Radieschen-Mäuse und Gurken-Gesichter

„Gesunde Ernährung und eine harmonische Tischgemeinschaft sind uns wichtig. Mein vierjähriger Sohn war immer ein unkomplizierter Esser, aber in den letzten Wochen verweigert er viele Speisen. Unsere Mahlzeiten werden zum Kampfplatz. Was kann ich tun?

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Kleine Gesten, große Wirkung

Leopold, sitz gerade!“ – „Gib die gute Hand und lächle beim Gruß!“ – „Nein, nein, die Gabel links, das Messer rechts.“ – „Wenn Erwachsene reden, hast du zu schweigen.“ – „Heb deine Füße beim Laufen!“ „Sirena, würdest du mich bitte nicht hauen, wenn ich telefoniere?“ – „Du magst nicht grüßen? Bist du so schüchtern?“ – „Oje, die Kartoffeln sollten auf dem Teller bleiben. Guck mal, der ganze Tisch ist vollgeschmiert. Ach so, du spielst nur.“ – „Ich finde, du solltest dich für das Geschenk bedanken, meinst du nicht auch?“ Wir wollen unsere Kinder weder dressieren wie Leopold noch zügellos dahinleben lassen wie Sirena. Doch wie bringen wir ihnen gute Umgangsformen bei?

Üben, üben, üben …

Höflichkeit, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit sind Voraussetzung für ein harmonisches Miteinander. Selbst die kleinen Wörter wie Bitte, Danke, Guten Tag und Auf Wiedersehen stecken einen Bereich ab, in dem Kinder in ihrer Persönlichkeit heranreifen können. Die kleinen Wörter und die freundlichen Gesten haben es in sich, denn sie müssen immer wieder (oft über Jahre) geübt werden. Und das ist bei dem hohen Tempo unseres Alltags schwierig. Eher verlieren wir uns in verbalen Ausführungen. Wir mutieren zu Erklär-Eltern und diskutieren mit den Kleinen Alltäglichkeiten aus.

Wir rechtfertigen uns, warum das Kind nicht tut, was es tun sollte, denn wir spüren die Missbilligung unseres Gegenübers. Hier tut Mut gut: „Ja, meine Tochter will nicht grüßen, aber wir üben es.“ – „Ich mag es auch nicht, wenn mein Sohn immer dazwischenquatscht, aber wir üben es.“ Kinder sind schlau, wild, entzückend, frech, brav, egoistisch, lustig – und Eltern müssen sie ständig (möglichst mit innerer Ruhe) anleiten, korrigieren und ermutigen. Die „kleinen“ Wörter und Gesten sind Puzzleteile in der Entwicklung zu einer reifen Persönlichkeit.

Sabberkrümel

Die täglichen Mahlzeiten sind für viele Familien Oasen, weil sie Raum für Gespräche schaffen. Das geht aber nur, wenn sich nicht um die dickste Wurst gekloppt wird und nicht bei jedem Wort Sabberkrümel über den Tisch fliegen. In Momenten, wo uns das Einüben von guten Umgangsformen nervtötend erscheint, hilft der Gedanke, dass es Kräfte spart, wenn Selbstverständlichkeiten nicht diskutiert werden müssen.

Unsere Kinder dürfen unsere Erwartungen spüren und erfahren, wie Höflichkeit unser Zusammenleben bereichert. Wir wollen keine knicksenden Marionetten oder grüßende Roboter. Unsere Forderungen dürfen auch keine Grenzen überschreiten. Onkel Otto muss nicht geküsst werden. Und die Schüssel mit Rosenkohl muss nicht leer gegessen werden (aber: „Zwei Röschen probierst du“). Wir sind mehr als nur Erklär-Eltern, die ihre Kinder in die Leistungsfähigkeit lotsen. Wir sind Eltern, die von unserem Schöpfer mit einer einzigartigen Intuition ausgestattet wurden. Elternschaft ist Gottes Idee, und er gibt uns das richtige Gespür für eine liebevolle und konsequente Erziehung. Wir möchten, dass unsere Kinder aufrecht und umsichtig durchs Leben gehen, dass sie Spuren der Warmherzigkeit hinterlassen. Wissen wir doch, wie gut sie tun, die kleinen Wörter und Gesten – eine aufgehaltene Tür, ein freundlicher Blick oder ein erleichtertes Dankeschön. Und ich ende mit einem herzlichen „Grüß Gott“ aus München.

