich ja bemüht, auf meine Gefühle einzugehen, auch wenn mir das noch nichts gebracht hat. Wenn sie erst einmal versteht, wie es mir geht, was ich brauche und dass ich nichts Schlimmes von ihr verlange, können wir sicher einen gemeinsamen Weg finden. Sie ist bereit, mir zuzuhören, wenn ich ihr keine Vorwürfe mache.“

Natürlich sollte man prüfen, ob der Mensch, an den man sich binden möchte, vertrauenswürdig ist. Doch wenn man einem Menschen vertrauen kann und sich das durch das gemeinsame Leben bestätigt, muss man dem anderen das Vertrauen nie mehr entziehen. Dann sollen die Teufelskreise ruhig kommen. Selbst wenn nur einer das Vertrauen aufrecht hält, findet man wieder heraus.

Betrauern, was nicht möglich ist

Wieder ein schweigsames Sonntagsfrühstück. Irinas Mann liest etwas auf dem Smartphone. Sie betrachtet ihn. Plötzlich wird es ganz klar und ruhig in ihr: „Ich mag diesen Menschen nicht. Ich kann ihn nicht lieben, jedenfalls nicht als Ehefrau.“ Irina hatte ihren Mann schnell geheiratet. Sie engagierten sich damals in einer neu gegründeten Kirchengemeinde. Beide waren begeistert und haben viel mit Gott erlebt. Hatte sie das blind gemacht für die Frage, ob sie zueinander passen? Oder haben sie geglaubt, dass Gott alles gut macht, was schwierig ist? Irina kann sich heute nur schwer in ihr jüngeres Ich zurückversetzen.

Um zu verstehen, warum Ehen scheitern und was Ehen schützt, muss man manchmal auf die Partnerwahl zurückblicken. Denn die gelingt nicht immer. Befunde aus der Paarpsychologie legen nahe, dass knapp die Hälfte der Paare umfassend zufrieden mit ihrer Beziehung ist. Sie sagen: „Ich könnte nicht glücklicher sein, auch wenn bei uns natürlich nicht alles perfekt ist.“ Andere zweifeln in dunklen Stunden an ihrer Wahl. Sie sagen: „In manchen Bereichen passen wir gut zusammen, aber in anderen fehlt etwas so Wichtiges.“

Wie nicht jeder den perfekten Beruf oder die perfekte Wohnung findet, verliebt sich nicht jeder Mensch in eine Person, die umfassend passt. Viele Menschen entwickeln erst nach der Hochzeit die Reife, die erkennen lässt, wer man im Tiefsten ist und was man braucht. Doch niemandem würde man raten, deshalb mit der Partnerwahl zu warten, bis man 40 ist. Besser geht man ins Risiko. Mit diesem Risiko kann man einen Weg finden.

Meist kann man den Mangel bewältigen, bevor dadurch die Ehe zerbricht oder sich ein Verliebtsein außerhalb der Ehe entzündet. Dazu ist etwas nötig, das man in der Psychologie Trauerarbeit nennt. Vieles kann fehlen in einer Ehe: tiefere Gespräche, Berührungen, leidenschaftliche Sexualität, gemeinsame Interessen, emotionale Wärme. Wenn klar wird: Das Gegenüber kann das von der Persönlichkeit her nicht geben und möchte sich auch nicht auf eine Entwicklung einlassen, ist das wie ein Verlust, der existenziell erschüttert. Doch Menschen kommen selbst über schwere Verluste hinweg und werden wieder glücklich. Warum sollte das nicht auch funktionieren, wenn in der Ehe etwas fehlt? Doch die Trauer darüber verläuft ähnlich heftig. Sie beginnt, wenn man nicht mehr gegen den Mangel ankämpft, sondern ihn akzeptiert: „Das fehlt mir. Ich würde es so dringend für mein Glück brauchen. Doch ich werde es in meiner Liebesbeziehung nicht bekommen.“

