Eine Schale Erdbeeren im Frost. Symbolbild: Vladimir Soldatov, Getty Images

Erdbeeren im Winter

Aus Liebe zur Schöpfung: Warum uns der Klimaschutz so schwerfällt, er aber trotzdem unerlässlich ist. Von Robert Pelzer

Nach dem Abendessen machte ich mich daran, die Pfannen und Töpfe abzuwaschen. Ich suchte das Spüli, fand es aber nicht. Stattdessen stand dort diese neue schicke Flasche, die aussah wie ein Seifenspender. Ich drückte oben drauf und bekam etwas Schaum in die Hand. Als ich meine Frau fragte, was das sei, erzählte sie mir erfreut, dass sie wasserlösliche Tabletten besorgt habe. Nun bräuchten wir keine Spüliflaschen mehr zu kaufen, was ja Verpackungsmüll einsparen würde. Das fand ich gut, und ich machte mich mit dem Schaumspender an den Abwasch. Ich merkte schnell, dass ich sehr oft auf dieses Fläschchen drücken musste, um genügend Spülmittel für die fettigen Pfannen zu bekommen und dass selbst mit viel Schaum die Spülkraft nur so mittelmäßig war. Als Letztes spülte ich das Backpapier ab. Wir haben wiederverwendbares Backpapier, denn das spart Müll. Ich bekam die klebrige Schicht jedoch einfach nicht ab. Letzten Endes trennten wir uns von den Spülitabletten und entsorgten den nachhaltigen Spender wieder. Weil wir die klebrige Schicht auch mit normalem Spülmittel nicht wegbekamen, entsorgten wir auch das wiederverwendbare Backpapier, das sich als doch gar nicht so wiederverwendbar erwiesen hatte.

Ich war frustriert. Wir wollen doch unseren Beitrag leisten, Ressourcen sparen, weniger Energie und weniger Plastik konsumieren. Das ist uns allen wichtig, vor allem meiner 12-jährigen Tochter. Seit Neuestem liebt sie Unverpacktläden und gibt dort immer ihr Taschengeld aus. Wir essen kaum noch Fleisch, etwa einmal pro Woche als Familie. (Okay, ich esse auf der Arbeit manchmal heimlich einen Burger zum Mittag, meine Kinder nehmen in der Schulkantine hin und wieder das Fleischgericht, weil vegetarisch an dem Tag mit Blumenkohl ist, und vielleicht machen wir noch eine kleine Ausnahme und gehen am Wochenende Döner essen.) Alles in allem geben wir uns Mühe, finde ich. Aber ich bin frustriert, weil sich der Aufwand manchmal nicht zu lohnen scheint und zumindest durch diese Spüli- und Backpapiergeschichte mehr Müll entstanden ist, als wenn wir einfach normal weitergemacht hätten.

Es ist kompliziert

Aber warum bin ich eigentlich frustriert? Nur weil ein paar gut gemeinte, aber undurchdachte Produktlösungen nicht zielführend waren? Eigentlich ist es doch toll, dass die Industrie versucht, mit kreativen Lösungen dem Thema Nachhaltigkeit zu begegnen. Und es ist auch klar, dass dabei nicht jeder Ansatz erfolgreich sein kann. Nein, ich merke, dass die Gründe für meine Frustration andere sind.

Zuallererst ist es kompliziert und vielschichtig. Auf der Arbeit hatte letzten Januar jemand Erdbeeren mitgebracht. Ich saß in der Pause am großen Gemeinschaftstisch, nahm mir eine Erdbeere und bot meinem Kollegen auch eine an. Dieser schaute mich entgeistert an, schüttelte den Kopf und sagte: Erdbeeren im Januar? Ich verstand sofort, was er meinte. Irgendwie hatte er recht. Erdbeeren im Winter zu essen, muss ja nicht sein. Und doch wird es kompliziert: Plötzlich ist es falsch, Obst zu essen. Ständig muss man dazulernen und erfährt zum Beispiel, dass Avocados Unmengen an Wasser in Regionen verbrauchen, wo dies Mangelware ist und den Kleinbauern fehlt.

Ein anderer Freund fragte neulich, ob er denn bald nur noch Moos essen dürfe, ohne sich schlecht zu fühlen, und drückte damit das Grundgefühl aus, das viele gerade haben: So vieles, was man bisher sorglos konsumieren konnte, scheint neuerdings dem Planeten zu schaden. Zugegeben, das Dazulernen ist manchmal anstrengend. Ich kann mich doch im Alltag nicht ständig mit allen Zusammenhängen befassen, um sicherzustellen, dass ich auch wirklich nachhaltig bin, oder? Ja und nein. Vielleicht müssen es nicht alle Themen auf einmal sein, sondern Stück für Stück. Aber wir leben nun mal in und vor allem profitieren wir von einer global vernetzten Welt, in der unser Handeln Konsequenzen irgendwo anders hat. Dass wir diese Konsequenzen bedenken, hat etwas mit der Verantwortung zu tun, die erwachsene Menschen für ihr Tun übernehmen müssen.

Ohnmachtsgefühl

Doch es kann sich schnell das Gefühl einstellen, dass das ganze eigene Leben eine Belastung für den Planeten sei. Auf einer Fridays-for-Future-Demo, auf der ich mit meiner Tochter war, fielen mir Mädchen auf, die T-Shirts trugen mit Slogans wie „Parasit Menschheit“. Es stimmt ja, dass wir als Menschen der maßgebliche Grund für die Zerstörung des Planeten sind, aber andererseits sind wir ja auch Teil dieses Planeten. Die Natur und wir – das lässt sich nicht trennen. Und meines Erachtens liegt darin auch schon die Lösung des Problems. Wenn wir anfangen würden zu verstehen, dass wir nicht außerhalb der Natur existieren, sondern Teil von ihr sind und sie brauchen, dann beenden wir hoffentlich schleunigst ihre Zerstörung.