Über die Autorin: Susanne Ospelkaus ist Ergotherapeutin. Sie lebt mit ihrer Familie in Zorneding bei München

 

Weg vom Rockzipfel!

Wie Kinder lernen, allein zu spielen

Simon liebt es, wenn sich seine Mutter Marlies mit ihm beschäftigt. Am liebsten den ganzen Tag. Für ihn ist es das Größte, wenn die Mutter mit ihm auf dem Fußboden liegt und mit ihm gemeinsam Autos herumschiebt oder tolle Legoburgen baut. Kaum steht sie jedoch auf, um sich mit etwas anderem zu beschäftigen, ist Simon sofort mit dabei und hängt ihr buchstäblich am Rockzipfel.

Anfangs hat Marlies es sehr genossen, dass Simon auf Schritt und Tritt „bemuttert“ werden wollte. Inzwischen häufen sich jedoch die Tage, an denen sie sich regelrecht genervt fühlt. Stöhnend stellt sie sich immer öfter die Frage: „Wie lernt mein Kind, allein zu spielen?“ Aber dann überfällt sie sofort ein schlechtes Gewissen, denn schließlich will sie eine „gute Mutter“ sein und sich liebevoll um ihr Kind kümmern. Allerdings ist es völlig überflüssig, dass sie ein schlechtes Gewissen hat, denn Kinder dürfen und müssen auch alleine spielen. Doch welche „Tricks“ gibt es, damit Kinder lernen, sich selbst zu beschäftigen?

1. Geben Sie Ihrem Kind Sicherheit!

Simon braucht die Geborgenheit, die ihm die Nähe der Mutter vermittelt. Wenn Marlies das Zimmer verlässt, hat er unbewusste Verlustängste. Darum hilft es Ihrem Kind, wenn Sie in Sichtweite bleiben. Wenn Sie beispielsweise im Wohnzimmer einen Brief schreiben, wird es gerne in Ihrer Nähe alleine spielen.

2. Geben Sie feste Spielzeiten vor!

Wenn Sie den Tagesablauf strukturieren und feste Zeiten für das gemeinsame Spiel einplanen, kann sich Ihr Kind darauf einstellen. Erklären Sie ihm, dass es eine Zeit gibt, in der Sie gerne mit ihm zusammen spielen, aber dass Sie auch Zeit brauchen, um anderes zu tun. Wenn Ihr Kind zu Ihnen kommt und spielen möchte, obwohl Sie nicht dazu bereit sind, hilft es, wenn Sie einen Wecker stellen und Ihrem Kind versprechen: „Sobald der Wecker schellt, habe ich Zeit für dich. Bitte gedulde dich solange.“

3. Beobachten Sie Ihr Kind!

Manchmal spielt Simon völlig hingebungsvoll und versunken. Wenn Marlies ihren Sohn allein mit seinen Bausteinen sieht, tut er ihr leid und sie denkt manchmal, sie müsste sich zu ihm setzen und ihm zeigen, wie er die nächsten Steine verbauen sollte. Richtig ist es jedoch, ihn nicht zu stören. Simon muss selbst ausprobieren. So lernt er, mit dem Material umzugehen und zudem sich selbst zu beschäftigen.

4. Trauen Sie Ihrem Kind etwas zu!

Schon ab ungefähr zwei Jahren kann Ihr Kind rund dreißig Minuten alleine spielen. Kindergartenkinder sind also durchaus in der Lage, sich selbst zu beschäftigen. Eine andauernde Unterhaltung durch die Mutter wirkt dabei eher kontraproduktiv.

5. Schaffen Sie die richtige Spielumgebung!

Um sich selbst beschäftigen zu können, braucht Ihr Kind die entsprechende Anregung. Das heißt aber nicht, dass Ihr Kind mit Spielzeug überflutet werden sollte. Es benötigt kreatives Spielmaterial wie Bausteine, Puppen und Autos. Aber auch Kastanien und Tannenzapfen zählen dazu, und aus alten Kartons können herrliche Häuser gebaut werden. Die richtige Spielumgebung fördert die Kreativität Ihres Kindes. Spielmaterial kann auch draußen gesammelt werden. Steine, Federn und Blätter regen die kindliche Fantasie zur Genüge an.

Auch Marlies erkennt allmählich, dass Simon alleine spielen lernen kann. Inzwischen weiß sie, dass eine gewisse innere Sicherheit, das nötige Selbstbewusstsein und ein Klecks Kreativität dafür sorgen, dass Kinder im Vorschulalter gerne und mit Ausdauer alleine spielen.

