„Der Erfolg der Impfungen: Wir kennen die Krankheit nicht mehr.“

Diphtherie oder Kinderlähmung sind nicht mehr präsent. Trotzdem werden Kinder dagegen geimpft. Ist das sinnvoll? Und welche Risiken bestehen beim Impfen? Ein Interview mit Dr. Thomas Schmitz, Oberarzt und Dozent an der Berliner Charité.

Herr Dr. Schmitz, warum ist Impfen so ein polarisierendes Thema?
Es geht um unsere Kinder, und wir alle wollen das Beste für sie. Deswegen ist es ein sehr emotionales Thema. Und wenn es um Expertenwissen geht, ist es manchmal schwierig, den Überblick zu behalten: Auf welche Expertenmeinungen kann man sich verlassen? Es ist natürlich gut, kritisch zu sein. Denn es gibt ja leider viele selbsterklärte Experten, denen man nicht folgen sollte.

Aber woran erkenne ich einen vertrauenswürdigen Experten? 
Es müssen Leute sein, die sich seit langem mit dem Thema befassen, die sich damit auskennen und Spezialwissen erworben haben. Und die Expertenmeinung muss unabhängig sein. Bei der Ständigen Impfkommission des Robert-Koch-Instituts, der STIKO, wird mittlerweile sehr darauf geachtet, dass die Mitglieder der Kommission unabhängig von Pharmafirmen sind. Das gilt auch für die Eidgenössische Kommission für Impffragen, die EKIF, und für das Nationale Impfgremium in Österreich. Das ist auch ein Ergebnis der Skepsis in der Bevölkerung.

Die Skepsis rührt ja daher, dass man immer wieder von Impfschäden hört. Wie sicher sind Impfungen?
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind einen gravierenden, bleibenden Schaden davonträgt, ist extrem gering. Das Paul-Ehrlich-Institut hat den Auftrag, potenziellen Impfschäden nachzugehen. Aber wenn man sich von den vielen tausend Meldungen, die es im Jahr gibt, die einzelnen anguckt, bleiben am Ende nur sehr wenig Fälle übrig. Es gibt etwa einen gravierenden Impfschaden bei ein bis zwei Millionen Impfungen. Natürlich ist jeder Fall tragisch und sollte vermieden werden. Aber alles, was wir tun, hat immer Vor- und Nachteile, Wirkung und Nebenwirkung. Wenn wir nicht impfen, wissen wir genau, was die Nebenwirkungen des Nicht-Impfens sein werden. Ein Rückfall in die desaströsen Verhältnisse der Vergangenheit – Infektionskrankheiten, die wir gar nicht mehr kennen, kehren zurück. Das ist ja der Erfolg der Impfungen: Wir wissen gar nicht mehr, wie schlimm Infektionskrankheiten wirklich sind. Wenn man in bestimmte Regionen nach Afrika geht, fällt sofort auf, wie hoch die Sterblichkeit von Kindern ist, die solchen Krankheiten ausgesetzt sind.

Bakterien gibt es überall

Aber wenn es manche Krankheiten bei uns nicht mehr gibt, wie Diphtherie, Tetanus oder Kinderlähmung, warum soll ich mein Kind dagegen impfen lassen?
Bei Diphtherie oder Tetanus ist die Erkrankungswahrscheinlichkeit gar nicht so gering, wenn man nicht geimpft ist. In Russland und anderen Ländern Osteuropas gibt es immer wieder Epidemien. Und sowohl Diphtherie als auch Tetanus kann man beim Spielen im Schmutz erwerben. Die Bakterien gibt es überall. Und es sind gefährliche Erkrankungen, an denen man sterben kann. Wir erleben das deswegen nicht, weil trotz Impfskepsis gegen diese Krankheiten häufig geimpft wird. Ohne Impfungen würden diese Krankheiten schnell zurückkehren. Was die Kinderlähmung, Polio, betrifft: Es gibt diese Krankheit nur noch in Pakistan und Afghanistan. Aber es gibt ja nicht wenig Menschen, die nach Afghanistan reisen – als Geschäftsreisende, Politiker oder Soldaten. So lange Polio nicht völlig vom Globus verschwunden ist, würde ich diese Impfung beibehalten.

Impfkritiker sprechen davon, dass Impfungen das Allergie-Risiko erhöhen. Gibt es da einen Zusammenhang?
Es gibt einen Zusammenhang von Allergien und dem westlichen oder industrialisierten Lebensstil. Da können Sie jetzt als Faktoren aber auch den Verzehr von Zitrusfrüchten nehmen oder die Häufigkeit von Kaiserschnitten, das sind alles Marker für eine Lebensweise. Aber es gibt keine seriöse Studie, die zeigt, dass das Impfen als alleinige Ursache Allergien gehäuft vorkommen lässt. In Ostdeutschland haben Allergien nach der Wiedervereinigung zugenommen, während die Impfquoten zurückgingen.

Kein Autismus durch Impfungen

Seit Jahren hält sich der Verdacht, Impfungen würden Autismus auslösen. Das ist mittlerweile aber widerlegt, oder?
Ja. Es ist schon sehr erstaunlich, dass sich das immer weiter hält mit dem Autismus. Das ist eine Geschichte, die ganz klar und eindeutig widerlegt wurde. Der Arzt, der das behauptet hat, hat seine Lizenz verloren, ist verklagt worden und hat die Prozesse verloren, weil er seine Daten manipuliert hat. Er war ein Betrüger, dem die Welt viel zu lange aufgesessen ist. Es hat fast zehn Jahre gedauert, bis das Gegenteil bewiesen wurde: Impfungen verursachen keinen Autismus.

Manche Impfgegner behaupten auch, dass ungeimpfte Kinder grundsätzlich gesünder seien als geimpfte Kinder. Was sagen Sie dazu?
Ich kenne keine Studie, die diese Behauptung aufrechterhalten kann. Diejenigen, die sich aktuell nicht impfen lassen, verlassen sich natürlich auf den Schutz durch andere. Wenn man nur wenige hat, die sich nicht impfen lassen, sind sie trotzdem mit geschützt. Und man muss sich mal anschauen: Wer ist das, der sich nicht impfen lässt? Das sind meist wohlhabende, gebildete Menschen. Weil deren Kinder meist behüteter, gesünder aufwachsen als Kinder aus ärmeren Familien, sind diese Kinder vielleicht tatsächlich gesünder. Aber das hat nichts ursächlich mit dem Nicht-Impfen zu tun.

Viele sehen den Einsatz von Aluminium als Verstärker der Immunreaktion kritisch. Wie ist das einzuschätzen?
Es ist in klinischen Studien widerlegt worden, dass Impfungen durch die Zugabe von Aluminiumverbindungen eine schädigende Wirkung haben. Außerdem nehmen wir über die Nahrung und die Umwelt Aluminiummengen auf, die weit über dem liegen, was durch Impfungen aufgenommen wird.

Es gibt Nebenwirkungen

Sie haben ja vorhin erklärt, dass es gravierende Impfschäden nur sehr selten gibt. Nebenwirkungen sind aber schon häufig, oder?
Ja, es gibt nicht erwünschte Wirkungen: Das Kind fühlt sich ein paar Tage kränklich. Es kann sein, dass der Arm schmerzt oder das Bein, wo die Einstichstelle war. Diese nicht erwünschten Wirkungen, das ist Teil des Trainingseffekts des Immunsystems. Gerade die Impfungen mit abgetöteten Erregern lassen ein Kind nicht erkranken, sie enthalten ja quasi nur den Fingerabdruck des Erregers, der das Immunsystem trainieren lässt. Dieses Training ist, wie jedes andere körperliche Training auch, mit einer gewissen Anstrengung verbunden. Aber das Training bewirkt, dass das Kind danach immun ist.

Junge Eltern sind manchmal erschlagen davon, was laut Impfplan alles geimpft werden soll. Gerade angesichts der Mehrfachimpfungen fragt man sich: Ist das nicht zu viel für so ein kleines Kind?
Das ist eine ganz und gar richtige Überlegung, und die ist auch im Impfplan berücksichtigt. Sie dürfen beispielsweise eine Lebendimpfung nicht in den ersten Monaten geben, sondern frühestens ab dem elften Lebensmonat. Denn diese Lebendimpfungen brauchen ein viel stärkeres Immunsystem, als ein Neugeborenes es hat. Die Impfungen mit Totimpfstoffen dagegen sind viel harmloser, daran kann das Kind nicht erkranken. Und man weiß, dass es gut und sinnvoll ist, wenn man diese Impfungen dreimal im ersten Lebenshalbjahr verabreicht.

Windpocken-Impfung ja oder nein?

Bei den Windpocken wird in Deutschland die Impfung schon für kleine Kinder empfohlen, in der Schweiz aber nicht. Muss ich mein Kind in Deutschland unbedingt impfen lassen? So schlimm sind die Windpocken ja nicht, oder?
Genau, das Kind hat ein paar Tage hoch Fieber, es muss sich kratzen und hat ein Krankheitsgefühl, aber etwas wirklich Schlimmes passiert nicht. Die Komplikationsrate bei Windpocken ist sehr gering, wenn man gesund ist. Aber jemand, der HIV oder einen angeborenen Immundefekt hat oder der Leukämie überstanden hat, ist in hohem Maße gefährdet, wenn er Windpocken bekommt. Diese Menschen schützt man darüber.

Dann könnte ich mir aber die Frage stellen, warum ich das meinem Kind zumute, nur damit irgendwer anders geschützt ist.
Die Frage ist: Ist es eine so große Zumutung, die Windpocken mit der Dreifachimpfung gegen Masern, Mumps und Röteln einfach mitzuimpfen? Ich glaube nicht, dass es eine Zumutung ist. Die ganze Bevölkerung profitiert davon, und es ist ja kein extra Nadelstich dafür nötig. Und: Wer gegen Windpocken geimpft ist, erkrankt im Alter nicht an Gürtelrose.

Was raten Sie Eltern, die unsicher sind, welche Impfungen sie bei ihrem Kind machen lassen sollen?
Ich treffe immer wieder auf solche Eltern, aber es sind gar nicht so viele. Es gibt nur wenig Impfgegner, aber die sind oft sehr laut, gerade im Internet. Wenn ich auf verunsicherte Eltern treffe, erkläre ich zuerst die Erkrankung, gegen die geimpft werden soll und wie es in Ländern aussieht, wo es diese Impfungen nicht gibt. Wenn sie sich diese Auswirkungen von Infektionskrankheiten vor Augen führen, sind eigentlich fast alle Eltern dabei. Der Erfolg der Impfungen ist, dass wir die Krankheiten nicht mehr kennen. Deswegen vergessen wir, warum wir sie eigentlich machen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Nicht länger in einem Nest

Wenn die Kinder ausziehen, verändert sich das gesamte Familiengefüge. Christiane Lötter möchte dazu ermutigen, die Beziehungen neu zu gestalten.

Sind die Kinder klein und die Eltern zusammen, ist es einfach: Man ist Familie – so oder so. Der Auszug der Kinder bedeutet, dass Bewegung in die Familie kommt. Nichts ist mehr, wie es vorher war, so sehr mancher auch versucht, das Alte festzuhalten. Das, was bisher gut lief, wird auf den Prüfstand gestellt: Trägt es uns oder müssen wir neu gestalten? Halten wir anstehende Veränderungen aus? Wie gehen wir damit um, wenn wir loslassen müssen und es doch gar nicht wollen? Schnell fallen uns jede Menge wundervolle Ereignisse ein: Was haben wir nicht alles angestellt, unternommen und gefeiert? Wie viel Aufregungen und Abenteuer haben wir zusammen erlebt?

