„Zeigt euren Kindern, wie ihr euch versöhnt!“

Ein Gastbeitrag von Artur Wiebe:

„Wer von euch hat seine Eltern schon einmal streiten gesehen?“ Die meisten Schülerhände heben sich an einem Freitag in meinem Ethikunterricht zum Thema „Rache & Vergebung“. Dann frage ich weiter: „Und wer hat schon einmal gesehen, wie die Eltern sich wieder versöhnt haben?“ Ergebnis: Fast keiner hebt die Hand. Auf die Nachfrage, warum das so ist, bekomme ich von den Jugendlichen mit meist muslimischem Hintergrund nur eine vage Antwort: „Irgendwann war bei denen halt alles wieder okay.“

Streit in der Familie, der Gesellschaft und der christlichen Gemeinde geschieht „automatisch“: ein falsches Wort, eine ungünstige Situation oder einfach ein schlechter Tag. Versöhnung dagegen ist kein Selbstläufer. Eine Auseinandersetzung plant man eher selten. Aber im Unterschied dazu muss man bei Versöhnung bewusst Schritte aufeinander zugehen.

Menschen sehen und lernen am Vorbild. Kann es sein, dass es unseren Kindern an konkreten Beispielen fehlt, wie man sich nach einem Streit wieder versöhnt? Wenn sie unsere Auseinandersetzungen mitbekommen, lernen sie, dass und wie man sich streitet. Aber wenn sie unsere Schritte, wie man sich wieder versöhnt, nicht mitbekommen, lernen sie genau das nicht. Die Haltung „Schwamm drüber …“ oder „War doch gar nicht so schlimm …“ führt selten zu Frieden und Versöhnung. Wer seinen Streit unter den Teppich kehrt, versteckt dort gleichzeitig auch die Versöhnung. Nicht die Auseinandersetzung ist das Problem, sondern wie wir damit umgehen. Ich meine daher: Kinder, die ihre Eltern streiten sehen, haben auch ein Recht darauf, mitzubekommen, wie sie sich wieder vertragen. Denn dann sehen und lernen sie Versöhnung.

Artur Wiebe ist Redaktionsleiter der Zeitschrift CHRISTSEIN HEUTE.