Zur Autorin: Ingrid Neufeld ist Erzieherin und Mutter von drei inzwischen erwachsenen Töchtern. Sie lebt in Mittelfranken.

Mücke oder Elefant?

Was im Alltag wirklich wichtig ist

„Wie gut, dass Kinder keine Kuscheltiere sind, die immer nur nett und brav dasitzen, sondern dass sie ihren Willen trainieren und sich mitteilen.“ – Wie oft habe ich diesen Satz wiederholt, wenn Rieky ihr Eis erst in der Hand schmelzen lassen wollte, bevor sie es schlecken konnte. Oder wenn Tarik nicht in sein Bett wollte, „weil jemand seinen Duft weggeschnuppert hat“. Zwischen Routine und Dauerkopfschütteln hatte dann jemand einen Tipp für mich: „Elefant oder Mücke? Entscheide du!“

Ein Elefant ist groß und schwer. Es dauert seine Zeit, bis er seinen Platz verlässt. Was sind Elefantenthemen? Welche Dinge sind mir so wichtig und wertvoll, dass ich sie begleiten und vertiefen möchte, auch wenn es mühsam ist? Eins dieser Elefantenthemen für mich ist das Essen am Tisch. Es ist ein großes Thema, und dafür möchte ich mehrmals täglich trainieren. Und es ist mir den Dauer(ein)satz wert: „Ich möchte mit dir am Tisch sitzen, wenn wir essen!“ Der vorsichtige Umgang mit Spielzeug ist auch so ein Bereich: Für mich erscheint innerlich der Elefant, wenn jemand auf seinen Legosteinen herumläuft oder Bücher achtlos wegwirft. Da reagiere ich deutlich und lasse die Bücher wegräumen.

Wieso geht das nicht?

Und die Mücken? Klingen fast wie „Macken“: Nori, die im Feuerwehranzug den Tag verbringt (und dabei sehr, sehr schwitzt), Antonia, die sich zehnmal umzieht, Silas, der sich eine sehr laute Kreissäge zum Spielen ausdenkt. Im Kindergartenalter hat jedes Kind wechselnde oder begleitende Schrulligkeiten. Sie helfen ihm, der sich stark verändernden Welt und all den neuen Eindrücken die Stirn zu bieten. Der erwachsene Ruf „Das geht doch nicht!“, darf bei Mückenthemen hinterfragt werden. Wieso geht das nicht? Wen stört es, wenn Tinus eine 1A-Baustelle im Garten buddelt? Die Nachbarn, dieeigene innere Ordnung? Wieso darf Lennard nicht einmal in der Wocheseine Gemütlichkeitshose anziehen? Wieso darf Klara nicht sagen, wenn sie nicht mit Dennis spielen will? Da machen wir Eltern schnell aus der Mücke einen Elefanten. Dabei lassen sich oft gute Kompromisse schließen. Nori darf zum Beispiel ihren Anzug gerne zu Hause tragen – wenn sie rausgeht, zieht sie sich um. Eine klare Absprache!

Freundlich in Gummistiefeln

Ich habe viel Kraft beim Erziehen verloren, weil ich dachte, jede kleine Mücke höchstpersönlich verscheuchen zu müssen. Dafür sorgen zu „müssen“, dass meine Kinder nicht schrullig wirken. Irgendwann beim Beobachten der Lebenswirklichkeit der drei Experten habe ich dann gespürt: Wie schön, sie sind speziell, sie sind sie selbst. Unsere Aufgabe als Eltern dabei ist, die Elefanten im Blick zu behalten. Freundlich zu anderen zu sein, geht auch in unpassenden Gummistiefeln.

Eltern sind aufgefordert, miteinander im Austausch zu bleiben: Ist es eine Mücke, dass unsere Tochter so viel allein spielt? Darf unser Kind Gemüse verweigern? Wenn dieses Thema groß wie ein Elefant ist, sollten wir es aktiv und kreativ angehen: zum Beispiel indem wir weiter vielfältig Gemüse essen und an einigen Tagen die süßen Kekse weglassen. Vielleicht machen Sie in den nächsten Tagen ja mal ein Spiel daraus: Schreiben Sie zehn Situationen auf, und diskutieren Sie gemeinsam: Elefant oder Mücke? Bei uns gibt es diesen Dialog auch heute noch.

Stefanie Diekmann ist Diplom-Pädagogin und arbeitet im Gemeindejugendwerk Südwest, um Mitarbeiter für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen auszubilden. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Ingelheim am Rhein.