Furcht vor dem Neuen

Wenn unsere Kinder uns verlassen, fahren die Gefühle häufig Achterbahn zwischen „Endlich mehr Freiraum für uns!“ und „Wird es ihnen auch gut gehen?“. Die Kinder selbst gehen voller Enthusiasmus und Abenteuerlust. Wenn wir Glück haben, zeigen sie uns, dass sie sich auch ein wenig vor dem Neuen fürchten. Manch eine Mutter oder ein Vater fühlt sich vielleicht verletzt, weil sie uns scheinbar so leicht und selbstverständlich verlassen.

Studium, Partys, neue Freunde

Aber unsere Kinder erleben, was jedem Ende innewohnt: Abschied, Verlust und Loslassen. Sie zeigen das oft nicht, weil sie uns beschützen wollen. Und weil sie uns zeigen wollen, dass sie es schaffen, und weil die Aussicht auf ein neues, eigenes Leben alles überstrahlt. Deshalb erzählen sie nichts von Heimweh und Niederlagen. Das tun sie frühestens, wenn sie es überwunden haben. Sie erzählen uns von Ausbildung, Studium, Partys, neuen coolen Freunden und wie toll alles ist. Und das machen sie richtig, denn es geht uns nichts an, wie sie ihr Leben gestalten. Bleibt die Frage, ob wir auch in ein verändertes Leben gehen. Ob wir eigene Träume, die wir bisher zurückgestellt haben, verwirklichen und mit der Kraft, die aus unserer Familiengeschichte gewachsen ist, neue Wege beschreiten.

Was das Herz sagt

Wie soll nun aber unser neues Familienleben aussehen? Vieles hängt davon ab, wie unsere Kommunikation bisher ablief. Haben wir viel miteinander gesprochen? War die Atmosphäre von Vertrauen und Offenheit geprägt? Welche Typen sind wir? Wir können unsere Traditionen pflegen oder Neues ausprobieren. Reden wir mit unseren Familienmitgliedern darüber. Hören wir auf das, was der andere meint und auf das, was unser Herz sagt.

Natürlich können wir unseren Kindern davon erzählen, dass wir mit dem Abnabeln Schwierigkeiten haben, dass wir sie vermissen, dass wir das Beste für sie wollen und sie uns wichtig sind. Sie durch unsere Augen schauen zu lassen, zeigt ihnen, dass wir sie ernst nehmen. Und dann sind wir auch schon mittendrin in der Gestaltung.

Plötzlich frei

Die räumliche Entfernung bedeutet nicht gleichzeitig eine innere Distanz. Für Eltern kann es sehr befreiend sein, wenn ihnen eines Tages aufgeht: Wir haben zwar nicht mehr so viel Einfluss auf unser Kind, aber wir sind auch freier, weil wir keine Verantwortung für sein Handeln mehr haben. Eine Botschaft an die Kinder kann sein: „Wir sind immer für dich da, wenn du uns brauchst. Aber in den Zeiten, in denen du uns nicht brauchst, sorgen wir für uns.“

Kein Mausoleum

Gestalter des Familienlebens sind nicht nur die Eltern, auch die Kinder sind herausgefordert, daran mitzuwirken. Mama muss nicht jedes Mal ein vollkommenes Menü auf den Tisch zaubern. Kinder können ihr Bettzeug mitbringen, sie müssen nicht bei jedem Besuch ein Chaos hinterlassen. Die alten Kinderzimmer dürfen einer neuen Bestimmung übergeben werden. Sie sind kein Mausoleum, dass die Kindheit für immer aufbewahrt.

Wir dürfen sorgfältig prüfen, was bleiben kann und was gehen muss. Wir haben die Erlaubnis, für das Neue Platz zu schaffen, innerlich und äußerlich. Das Tempo bestimmen wir selbst. Gestaltung bezieht sich sehr auf die nicht greifbaren Dinge. Es kann hilfreich sein, das mit Praktischem sichtbar zu machen. Beide, die Nestflüchtlinge und die Zurückgebliebenen, sind herausgefordert, ihren Platz zu finden in diesem Familienkonstrukt.

Distanz halten, Nähe finden

Immer wieder berichten Eltern, dass es gut war, auf Distanz zu gehen, weil der Blick auf die Kinder nun freier war und die alltäglichen Reibereien aufgehört haben. Stattdessen sei nun Platz für lockere und für ernste Gespräche. Die gemeinsame Zeit werde als echte Gemeinschaft erlebt und nicht zwischen anderen Verpflichtungen eingeschoben.

Alte neue Gewohnheiten

Kinder erzählen häufig, dass sie selbst Gewohnheiten entwickeln, die sie früher im Elternhaus abgelehnt haben, inzwischen jedoch als praktisch empfinden. Es war gar nicht so schlecht, was die Eltern alles so gemacht haben. Wenn wir es schaffen, solche Offenbarungen nicht mit Genugtuung, sondern mit einem warmen Lächeln zu beantworten, haben wir sehr viel gewonnen.

Mit einer gewissen Distanz kann man auch beginnen, das anzusprechen, was nicht gut gelaufen ist oder wo es noch Klärungsbedarf gibt. Hier ist es wichtig, behutsam vorzugehen und herauszufinden, ob Gesprächsbereitschaft besteht. Wir dürfen uns den Raum schaffen für das Lachen über die tollen Erinnerungen und auch für Entschuldigungen, wo wir versagt haben. Es entsteht so auch die Möglichkeit, Missverständnisse aufzuklären.

Gute und schlechte Erinnerungen

Manches mag auch schockieren. Es kommt vor, das unsere Kinder über Erlebnisse berichten und wir denken: „War ich dabei? Daran erinnere ich mich gar nicht.“ Neben negativen tauchen auch viele gute Erfahrungen auf, wie oft wir die Kinder beschützt, versorgt und geliebt haben und wie sehr sie das in dem Moment auch gebraucht haben.

Zu hohe Maßstäbe

Solche Rückblicke und Erinnerungen dienen dazu, die Gemeinsamkeiten zu benennen und festzustellen, was uns verbindet und was uns trennt. Wir entscheiden als Familie, wie wir mit Verbindendem und Trennendem umgehen. Nicht alles muss jetzt und sofort geklärt werden, Kreativität ist gefragt.

Wir können das nicht? Das sind zu hohe Maßstäbe? Häufig schauen wir auf andere Familien, in denen alles scheinbar perfekt läuft. Beruflich und privat scheint alles im Lot. Sind wir uns bewusst, dass andere oft nur die Sonnenseiten zeigen? Da bleiben die, bei denen nicht alles rund läuft, schnell auf der Strecke. Merken wir, wie viel Stress das erzeugt? Sich davon zu distanzieren und bei sich selbst zu bleiben, ist gar nicht so einfach. Wichtig ist: Wir sind Familie, und wir sind genau richtig. Hier wird nach unseren Regeln gespielt, und nur wir dürfen diese Spielregeln hinterfragen oder ändern. Andere haben da nichts verloren.

Das Familien-Mobile

Das Mobile kommt mir in den Sinn: Wenn einer sich bewegt, bewegt sich das Ganze. Es schwankt eine Weile und balanciert sich neu aus. Manchmal hängt sich auch noch ein neues Element an, dann muss sich alles neu einpendeln. Vielleicht haben wir noch alte Bilder in unserem Herzen. Aber jetzt leben wir in einer neuen Situation.

Gestaltung bedeutet, das Neue anzunehmen und es aktiv mitzugestalten, damit es gelingt. Unser Familienmobile kann auch äußeren Veränderungen ausgesetzt sein. Dann müssen alle zusammenhalten, um die Balance wieder herzustellen. Bewegung von innen darf stattfinden. Jeder einzelne entscheidet, wie er sich bewegt. Familiengestaltung ermöglicht uns, uns in einem sicheren Rahmen auch dann noch zu entfalten, wenn die Kinder ausgezogen sind. Wir haben die Erlaubnis, Bewährtes zu behalten und Neues auszuprobieren. Was für ein Gewinn!

Christiane Lötter arbeitet als Familienberaterin und Coach und lebt in der Nähe von Osnabrück. Sie hat zwei erwachsene Kinder.

„Das hat mir die Augen geöffnet“

Vier Ratschläge, die ihr erfahrene Eltern gegeben haben, begleiten Corinna Lang bis heute.

1. „DAS IST NUR EINE PHASE.“

Eltern kennen diesen Ausspruch unter Garantie. Egal, ob das Kind zahnt, trotzt oder den Schlaf verweigert, schnell wird die Phrase mit der Phase gezückt, meistens von anderen. Aber wie abgedroschen es uns auch vorkommen mag – der Satz kann in manchen Situationen trotzdem Trost spenden und das nötige Durchhaltevermögen fördern. Die Voraussetzung dafür ist, dass der Aussprechende ihn auch so meint und nicht als Synonym für „Stell dich nicht so an!“ verwendet. Und der Zuhörer muss dem Inhalt dieses Satzes auch eine Chance geben. Irgendwann ist es vorbei, die wenige Wochen alte Tochter wird nicht jeden Abend durchbrüllen, weil sie so den Tag verarbeiten muss. Und der zweijährige Sohn wird auch nicht sein Leben lang das Anziehen der Jacke verweigern oder für ihn völlig unmögliche Aufgaben, „selberleine“ erledigen wollen, wie er es formuliert. Es geht vorbei. Mit manchen Phasen kommen wir besser zurecht als mit anderen. Manche überfordern uns scheinbar maßlos und scheinen kein Ende zu nehmen. Deshalb müssen wir uns das Phasenende manchmal zusagen lassen. Das Gute ist: In jeder Phase ist auch eine Menge Spaß dabei. Und ab und zu gibt es sogar Entspannungsphasen.

2. „DU MUSST NICHT SOFORT ALLES WISSEN.“

Meine beste Freundin hatte schon Kinder, ich noch nicht. Ich beobachtete sie dabei, wie sie ihre Kinder badete. Und plötzlich tauchten all diese Fragen in meinem Kopf auf. „Woher weiß sie eigentlich immer, was die Kinder brauchen? Was essen die? Wieviel? Wie oft? Wie wickelt man? Was braucht man eigentlich alles, wenn man Kinder hat?“ Ich fühlte mich überwältigt. Eine von diesen Fragen formulierte ich laut. Und bekam eine sehr beruhigende Antwort, die besonders für familienplanende Paare eine echte Entlastung sein kann: Man muss gar nicht alles auf einmal wissen. Wenn man das Kind auf die Welt gebracht hat, kümmert man sich zuerst nur um das, was das Kind in diesem Lebensabschnitt braucht. Das wird einem auch erklärt, wenn man es noch nicht weiß. Bei den ersten Wickelversuchen muss ich mir noch keine Gedanken darum machen, was eigentlich in einen Schulranzen gehört. Mein Wissen wächst mit meinen Kindern und bisher habe ich alle Informationen immer rechtzeitig bekommen. Hebammen, Kinderärzte, Familie und Freunde haben uns immer weitergeholfen, wenn wir Fragen hatten. Von daher – keine Panik, wir wachsen mit.