Die Trauer darüber kann überwältigend sein. Man darf damit nicht allein bleiben. Man braucht gute Freunde und Begleiter, die einfach mit aushalten. Trauer verläuft in Wellen. Endlich glaubt man, allmählich damit klarzukommen, schon rollt eine neue Welle heran. Doch irgendwann wird eine Freude spürbar, ein neues Glück. Glaubende Menschen entdecken manchmal: „Genau da, wo mir menschlich etwas fehlt, ist meine Beziehung zu Gott inniger geworden. Hier ist jetzt Gott selbst mein Glück.“ Hätte es Irinas Ehe gerettet, wenn sie vor 15 Jahren getrauert hätte, statt weiter zu kämpfen und zu scheitern, statt weiter zu hoffen und enttäuscht zu sein? Vielleicht. Ihr Irren bei der Partnerwahl wiegt schwer, weil die Persönlichkeit ihres Mannes so wenig von dem abdeckt, was sie braucht. Es ist tragisch, wenn einem das erst im Nachhinein bewusst wird. Doch nicht immer liegt es an der Partnerwahl, wenn man das Gefühl hat: „Wir passen einfach nicht zusammen.“

Ein Fundament für die Ehe bauen, bevor die Stürme kommen

Heiko hat einen tiefen Glauben. Er hat seine Familie mitgezogen und Familienandachten eingeführt. Manchmal hat er die anderen moralisch unter Druck gesetzt. Denn Heiko hatte klare Vorstellungen, wie man als Christ lebt und wie nicht. Umso schockierender war es, dass ausgerechnet er fremdgegangen ist, zunächst heimlich und dann ganz offen. Wie passt das denn zu dem, was Heiko immer so ernsthaft vertreten hat? Doch Heiko hat seinen Glauben einfach an seine Gefühle angepasst: Man müsse auf das hören, was einem das Herz sagt. Gott wisse, dass Menschen scheitern, und er vergibt. Er möchte nicht, dass man in einer Ehe bleibt, die einem wie ein Gefängnis vorkommt. Das hätte Heiko so nie vertreten – bis die andere kam.

Kann man dem vorbeugen? Damit man nicht irgendwann von Gefühlen bestochen und seiner Überzeugung untreu wird? Ja, aber dazu braucht man eine Bindung, die wichtiger ist als das eigene Glück. Für mich persönlich sah das so aus: Ich habe als junger Erwachsener zum christlichen Glauben gefunden, der seither mein Leben prägt und mir mit der Bibel ein gutes Wertefundament gibt, die meine Entscheidungen leitet. Seit 30 Jahren habe ich deshalb Menschen, denen ich davon erzählen darf, wie sich mein Leben entwickelt. Sie helfen mir, auf dem Weg zu bleiben, den ich für mein Leben als richtig erkannt habe. Was sonst könnte mich halten, wenn ich einmal vor einem Abweg stehe?

Wenn mich jemand fragt, wie man eine Ehe aufbauen kann, würde ich daher antworten: „Überlege dir, was du tun möchtest, wenn die Stürme kommen, mit denen jeder rechnen muss: ein Fremdverliebtsein, eine emotional unerträgliche Situation oder auch eine Wüstenzeit, in der schöne Gefühle in der Beziehung fehlen. Und sorge jetzt dafür, dass du dann nach deinen Werten handeln wirst.“ Man kann sich gegenüber einem Freund oder einer anderen Vertrauensperson festlegen: „Wenn ich einmal in eine solche Situation gerate, möchte ich so damit umgehen. Erinnere mich dann bitte daran, frage nach, lass dich nicht abwimmeln.“

Wer glaubt, kann sich auch Gott gegenüber festlegen: „Ich werde mich dann eine Woche in die Stille zurückziehen, um zu hören, wie du mich weiter führen möchtest.“ Auch das ist keine Garantie für das Gelingen einer Ehe, aber es ist ein Fundament dafür, mit Krisen so umzugehen, wie es der eigenen Überzeugung entspricht. Ich habe schon viele Paare begleitet, für die genau das die Ehe gerettet und wieder glücklich gemacht hat.

Jörg Berger ist Psychotherapeut und Paartherapeut mit eigener Praxis in Heidelberg. Er ist mit Vorträgen, Büchern und Online-Kursen unterwegs, um Ehen zu stärken (psychotherapie-berger.de/family).