Aber dann stellt sich mir manchmal die Frage, ob alle unsere Anstrengungen überhaupt etwas bringen, und ich bekomme dieses lähmende Ohnmachtsgefühl. In Anbetracht der Situation und der Fülle an Themen und Zusammenhängen kann man schon das Gefühl bekommen, die Lage sei aussichtslos. Menschen vermeiden Plastik und lernen dann, dass Glas aus Gründen der Energiebilanz auch nicht unproblematisch ist. Ich habe aber manchmal den Eindruck, dass eine „Das bringt doch eh nichts“-Haltung nur eine Ausrede ist, passiv zu bleiben. Ich habe schon mit Menschen diskutiert, die gegenüber allen Hilfsorganisationen eine zynische Haltung hatten, nur um zu rechtfertigen, dass sie nie spenden.

Warten auf die Apokalypse

Neben Zynikern, Turbo-Kapitalisten und Klimaleugnern, die den menschengemachten Klimawandel für eine Lüge halten, gibt es noch eine andere Gruppe, die leider manchmal dadurch auffällt, dass sie dem Thema Klimaschutz nicht allzu viel Bedeutung schenkt. In manchen frommen Kreisen tut man sich immer noch schwer damit, die Klimakrise angemessen zu adressieren. Unsere Jesus-Freaks-Pullis zum Beispiel hatten damals die Aufschrift: „Alles geht in Arsch, Jesus bleibt!“ Das spiegelte unsere Sicht auf die Entwicklung der Welt wider, die eher negativ und fatalistisch geprägt war. Wir warteten ständig gespannt auf eine unabwendbare Apokalypse.

Doch wer so denkt, wird selten dazu beitragen, eine nachhaltige Verbesserung in der Welt zu erreichen, sei es im Sozialen, sei es bezogen auf die Umwelt. Und leider tragen Menschen, die so denken, oft selbst dazu bei, dass nichts besser werden kann, und erfüllen damit ihre eigene Prophezeiung selbst. Der Weltklimarat geht davon aus, dass in den nächsten 70 Jahren viele Teile der Welt unbewohnbar werden, wenn unser Verhalten ungebremst so weitergeht. Ich finde es deshalb paradox, dass einige Gemeinden, die seit Jahrzehnten das baldige Weltende proklamieren, im Hinblick auf diese von uns Menschen verursachte, reale Bedrohungslage so still sind.

Stattdessen kommt es nicht selten vor, dass Energie und Zusammenhalt für Streitthemen verpulvert werden, wie zum Beispiel die Frage, ob Frauen ebenso wie Männer in Lehr- oder Leitungspositionen agieren dürfen. Gemeinden, die sich in Anbetracht der weltweiten Lage mitsamt Hungersnöten, sozialen Ungerechtigkeiten und einer Klimakrise, die die gesamte Menschheit bedroht, mit Themen beschäftigen, die für die meisten Menschen schon vor Jahrzehnten nicht mehr relevant waren, schaffen sich zunehmend selbst ab.

Nicht zu spät

„Mag sein, dass der Jüngste Tag morgen anbricht, dann wollen wir gern die Arbeit für eine bessere Zukunft aus der Hand legen, vorher aber nicht.“ Dieser Satz von Dietrich Bonhoeffer spricht mir aus der Seele. Denn er drückt die Hoffnung dafür aus, dass es noch nicht zu spät ist. Er drückt aus, dass es sich lohnt, weil es besser werden kann. Und er bringt auch unsere eigene Verantwortung zum Ausdruck. Die Verantwortung für diesen Garten, für diese Erde, die uns von Gott gegeben wurde, wird uns nicht abgenommen werden. Deshalb lohnt es sich bei aller Komplexität, dieses dringende Thema trotz unseres vollen Alltags nicht aus den Augen zu verlieren. Unser Handeln hat einen Einfluss!

Weil man über das eigene Konsumverhalten die meiste Kontrolle hat, haben wir als Familie wie anfangs beschrieben beim Einkaufen begonnen. Den Fleischverzehr zu reduzieren, ist zum Beispiel nicht nur gesund und erspart Tierleid, auch der CO2-Abdruck pflanzlicher Proteine ist um ein Zigfaches niedriger. Denn der Regenwald wird in diesen Momenten weiter abgeholzt, nur um Soja für Tierfutter anzubauen, das weltweit ca. 77 Prozent des gesamten Agrarlandes beschlagnahmt. Wichtig ist, dass wir beginnen, das zu tun, was in unserem Einflussbereich liegt. Dabei kann es helfen, wenn wir uns ein relevantes Thema herausnehmen und damit fokussiert beginnen. Lieber mit wenig starten und immer mehr dazulernen, als gar nicht zu beginnen, weil es zu kompliziert und aussichtslos erscheint oder weil es unbequem ist. Vielleicht können wir das nicht immer hundertprozentig. Aber es stimmt, was die Mädels und Jungs bei den Klimademos rufen: Es gibt keinen Plan(eten) B – und die Lage ist mehr als nur ernst.

Robert Pelzer arbeitet als Forschungsingenieur in einem Berliner Start-up und macht gerade eine Coaching-Ausbildung. Mit seiner Frau und seinen drei Kindern lebt er in Pankow.