3. „DU SETZT DICH JETZT HIN UND ISST!“

Klingt nicht nach einem typischen Ratschlag für Eltern. Mein Vater hat diesen Ausspruch getätigt, als unsere Tochter ein paar Monate alt war. Ich war einige Tage bei meinen Eltern zu Besuch, weil mein Mann dienstlich unterwegs war. Ich stand in der Küche und sah aus wie ein Gespenst – blass und gar nicht so richtig anwesend. Was war passiert? Ich hatte mich von unserer Tochter ordentlich durch die Gegend scheuchen lassen. Sie hat gebrüllt – ich bin gerannt. Mit Stillhütchen, Flasche, Tragehilfe, Schnuller – was auch immer mir gerade als Problemlöser erschien. Nur löste sich das Problem nie langfristig. Es kehrte keine Ruhe ein, zumindest nicht über einen längeren Zeitraum. Meine Eltern bemerkten natürlich, dass ich die Situation nicht so richtig unter Kontrolle hatte. Als mein Vater dann diesen Satz zu mir sagte: „Du setzt dich jetzt hin und isst!“, erinnerte er mich damit daran, dass ich mich nicht selbst vergessen darf. Keinem Kind ist mit einer Gespenst-Mutter geholfen. Ich setzte mich hin und aß. Sammelte Kraft. Ließ mir versichern, dass das Kind jetzt so oder so geschrien hätte. Danach ging es mir besser, und ich konnte die Situation besser bewältigen. Von daher kann ich diesen Rat weiterempfehlen: Wenn ihr alles, was euch nötig erscheint, probiert habt, setzt euch erst einmal hin und esst.

4. „WENN DU KINDER HAST, BRAUCHST DU JESUS JEDEN TAG.“

Kurz nach der Geburt unserer Tochter besuchte uns eine Freundin mit ihrem Mann. Als wir uns über die Herausforderungen unterhielten, die das Elternsein mit sich bringt, sagte sie sehr liebevoll zu mir: „Wenn du Kinder hast, brauchst du Jesus jeden Tag.“ An diesen Satz denke ich heute, fünf Jahre später, noch oft. Wie recht sie doch hatte! Allein schon die Geburt kann das Erlebnis eines Kontrollverlustes sein. Danach kommen die bereits erwähnten Entwicklungsphasen der Kinder, die alle etwas Schönes mit sich bringen, aber oft auch viel von uns fordern. Wir versuchen, Kinder, Arbeit, Freunde, Gemeinde und Freizeit irgendwie zu einem sinnvollen Konstrukt zu vereinen. Es gelingt uns aber nicht immer. Entscheidungen für und gegen Aktivitäten müssen gefällt werden. Wir müssen manchmal durchhalten, weitermachen, uns anstrengen, auch wenn die Kräfte schwinden. Denn wir sind jetzt immer Eltern, vierundzwanzig Stunden am Tag. Alleinerziehende tragen sogar die doppelte Last. Es gibt viele Wege, Jesus in diese Situationen der Herausforderungen und Entscheidungen hineinzuholen. Ich habe zum Beispiel in der Säuglingszeit unserer Kinder oft Lobpreislieder gehört. Dadurch konnte ich von mir und meinen Sorgen weg- und zu Jesus hinsehen. Hilfreich kann auch ein Gebet sein, bei dem man den ganzen Frust rauslässt und Gott um Kraft bittet. Oder gute Freunde, die einen daran erinnern, dass man nicht allein ist. Mir hilft oft schon die Gewissheit, dass Gott unsere Familie in seiner Hand hat, egal, was passiert. Wie Jesus schon sagte: „Kommt alle her zu mir, die ihr euch abmüht und unter eurer Last leidet! Ich werde euch Ruhe geben.“ (Matthäus 11, 28).

Corinna Lang ist Übersetzerin und wohnt mit ihrem Mann Tobias, ihren zwei Kindern Fiona (6) und Florian (2) und Hund Bessy in Siegen.

Kleinunternehmen Großfamilie: So lebt es sich mit acht Kindern

Weihnachtsfeier-Marathon, teure Schwimmbad-Tickets und abschätzige Kommentare – Großfamilie Müller hat’s manchmal schwer. Trotzdem geht die Harmonie nicht flöten. Wie das?

Fast eine Stunde ist meine kleine Familie mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs, um an den Rand Berlins zu gelangen. Zehn Minuten schlendern wir mitten auf der dörflich anmutenden Straße, denn wann hat man als Großstädter schon mal eine Straße ganz für sich allein? Schließlich machen wir vor dem fliederfarbenen Haus der Familie Müller Halt. Ein schlanker junger Mann mit südländischem Teint empfängt uns freudig und warmherzig. Martin, der Familienvater, und mein Mann kennen sich von einem gemeinsamen Musiktherapie-Studium. Schon beim Betreten der Wohnküche beschleicht mich ein Gefühl von Ehrfurcht: Hier soll eine zehnköpfige Familie leben? Davon zeugt einzig der lange Tisch mit den vielen Sitzgelegenheiten, ansonsten ist alles picobello ordentlich. Mutter Christina, auch sie hat einen südländischen Einschlag, empfängt uns genauso warmherzig und tiefenentspannt wie ihr Mann. Ihr Bauch kann schon nicht mehr ganz verbergen, dass darin gerade ein elftes Familienmitglied heranwächst.

EIN TISCH VOLLER KINDER

Vom Tisch blicken mir drei adrett gekleidete Jungen im Grundschulalter entgegen, die geduldig vor ihren Tellern warten, auf denen bunte Kuchenstücke liegen. Zu ihnen gesellen sich in den nächsten Minuten, fröhlich plaudernd, fünf weitere Kinder im Alter von knapp zwei bis fünfzehn Jahren. Trotz kühler Temperaturen ist unser fast zweijähriger Sohn der einzige mit einer Rotznase und auch der einzige, der sich schon vor offiziellem Beginn des Kaffeetrinkens am Obstteller bedient. Nun wird gesungen und fröhlich zugelangt. Den Papageienkuchen hat der zehnjährige Wilhelm fast ohne Hilfe gebacken.

Als ich mein Diktiergerät einschalte, wandern immer mal wieder neugierige Blicke aus zehn Augenpaaren zu mir herüber, bereit, sich jederzeit am Gespräch zu beteiligen.

NOCH NICHT VOLLSTÄNDIG

Das Haus mit den sechs Kinderzimmern hat die Familie 2011 bezogen, als die Grundstückspreise noch erschwinglich waren. Die monatlichen Raten für den Kredit sind sogar ein wenig geringer als die Miete für das Reihenhaus, in dem sie vorher gewohnt haben.

Martin (Jahrgang 1979) und Christina (1978) haben sich in ihrem Heimatort in Thüringen schon im Jugendalter kennengelernt und mit Anfang Zwanzig geheiratet. Als sie über Familienplanung gesprochen haben, sei schnell klar gewesen, dass beide sich mehrere Kinder vorstellen konnten. Vier oder fünf mindestens. Danach hätten sie es einfach immer noch mal gewagt. Christina sagt, sie habe so ein Gefühl gehabt, noch nicht vollständig zu sein. Martin erläutert, dass ein neues Kind ja auch immer ein neuer Mensch sei, auf den man sich erst einlassen müsse: „Doch irgendwie haben unsere Kapazitäten das hergegeben.“

DER LUSTIGE PAPA

Ich bin noch immer baff von der freundlichen, selbstbewussten und bildschönen Kinderschar und frage sie nach den Superkräften ihrer Eltern, so eine Großfamilie am Laufen zu halten. Mit einem Lachen verrät die 14-jährige Elisabeth: „Papa ist sehr geduldig.“ Und Wilhelm (10) ergänzt: „Ja, und nett.“ August (8) weiß noch hinzuzufügen: „Und lustig.“ Wie man es denn schaffe, als geduldiger, netter und lustiger Papa mehrere Kinder gleichzeitig zum Verlassen des Hauses fertig zu machen, möchte ich wissen. Daraufhin lacht Martin und gibt zu, dass das eher keine seiner Spezialfertigkeiten sei und am Ende meist die falschen Kinder die falschen Klamotten tragen würden. Christina habe da den besseren Überblick.

MAMA-SUPERKRÄFTE

Christina ist neben ihrem Mann, dem Fels in der Brandung, das Organisationsgenie. Laut Martin hat sie stets alle Termine auf dem Schirm und kümmert sich um die logistische Umsetzung. Sie sei es, die den ganzen Laden zusammen und am Laufen halte. Wilhelm bringt es auf den Punkt: „Sie hat Mama-Superkräfte“. Denn wo schon so manche Kleinfamilie über die hohe Terminbelastung durch Kindergeburtstagseinladungen und Elternsprechtage klagt, lässt Familie Müller sich nicht lumpen. Martin: „Zweimal im Jahr gibt es einen Marathon. Einmal im Dezember, wenn die ganzen Weihnachtsfeiern anstehen, und am Schuljahresanfang die Elternabende. Da stehen wir in der Regel bei jedem Termin auf der Matte.“ Martin arbeitet als Krankenpfleger und Musiktherapeut. Christina ist Sozialarbeiterin bei der Stadtmission und gerade in Elternzeit. Durch das staatliche Bildungs- und Teilhabepaket werden Hobbys und Klassenfahrten der Kinder bezuschusst. Meiner Meinung nach für den Staat ein super Deal, wenn man bedenkt, was die Kinderschar schon in einigen Jahren in die Renten- und Sozialkassen einzahlen wird.

GROSSFAMILIENALLTAG

An einem ganz normalen Wochentag unternehmen Martin oder Christina morgens um 5:50 Uhr ihren Streifzug durchs Haus, um alle Kinder zu wecken. Nach und nach versammelt sich die Familie zum Frühstück in der Wohnküche. Die 14-jährige Elisabeth ist die Erste, die mit wehenden Fahnen das Haus verlässt, denn ihr Schulweg dauert fast eine Stunde. Seit der fünften Klasse besucht sie ein musikbetontes Gymnasium im Herzen Berlins. „Ich musste einen Aufnahmetest machen, und es hat überraschenderweise funktioniert. Die Schule ist richtig cool. Wir haben extra Musikstunden und einen Chor. Montags gehe ich nach der Schule noch zur Stimmbildung.“

VOLLZEIT-JOB

Ein bisschen später machen sich die anderen Schulkinder Hannah, Agathe, Wilhelm und August auf den Weg. Bei gutem Wetter schwingen sie sich aufs Fahrrad, ansonsten nehmen sie den Bus. Albrecht und Joseph werden in den Kindergarten gebracht, und mit der knapp zweijährigen Martha besucht Christina einmal wöchentlich die Krabbelgruppe. Der Vormittag vergeht wie im Flug. Christina kämpft sich durch Wäscheberge, saugt das Haus, räumt auf, lüftet, kocht, und schon um 12 Uhr stehen die ersten Kinder wieder zum Mittagessen auf der Matte. Eine Haushaltshilfe gibt es nicht.

EIN JOB FÜR ZWEI

In den letzten Monaten musste Christina aufgrund von Schwangerschaftskomplikationen strenge Bettruhe halten. Für Martin eine echte Zerreißprobe. Gott sei Dank würden die älteren Kinder ganz selbstverständlich mithelfen, doch neben seinem Job auch noch Christinas Aufgaben zu meistern, sei sehr herausfordernd gewesen. Jetzt darf sie das Bett wieder verlassen und wirbelt in gewohnter Weise durchs Haus.

ALS PAAR AUFTANKEN

Nach den Hausaufgaben sind die Nachmittage gefüllt mit gemeinsamem Spiel im Haus und Garten, denn bei so vielen Geschwistern findet man garantiert immer einen Spielpartner. Jedes Kind ist an mindestens zwei Nachmittagen im Sportverein oder beim Musik- oder Tanzunterricht. Hier und da werden sich Fahrten mit Nachbarsfamilien geteilt. Abends gehen die älteren Kinder selbstständig zu Bett, die jüngeren werden von den Eltern gebracht. Wenn Ruhe eingekehrt ist und die Kräfte reichen, ziehen Christina und Martin manchmal noch zusammen los, um einen Abend in Zweisamkeit außerhalb des Hauses zu erleben. Die großen Mädchen sind es gewohnt, ab und zu die Jüngeren zu hüten. „Diese gemeinsame Zeit ist enorm wichtig, um als Paar aufzutanken“, erklärt Martin. „Wir schauen auch, dass im Alltag Zeiten sind, in denen wir zum Quatschen kommen. Manchmal ist das im Eifer des Gefechts eine umkämpfte Geschichte, die uns mal mehr, mal weniger gut gelingt.“

EIN ZENTRUM FÜR GROSSFAMILIEN

Martins Leidenschaften sind Musik und Literatur. Auch dafür erarbeitet er sich immer wieder Freiräume. Christina trifft sich gern allein mit einer Freundin oder widmet sich ihrem Hobby Nähen. In ihrer Gemeinde engagiert sie sich ehrenamtlich im Team für den Kindergottesdienst, den sie mit aufgebaut hat.