Als Ruth das Sorgerecht für ihren Sohn verliert, bricht für sie eine Welt zusammen

Ruth Krüger* und ihr Mann trennen sich, als ihr Sohn Pascal* vier Jahre alt ist. Beim Kampf ums Sorgerecht herrscht Krieg.

Als die Ehe von Ruth Krüger* [Alle Namen geändert] und ihrem Mann zerbrach, waren beide zu jeweils 75 Prozent berufstätig. Allerdings war es überwiegend die Mutter, die sich um Pascal kümmerte: ihn zur Kita brachte und abholte, mit ihm zum Kinderarzt ging … Für Ruth war deshalb klar, dass ihr Sohn nach der Trennung bei ihr leben würde. Doch kurz nach der Trennung kündigte sein Vater an, „bis aufs Blut“ dafür zu kämpfen, dass sein Sohn bei ihm wohnt. Nach einem halben Jahr beantragte er das alleinige Sorgerecht für Pascal. Das Jugendamt stellte aber fest: Beide Eltern sind erziehungsfähig. Wo sollte das Kind also hin?

Pascals großer Wunsch: Beim Vater leben

Die Sache nahm eine unerwartete Wendung, als der vierjährige Pascal äußerte, er wolle mit der Familienrichterin sprechen. Daraufhin lud sie ihn und seinen Vater zum Gespräch ein. Darin stellte sie Pascal die Frage: „Wenn eine gute Fee kommen würde, was wären deine drei Wünsche?“ Pascal antwortete: „Den Weltfrieden, dass ich immer Computer spielen kann und dass ich bei meinem Vater leben kann.“ Damit war die Sache für die Richterin klar. Zu dieser Zeit – kurz nach der Kindschaftsrechtsreform 1998 – gab es gerade den Trend, beim Sorgerecht auch den Willen von kleinen Kindern zu berücksichtigen. Deshalb entschied die Richterin, dass Pascal für vier Wochen hauptsächlich bei seinem Vater leben sollte. Danach könne noch einmal neu entschieden werden.

„Doch im Grunde war das Thema damit entschieden“, erinnert sich Ruth Krüger. „Es wurden Tatsachen geschaffen.“ Als die vier Wochen um waren, war es kurz vor Weihnachten. Die Richterin schlug vor, dass Pascal bis zur endgültigen Entscheidung bei seinem Vater bleiben sollte. Ruth Krüger willigte schweren Herzens ein. Es fiel ihr nicht leicht, Pascal nur einen Nachmittag mit Übernachtung pro Woche und alle 14 Tage am Wochenende zu sehen.

Sohn leidet unter dem Sorgerecht-Verfahren

Dass Pascal sich damals dafür entschieden hat, bei seinem Papa zu wohnen, erklärt sich Ruth Krüger damit, dass er sich der Tragweite seiner Entscheidung nicht bewusst war. Immerhin war er erst vier. „Er dachte, mit der Entscheidung, bei seinem Papa zu leben, hätte er mehr Zeit mit ihm. Und die Zeit, die er mit mir hätte, würde so bleiben. Er konnte das nicht absehen, dass viele Sachen, die er mit mir hatte, wegfallen würden.“

Gegen die Entscheidung des Gerichts hätte Ruth Krüger Einspruch erheben können. Aber das wollte sie nicht: „Ich habe gesehen, wie sehr mein Sohn unter dem Verfahren gelitten hat. Ich habe darauf verzichtet, um ihn zu schonen.“ Gut ging es ihr damit nicht: „Mein Kind hat mir gefehlt“, bekennt sie.

