Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

Will mein Kind sich umbringen?

„Meine Tochter (6) droht mir manchmal an, sich umzubringen, wenn ich etwas von ihr verlange, sie es aber nicht tun will. Wie ernst muss ich solche Androhungen nehmen, und was kann ich dagegen tun?“

Wenn ein Kind damit droht, sich umzubringen, ist das für Eltern sicherlich erschreckend und verunsichernd. Auch wenn Selbstmorde bei Kindern unter zehn Jahren so gut wie nie vorkommen, sollte man diese Aussage nicht ignorieren, sondern sich genauer anschauen, was dahintersteckt.

Merkmale einer kindlichen Depression

Um diese Aussage zunächst besser einordnen zu können, sollte man mit seinem Kind darüber sprechen. Was versteht es darunter, sich umbringen zu wollen? Hat es eine Vorstellung davon oder hat es diesen Satz irgendwo gehört und merkt, dass es damit Aufgaben vermeiden kann, die es nicht ausführen möchte? Nehmen Sie sich Zeit, in Ruhe mit Ihrem Kind darüber zu sprechen. Zudem ist es wichtig zu beobachten, in welchen Situationen Kinder davon sprechen, sich das Leben nehmen zu wollen. Sagen sie dies nur in Situationen, in denen sie eine Aufgabe vermeiden möchten, oder sagen sie dies auch in anderen Situationen?

Wenn man das Gefühl hat, das Kind ist insgesamt trauriger, dann sollte dem weiter nachgegangen werden. Eine kindliche Depression äußert sich häufig in anderen Symptomen als im Erwachsenenalter und wird daher nicht immer direkt erkannt. So geben Kinder mit einer depressiven Verstimmung oftmals eher körperliche Beschwerden an. Zudem zeigen sie weniger Begeisterungsfähigkeit, manchmal wirken sie in sich gekehrt. Manchmal wirken sie jedoch auch unruhiger oder zeigen vermehrt aggressives Verhalten. Sollte Ihr Kind Symptome einer kindlichen Depression zeigen und in verschiedenen Situationen davon sprechen, sich umbringen zu wollen, dann sollte professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden.

Ruf nach Aufmerksamkeit

Des Weiteren sollte man überlegen, ob es sich bei dieser Androhung um einen Ruf nach Aufmerksamkeit handeln könnte. Vielleicht gibt es Geschwister oder andere Aufgaben, die viel Aufmerksamkeit einfordern und die sechsjährige Tochter hat zurzeit das Gefühl, etwas zu kurz zu kommen? Nehmen Sie sich bewusst Zeit für das einzelne Kind und überlegen Sie, was Ihrer Tochter guttut. Welche Sprache der Liebe spricht dieses Kind? Eine Idee könnte eine spezielle Mama-Tochter-Zeit oder Papa-Tochter-Zeit sein. Dies können jeden Tag fünf Minuten sein oder auch regelmäßig längere Aktionen. Ihr Kind wird sich über diese positiven Zeiten der vollen Aufmerksamkeit freuen und die Einzelzuwendung genießen. In solchen Zeiten können Kinder gezielt Liebe und Aufmerksamkeit auftanken, die sie dann weniger über negatives Verhalten einfordern brauchen.

Wenn Sie den Eindruck haben, dass Ihr Kind den Satz nur gezielt dazu einsetzt, um Aufgaben zu vermeiden, dann sollten Sie darauf achten, dass Ihr Kind damit nicht durchkommt. Es sollte trotzdem seine Aufgabe erledigen. Gehen Sie in der Konfliktsituation am besten nicht darauf ein und bleiben Sie konsequent. Dann wird Ihr Kind lernen, dass es keinen Sinn hat, Sie unter Druck zu setzen, und dieses Verhalten nicht mehr zeigen.

Anna Post ist Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin.

Sie ist verheiratet, hat einen Sohn und wohnt in Frankfurt.

Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com