Sonntags setzt sich die ganze Familie in ihren Kleinbus und fährt in die Kirchengemeinde. Hin und wieder besuchen sie alle gemeinsam Freunde oder unternehmen Wochenendausflüge zu den Großeltern. Ihren Sommerurlaub verbringen die Müllers meist an der Ostsee. Dort gibt es ein Familienerholungszentrum, das speziell für Großfamilien ausgelegt ist.

ABSCHÄTZIGE KOMMENTARE

Wenn die Familie gemeinsam in der Öffentlichkeit auftritt, fallen schon auch mal abschätzige Kommentare von Fremden, oder Passanten schütteln ungläubig den Kopf. Das habe sich in den letzten Jahren jedoch deutlich verbessert, erzählen die Eltern. Die überwiegende Mehrzahl der Rückmeldungen sei positiv: „Mensch, gute Arbeit!“

KEINE KARTE FÜRS SCHWIMMBAD

Auf meine Fragen, ob es auch manchmal schwierig sei, in so einer großen Familie zu leben, erhalte ich von den Kindern nur Antworten, wie: „Nein, alles ist toll.“ Nach einigem Überlegen nennen die Eltern Eintrittskarten für den Zoo oder das Schwimmbad, die für ihre Familiengröße nicht existierten, weshalb so ein gemeinsamer Ausflug fast unbezahlbar sei.

Und Taschengeld? Hier gibt es die Regelung, dass jedes Kind pro Schulstufe, in die es geht, einen Euro pro Woche bekommt. Hannah, die Älteste, verdient sich durch gelegentliches Babysitten oder Aushilfsjobs in der Firma von Freunden etwas dazu.

PLATZ NACH OBEN?

Die Müllers sind gern mit ihrer Familie zusammen und können sich kein anderes Leben vorstellen. Unter den Kindern herrscht ein liebevoller Umgang. Alle sind sehr musikalisch und genießen das regelmäßige gemeinsame Musizieren. Ihren christlichen Glauben leben Martin und Christina durch Gebete, zum Beispiel vor dem Essen, beim Zubettbringen oder beim unregelmäßig stattfindenden Familienrat. Sie wollen den Kindern ihren Glauben nicht aufzwingen, sondern wünschen sich, dass diese ganz frei einen positiven Zugang dazu erlangen.

BLOSS KEINE VERGLEICHE

Ob auch nach Kind Nummer neun noch Platz nach oben sei, möchte ich wissen. Beide Eltern schließen das nicht aus, erwähnen nur, dass altersbedingt ja irgendwann eine Grenze erreicht sei. Nach einem herzlichen Abschied muss ich mich auf dem Heimweg bemühen, mich nicht zu vergleichen. Mir ist sogar mein eines Kind schon manchmal zu viel. Ich freue mich total für diese tolle Familie und bin überzeugt, dass jeder von ihnen genau am richtigen Platz ist und die beiden Eltern einfach eine Gabe für das Kleinunternehmen Großfamilie haben.

Anna Koppri liebt es, durch ihren Schreibjob immer wieder Einblicke in die verschiedensten Lebensbereiche zu erhalten. Mehr von ihr auf: liebenlernenblog.wordpress.com

Inzwischen ist bei Familie Müller Kind Nr. 9 dazugestoßen: Mit Adele Johanna sind nun die Mädchen in der Überzahl.

Keine Angst vorm Zockerspaß: Chancen und Risiken von Fortnite, Minecraft & Co

Videospiele gehören heute zum Leben von Jugendlichen dazu. Laut dem Branchenverband Bitcom spielen 89 Prozent der 10- bis 18-Jährigen digitale Spiele. Nathanael Ullmann sieht darin eine große Chance – aber auch Risiken.

Folgt man der Debatte über das Thema „Kind und Videospiele“, sind vor allem zwei Lager besonders laut. Die einen sehen, überspitzt gesprochen, in jedem Computerspieler den nächsten Amokläufer heranwachsen. Die anderen glorifizieren das digitale Spiel als den optimalen Lernort. Nach jahrelanger Spielerfahrung und wissenschaftlicher Beschäftigung mit dem Thema kann ich sagen: Die Wahrheit liegt, wie so oft, irgendwo in der Mitte. Ein paar Stunden in der virtuellen Welt werden kein Kind mit einem natürlichen Sozialverhalten zum Problemfall werden lassen – aber eben auch nicht zur Intelligenzbestie.

Es ist nicht zu leugnen, dass in der digitalen Spielewelt Gefahren lauern. Trotz allem bin ich ein großer Befürworter der Idee, Kinder – auch virtuell – spielen zu lassen. In diesem Artikel möchte ich beide Seiten beleuchten. Einerseits will ich darauf aufmerksam machen, wo Fallstricke hinter den Pixeln lauern, andererseits aber auch Angst nehmen.

DIE VORURTEILE

Wenn ich über Computerspiele rede, begegnen mir immer wieder falsche Vorstellungen. Mit zweien möchte ich hier aufräumen.

„Videospiele machen einsam“
In der Gesellschaft fällt mir regelmäßig ein vorherrschendes Bild auf: vom einsamen Zocker, der im dunklen Raum vor der Flimmerkiste sitzt. Und tatsächlich sitzt der Spieler ja erst einmal alleine vor dem Rechner oder der Konsole. Aber besorgte Eltern kann ich beruhigen: So einsam, wie Ihr Kind wirkt, ist es vielleicht gar nicht. Seit einiger Zeit ist auf dem Spielemarkt eine Bewegung hin zu so genannten „Multiplayer-Games“ zu sehen. Das heißt: Menschen aus aller Welt können sich online treffen und gemeinsam spielen. Nun darf man das nicht mit verklärter Brille sehen. Je nach Spiel kann der Umgangston zwischen den Nutzern durchaus harsch sein. Auf der anderen Seite regt das gemeinsame Spiel zu zwischenmenschlicher Interaktion an.

Regelmäßig treffe ich mich online mit Freunden. Ein Treffen im echten Leben wäre abends unmöglich, wohnen wir doch weit verstreut. So können wir uns trotz allem hören, gemeinsam etwas erleben und uns austauschen. Wir lösen zusammen Aufgaben, feiern Erfolge und haben Spaß. Zocken macht also nicht zwingend einsam. Es bleibt jedoch die Frage, ob Kinder, wenn die Zeit und Entfernung es zulassen, sich nicht lieber „in echt“ sehen sollten. Und natürlich wird digitaler Kontakt niemals reale Treffen ersetzen können. Wie so häufig gilt auch hier: Es kommt auf das richtige Maß an. Unterhält ihr Kind nur noch online Freundschaften, sollte das angesprochen werden. Trifft es seine Freunde gelegentlich online, kann das eine wertvolle Bereicherung sein.

„Videospiele machen dumm“
In dieser Deutlichkeit ist mir dieses Vorurteil zwar selten begegnet. Aber es schwingt immer wieder mit. Dabei können Computerspiele durchaus sinnvoll sein. Vorderhand entspannen sie natürlich. Aber auch darüber hinaus sind sie eine gute Schule. Ein Kind, das Minecraft spielt, kann lernen, von sich heraus kreative Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Ich selbst habe während meiner Schulzeit gewinnbringend das Strategiespiel Civilization III gespielt – die historischen Hintergründe haben mir die römische Geschichte zugänglicher gemacht.

DIE GEFAHREN

Ich wäre nicht seriös, würde ich die Gefahren des Spielens totschweigen. Vor allem an drei Stellen sehe ich Stolpersteine, von denen Eltern wissen sollten.

Die Sucht
Videospielsucht ist ein schwieriges Thema. Das lässt sich nicht leugnen. Gerade das Genre Rollenspiel nutzt bewusst Strategien, um Nutzer über lange Zeit bei der Stange zu halten. Hier kann man eben ein Level aufsteigen, dort noch eine Aufgabe (genannt Quest) erledigen. Die Chance auf großen Ruhm lockt viele in die virtuellen Alternativwelten – und lässt sie nicht mehr los. Das Mittendrin- Gefühl, das Spiele anderen Medien voraushaben, tut dann das Übrige. Das gilt bei weitem nicht für jedes Genre und jeden Spieler. Ich halte es zudem nicht für eine gute Lösung, Kindern deswegen das Spielen ganz zu verbieten. Klare Grenzen sollte es aber geben. Die EU-Initiative Klicksafe empfiehlt beispielsweise, Kinder zwischen vier und sechs Jahren nicht mehr als 30 Minuten am Tag in Begleitung der Eltern spielen zu lassen. Jugendliche zwischen elf und 13 Jahren sollten laut Klicksafe nicht mehr als 60 Minuten spielen. Definieren Sie mit Ihrem Kind im Bestfall Regeln. Beispielsweise: Wie viele Runden darf es nach den Hausaufgaben spielen?

Das Glücksspiel
Eng mit dem Thema „Sucht“ hängt auch das Thema „Glücksspiel“ zusammen. Seit einigen Jahren ist es in der Branche üblich, Spieler zu Zusatzkäufen zu verlocken. Manch ein Spiel, gerade auf dem Smartphone, kommt kostenlos auf den Markt, setzt aber darauf, dass Kunden für zusätzliche Waffen, Karten oder Outfits extra bezahlen. Die Methoden sind nicht selten dem Glücksspiel entlehnt. Anfangs wird der Spieler mit Gratis-Belohnungen überhäuft, er lernt den Reiz des schnellen Erfolgs kennen. Später werden die Belohnungen zurückgefahren, er soll dafür bezahlen. Die Gegenstände sind in Truhen versteckt, in denen ein nebensächlicher Artikel oder eine unglaublich seltene Waffe warten können – was der Käufer bekommt, ist Zufall. Hierfür kann eine Menge Geld ausgegeben werden. Wenn Programme mit Begriffen wie „Free2Play“ locken, sollten Eltern einen kritischen Blick darauf werfen.

Die Gewalt
Auch zur Gewalt in Videospielen muss ich ein Wort verlieren. Ja, eine Vielzahl von Mainstream-Spielen setzt darauf, dass der Spieler mit einer Waffe umgehen muss. Und ja, Videospiele können auch gewaltverherrlichend sein. Ich selbst hatte als kleiner Knirps im Urlaub viel zu lange die Möglichkeit, auf dem PC meines Cousins GTA: Vice City zu spielen. Diese Gewalteindrücke konnte ich lange nicht verarbeiten. Auf der anderen Seite möchte ich hier relativieren: Erstens gibt es aus ebendiesem Grund Altersfreigaben, die auf jeden Fall beachtet werden sollten. Gewisse Spielinhalte kann ein Kind noch gar nicht verarbeiten – dazu gehört je nach Alter auch die Waffengewalt. Zweitens gibt es gerade außerhalb des Massenmarktes eine Vielzahl an Spielen, die vollkommen friedlich daherkommen. Ein Beispiel ist das Adventure „Fire“ vom deutschen Entwicklerstudio „Daedelic“. Hier klickt sich der Spieler als Steinzeitmensch durch eine liebevoll gezeichnete Welt. Die Besonderheit: „Fire“ kommt ohne geschriebene Worte aus. Auch die meisten Nintendo-Titel (wie die Super Mario-Reihe) sind, was Gewalt angeht, eine Empfehlung wert. Zwar kann man in diesen Titeln gegen Monster kämpfen, das ist, mit wenigen Ausnahmen, allerdings absolut kinderfreundlich dargestellt.