Spekulationen: „Das hat mich sehr verletzt“

Als Pascal in der Schule war, drängte sein Vater darauf, den Mama-Nachmittag plus Übernachtung aufzugeben, und setzte das auch gegen Ruth Krügers Willen gerichtlich durch. Sie litt darunter, dass es häufig als Makel angesehen wird, wenn ein Kind nach der Trennung nicht bei der Mutter lebt. „Ich bin offen damit umgegangen und habe das auf der Arbeit und in meiner Gemeinde erzählt.“ Die meisten Menschen aus ihrem Umfeld gingen gut damit um. „Aber einmal hat eine Kollegin gesagt: ‚Na, das wird schon seinen Grund haben, warum dein Sohn bei seinem Vater lebt.‘ Das hat mich sehr verletzt“, gibt Ruth Krüger zu. Und sie kritisiert: „Wenn das Kind überwiegend bei der Mutter lebt, überlegt niemand, warum das so ist. Aber wenn es beim Vater lebt, wird spekuliert, was wohl der Grund ist.“

Inzwischen ist Pascal erwachsen. Mutter und Sohn haben sich offen ausgetauscht. Und Ruth Krüger musste feststellen, dass Pascal manches anders erlebt hat als sie: „Er meint, wir beide hätten ein distanziertes Verhältnis gehabt. Das habe ich nicht so wahrgenommen. Ich habe einen Jungen abgeholt, der sich gefreut hat, dass ich ihn abhole und der unsere gemeinsame Zeit genießt. Ich hatte auch den Eindruck, dass er emotional etwas nachholen muss, weil er meine körperliche Nähe gesucht und viel mit mir gekuschelt hat. Aber er hat das anders wahrgenommen.“

Drei Monate ohne das eigene Kind

Pascal hat seiner Mutter inzwischen erzählt, dass sein Vater ihm verboten hatte, über die Mutter zu reden. Außerdem wurden Päckchen, die Ruth ihrem Sohn schickte, vom Vater schlechtgemacht. Und er verhinderte immer stärker den Kontakt zur Mutter. „Als Pascal elfeinhalb war, habe ich ihn schließlich nur noch in den Ferien bei mir gehabt. Da gab es dann auch schon mal drei Monate, in denen ich ihn gar nicht sehen konnte.“

Ruth Krüger hätte vielleicht durch weitere Verfahren vor dem Familiengericht etwas an der Situation ändern können. Aber sie wollte ihrem Sohn diesen Druck nicht zumuten. „Pascal sieht es inzwischen auch so, dass er ganz schön viel zu tragen hatte. Er hat eigentlich alles mit sich selbst abgemacht. In vielen Dingen konnte er sich mir gegenüber nicht öffnen, weil sein Vater ihm verboten hatte, Dinge aus dessen neuer Familie zu erzählen. Und auch seinem Vater gegenüber konnte Pascal sich nicht wirklich öffnen. Daran hat er heute noch zu tragen“, stellt Ruth Krüger fest.

Kontakt zum Vater abgebrochen

Heute hat sie ein gutes Verhältnis zu ihrem Sohn: „Mit erwachsenen Kindern ist es ja so, dass man sich oft lange nicht sieht. Aber wenn wir uns sehen, dann ist es sehr schön, sehr vertraut.“ Zu seinem Vater hat Pascal nur noch wenig Kontakt. Dass er sich damals dazu entschieden hat, bei seinem Vater zu leben, verursacht ihm noch heute ein schlechtes Gewissen.

Die Frage, ob sie mit ihrem Ex-Mann ein grundsätzliches Gespräch über diese ganze Situation habe führen können, verneint Ruth Krüger. „Das ist nicht möglich. Er hat den Kontakt zu mir komplett abgebrochen.“ Aber sie möchte ihre Geschichte erzählen, um anderen Eltern in Trennungssituationen deutlich zu machen: „Vergesst nie, dass ihr euer ganzes Leben lang Eltern bleibt, auch wenn ihr euch als Paar trennt! Versucht, euren Kindern gemeinsam Eltern zu sein und gemeinsam Entscheidungen für sie zu treffen. Denkt an eure Kinder und nicht an euch und euer vermeintliches Lebensglück!“

Bettina Wendland ist Redaktionsleiterin von Family und FamilyNEXT. Sie lebt mit ihrer Familie in Bochum.

Mutter unsicher: „Ist es okay, wenn wir uns vor den Kindern streiten?“ – Das sagt die Expertin

Schadet es den Kindern, wenn sie den Streit der Eltern mitbekommen? Nicht unbedingt, sagt Erziehungswissenschaftlerin Daniela Albert.