„Was hast du denn da?“

Warum Doktorspiele wichtig sind

Viele Eltern sind verunsichert oder auch peinlich berührt, wenn sie sehen, dass sich ihre Kinder ausziehen und mit ihren eigenen Geschlechtsorganen oder denen der Freunde spielen. Sollen wir jetzt eingreifen? Sollen wir das verbieten oder einfach nur weggucken? – Das sind Fragen, die Eltern in solchen Situationen durch den Kopf gehen.

Jeder Junge und jedes Mädchen ist von Anfang an eine sexuelle Persönlichkeit. Deshalb ist es ganz natürlich, dass ein Kind seinen Körper und damit auch seine Geschlechtsorgane wahrnimmt und erforscht. Kinder sind neugierig, berühren sich selbst an Penis oder Scheide und können schon früh angenehme Gefühle wahrnehmen. Allerdings sind das Lustempfinden, wie es Erwachsene erleben, und das Schamgefühl noch nicht entwickelt.

Neugier und Wissensdurst

Im Kindergartenalter wächst die Neugier und viele Kinder untersuchen nicht mehr nur sich selbst, sondern entdecken, dass der Freund oder die Freundin ganz anders aussieht und beziehen den anderen in ihr Spiel ein. In Rollenspielen, den so genannten Doktorspielen, werden dann die Unterschiede und Gemeinsamkeiten untersucht. Genau wie bei den Arztbesuchen im realen Leben ziehen sich die Kinder aus, verbinden sich, geben sich Spritzen und beziehen auch die Geschlechtsorgane ein. Diese Spiele dienen dazu, dass sich Kinder Wissen über ihr eigenes und das andere Geschlecht aneignen und festigen. In der Regel verliert sich das Interesse, wenn der Wissensdurst gestillt ist. Kommen Eltern ins Kinderzimmer und sehen, dass sich die Kinder gegenseitig untersuchen, sollten sie gelassen reagieren. Mit den Worten: „Oh, ihr habt euch ja ausgezogen. Was spielt ihr denn?“, kann man kurz auf das Doktorspiel eingehen, ohne ihm aber viel Bedeutung beizumessen. Anschließend kann man die Aufmerksamkeit auf eine andere Aktivität lenken, indem man zum Beispiel ein Gesellschaftsspiel miteinander spielt. Auf diese Weise erleben Kinder, dass das Erforschen des anderen Geschlechtes nichts Verbotenes ist, aber auch keine Aktivität, die im Speziellen gefördert und bestärkt wird. Vielleicht können Vater oder Mutter darauf hinweisen, dass sie nun ja wissen, wie der Freund oder die Freundin aussieht und dass sie beim nächsten Mal die Unterhose anlassen können.

Wichtige Regeln

Reagieren Eltern erschrocken und emotional und verbieten das Spiel, kann das für Kinder verwirrend und unverständlich sein und vielleicht sogar zu unangemessenen Schuldgefühlen führen. Eltern sollten dieses Verhalten ihrer Kinder also nicht grundlegend unterbinden, aber auf die Einhaltung folgender Regeln achten:

  • Jedes Kind bestimmt selbst, mit wem es Doktorspiele spielen möchte.
  • Jedes Kind bestimmt selbst, wo es berührt werden möchte oder nicht.
  • Keiner darf dem anderen wehtun.
  • Keiner darf dem anderen einen Gegenstand in Po, Scheide, Penis, Mund, Nase oder Ohr stecken.
  • Doktorspiele finden nur unter Gleichaltrigen statt.
  • Doktorspiele finden in einem geschützten Rahmen und nicht in der Öffentlichkeit statt.
  • Es werden keine Fotos gemacht. (Viele Kinder haben heute Spiel-Digitalkameras in ihren Kinderzimmern.)

Um Kinder vor Missbrauch zu schützen, sollten Eltern mit ihren Kindern im Gespräch über Sexualität sein. Hilfreich ist es, gemeinsam gute Kinderbücher zur Aufklärung anzusehen. Auf diese Weise können neugierige Fragen beantwortet werden. Herrscht in der Familie eine offene Atmosphäre und ist Sexualität kein Tabuthema, lernen Kinder einen entspannten und verantwortungsvollen Umgang mit ihrem eigenen Körper.

Sonja Brocksieper ist Diplom-Pädagogin und lebt mit ihrer Familie in Remscheid.