WAS KÖNNEN ELTERN TUN?

Eltern sollten das Spielverhalten des Sohnes oder der Tochter in geregelte Bahnen lenken. Wegen bestehender Gefahren lohnt sich ein kritischer Blick. Wie kann der aussehen?

Zuhören und Mitmachen
Wenn Ihr Kind Spiele liebt, wird es darüber reden wollen. Auch wenn es Sie vielleicht nicht interessiert, kann aufmerksames und interessiertes Zuhören nur sinnvoll sein. So erfahren Sie am leichtesten, in welche Spielwelten es gerade versinkt. Und so können Sie auch am ehesten erfahren, ob das Erlebte zu seiner Altersklasse passt. Noch besser als nur zuzuhören ist natürlich das Mitmachen. Gerade in jungen Jahren ist das gemeinsame Spielen eine unglaubliche Freude. Die Montagnachmittage, an denen mein Vater und ich uns durch Monkey Island gerätselt haben, zählen noch heute zu den schönsten Erinnerungen meiner Kindheit.

Informieren
Ein großer Vorteil des Informationszeitalters ist, dass es über jedes moderne Spiel eine Vielzahl an Artikeln gibt. Erwähnt ihr Kind, dass es Fortnite spielt, ist es ein Leichtes, diesen Begriff zu googeln. Webseiten wie www. spieleratgeber-nrw.de erklären fachlich fundiert die Hintergründe zu den wichtigsten Titeln. Und wenn Ihnen Texte über den Titel nicht reichen, können Sie ein so genanntes „Let’s Play“ schauen. Das sind Videos, in denen Spieler sich beim Zocken filmen. So wissen sie ganz schnell, wie das Spiel funktioniert und ob es für Ihr Kind geeignet ist.

USK beachten
Ein großer Segen, den wir in Deutschland haben, ist die USK, die „Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle“. Kein Spiel, das in den Laden kommt, kommt ohne diese Kennzeichnung aus. Mit einem Blick auf die Verpackung lässt sich leicht erkennen, ab welcher Altersstufe ein Game geeignet ist. Problematisch wird es, wenn Ihr Kind die Spiele nicht mehr im Laden, sondern online kauft. Einige Shops wie der Google Play Store oder der Xbox Store sind Teil des IARC-Systems, das eine Alterseinstufung nach einem automatisierten Verfahren vergibt. Diese Kennzeichnung kann ebenfalls ein Anhaltspunkt sein. Sinnig ist es zudem, gerade bei jüngeren Kindern, Online-Spieleplattformen wie Steam nicht fest mit einem Bezahl-Konto zu verknüpfen. Neue, kostenpflichtige Spiele können Ihre Kinder dann nur gemeinsam mit Ihnen erwerben. So behalten Sie den Überblick.

Nathanael Ullmann ist Volontär in der Online-Redaktion des SCM Bundes-Verlags und beim Männer-Magazin MOVO.

„Gott hat meine Geschichte umgewandelt“

Eine Kindheit ohne Liebe und Geborgenheit kann dazu führen, dass ein Mensch gebrochen durchs Leben geht. John McGurk hat eine solche Kindheit hinter sich. Doch er läuft hoffnungsvoll durchs Leben und engagiert sich für Kinder, die ähnliche Erfahrungen machen. Ines Schobert hat den gebürtigen Schotten besucht.

Es ist ein frühsommerlicher Nachmittag Ende Mai. Ich bin mit John McGurk in Osnabrück verabredet. Er hat mich zum Interview zu sich und seiner Frau nach Hause eingeladen. Gedanklich bin ich noch mitten in der Lebensgeschichte meines Interview-Gegenübers. Ich habe seine Biografie gelesen. Seine Geschichte hat mich völlig gepackt und berührt.

ARMUT UND GEWALT

John McGurk ist Anfang der sechziger Jahre in Schottland aufgewachsen, südlich von Glasgow. Die ersten Jahre seines Lebens verbrachte er mit seinen fünf Geschwistern und seinen Eltern. Wie in vielen Familien dieses Stadtteils war das Leben der McGurks geprägt von Gewalt, Armut, Arbeitslosigkeit, Alkohol und hoher Frustration. Sein Vater hielt sich die meiste Zeit im Pub auf. Seine Mutter war damit beschäftigt, etwas Essbares aufzutreiben. Sie kümmerte sich nicht oft um die Kinder. Ihr Mann schlug sie – auch in Anwesenheit der Kinder.

Vor diesem Hintergrund stelle ich mir vor, dass John wohl eher in einer fiesen Ecke von Osnabrück wohnt. Ich schäme mich meiner Vorurteile und erwische mich bei dem Gedanken, dass gleich ein Mann vor mir stehen wird, der bestimmt ganz mitgenommen vom Leben ist. Doch ich werde eines Besseren belehrt. Ich parke vor dem Haus der Familie McGurk, einem Einfamilienhaus mit Garten und netter Nachbarschaft. Als ich klingele, öffnet mir ein attraktiver, fröhlicher und sehr herzlicher John. Ich werde an den schön dekorierten Esstisch gebeten, auf dem Johns Unterlagen verstreut sind: Laptop, Fotos, Briefe, Lupe … Utensilien für das, was ihn zurzeit beschäftigt: seine Geschichte zu teilen!

DIE HÖLLE AUF ERDEN

Und diese Geschichte teilt er nun mit mir. Er berichtet von der traurigen Kindheit in seinem Elternhaus: „Ich verlor den Glauben an das Gute und den Glauben an mich selbst.“ Als die Situation zu Hause eskaliert, ergreift Johns Mutter die Flucht und verlässt ihre Familie. Der Vater ist mit der Versorgung der Kinder überfordert und so werden sie auf verschiedene Kinderheime verteilt.

Doch im Kinderheim ergeht es John nicht besser. Er wird schikaniert und vom Heimleiter misshandelt. „Es war die Hölle auf Erden“, sagt John rückblickend. Und auf seine gesamte Kindheit bezogen stellt er fest: „Ich kann mich an keinen einzigen Moment erinnern, an dem ich mich geborgen fühlte oder wirklich nachhaltig glücklich war.“ Trotzdem hat John es – anders als die meisten seiner Geschwister – geschafft, einen Weg heraus aus Armut, Alkoholismus, Gewalt und Beziehungsunfähigkeit zu finden und ein hoffnungsvoller und engagierter Mensch zu werden.

Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg war seine Entscheidung, zur schottischen Armee zu gehen. Die Grundausbildung fand in Edinburgh statt. Hier entdeckte er bei sich die Begeisterung für den Sport. Er arbeitete hart an sich, um immer der Erste zu sein. Außerdem wurde er als bester Soldat ausgezeichnet. „Hier bekam ich echte Aufmerksamkeit“, erinnert er sich. „Der Tag war strukturiert und ich wurde gefordert.“ John verpflichtete sich als Berufssoldat. Er bekam das Angebot, mit seinem Regiment nach Deutschland zu gehen und sagte zu. So landete er in Osnabrück. „Ich setzte große Hoffnung in den Neustart auf dem Kontinent. Endlich konnte ich meine Vergangenheit hinter mir lassen.“

GÖTTLICHES WUNDER

John erzählt mir lange von seiner Zeit in Osnabrück. Von Rückschlägen, Einsamkeit, schicksalhaften Begegnungen, Träumen und von Erfahrungen mit Gott. Mir wird klar, dass die Antwort auf die Frage, wie sich John von seiner Vergangenheit befreien konnte, hier zu finden ist. Es hat etwas damit zu tun, dass er den Glauben an Gott entdeckte. Dass er seine Frau Katja kennenlernte. Und dass er einen unglaublich starken Willen hat. So konnte er eine Lebenswende erleben, die an ein göttliches Wunder grenzt! Er konnte einen inneren Heilungsprozess erfahren, der alles menschliche Ermessen übersteigt.

Herzlichkeit, Wärme und Authentizität ist in unserem Gespräch und im ganzen Haus spürbar. Während wir reden, kommt die Schwiegertochter zu Besuch. John und Katja kümmern sich rührend um ihr Enkelkind, das an diesem Abend bei ihnen übernachtet. Katja berichtet, dass es John immer ein Anliegen war, ihren Kindern und nun auch den Enkelkindern mit viel Liebe, Humor und Wohlwollen zu begegnen.

John und Katja sind seit 28 Jahren ein Ehepaar. Vorher war John schon einmal verheiratet. „Ich bin einmal geschieden, es war eine kurze Episode“, berichtet er. Aus dieser Ehe stammt eines seiner drei Kinder. „Zu meinem Kind habe ich guten Kontakt. Aber zu einer Ehe war ich zu dem Zeitpunkt nicht in der Lage.“ Nachdem seine Ehe in die Brüche gegangen war, haderte er mit seinem Schicksal: „Setzt sich alles fort?“, war seine ständige Frage.

NACH VORN BLICKEN UND GUTES TUN

Gerade als es ihm besonders schlecht ging, hatte er einen Traum: „Der Himmel öffnete sich, eine Frau hielt ihre Hand über meinen Körper. ‚Gott gab dir ein großes Herz, und Gott hat Großes mit dir vor‘, sagte sie immer und immer wieder.“ Dieses Erlebnis änderte alles: „Ich hörte auf zu trinken und zu rauchen, begann regelmäßig zu essen. Und ich habe meine jetzige Frau kennengelernt. Ich habe mein Leben in den Griff bekommen durch Träume, Glauben, Sport und eine liebende Frau.“

Katja und John lebten im selben Stadtteil. Katja musste immer an Johns Wohnung vorbei. Irgendwann haben sie auf der Straße miteinander gesprochen. John lud sie auf einen Kaffee ein. Sie lernten sich näher kennen und lieben. Lange hat John Katja nicht von seiner Vergangenheit erzählt. Selbst nach 15 Jahren wusste sie immer noch nicht alles, gesteht John. Er musste sich erst einmal mit sich selbst versöhnen und mit viel Scham klarkommen. „Der Schmerz wird nie weggehen“, ist sich John sicher. Seine Strategie: wenig nachdenken, immer nach vorn blicken und Gutes tun!

LAUFEN FÜR KINDER

Gutes tun – das macht John, indem er läuft. Beim Laufen sammelt er Spenden für Kinder, die wie er schlechte Voraussetzungen fürs Leben haben – mittlerweile sind dabei über 1,5 Millionen Euro zusammengekommen. Sein Markenzeichen bei den vielen Läufen, die er schon absolviert hat, ist sein Kilt, der Schottenrock, mit dem er sich selbst an seine eigene Kindheit und Herkunft erinnert. Johns Frau und auch ihre beiden erwachsenen Kinder unterstützen ihn in seinem Engagement. Sie haben den Verein „Sportler 4 a childrens world e. V.“ gegründet, in dem sich Johns Sohn Nico einbringt. Außerdem leiten John und seine Tochter Mandy die Stiftung „Eine Zukunft für Kinder“.