„Mein Mann und ich streiten uns ab und zu, mal mehr, mal weniger. Neulich hat es am Familientisch so richtig zwischen uns gekracht, und ich frage mich: Ist es okay, wenn man sich vor den Kindern streitet, oder sollte man das besser tun, wenn die Kinder nicht mit dabei sind?“

Es ist ein guter Grundgedanke, nicht vor den Kindern zu streiten. Streit zwischen den Eltern kann bei Kindern zu Verunsicherung führen. Wenn ihre beiden wichtigsten Menschen sich vor ihnen in die Haare bekommen, kommen sie selbst oft in einen Loyalitätskonflikt. Sie haben beide Elternteile lieb und wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen, wenn diese gerade sauer aufeinander sind oder heftig diskutieren.

Dazu kommt, dass Elternstreit bei Kindern auch zu Ängsten führen kann. Gerade wenn diese schon alt genug sind und vielleicht schon einmal mitbekommen haben, dass Erwachsene sich getrennt haben, können sie fürchten, dass das ihren Eltern nun auch passiert. Es gibt also auf den ersten Blick gute Gründe, Streit vor den Kindern zu vermeiden.

Streiten – aber mit Regeln

Tatsächlich gehen hier jedoch in den meisten Familien Wunsch und Realität weit auseinander. Und das ist auch gar nicht so schlimm, wenn man ein paar Regeln beachtet. Wichtig ist, eine Streitkultur zu pflegen, in der kein Elternteil das andere abwertet, wissentlich kränkt oder beleidigt. Wir Menschen sind unterschiedlich impulsiv und folglich streiten manche Paare lautstärker und gefühlsgeladener als andere.

Bis zu einem gewissen Maß darf das so sein, denn unsere Kinder dürfen auch unsere Temperamente kennenlernen. Doch gerade wenn man von sich weiß, dass man zu sehr starken Gefühlsausbrüchen neigt, ist es wichtig, im Beisein der Kinder rechtzeitig die Reißleine zu ziehen und beispielsweise zum Durchatmen den Raum zu verlassen. Wenn Fragen zu tief gehen, für Sie als Eltern zu emotional besetzt sind oder schwere Themen betreffen, sollte eine Diskussion tatsächlich vertagt werden und nicht vor den Kindern stattfinden.

Streit kann lehrreich sein

Wenn wir so vor unseren Kindern streiten, können diese am Ende sogar etwas dabei lernen. Sie bekommen von Anfang an mit, dass Menschen verschiedener Meinung sein können, ja sogar einmal richtig in Konflikt miteinander geraten und sich trotzdem noch liebhaben. Sie können sehen, dass Meinungsverschiedenheiten keinen Beziehungsabbruch bedeuten müssen und nichts Bedrohliches sind. Sie können so selbst lernen, für sich einzustehen und keine Konflikte zu scheuen.

Doch das Wichtigste, was sie von uns lernen können, ist, sich nach dem Streit wieder zu vertragen. Generell halte ich viel davon, sich Dinge nicht lange nachzutragen und sie schnellstmöglich zu klären. Wie wäre es mit einer für die Kinder sichtbaren Versöhnung, sobald der Essenstisch abgeräumt und das Streitthema geklärt ist? Falls es einmal nicht so schnell gehen kann, finde ich es wichtig, den Kindern hinterher zumindest zu erzählen, dass der Streit geklärt ist und man sich wieder vertragen hat.

Daniela Albert ist Erziehungswissenschaftlerin und Eltern– und Familienberaterin (familienberatung-albert.de). Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Kaufungen bei Kassel und bloggt unter eltern-familie.de. 

Zusammen zum Abiball?