Illustration: Thees Carstens

 

 

Elefant mit Blaubeeren

Wenn Kinder kreativ sind

Max hat einen blauen Elefanten mit grauem Rüssel gemalt, der aus einem pinken Eimer Blaubeeren isst. Stolz präsentiert er sein Bild. Seine ältere Schwester spricht das aus, was Sie jetzt vielleicht denken: Ein Elefant sei weder blau noch blau-grau und Blaubeeren esse er auch nicht. Max’ Schultern sacken bei jedem Wort seiner Schwester ein bisschen tiefer.

An einem anderen Tag bastelt Max ein Osternest – und das im Mai. Eigentlich sollte er doch etwas Schönes für Omas Geburtstag basteln. Und sonntags dauert es eine halbe Stunde, bis Max endlich alle Utensilien zum Basteln  zusammengesucht hat. Doch dann hat er nach sieben Minuten keine Lust mehr.

Max ist kreativ, er lässt seine Fantasie spielen, probiert aus, erfindet Neues. Er erreicht das eigentliche Ziel vom Kreativsein – den Weg dorthin. Das Ergebnis ist nur ein Ausdruck des Weges.

Eltern sind nur Assistenten

Wenn Ihr Kind etwas malt oder bastelt, fragen Sie: „Wie bist du auf diese Idee gekommen?“ Max hat sich zum Beispiel überlegt, dass der Elefant von den vielen Blaubeeren ganz blau geworden ist. Das ist kindliche Fantasie. Sie können ehrlich und anerkennend darauf reagieren: „Das ist aber eine lustige Idee von dir. Ich mag die grauen Elefanten wie im Zoo aber auch gerne.“

Über das Osternest hatte sich die Oma an Ostern so sehr gefreut und das soll sie am Geburtstag schließlich auch, denkt Max, der gerade so viel Spaß dabei hat, bunte Eier zu bemalen. Kreativität bietet Kindern vielfältige Möglichkeiten, das zu verarbeiten, was sie beschäftigt. Geben nicht Sie Ihrem Kind das Thema vor, lassen Sie sich es selbst wählen.

Kinder entscheiden auch, wann ihr kreatives Tun anfängt, unterbrochen wird oder aufhört. Bieten Sie Anreize durch Materialien und Ideen: „Vielleicht hält es mit Klebeband fester …“. Stellen Sie Zeit und Raum zur Verfügung und begleiten Sie als Assistent: „Ich halte dir die Pappe fest – damit du das kleben kannst.“

Wecken Sie die Vorstellungskraft Ihres Kindes, indem Sie ihm nicht zum Beispiel die Schablone von einer Ente geben, sondern mit ihm überlegen: „Wie sieht eine Ente aus? Was hat sie am ganzen Körper?“ Begegnen Sie Ihrem Kind mit Alternativen, ehrlichen Erklärungen und Kompromissen, wenn es an Grenzen stößt: „Du darfst dir fünf Streifen Klebeband abmachen, mehr leider nicht, weil es sehr teuer ist.“ Oder: „Lass mich für dich ein Loch mit dem Messer in den Karton schneiden, mit der Schere ist es zu gefährlich.“

Loben Sie Ihr Kind, zeigen Sie echte Anerkennung: „Du hast dir sehr viel Mühe gegeben, die Ente gefällt mir sehr gut.“

Frisuren für die Strichmännchen

Aber wie reagieren, wenn Ihr Kind ein weißes Papier nimmt, drei Strichmännchen draufkritzelt und sich dafür ein Lob abholen will? Reagieren Sie positiv auf das Gezeigte und motivieren Sie: „Ich finde, die Männchen könnten noch Frisuren gebrauchen. Und frieren die nicht – so ganz ohne Kleidung?“

Kreativität zu fördern, verlangt viel Muße und Geduld, beschert uns aber auch viel Freude, Faszination und Bewunderung der kreativen Wege und Werke unserer Kinder. Und sie ist eine unvergleichbare Möglichkeit, Kinder in all ihren Entwicklungsbereichen herauszufordern, dadurch zu fördern und blaubeeressende Elefanten kennenzulernen!

Juliane Schmitz ist Erzieherin sowie Erziehungs- und Entwicklungsberaterin. Sie arbeitet in einer evangelischen Kindertagesstätte in Köln.

