Teenager im eigenen Zimmer. Symbolbild: Getty Images / Sneksy

Wenn Teens sich zurückziehen: So können Eltern reagieren

Wenn aus Kindern Teens werden, ziehen sie sich von ihren Eltern zurück, suchen aber doch auch immer wieder ihre Nähe. Familienberaterin Daniela Albert verrät, wie Eltern das Dilemma lösen können.

„Was liest du, guckst du oder zockst du gerade?“ Das sind neuerdings Fragen, die mein Mann oder ich am Abend gestellt bekommen, wenn wir unseren eigenen Beschäftigungen nachgehen. Normalerweise ist es dann schon nach 21 Uhr. Ich muss mich noch daran gewöhnen, dass um diese Zeit bei uns nicht mehr die selige Ruhe aus Grundschultagen herrscht.

Zwei unserer Kinder sind endgültig aus der Phase herausgewachsen, in der sie sich um 20 Uhr ins Bett gelegt und geschlafen haben. Stattdessen hantieren sie viel später noch herum, suchen Hefte oder bringen ihre Brotdosen in die Küche. Und nicht selten kommen sie noch einmal zu uns und fragen, was wir tun.

Unaufdringliche Präsenz

Unausgesprochen wollen sie jedoch etwas anderes wissen: Darf ich dazukommen? Ist bei dem, was du gerade machst, Raum für mich? Darf ich mit dir zusammen ein bisschen auf den Bildschirm schauen, eine Tasse von deinem Tee schnorren und dir vielleicht erzählen, was ich den ganzen Tag für mich behalten habe? Von der Mathearbeit, die ich mit Sicherheit vergeigt habe, den Freundinnen, die sich in letzter Zeit so komisch verhalten, der Gruppe, aus der ich mich ausgeschlossen fühle? Darf ich dir erzählen, welches YouTube-Video mich gerade beschäftigt und welchen Gaming-PC ich cool finde? Können wir zusammen schweigen, damit ich es nicht allein in meinem Zimmer tun muss?

Ich gebe zu: Manchmal denke ich mir in solchen Momenten, dass ich meine Abende lieber allein verbringen würde. Gleichzeitig weiß ich, dass sie so wichtig und wertvoll sind.

Wenn unsere Kinder größer werden, gehen sie mehr und mehr in eine Welt, in die wir nur auf Einladung Zutritt haben. Wir wissen nicht mehr selbstverständlich, was sie beschäftigt, mit wem sie rumhängen oder welche Wünsche und Träume ihnen gerade durch den Kopf geistern. Oft wollen die Heranwachsenden das auch gar nicht. Dass sich gerade junge Teenager und Pre-Teens zurückziehen, ist normal. Doch das bedeutet nicht, dass sie uns nicht brauchen. Das tun sie. Unsere Ohren und unsere Herzen. Unsere unaufdringliche, kaum sichtbare Präsenz in ihrem Leben.

Kontrolle oder Laissez-faire?

Was diese Präsenz angeht, kann man auf beiden Seiten vom Pferd fallen. Man kann sich mit dem Loslassen unfassbar schwertun und das Gefühl haben, dass man die Zügel viel stärker in der Hand behalten will. Müsste ich nicht noch Hausaufgaben kontrollieren und die Eltern der neuen Freunde mal anrufen? Sollte ich nicht darauf beharren, dass das Hobby, das keinen Spaß mehr macht, weitergeführt wird? Kann mein Kind seine Verpflichtungen als angehender Konfirmand wirklich allein organisieren? Sollte ich seine Chats lesen? Und wie viel Mitspracherecht habe ich eigentlich noch bei Klamottenauswahl und Körperpflege?

Ich kann aber auch zu wenig präsent sein. Der völlig freie Zugang zu Medien kann sich, gerade bei jüngeren Teenagern, als richtig schlechte Idee erweisen. Wie viel Laissez-faire ich an den Tag lege, wenn Jugendliche um die Häuser ziehen, hängt wohl auch sehr vom individuellen Reifegrad und dem Wohnort ab – aber auch hier kann ein allzu sorgloser Umgang mit einem bösen Erwachen enden. Und dass unser Kind Probleme in der Schule hat, sollten wir auch nicht erst beim Unterschreiben des Zeugnisses merken.

Egal, wie wir es halten, wir werden wohl bei der Begleitung von Teenagern auch mal stürzen. Ich denke, das gehört dazu, wenn wir mit ihnen einen neuen Lebensabschnitt beginnen. Genau wie wir im Rückblick das eine oder andere aus der Babyzeit anders machen würden, werden sich auch Entscheidungen, die wir mit älteren Kindern treffen, als falsch erweisen. Das ist okay und gehört dazu. Großwerden ist heute unfassbar komplex. Keine Elterngeneration vor uns musste sich mit so vielfältigen Herausforderungen, gerade in der medialen Welt, auseinandersetzen, wie wir ihnen gegenüberstehen.

Zuhören und ernst nehmen

Genau deswegen habe ich für mich festgestellt, dass es vor allen Dingen einen Bereich gibt, bei dem ich nicht loslassen möchte: unseren Dialog. Ja, manchmal würde ich meine Abende gern anders verbringen. Und gleichzeitig ist es ein riesiges Geschenk, dass unsere Kinder zu uns kommen. Dass sie mit uns reden. Dass sie Familienregeln ausdiskutieren wollen und nicht einfach hinter unserem Rücken brechen.

Das läuft nicht immer harmonisch ab. Im Gegenteil, es kostet meinen Mann und mich gelegentlich Zeit, Schlaf und Nerven und geht manchmal nicht ohne Geschrei und Tränen vonstatten. Und doch ist es wichtig, dass wir einander anhören, ernst nehmen, uns entgegenkommen und Kompromisse finden.

Gerade bei strittigen Themen müssen wir Eltern uns bewusst machen, worum es eigentlich geht. Denn was für uns nach einem sinnvollen Verbot klingt, kann für den Teenager eine Vollkatastrophe sein. Nicht nur verderben wir damit vielleicht jede Menge Spaß – wir katapultieren das Kind mitunter auch aus einer sozialen Gruppe heraus. Dabei ist Zugehörigkeit ein menschliches Grundbedürfnis, und gerade Jugendliche finden sie nun einmal vor allem unter ihren Peers.

Im Dialog bleiben

Das bedeutet nicht, dass wir alles toll finden und erlauben müssen. Aber wir schulden unseren Kindern, dass wir uns kritisch mit der Frage auseinandersetzen, warum wir etwas nicht wollen: Hat das triftige Gründe oder spielen hier übertriebene Ängste mit hinein? Trauen wir unserem Kind zu wenig zu oder treffen wir eine gute Entscheidung zu seinem Schutz? Wo kann ich großzügig sein und auch mal einen Glaubenssatz über Bord werfen, um meinem Kind Raum für seine Bedürfnisse zu geben? Und wo bleibt mir nichts anderes übrig, als seine Freiheit zu beschneiden zu dem Preis, dass es sich unter seinen Freunden ausgeschlossen fühlt?

Für viele dieser Fragen suche ich meine Antworten noch, und für einige kann das, was sich heute richtig anfühlt, morgen schon nicht mehr passen. Im Dialog zu bleiben, scheint mir der einzig hilfreiche Weg durch diesen Dschungel. Neben dem Vertrauen auf den großen Reiseführer im Himmel, der sowieso seine ganz eigenen Geschichten mit unseren Kindern schreibt.

Daniela Albert ist Erziehungswissenschaftlerin und Eltern- und Familienberaterin (familienberatung-albert.de). Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Kaufungen bei Kassel und bloggt unter eltern-familie.de.