„Wir Eltern sind getrennt und haben jeweils neue Partner. Ist es passend, wenn wir beim Abiball unserer Tochter alle zusammen an einem Tisch sitzen?“

Ob es sinnvoll ist, den Abiball gemeinsam an einem Tisch mit der ganzen Familie zu erleben, hängt in erster Linie davon ab, ob ein entspannter und konfliktarmer Umgang untereinander möglich ist. Und das hängt wiederum von Ihrer persönlichen Vorgeschichte ab. In der Regel gehen Kinder und Jugendliche, die die Trennung ihrer Eltern erlebt haben, durch eine schwere Krise. Nun ein Familienleben mit Stiefeltern gestalten müssen, stellt für alle eine weitere Herausforderung dar. Fremde Menschen mit einer unbekannten Geschichte gehören plötzlich zur Familie. Rollen müssen neu definiert werden. Und sind Geschwister da, muss jeder seinen neuen Platz in der Familie finden. Die Frage ist, wie Sie als Familie diese Herausforderung schon gemeistert haben und wie die Beziehungen untereinander aussehen.

BEDÜRFNISSE WAHRNEHMEN

Damit das Familienleben gelingen kann, müssen sowohl die leiblichen Eltern als auch die Stiefeltern die Befürchtungen und Ängste ihrer Kinder ernst nehmen. Merken Jugendliche, dass sich ihnen auch die Stiefeltern mit echten Interesse zuwenden und ihre Bedürfnisse wahrnehmen, ist eine gute Grundlage dafür geschaff en, dass sich der Jugendliche öffnet. Dabei sollten sich Eltern bewusst sein, dass Jugendliche Zeit brauchen, sich an die neue Familiensituation zu gewöhnen. Hier dürfen Stiefkinder nicht überfordert werden. Das Zusammenleben mit neuen Partnern erfordert auch, dass sich Eltern und Stiefeltern mit ihren eigenen Gefühlen auseinandersetzen: „Wie sieht die Beziehung zu meiner neuen Tochter, meinem neuen Sohn aus? Wie sind meine Gefühle gegenüber meinem Ex-Mann und seiner neuen Partnerin?“ Ein reflektierter Umgang mit sich selbst ist eine wichtige Voraussetzung für ein gelingendes, neues Familienleben. Denn letztlich tragen die Erwachsenen die Verantwortung dafür, gute Beziehungen untereinander aufzubauen.

OFFENE KONFLIKTE?

Sind die Beziehungen (noch) belastet, stellt sich die Frage, ob die beteiligten Erwachsenen ihre eigenen Befindlichkeiten so zurückstellen können, dass ein gemeinsamer Abend trotzdem von einem guten Miteinander geprägt sein kann. Wenn ja, spricht nichts dagegen, den Abend gemeinsam zu erleben. Sind dagegen noch offene Konflikte und Verletzungen im Raum, die jederzeit aufbrechen können, ist die Gefahr groß, dass die Situation eskaliert und der Abiball ihrer Tochter zu einem Fiasko gerät. Dann ist es sicherlich ratsam, an getrennten Tischen zu feiern. Bei all den Überlegungen sollten Sie aber zuallererst Ihre Tochter danach fragen, was ihr Wunsch für den Tag ist. Beim Abiball Ihrer Tochter geht es um ihren Schulabschluss. Sie ist der Mittelpunkt des Tages und sollte als erwachsene junge Frau unbedingt entscheiden können, wie sie ihr Abitur feiern möchte. Auf keinen Fall sollte die Entscheidung über ihren Kopf hinweg getroffen werden. Nur im Gespräch mit Ihrer Tochter – und möglichst auch mit den anderen Beteiligten – kann eine gute Lösung gefunden werden.

 

Sonja Brocksieper ist Diplom-Pädagogin. Sie lebt mit ihrer Familie in Remscheid und ist Mitarbeiterin bei Team.F und Redakteurin bei SevenEleven. www.sonja-brocksieper.de

„Kinderängste sind kein Kinderkram!“

Wenn die Angst eines Kindes überhandnimmt, sollten Eltern abklären lassen, ob es sich um eine Angststörung handelt. Immerhin leiden zehn Prozent aller Kinder und Jugendlichen darunter. Verena Pflug ist Kinder- und Jugendlichen-Psychologin und leitet die KibA-Studie „Kinder bewältigen Angst“ an der Ruhr-Universität Bochum.

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Wenn sich Freunde scheiden lassen

Wie kann man Freunden, die sich trennen, gerade in dieser schweren Zeit beistehen? Was hilft ihnen, was hilft nicht? Jörg Berger über echte Unterstützung in schwierigen Zeiten.

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