Illustration: Thees Carstens

„Papa, erzähl mal!“

Geschichten erfinden und frei erzählen

Kinder lieben Geschichten. Sie können nicht genug davon bekommen. Besonders toll ist es, wenn Eltern selbst Geschichten ausdenken und frei erzählen. Doch vielen Eltern fällt das schwer. Dabei kann es ganz einfach sein:

Fantasie hat keine Grenzen

Fangen Sie klein an. Suchen Sie sich eine kurze Vorlesegeschichte aus und lesen Sie sie Ihrem Kind immer wieder vor. Bald können Sie sie selbst auswendig und frei erzählen. Nach einiger Zeit werden Sie selbst Ideen für neue Geschichten entwickeln. Waren Sie zusammen im Zoo? Lässt sich Ihr Kind nicht gern die Haare kämmen? Liebt es Geschichten mit bestimmten Themen wie Prinzessinnen, Tiere, Autos? Schon haben Sie einen Aufhänger für Ihre eigenen Geschichten. In den Geschichten können Tiere sprechen, Gegenstände auch, der Kobold reitet auf einer Nadel, die Kuh hat Schnupfen, die einzige Blume auf einer Wiese fühlt sich einsam …

Es gibt viele Möglichkeiten, fantasievolle und märchenhafte Geschichten zu erfinden. Hier einige Anregungen:

  • Verpacken Sie Erziehungsziele in Geschichten: Erfinden Sie eine Zahnputz- oder Waschgeschichte oder eine Geschichte rund ums Haare kämmen, die neue Brille oder das Fahrradfahren.
  • Erzählen Sie vorgelesene Geschichten weiter oder erfinden Sie ein neues Ende.
  • Spielen Sie bekannte Geschichten mit Spielzeug oder Handpuppen nach.
  • Erwachsene erzählen gern aus ihrer Kindheit oder von ihrer Arbeit. Daraus können Sie neue Geschichten entwickeln.
  • Schauen Sie Fotoalben an und erzählen Sie die Begebenheiten dazu.
  • Malen oder kleben Sie Bilder, zum Beispiel, indem Sie aus alten Katalogen oder Werbeblättchen Motive ausschneiden und zu Collagen kleben. Erzählen Sie dazu eine Geschichte.
  • Geschichtenmemory: Suchen Sie ein paar Karten aus dem Memory-Spiel aus und erzählen Sie damit eine Geschichte – einmal das Elternteil, einmal das Kind.

Die richtige Atmosphäre

Schaffen Sie eine gemütliche und ruhige Atmosphäre für das Erzählen: Fernseher und Musik aus, vielleicht eine Kuscheldecke auf dem Sofa oder eine speziell eingerichtete Ecke mit Schmusetieren. Manchmal ist Ihr Kind unruhig und muss erst einmal entspannen. Nehmen Sie ein Glöckchen oder eine Triangel und läuten Ihre gemütliche „Stunde“ ein. Schließen Sie gemeinsam die Augen und stellen sich etwas vor. Sagen sie einen Lieblingsreim Ihres Kindes auf oder singen Sie etwas Beruhigendes. So fällt es beiden Beteiligten leichter, sich auf die Reise in die Welt der Geschichten einzustimmen.

Das Geschichtenerzählen dient wie das Vorlesen der Vorbereitung auf das spätere eigene Lesen. Aber es erfüllt noch viele andere Funktionen. Kinder lieben es, Zeit mit ihren Eltern zu verbringen. Das gemeinsame Erlebnis stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl. Solche gemeinsamen Zeiten erhöhen auch die Bereitschaft Ihres Kindes, von sich und seinen Gefühlen zu erzählen.

Ich möchte Ihnen Mut machen, das „altmodische“ Geschichtenerzählen in Ihrer Familie zu praktizieren. Sicher können nicht alle Eltern alles vermitteln. Ich wusste auch nicht, wie ich meiner Tochter das Schwimmen beibringen sollte und wir haben einen Schwimmkurs gebucht. Wenn Ihnen das Geschichtenerzählen gar nicht liegt, nutzen Sie Ihre anderen Begabungen, um etwas mit dem Kind zu machen: basteln, singen, backen, gärtnern … Da liegen die Talente und Ideen in jeder Familie anders. Und vielleicht haben die Oma oder der Patenonkel ja Spaß am Geschichtenerzählen.

Maren Niedernhöfer lebt mit ihrer Familie in Bad Wildungen und hat ihrer inzwischen acht Jahre alten Tochter seit dem Kleinkindalter selbst erdachte Geschichten erzählt und aufgeschrieben. Außerdem arbeitet sie ehrenamtlich als Büchereileiterin in einem Kindergarten.

Illustration: Thees Carstens