„Gaga“ im Kopf
Eine Frage ist Elisabeth Vollmer besonders wichtig geworden.
„Sie müssen nicht erschrecken, wenn Ihre Tochter beim Aufwachen ziemlich desorientiert ist. Der Medikamentencocktail, den sie gekriegt hat, lässt die Kinder beim Aufwachen manchmal ziemlich gaga wirken. Aber das geht vorbei.“ Glücklicherweise hatte mich der Anästhesist mit diesen Worten auf Tabeas Zustand vorbereitet. Aber selbst damit war es noch gruselig genug, meine 14-jährige taffe Teenagertochter so desorientiert zu erleben – „gaga“ traf es ziemlich gut. Neben all dem mehr oder weniger sinnlosen Geblubber, das sie dabei äußerte, kam eine Frage ungefähr alle zwei Minuten klar und deutlich: „Mama, bist du da?“ – und wurde von mir selbstverständlich und liebevoll in gleicher Häufigkeit positiv beantwortet.
Der Zustand ging wie prognostiziert vorbei. Das Ganze ist schon eine Weile her, und eigentlich hatte ich es fast vergessen. Bis ich neulich nachts im Bett lag. Unüberblickbare Problemberge in unterschiedlichen Lebensfeldern, Überforderung, Frust, Chaos in Herz und Kopf – ziemlich „gaga“ lag ich wach. Da kam mir dieser Satz von Tabea in den Sinn: „Mama, bist du da?“ Davon ausgehend formte sich die Frage an Gott: „Du fürsorglicher, liebevoll kümmernder Mama-Papa-Gott, bist du da?“
Und auch wenn ich keine Antwort hörte, so war mir doch das Bild Gottes, der an meinem Bett steht, meine Hand hält und mir zusagt, dass er da ist, plötzlich tröstend nahe. So breitete ich mein ganzes Chaos Stück für Stück aus – immer wieder mit der Frage: „Bist du da – auch in dieser Chaosfacette?“ Und obwohl ich in dieser Nacht in keiner einzigen Problemlage eine Lösung gefunden habe, so hat es mir doch gut getan, mich zu vergewissern, dass Gott in all dem da ist und ich konnte – nach einiger Zeit – einschlafen.
Das hat mir so geholfen, dass ich es seitdem immer wieder übe. Nicht nur nachts, sondern auch sonst. Manchmal eher nebenbei im Alltag oder auch ganz bewusst in einer Pause, die ich mir gönne. Ich schaue mir mein Leben an und vergewissere mich, dass Gott in allem mit mir ist. Nicht nur, wenn ich ziemlich gaga, sondern auch wenn ich grade über etwas oder jemanden froh und dankbar bin.
Diese schlichte, kleine Übung tut mir gut, entlastet mich und ist mir in letzter Zeit zu einer Tankstelle geworden. Und während ich darüber nachdenke, warum das so ist – schließlich habe ich für die meisten Probleme noch immer keine Lösung gefunden! – fällt mir ein, dass Gott sich in der Begegnung mit Mose am Dornbusch „Jahwe“ nennt, was auch als „Der ich bin da“ übersetzt wird. Die Erfahrung ist also nicht neu. Auch wenn bei mir nicht der Dornbusch brennt. Gott weiß, dass wir ihn brauchen. Er weiß auch, dass es uns guttut, zu wissen, dass er da ist. Er vergewissert es uns so gerne, dass er für uns da ist, dass er es sich sogar in den Namen geschrieben hat. Und so frage ich weiter, immer wieder: „Bist du da?“ Und ich vertraue, dass er antwortet. Immer wieder, selbstverständlich und liebevoll: „Ja! Ich bin da!“
Elisabeth Vollmer ist Religionspädagogin und lebt mit ihrer Familie in Merzhausen bei Freiburg.