Neben seinem Engagement arbeitet John im Schichtdienst in der Papierindustrie. „Oft laufe und trainiere ich noch nach der Spätschicht oder sofort nach dem Aufstehen von der Nachtschicht. Dabei fallen mir immer wieder hilfsbedürftige Menschen auf und ich komme mit ihnen ins Gespräch. Oder ich helfe Obdachlosen oder sammel Müll auf. Gott scheint meine Geschichte tatsächlich umgewandelt zu haben in ein Nach-vorne-Schauen und Gutes-Tun für andere.“

EINE TIEFE BERÜHRUNG VON GOTT

Der christliche Glaube spielt für John McGurk eine zentrale Rolle. „Seitdem ich in Osnabrück bin, habe ich etwa zwanzig Träume von Gott geschenkt bekommen. Alle diese Träume habe ich aufgeschrieben. Alle Träume haben sich erfüllt und bewahrheitet. Ich empfinde eine tiefe Berührung von Gott in meinem Herzen und Leben. Das macht mich fähig zu lieben und zu geben.“ Groll oder Wut gegenüber Gott verspürt er nicht: „Ich empfinde zutiefst, dass Gott überhaupt keine Schuld an all dem Leid in meinem und unserem Leben hat. Auch nicht an dem, was in der Welt passiert. Er kann nur lieben. Die Menschen sind schuld, und er guckt traurig zu, was auf seiner Erde passiert …“

Sich selbst und seinen Nächsten zu lieben, ist für ihn das wichtigste Gebot. „Mich selbst lieben: Damit stellt mir Gott die größte Herausforderung mitten in den Weg. Wenn man in den ersten Jahrzehnten des Lebens immer wieder eingetrichtert bekommt, dass man nichts kann und ist, dann verkümmert die Selbstliebe. Mein Selbstbewusstsein und damit auch die Liebe zu mir selbst habe ich mir erkämpft. Meinen Nächsten lieben: Das sind die vielen Kinder, die Opfer von Armut, Gewalt und Lieblosigkeit sind. Ich gehe wachsam durch die Welt auf der Suche nach Menschen, denen ich helfen kann, und auf der Suche nach Verbündeten. Und ich finde sie. Immer wieder. An den ungewöhnlichsten Orten.“

Ines Schobert lebt mit ihrer Familie in Bad Essen bei Osnabrück. Seine ausführliche Lebensgeschichte hat John McGurk in dem Buch „Aufstehen, Kilt richten, weiterkämpfen“ aufgeschrieben, das im September bei SCM Hänssler erscheint.

„Meine Gefühle stritten mit meinem Glauben“

Ihr Kind zu begraben, hat Regina Neufelds Glauben an Gott, an einen guten, fürsorglichen Gott, stark erschüttert. Und dann gestärkt. Doch um zu dieser neuen Tiefe zu gelangen, musste sie den Zerbruch zulassen und sich den unangenehmen Fragen stellen, die sie als „gute Christin“ eigentlich nicht denken wollte.

Sechs Jahre ist es nun her. Wir hatten uns so auf unser drittes Kind gefreut. Und dann der Schock: Samuel hatte einen Herzfehler und andere Fehlbildungen. In der 34. Schwangerschaftswoche wurde er per Kaiserschnitt geholt und unsere Welt hörte auf, sich zu drehen. Er war zwar stabil, doch die Diagnose Trisomie 18 sagte uns, dass er nicht lange bei uns bleiben würde.

Wir haben gebetet. Viel gebetet. Und auch unsere Familien, Freunde, Bekannten und Menschen, die wir gar nicht persönlich kannten, haben für Samuel gebetet. Dass er gesund zur Welt kommen würde. Doch das ist er nicht. Dass er bald nach Hause kommen würde, um Zeit mit seiner Familie zu verbringen. Doch auch diesen Wunsch hat Gott uns nicht erfüllt. An Tag 54 ist er vom Krankenhaus aus in den Himmel geflogen. Warum, Gott? Warum war Samuel krank? Warum hatten wir so wenig Zeit?

BETROGEN UND LEER

Ich kann die Menschen nur zu gut verstehen, die sagen, dass sie nach einer solchen Erfahrung nicht mehr an einen guten, liebenden Gott glauben können. Die Wahrheit ist: Wir sahen einfach keine Alternative. Wohin hätten wir gehen sollen? Wir wussten rein rational, dass Gott der Einzige war, der uns halten konnte, obwohl wir uns noch nie so von ihm im Stich gelassen fühlten. Meine Gefühle stritten mit meinem Glauben und ich musste entscheiden, welchen Weg ich einschlagen wollte.

Ich zog mich stark zurück in das dunkle Tal und wollte weder Menschen noch Gott an mich heranlassen. Enttäuschung, Verzweiflung und Wut konnten jedoch nicht meine Sehnsucht nach Gott auslöschen. Ich habe mich danach gesehnt, verstanden und gehalten zu werden. Mein Mann und unsere Kinder Benjamin und Hannah waren ein großer Trost für mich, aber sie konnten mich nicht dort erreichen, wo der Schmerz am größten war. Ich lag einfach da in dieser Dunkelheit, sah keinen Lichtstrahl und weinte und wurde dabei noch von meinem schlechten Gewissen geplagt, weil ich gegen Gottes Weg für mich rebellierte. Schließlich dienen denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten (nach Römer 8,28). Er weiß, was er tut. Er ist alles, was ich brauche. Und doch fühlte ich mich betrogen und leer.

IM DUNKLEN TAL DES TODES

Die Dunkelheit drohte, mir den letzten Lebensmut zu entreißen. Immer wieder versuchte ich, mich aufzurappeln und weiterzumachen mit dem Leben. Doch diesmal war nichts mehr da. Keine Kraft, keine Hoffnung. Plötzlich spürte ich einen starken Arm um meine Schultern. Eine warme Hand wischte mir die Tränen von den Wangen. Gott saß neben mir im Staub. Ich versuchte, mich aufzusetzen, doch ich war zu schwach. Trotzdem meinten meine geschwollenen Augen, dass es etwas heller geworden war. Gott wartete. Sagte nichts. Er hielt mich. Hielt mich aus. Mein Weinen, mein Schreien, mein Schweigen. Erst als ich mich etwas beruhigt hatte, umfasste er meine Hand und zog mich ein Stück höher. Mit der Zeit spürte ich mich wieder. Ich versuchte aufzustehen, und er stützte mich. Dann wagten wir den ersten Schritt. Wir kamen nur langsam voran, doch er drängte mich nicht. Er blieb dicht an meiner Seite und stützte mich. Der Weg hinaus aus diesem dunklen Tal war lang. Die Verzweiflung meldete sich wieder. Doch ich wusste: Mit Gott an meiner Seite würde ich es schaffen. Irgendwann würde ich wieder Licht sehen. Ich würde wieder leben. Ich würde wieder lachen.

Es ist meine Entscheidung, ob ich im Dunkel liegen bleibe oder mir aufhelfen lasse und dabei sage: „Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand, du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an. Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.“ (Psalm 73,23-26)

EIN LEBEN IN ALLEN FARBFACETTEN

Heute lebe ich mit einer tiefen Lebensfreude und mit Dankbarkeit im Herzen. Mein Glaube ist fester und weiter als vor Samuels Tod. Nicht aufgrund einer Leistung oder weil ich so stark wäre. Im Gegenteil. Ich hatte komplett aufgegeben, die Kontrolle losgelassen, meine Schwäche zugelassen. Und da war Gott. Mitten in meinem Leid. Gottes Gegenwart und Stärke in meiner Leere.

Kein strenger Blick, sondern mitfühlende Tränen. Als ich in seine Augen blickte, wurde das Warum immer kleiner, das Schwarz wurde – langsam – zu grau. Und heute ist mein Leben voller Farben – kräftige neben Pastelltönen, hier und da dunkle Schattierungen. Manchmal erlebe ich auch heute noch einen grauen oder tiefschwarzen Tag. Die Sehnsucht nach meinem Sohn raubt mir immer noch den Atem. Doch ich bin nicht allein. Gott versteht mich. Er hält mich. Und das genügt. Ich muss es nicht verstehen. Ich muss es nicht gut finden und ganz sicher nicht dafür dankbar sein. Stattdessen darf ich fühlen, was ich fühle und werde dabei ausgehalten, festgehalten und wieder hochgehoben.

GOTT IST GRÖSSER ALS MEIN WARUM

Ich glaube an Gott und seine grenzenlose Liebe. Nicht weil ich ihn verstehe oder es inzwischen leichter geworden wäre. Sondern weil er da ist, ohne mich zu drängen oder etwas von mir zu erwarten. Er gibt mir Zeit und hält meine Fragen und Klagen aus. Ich darf schwach sein. Ich darf wütend sein. Ich darf trauern. Meine Tränen sind Zeugen davon, dass die Liebe zu meinem Kind größer ist als der Tod. Und das ist auch mein Glaube, der sich auf das Wissen stützt, dass Gott auch dann bei mir ist, wenn ich ihn weder erlebe noch spüre. Er ist mitten in meinem Schmerz, tiefer als meine Wut und größer als mein Warum. Darum glaube ich noch immer.

Regina Neufeld

Regina Neufeld. Foto: Mel Erdmann

Regina Neufeld ist Autorin, Referentin und Bloggerin. Sie ist Ehefrau und Mutter von vier Kindern, drei auf der Erde und eins im Himmel. Über den Umgang mit Samuels Tod hat sie ein Buch geschrieben: Viel zu kurz und doch für immer. (Gerth Medien)

Das Baby und ich: Keine Ahnung vom Muttersein?

Das Gefühl, keine gute Mutter zu sein, kann sehr lähmend wirken. Rachel Hollis kennt diese Gedanken und hat sie als Lüge enttarnt.

Ich bin die schlimmste Schwangere, die du je getroffen hast. Ich hasse einfach jeden Aspekt an einer Schwangerschaft – abgesehen davon, dass man am Ende ein Baby hat. Ich bin dankbar für meine Schwangerschaften – aus tiefstem Herzen dankbar dafür, dass Gott es mir geschenkt hat, drei wundervolle kleine Jungs und ein Mädchen austragen zu dürfen. Das ist nicht selbstverständlich. Aber jeder einzelne Aspekt einer Schwangerschaft setzt mir zu.

Die Wehen sind das Schlimmste

Doch als das wundervolle Ereignis schließlich geschah, war ich in Ekstase. Erstens, weil ich endlich Jackson Cage kennenlernen konnte – unser Wunschkind, dessen Namen wir schon vor Jahren bei einer Reise quer durchs Land festgelegt hatten. Zweitens, weil ich meinen Körper nun wieder für mich allein haben würde. Ich war euphorisch, dass ich die Wehen überstanden hatte, die ich offen gesagt für das Schlimmste am Muttersein halte.

Aber als wir mit Jackson in seiner ganzen Pracht zu Hause ankamen, traf mich völlig unvorbereitet das Gefühl, als frisch gebackene Mama vollkommen ungeeignet zu sein. Ich liebte ihn unbändig. Und ich hatte Angst um ihn. Ich konnte nachts kaum schlafen, weil ich mir sicher war, dass er aufhören würde zu atmen. Das Stillen war schwierig und schmerzhaft und ich produzierte nie genug Milch, um diesen gigantischen Nachwuchs satt zu kriegen. Mein Mann war immer mein bester Freund und mein Lieblingsmensch auf Erden, aber ich erinnere mich noch an die Zeit, in der Jackson anderthalb Monate alt war, und ich Dave ansah und ernsthaft dachte, ich würde ihn hassen. Aus tiefster Seele hassen.

Elternwerden ist ein Schwindel

Jackson war sechs Wochen alt – was übrigens genau die Zeit ist, in der ungetrübter Hass am häufigsten auftritt – und wachte nachts immer noch auf. Es ist wichtig an dieser Stelle die Worte immer noch zu betonen, denn mein junges, ahnungs- und kinderloses Ich hatte gedacht, am Ende des ersten Monats hätten wir alles überstanden und befänden uns auf bestem Wege ins elterliche Paradies. Ach, mein reines, unschuldiges Herz …

Elternwerden ist ein großer Schwindel. In den ersten Wochen schwimmt man auf der großen Euphoriewelle. Liebe Menschen bringen einem Aufläufe vorbei, die Mama ist noch da und hilft und man hat diesen wundervollen kleinen Engel. Aber dann vergehen die nächsten zwei Wochen und man gerät in eine Zombieroutine. Die Brüste tropfen durch die Kleidung und man hat schon eine Woche nicht gebadet. Die Haare sehen so schlimm aus wie nie zuvor – egal. Du schaffst das schon.

In mich reingefressen

Aber nach sechs Wochen ist die Luft raus. Man denkt: Warum bin ich so erschöpft? Warum sehe ich immer noch so aus, als wäre ich im fünften Monat schwanger? Warum mache ich immer noch nichts anderes außer stillen?

Nach sechs Wochen war ich ein wenig … äh … frustriert darüber, wie sehr ich damit beschäftigt war, mich ums Baby zu kümmern. Ich hatte das Gefühl, dass Dave nicht sehr viel dazu beitrug und fand die Verantwortung, das meiste allein stemmen zu müssen, ziemlich erdrückend. Aber ich sagte kein Wort zu ihm. Ich wickelte das Gefühl fest ein und schluckte es ganz tief hinunter, wo es niemandem in die Quere kam. Eines Tages unterhielten wir uns über irgendetwas, als die Bombe platzte. „Ich bin müde.“ Das war es, was er sagte. Das waren seine Worte. Meine Welt wurde aus den Angeln gerissen, und meine Augen nahmen das Achtfache ihrer normalen Größe an. Aber er war zu sehr mit Reden beschäftigt: „Ich bin todmüde, weil ich heute Morgen so früh aufgewacht bin … blablabla … weitere falsch verstandene Worte.“

Komplett ausgerastet

Ich rastete komplett aus. Ich weinte, ich lachte, ich überlegte, wer dieses Baby aufziehen würde, wenn ich Dave mit dem Plastikschlauch meiner Milchpumpe erdrosselte. Und um eins der berühmtesten Zitate unserer gesamten Ehe zu wiederholen: „Bei unserer Hochzeit hätte ich nie gedacht, dass ich dich einmal so sehr hassen könnte wie jetzt!“ Das war sicher nicht meine Sternstunde. Aber zu meinem Glück stecken Beziehungen voller Chancen für Gnade.

Selbst als das Baby anfing, durchzuschlafen (und wir auch), war ich ein Wrack. Ich liebte Jackson, aber ich hatte das Gefühl, keine richtige Bindung zu ihm zu haben. Ich hatte solche Angst, etwas falsch zu machen, dass ich mich nie entspannte. Ich war so darauf bedacht, den Haushalt zu erledigen und dafür zu sorgen, dass sein Strampler fleckenfrei blieb, dass ich es nie einfach nur genoss, eine junge Mutter zu sein. Ich glaube, ich hatte solche Angst, ihm gegenüber zu versagen, dass ich mir selbst gegenüber versagte.

Ich habe vergessen, wer ich bin

Weil ich so sehr darauf bedacht war, wie wir als Familie wirkten, hatte ich mir nie die Zeit genommen, eine Verbundenheit zu spüren. Und weil ich das Gefühl hatte, keine gute Mutter zu sein – die eine Sache, die man doch von Natur aus beherrschen sollte –, war ich mir sicher, restlos zu versagen. Im Rückblick erkenne ich, dass meine Wahrnehmung von Bildern aus dem Internet und aus Zeitschriften geprägt war. Ich verschwendete so viele Sorgen daran, irgendeinem Pinterest-Standard nicht zu entsprechen, dass ich komplett vergaß, wer ich eigentlich war.

Die einzig wahre To-do-Liste

Das hier ist wichtig für junge und werdende Mamas: Hör zu! Du brauchst nicht schon vorher alles geplant zu haben. Du brauchst auch nicht alles zu wissen. Die Handgriffe, die ein Neugeborenes am Leben erhalten, sind ziemlich simpel: füttern, kuscheln, liebhaben, feuchte Windeln wechseln, warmhalten, wieder kuscheln.

Die tägliche To-do-Liste einer frischgebackenen Mama sollte auf zwei Punkte zusammengestrichen werden:

1. Sich um das Baby kümmern.
2. Sich um sich selbst kümmern.

Peng. Ende.

Mist, du hast die Wäsche heute nicht gemacht? Guck auf deine Liste: Hast du dich um das Baby gekümmert? Ja. Hast du dich um dich selbst gekümmert? Auch ja. Na also, ich glaube, du hast die Mamasache drauf. Ich schätze, die Wäsche kann warten.

Wie bitte? Du bist traurig, weil du die Kilos von der Schwangerschaft noch nicht wieder runter hast? Nimm dir deine prima-praktische To-do-Liste mit den exakt zwei Punkten noch mal zur Hand. Lebt das Baby noch? Super. Was ist mit dir – atmest du noch ein und aus? Na dann – es klingt, als seist du die beste Mama überhaupt. Mach weiter!

Keine Angst vor dem Versagen

Pinterest ist klasse, und das Kinderzimmer in perfekt aufeinander abgestimmten Farben zu dekorieren, ist der halbe Spaß am Kinderkriegen. Durch Instagram surfen? Klar, ich sehe immer noch gern bei den ganzen schwangeren Insta-Frauen vorbei, immer auf der Suche nach tollen Outfits, die zur Kugel passen! Es ist gut, über den Tellerrand zu blicken, wenn wir unsicher sind, weil Neues anbricht – und selten sind wir so unsicher wie als junge Eltern. Aber lass mich dir eins sagen:

Der Gott, der Mond und Sterne und Berge und Meere geschaffen hat, glaubte, dass du und dein Baby zusammenkommen sollten. Das heißt nicht, dass ihr perfekt zusammenpasst. Das heißt nicht, dass du nicht auch Fehler machen wirst. Das heißt aber, dass du keine Angst vor dem Versagen haben brauchst, denn es ist unmöglich, in einer Aufgabe zu versagen, für die du geschaffen wurdest.

Du bist gut

Irgendwo denkt eine zynische Leserin gerade an all die Eltern, die dennoch versagen. Es gibt viele Mütter, die schlechte Entscheidungen treffen, die sich selbst oder ihren Kindern Verletzungen zufügen. Als frühere Pflegemutter weiß ich aus eigener Erfahrung, dass gerade jetzt in diesem Moment Säuglinge misshandelt und vernachlässigt werden, und selbst wenn ein heiliger Plan sie zu ihren Müttern brachte, ist es für sie vielleicht nicht das Beste, auch dort zu bleiben.

Aber über diese Mütter rede ich hier nicht. Ich spreche mit dir. Lass dich nicht von der Sorge zermürben, ob dein Kind einem festen Schlafrhythmus folgt, nur Bio-Gläschen isst oder schnell sitzen lernt. Ich spreche mit derjenigen, die all die Bücher und Artikel liest und sich überfordert fühlt bei der Frage, was denn das Richtige ist, wenn man doch so viele falsche Entscheidungen treffen kann. Allein, dass du dir so viele Gedanken machst, zeigt doch schon, dass du voll bei der Sache bist und das Beste erreichen willst. Das zeichnet die besten Eltern aus. Und der Rest regelt sich dann schon von allein.

Was mir geholfen hat:

1. Eine Clique finden. Suche dir eine Gruppe von Frauen, die wissen, was es bedeutet, eine junge Mutter zu sein. Solidarität ist eine große Kraft. Es tut gut, sich mit einer Frau zu unterhalten, deren Baby ihr auch aufs Shirt spuckt.
2. Mich von Pinterest fernhalten.
Aus Liebe zu allem, was mir heilig ist – niemand sollte nach einem großen Lebensereignis Zutritt zu Pinterest haben. Warum? Weil man entweder das Gefühl hat, etwas zu verpassen oder das eigene Leben, Kinderzimmer oder Gewicht dem anpassen zu müssen, was man im Internet sieht. Achte einmal darauf, was dir Angst macht und wodurch du an dir zweifelst. Wenn es die Sozialen Medien sind, tu deinem Herzen einen Gefallen und lege eine Pause ein. Ich verspreche dir, dass sie noch da sind, wenn du mehr Schlaf bekommst und emotional stabiler bist.
3. Aus dem Haus gehen.
Jeden. Tag. Wieder. Das Beste, was du für dich selbst, deine Gesundheit und dein Kind tun kannst, ist, den Ort des Verbrechens zu verlassen. Verabschiede dich für eine Weile von dem Ort mit dem Geschirr in der Spüle und dem überquellenden Windeleimer. Pack dein Kind in die Trage oder Karre und spaziere durchs Viertel. Steck dir Kopfhörer ins Ohr und höre Beyoncé oder Adele oder einen Podcast über Firmenethik. Tu, was nötig ist, damit du nicht vergisst, dass ein Leben außerhalb deines Nestes existiert und dass du immer noch dazugehörst.
4. Mit jemandem über meine Gefühle sprechen. Lügen lassen sich wirksam aufdecken, wenn wir sie vor jemandem laut aussprechen. Egal, ob du dir dafür deinen Mann, deine Freundin oder eine liebe Verwandte aussuchst: Zu erzählen, dass du zu kämpfen hast, kann dir die notwendige Unterstützung verschaffen, um all die Irrtümer aufzuklären, die dein Leben bestimmen.

Rachel Hollis ist die Gründerin der Website The-ChicSite und Geschäftsführerin von Chic Media. Mit ihrem Mann und ihren vier Kindern lebt sie in Austin, Texas. Dieser Text ist ein Auszug aus ihrem Buch „Schmink’s dir ab. Lass die Lügen los und lebe“, das gerade bei SCM Hänssler erschienen ist.

Ein Kind isst Schokolade aus einem Glas.

Nutellafrühstück bei Oma

Mit den Eltern unter einem Dach zu leben, ist für eine Familie Gewinn und Herausforderung zugleich. Von Beate Kuhn

„Man sollte als junges Ehepaar so weit weg von den Eltern wohnen, dass man die Schürze ausziehen muss, um sich gegenseitig zu besuchen!“ Als junge Frau habe ich über diese Lebensweisheit den Kopf geschüttelt: Damals lebte ich als unerfahrene Mutter von zwei kleinen Kindern und mit einem vielbeschäftigten Ehemann 320 Kilometer entfernt von meinen Eltern und vermisste viel zu sehr den gegenseitigen Kontakt, um den Wahrheitskern zu erahnen. Erst später habe ich verstanden, dass ein gewisser Abstand beiden Seiten auch guttun kann.

Zurück nach Hause

Nach zwölf Jahren zogen wir aus beruflichen Gründen zurück in die alte Heimat und nahmen das großzügige Angebot meiner Eltern an: Ihnen war das Haus nach dem Tod meiner Großeltern zu groß geworden. Sie verkleinerten sich auf das Dachgeschoss und machten uns als fünfköpfiger Familie Platz. Den konnten wir gut gebrauchen. Nach Mehrfamilienhaus und Gemeinschaftsgarten fühlten wir uns auf nunmehr 200 Quadratmetern und Garten wie im Paradies und breiteten uns aus. Die darauffolgenden Jahre unter einem Dach sind angefüllt mit vielen schönen Erfahrungen, aber auch mit manchem Konfliktstoff. Kinder und Eltern wurden älter – und wir mittendrin: Verwoben in eine Gratwanderung zwischen dem Idealbild der harmonischen Großfamilie und der Realität, dass wir alle Fehler machen. Wenn ich darüber erzähle, möchte ich weder schwarzmalen noch idealisieren.

Heimliche Verschwörungen

Das Zusammenleben birgt eine Menge Vorteile: Die Kinder hatten Oma und Opa in greifbarer Nähe – für beide Seiten ein Schatz fürs Leben! Die Palette der großelterlichen Liebestaten ging vom großzügigen Nutellabrotfrühstück über geduldige Taxifahrten bis hin zu heimlichen „Verschwörungen“. So kennen wir bis heute nicht die wirklichen Geschehnisse jener ereignisreichen, spontanen Partynacht, in der wir als Eltern außer Haus waren und Oma und Opa Hintergrunddienst hatten.

Auch wir Älteren profitieren: Bis heute wandern alle Näharbeiten in den Nähkorb meiner Mutter – und mein Mann hat seine Schwiegereltern geduldig an die Finessen und Tücken eines Tablets und Smartphones herangeführt. Geteilte Arbeit ist halbe Arbeit: Mein Vater werkelt gern, und einmal in der Woche kocht meine Mutter für uns alle, was uns einiges an Arbeit abnimmt. Und sobald eine Regenwolke am Horizont auftaucht, bietet mir mein Vater sein Auto an. Wie lieb!

Im Notfall ganz nah

Als mein Vater schwer erkrankte, haben wir miteinander die Hände gefaltet und Gott in den Ohren gelegen. Tatsächlich offenbaren Krankheitstage den kostbaren Wert einer solchen Hausgemeinschaft: Schnell mal die Treppe hochzuspringen, nach dem Rechten zu schauen und ein freundliches Wort zu wechseln, kostet keine Minute. Die zumutbare Fürsorge für den Fall einer dauerhaften Pflegebedürftigkeit ist bisher nicht eingetreten, aber miteinander vereinbart.

Nicht zuletzt hat es finanzielle Vorteile, anfallende Kosten zu teilen – so sind wir alle an einem Ort, den wir lieben und der Platz und Freiheiten bietet, die sich eine Partei für sich allein auf Dauer nicht leisten könnte.

Bitte anklopfen!

Natürlich gibt es auch Konfliktfelder: Die in unseren ersten Ehejahren liebgewonnene Unabhängigkeit war nicht so leicht aufrechtzuerhalten. Mein Mann mag seine Schwiegereltern sehr, aber ebenso seine Privatsphäre. Er plädierte deshalb von Anfang an für den Einbau eines üblichen Türschlosses. Ich wiederum fürchtete, dass dies von meinen Eltern missverstanden würde und hoffte darauf, dass das vereinbarte Beachten der Privatsphäre funktionieren würde.

Und so gibt es immer wieder Situationen, die schwierig sind: Meine Eltern müssen sich bis heute dazu überwinden, im ehemals eigenen Haus den Weg in den Keller nicht durch unsere Wohnung, sondern außen um das Haus herum zu nehmen. Oder unseren Bereich tatsächlich nicht zu betreten, wenn niemand von innen „Herein“ ruft. Auch der Umgang mit Nacktheit in den eigenen vier Wänden erfordert Erfindungsreichtum und eine gehörige Portion Humor. Dann das Konfliktfeld Garten: Meine Eltern lieben gepflegte Beete, wir ziehen bei schönem Wetter einen Ausflug dem Rasenmähen vor. Kompromisse sind auf beiden Seiten nötig. Der Samstag war in meiner Herkunftsfamilie von jeher Arbeitstag, mein Mann freut sich jedoch nach einer stressigen Woche auf „lazy time“. So muss immer ein Mittelweg gefunden werden. Als Ehefrau und Tochter stehe ich öfter zwischen den Stühlen. Das empfinde ich als anstrengend.

Nicht alles mitbekommen

Beim Zusammenleben ist klare Kommunikation eine große Hilfe, hier war und ist mir mein Mann ein großer Lehrmeister.

Mittlerweile sind die Kinder ausgezogen und wir sind nur noch zu viert. Unsere Kinder und Enkelkinder leben alle weiter weg. Wenn ich sie treffen möchte, muss ich mir nicht nur „die Schürze abbinden“, sondern jedes Mal einen Koffer packen! Das bedaure ich schon mal. Aber auch wenn mein Omaherz dann seufzt, weiß mein Kopf: Die junge Familie ist eine Einheit für sich. Nichts braucht sie weniger als Großeltern, die alles mitbekommen. Und offen gestanden: Neben aller Sehnsucht genießen wir Alten ebenfalls, dass wir nicht alles mitbekommen!

Ganz viel Verständnis

Wir sind also nun selbst schon fast in der Phase angekommen, in der meine Eltern damals die Entscheidung getroffen haben, uns den Einzug anzubieten. Ihre damit verbundenen Opfer und Lernprozesse kann ich deshalb immer besser verstehen. Dazu kommt unsere wachsende Einsicht über die Prägung der Generation Kriegskinder, für die Ordnung und Besitz einen anderen Stellenwert haben als in meiner Generation. Ich verstehe meinen Vater, wenn er seinen Rasen pflegen möchte. Und ich verstehe mich, wenn ich bei schönem Wetter manchmal andere Pläne habe. Dazwischen liegt der weise Satz des Paulus: „Einer achte den anderen höher als sich selbst.“ – Lösung und Kunststück zugleich. Danke, Paulus!

Beate Kuhn ist Ehefrau, Mutter, Oma und Tochter, lebt in Bad Berleburg und bezeichnet ihre derzeitige Lebensphase als spannenden „Altweibersommer“.

Papa mit Drei-Tage-Bart: So sehen Kinder Gott

Was tun, wenn Kinder nach Gott fragen? Jugendpastor Bastian Erdmann klärt über Dos und Don’ts bei der religiösen Erziehung auf.

Warum ist es dir wichtig, dich mit Gottesvorstellungen auseinanderzusetzen?
Mir ist erst einmal wichtig wahrzunehmen, dass meine eigene Gottesvorstellung nicht vom Himmel gefallen ist und ich die auch nicht allein aus der Bibel gewonnen habe. Ich glaube, meine Vorstellung von Gott ist immer in meiner bestimmten Lebenswelt gewachsen. Das ist schon in der Bibel zu sehen: Ein Nomadenvolk kann mit dem Bild eines Hirten sehr viel anfangen. Ein Volk in Gefangenschaft wünscht sich einen starken Retter. In den Zeiten der Könige, wo es in Israel viel Unrecht gab, hat die Menschen die Vorstellung von Gott als einem guten Richter abgeholt. Wenn ich es auf einen Satz bringen sollte, würde ich sagen: Gott ist für mich dort, wo ich ihn brauche. Und er begegnet mir so, wie ich es jetzt zum Leben brauche.

Wie entwickelt sich das Gottesbild von Kindern? Und welchen Einfluss haben Eltern darauf?
Eltern sind die erste Projektionsfläche für die Gottesvorstellung der Kinder. Deshalb prägen sie ihr Gottesbild. Für Kleinkinder ist Gott so etwas wie der ideale Papa oder die ideale Mama – eine tröstende, lächelnde, erwachsene Bezugsperson. Eines unserer Kinder hat mal Gott gemalt und hat dafür mein Gesicht mit einem Dreitagebart gemalt. Damals war ich noch Gemeindepastor und habe mich nur im Urlaub nicht rasiert. Da steckte zwischen den Zeilen: Gott ist ein bisschen so wie Papa, wenn er Urlaub hat. Das hat mich sehr berührt. Nicht, dass ich Gott spielen wollte, aber ich habe dann doch sehr auf meine freien Tage geachtet.

Letztlich kommt es also viel mehr auf das an, wer ich bin, als auf das, was ich sage?
Ja. Bis zum Alter von 12 Jahren stellen Kinder sich Gott wie eine Person vor, die sie anfassen können, und sie malen ihn auch so. Bis in dieses Alter hinein ist es gar nicht so entscheidend, was ich sage, sondern was ich bin. Dass ich ihnen Begleiter bin und sie und ihre Fragen ernst nehme – das ist viel wichtiger, als die richtigen Antworten zu geben. Ab etwa 14 Jahren fangen Jugendliche an, in den so genannten theologischen Diskurs zu treten. Dann ändern sich auch die Gottesbilder noch mal, Symbole werden wichtig. Dann zeichnen sie Gott nicht mehr als Menschen, sondern vielleicht als Hand oder als Stütze oder als Licht.

Welche Aspekte von Gottes Wesen sind denn in welchem Alter wichtig?
Für ganz kleine Kinder ist es der freundliche und unterstützende Begleiter. Später ist es der starke Kämpfer an ihrer Seite. Irgendwann wird es auch der Gerechte, der immer ganz genau weiß, was richtig und was falsch ist.

Können Eltern das Gottesbild ihrer Kinder prägen?
Es ist unmöglich, es nicht zu prägen.

Ist es denn möglich, zu steuern, wie das Gottesbild der Kinder aussieht?
Ja schon und zwar, indem ich gucke: Was ist das Thema der Kinder jetzt gerade, was brauchen sie und welchen Zugang zu Gott kann ich ihnen anbieten? Es ist meine Aufgabe als Vater oder Mutter, meinen Kindern zu vermitteln: Was auch immer in deinem Leben passiert, es gibt einen Gott, der für dich ansprechbar ist. Das lernen sie dadurch, dass ich ihnen Gott erlebbar und erfahrbar mache.

Also würdest du immer eher vom Kind her denken?
Unbedingt! Ich kann das am besten an einem Beispiel aufzeigen. Im Kindergarten war eine Erzieherin, die den vier- und fünfjährigen Kindern Ostern erklären wollte. Und so hat sie den Kindern anhand eines Bilderbuches Jesu Sühnetod am Kreuz erklärt, mit kleinen Herzen, die schwarz waren und einer Blutsbrücke, über die dieses eine Herz rübermusste. Am Ende des Tages haben viele Kinder nicht gut schlafen können. Daraufhin habe ich mit der Erzieherin gesprochen und sie betonte, dass alles, was sie gesagt hatte, der Bibel gemäß sei. Aber ich habe ihr gesagt: „Ich möchte jetzt erst mal wissen, was die Kinder verstanden haben. Und wenn das, was die Kinder verstanden haben, bibelgemäß ist, dann bin ich ruhig. Aber wenn das, was die Kinder verstanden haben, nicht mit der Botschaft der Bibel übereinstimmt, dann müssen wir uns unterhalten.“ Das ist für mich das Entscheidende: Was kommt bei den Kindern an? Für Eltern bedeutet das, dass ich nicht überlege: Welches Gottesbild möchte ich vermitteln? Sondern: Welches Gottesbild haben die Kinder jetzt gerade nötig?

Was wäre für dich denn ein No-Go bei der Vermittlung von Gottesbildern?
Ein No-Go wäre für mich, ein Gottesbild zu fördern, das mir etwas bringt, aber nicht den Kindern. Also zum Beispiel Gott als Erziehungsverstärker zu nehmen. Wenn ich als Vater mit meinem Latein am Ende bin, dann den lieben Gott in den Zeugenstand zu rufen und zu sagen: „Gott sieht das und er ist traurig, wenn du mir nicht gehorchst.“

Wie sollten Eltern reagieren, wenn das Kind ein „merkwürdiges“ Gottesbild hat? Sollen sie es korrigieren oder es dem Kind lassen?
Eltern sollen ihr Kind fragen! Damit können sie nur gewinnen. Außerdem: Was ist überhaupt ein merkwürdiges Gottesbild? Ist ein merkwürdiges Gottesbild eines, das meinen Vorstellungen widerspricht? Jesus selbst hatte ein merkwürdiges Gottesbild. Zumindest fanden das viele fromme Menschen damals. Falsch ist ein Gottesbild dann, wenn es dem Leben im Weg steht und nicht guttut. Das kann passieren, wenn man fremde Bilder ungeachtet der eigenen Lage übernehmen will oder soll. Eltern haben manchmal das Gefühl, sie müssten das wahre biblische Gottesbild beschützen. Ich glaube, Gott kann ganz gut auf sich selbst aufpassen.

Das Interview führte Christiane Henrich.